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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 29.04.2009
Aktenzeichen: XII ZR 66/07
Rechtsgebiete: BGB, ZVG
Vorschriften:
BGB § 546 Abs. 1 | |
BGB a.F. § 566 S. 2 | |
BGB § 812 | |
ZVG § 57a | |
ZVG § 57c |
b) Bei einem Vermieterwechsel im Wege der Zwangsversteigerung ist nicht derjenige Bereicherungsschuldner, der im Zeitpunkt der Vornahme der Investitionen Vermieter war, sondern der Ersteigerer, der die Mietsache vorzeitig zurückerhält (Fortführung von Senatsurteil vom 5. Oktober 2005 - XII ZR 43/02 - NJW-RR 2006, 294).
Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 29. April 2009
durch
die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne,
den Richter Fuchs,
die Richterin Dr. Vézina und
die Richter Dose und Dr. Klinkhammer
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 19. April 2007 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Widerklage des Beklagten abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Räumung und Herausgabe von Gewerberäumen sowie darüber, ob der Mieter bei vorzeitiger Rückgabe des Mietobjektes an den Ersteigerer einen Bereicherungsanspruch gegen diesen hat.
Mit schriftlichem Vertrag vom 9. Mai 1998 mietete der Beklagte von der damaligen Grundstückseigentümerin Gewerberäume für 15 Jahre. Die B. Bank, deren 100%ige Tochter die Klägerin ist, betrieb in der Folgezeit die Zwangsversteigerung des Mietgrundstücks. Mit Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Dezember 2003 erhielt die Klägerin den Zuschlag für das Grundstück. Sie kündigte mit Schreiben vom 29. Dezember 2003 gegenüber dem Beklagten das Mietverhältnis unter Bezugnahme auf § 57 a ZVG zum nächstmöglichen Zeitpunkt. Der Beklagte verweigerte unter Hinweis auf von ihm getätigte Investitionen die Herausgabe des Mietobjektes.
Das Landgericht hat der Räumungs- und Herausgabeklage stattgegeben und die vom Beklagten hilfsweise erhobene Feststellungswiderklage als unzulässig abgewiesen. Mit seiner Berufung hat sich der Beklagte gegen die Verurteilung zur Räumung und Herausgabe gewandt und im Wege der Hilfswiderklage nunmehr beantragt, die Klägerin zu verurteilen, an ihn für die Zeit vom Tage der Räumung und Herausgabe der Mieträume bis zum 31. März 2009 monatlich 317,20 EUR, für die Zeit danach bis zum 31. März 2014 monatlich 297,70 EUR und für die Zeit danach bis zum 31. März 2019 monatlich 276,90 EUR zu zahlen. Gegen die Abweisung der Widerklage wendet sich der Beklagte mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe:
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des Berufungsurteils, soweit das Oberlandesgericht die Berufung gegen die Abweisung der Widerklage zurückgewiesen hat, und im Umfang der Aufhebung zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1.
Das Oberlandesgericht hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, ausgeführt: Das Mietverhältnis sei unabhängig von den Voraussetzungen der §§ 57 a, c ZVG beendet und die Beklagte gemäß § 546 Abs. 1 BGB zur Räumung und Herausgabe der Mieträume verpflichtet. Wegen der fehlenden Beurkundung des von den Parteien vereinbarten verlorenen Baukostenzuschusses sei die Schriftform nicht eingehalten. Gemäß § 566 Satz 2 a.F. BGB gelte der Vertrag deshalb als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen und könne daher von der Klägerin gemäß § 580 a Abs. 2 BGB jederzeit spätestens am 3. Werktag eines Kalendervierteljahres zum Ablauf des nächsten Kalendervierteljahres ordentlich gekündigt werden. Von dieser Kündigungsmöglichkeit habe die Klägerin spätestens mit Wirkung zum 31. Dezember 2005 Gebrauch gemacht.
Da die Rechtsverteidigung gegen die Räumungsklage keinen Erfolg habe, sei über die in zweiter Instanz erweiterte, gemäß §§ 263, 525, 533 ZPO zulässige Hilfswiderklage zu entscheiden. Mit dieser erstrebe die Beklagte eine Verurteilung der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der ungerechtfertigten Bereicherung. Nach der wegen des Beklagtenvorbringens zu unterstellenden Vereinbarung eines verlorenen Baukostenzuschusses komme ein Bereicherungsanspruch in Betracht, weil wegen der vorzeitigen Beendigung des langfristig konzipierten Mietvertrages der Baukostenzuschuss nicht "abgewohnt" sei und somit der rechtliche Grund der für die Zeit nach der Beendigung des Mietvertrages erbrachten Leistung weggefallen sei. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sei die Bereicherung weder nach den mit dem Zuschuss gedeckten Baukosten noch nach der durch die Mieterleistung geschaffenen Werterhöhung des Bauwerks zu bemessen, sondern allein nach den Vorteilen, die der Vermieter daraus erzielen könne, dass er vorzeitig in den Genuss der Nutzungsmöglichkeit gelangt sei, die dem Mieter für die Zeit nach tatsächlicher Vertragsbeendigung bis zum an sich vorgesehenen Vertragsablauf entgangen sei. Ob bei der Bestimmung dieses Ertragswertes ein fiktiv erzielbarer oder der mit einem Mietnachfolger tatsächlich vereinbarte Mietzins maßgebend sei, könne dahinstehen. Der Bereicherungsanspruch richte sich nämlich nicht gegen den Ersteigerer des Grundstücks, sondern gegen den ursprünglichen Vermieter. Seien die wertsteigernden Aufwendungen bereits zu einer Zeit vorgenommen worden, als der ursprüngliche Vermieter noch Eigentümer des Grundstücks gewesen sei, richte sich der Bereicherungsanspruch nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 2005 (XII ZR 43/02 - NJW-RR 2006, 294) gegen den Erwerber. Dies gelte aber nicht, wenn das Grundstück nicht rechtsgeschäftlich, sondern im Wege der Zwangsversteigerung erworben worden sei. Bei einem verlorenen Baukostenzuschuss, um den es sich nach dem Vorbringen der Beklagten handele, komme nach der Rechtsprechung des BGH (BGHZ 16, 31, 35 f.; BGH, Urteil vom 14. Juli 1960 - VIII ZR 156/59 - WM 1960, 1125) ein Bereicherungsanspruch nur gegen den früheren Vermieter, nicht aber gegen den Ersteher in Betracht. Der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 5. Oktober 2005, der ein rechtsgeschäftlicher Eigentumswechsel zugrunde liege, lasse sich nicht entnehmen, dass der Bundesgerichtshof insoweit von seiner früheren Rechtsprechung habe abweichen wollen. Zwar bestünden keine durchgreifenden Bedenken gegen die Haftung des Erstehers für als Baukostenzuschuss geleistete Mietvorauszahlungen; der Ersteher müsse nämlich ebenso wie der Realgläubiger mit solchen rechnen und könne sich ebenso wie dieser nach ihnen erkundigen. Die Erkundigungsmöglichkeit versage aber, wenn - wie hier - die Einsicht in die Mietverträge nicht zu einer Klärung führe, weil der verlorene Zuschuss nicht dokumentiert sei und der Mietvertrag auch keine Regelung über eine Abwohnbarkeit, Anrechenbarkeit auf Mietzins, Zurückzahlung usw. enthalte. Jedenfalls in diesem Fall gebiete es der Schutz der Realgläubiger, den Ersteher bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht nach Bereicherungsrecht für einen verlorenen Baukostenzuschuss des gewerblichen Mieters haften zu lassen. Die Erzielung angemessener Erlöse in der Zwangsversteigerung sei im Rahmen der dinglichen Rechtsordnung für die Realgläubiger von ausschlaggebender Bedeutung. Ihre Rechtsstellung werde gegenüber der Anerkennung ausdrücklicher Abwohn-, Mietvorauszahlungs- und Verrechnungsvereinbarungen viel weitgehender beeinträchtigt, wenn sich in der Zwangsversteigerung kein angemessener Erlös mehr erzielen lasse, weil der Ersteher dem Risiko eines Bereicherungsanspruches ausgesetzt sei. Die Realgläubiger könnten dem nur begegnen, indem sie kein oder nur ein geringeres Gebot abgäben. Vor diesem Hintergrund könne die Entscheidung des BGH vom 5. Oktober 2005 im Interesse der Rechtssicherheit im Realkreditwesen nicht auf den Erwerber des Grundstücks in der Zwangsversteigerung angewendet werden.
2.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.
a)
Zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass dem Beklagten ein Bereicherungsanspruch (Bereicherung in sonstiger Weise) zustehen kann, weil die Klägerin als Vermieterin vorzeitig, und zwar infolge ihrer Kündigung schon zum 31. Dezember 2005 und nicht erst mit Ablauf der vertraglich vorgesehenen Mietzeit in den Genuss der wertsteigernden Investition des Beklagten gekommen ist (BGH, Senatsurteil vom 5. Oktober 2005 - XII ZR 43/02 - NJW-RR 2006, 294). Dem steht auch nicht entgegen, dass - nach Auffassung des Berufungsgerichts - der auf eine bestimmte Zeit fest geschlossene Mietvertrag wegen Nichteinhaltung der Schriftform des § 550 BGB mit gesetzlicher Kündigungsfrist kündbar war. Der Umstand, dass der Mietvertrag in einem solchen Fall vorzeitig kündbar ist, ändert nichts daran, dass die Parteien einen auf 15 Jahre unkündbaren Mietvertrag haben vereinbaren wollen. Der Abschluss eines insoweit langfristigen Vertrages bildet nach wie vor die Grundlage für die von dem Beklagten getätigten Investitionen. Mit der Beendigung des Mietvertrages vor dem von den Parteien geplanten Ende ist der Rechtsgrund für die vom Beklagten vorgenommene Investition insoweit weggefallen (BGH, Urteil vom 21. Januar 1960 - VIII ZR 16/59 - WM 1960, 497, 498) mit der Folge, dass der Vermieter bereichert sein kann.
b)
Soweit das Berufungsgericht aber unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 17. Dezember 1954 (BGHZ 16, 31 ff.) und vom 14. Juli 1960 (VIII ZR 156/59 - WM 1960, 1125 ff.) meint, ein etwaiger Bereicherungsanspruch richte sich nicht gegen den Ersteigerer, sondern gegen den ursprünglichen Vermieter, kann ihm nicht gefolgt werden.
aa)
Zwar hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen einen Bereicherungsanspruch gegen den Ersteigerer verneint, allerdings stattdessen eine vertragliche Rückzahlungsverpflichtung des Ersteigerers bejaht. Mit Urteil vom 5. Oktober 2005 (a.a.O.) hat der erkennende Senat aber entschieden, dass bei einem Vermieterwechsel infolge Grundstücksveräußerung nicht derjenige Bereicherungsschuldner ist, der im Zeitpunkt der Vornahme der Investition Vermieter war, sondern der neue Vermieter, der die Mietsache vorzeitig zurückerhält. Tragender Grund dieser Entscheidung ist, dass sich der Umfang der Bereicherung nicht nach der Höhe der Aufwendung des Mieters richtet und auch nicht im Zeitwert der Investition oder der Verkehrswertsteigerung des Mietobjektes bei Rückgabe (und erst recht nicht zu einem früheren Zeitpunkt) besteht, sondern allein in der Erhöhung des Ertragswertes, soweit der Vermieter diesen früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu einem höheren Mietzins realisieren kann. Um eine derartige Möglichkeit ist der Voreigentümer, der die Nutzung zum vertraglich vereinbarten Mietzins dem Mieter bis zum Eigentumsübergang gewähren musste und gewährt hat, nicht bereichert worden. Bereichert ist vielmehr der neue Vermieter, der die Mietsache vor Ablauf der vereinbarten Mietzeit zurückerhält und sie dadurch zu einem höheren Mietzins weiter vermieten kann (Senatsurteil a.a.O.).
bb)
Diese Grundsätze gelten auch bei einem Erwerb durch Zuschlag im Zwangsversteigerungsverfahren. Der Ersteigerer erhält aufgrund seiner Kündigung die Mietsache früher zurück als nach dem Mietvertrag vorgesehen. Wenn er deshalb das Objekt zu einem höheren Mietzins als bisher vermieten kann, ist allein er und nicht der ursprüngliche Vermieter bereichert.
Die vom Berufungsgericht angeführten Bedenken, der Schutz der Realgläubiger gebiete es, den Ersteher bei vorzeitiger Vertragsbeendigung nicht nach Bereicherungsrecht haften zu lassen, teilt der Senat nicht. Die Auffassung, in der Zwangsversteigerung ließen sich keine angemessenen Erlöse mehr erzielen, weil der Interessent gezwungen sei, kein oder nur ein geringeres Gebot abzugeben, vermag nicht zu überzeugen. Sie beruht auf einem unzutreffenden Verständnis der Bereicherung. Dem vom Senat in der Entscheidung vom 5. Oktober 2005 bejahten Bereicherungsanspruch ist der Ersteigerer nur dann ausgesetzt, wenn er die Mietsache vorzeitig zurückerhält und sie zu einem höheren Mietzins als bisher weiter vermieten kann. Nur wenn er mehr erlösen kann, als er nach dem bisherigen Vertrag erhalten hat, ist er bereichert. Erlöst er nur das, was er bisher erhalten hat, besteht kein Anspruch gegen ihn. Er muss also gerade nicht befürchten, dass seine Einnahmemöglichkeiten durch einen Bereicherungsanspruch geschmälert werden, und hat deshalb keine begründete Veranlassung, ein geringeres Gebot im Versteigerungsverfahren abzugeben. Die Auffassung des Bundesgerichtshofs in den vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidungen beruht auf der - überholten - Vorstellung, dass der ursprüngliche Vermieter durch die Investition des Mieters bereichert ist. Sieht man den Umfang der Bereicherung aber nicht in der Höhe der Aufwendungen des Mieters und nicht im Zeitwert der Investitionen oder der Verkehrswertsteigerung des Mietobjektes bei Rückgabe, sondern allein in der Erhöhung des Ertragswertes, den der Vermieter früher als vertraglich vorgesehen durch anderweitige Vermietung zu einem höheren Mietzins realisieren kann (so Senatsurteil vom 5. Oktober 2005 a.a.O.), kann sich der Anspruch nur gegen denjenigen richten, der das Mietobjekt vorzeitig zurückerhält.
3.
Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Oberlandesgericht keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe die Klägerin bereichert ist. Der Rechtsstreit muss deshalb an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden, damit es die erforderlichen Feststellungen treffen kann.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf folgendes hin: Das Berufungsgericht hat unter Hinweis auf Schmidt-Futterer/Blank Mietrecht 9. Aufl. § 539 BGB Rdn. 61 ausgeführt, solange das Mietobjekt nicht geräumt und neu vermietet sei, fehle einer Ermittlung des Ertragswertes die Bemessungsgrundlage. Eine Bereicherung, die der Vermieter noch nicht realisiert habe, müsse er nicht herausgeben. Sollte das Berufungsgericht damit gemeint haben, dass der Bereicherungsanspruch gegen den Ersteher von einer Weitervermietung abhänge, so wäre dem nicht zu folgen. Der im Wege einer Neuvermietung erzielte Mietzins kann zwar ein wichtiges Indiz für die Höhe der Bereicherung sein, ist aber nicht Voraussetzung für einen Bereicherungsanspruch. Maßgeblich ist nicht die tatsächliche Vermietung, sondern die konkrete Vermietbarkeit zu einem höheren als dem bisherigen Mietzins. Das ist auch die Auffassung von Blank (Schmidt-Futter/Blank a.a.O. Rdn. 61). Die vom Berufungsgericht herangezogene Stelle befasst sich nicht mit den Voraussetzungen des Anspruchs, sondern mit der weiteren Frage, ob der Mieter den vom Erwerber erzielbaren Wertzuwachs in einem Betrag verlangen kann.
Ende der Entscheidung
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