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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Beschluss verkündet am 30.07.2009
Aktenzeichen: Xa ARZ 167/09
Rechtsgebiete: ZPO, GVG


Vorschriften:

ZPO § 36 Abs. 1
GVG § 17a Abs. 2
GVG § 17a Abs. 2
GVG § 17b Abs. 1
Hat ein Gericht in einem Prozesskostenhilfeverfahren die Unzulässigkeit des Rechtswegs ausgesprochen und die Sache an ein anderes Gericht verwiesen, ist es dem anderen Gericht verwehrt, die Rechtswegzuständigkeit im Rahmen der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch abweichend zu beurteilen (ebenso BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751, 752).
Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

am 30. Juli 2009

durch

die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und Keukenschrijver,

die Richterin Mühlens und

die Richter Dr. Berger und Dr. Bacher

beschlossen:

Tenor:

Zuständiges Gericht ist das Amtsgericht Nordhausen.

Gründe:

I.

Der Antragsteller hat unter Vorlage eines Klageentwurfs Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen das Landratsamt ... beantragt. Mit der beabsichtigten Klage will er dem Beklagten gerichtlich verbieten lassen, sein Grundstück zu betreten, und den Beklagten und dessen Mitarbeiter dazu verurteilen lassen, bei einem Zutrittserfordernis auf Grundlage hoheitlicher Rechte bestimmte, im Klageantrag näher bezeichnete Formalien einzuhalten.

Das Verwaltungsgericht Weimar hat nach Zustellung des Prozesskostenhilfegesuchs und Anhörung beider Parteien den Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Amtsgericht Nordhausen verwiesen. Das Amtsgericht hat den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe keine Aussicht auf Erfolg, weil das Amtsgericht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht zuständig sei. Darüber hinaus sei die beabsichtigte Klage unbegründet. Es gebe zivilrechtlich keine Anspruchsgrundlage dafür, ein bestimmtes Behördenhandeln zu erzwingen. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Antragstellers ist erfolglos geblieben. Das Landgericht hat in der Beschwerdeentscheidung ausgeführt, das Amtsgericht habe seine Zuständigkeit zu Recht verneint. Ob dem Antragsteller Ansprüche aus § 839 BGB in Verbindung mit Artikel 34 GG zustünden, könne dahingestellt bleiben; für eine entsprechende Klage sei das Landgericht ausschließlich zuständig.

Nach Zustellung der Beschwerdeentscheidung hat der Antragsteller beim Landgericht beantragt, die Sache gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Bundesgerichtshof vorzulegen. Diesem Begehren hat das Landgericht entsprochen.

II.

Der Antrag auf gerichtliche Bestimmung der Zuständigkeit ist zulässig. Er führt in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zur Bestimmung des Amtsgerichts Nordhausen als zuständiges Gericht für die inhaltliche Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch.

1.

Der Antrag auf Bestimmung der Zuständigkeit ist in entsprechender Anwendung von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO - ausnahmsweise - zulässig.

a)

Der Bundesgerichtshof ist für die Entscheidung zuständig. Sofern zwei Gerichte aus unterschiedlichen Rechtswegen ihre Zuständigkeit verneint haben, obliegt die Bestimmung des zuständigen Gerichts demjenigen obersten Gerichtshof des Bundes, der zuerst darum angegangen wird (BGH, Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631, 3632; BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751).

b)

Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die vorangegangenen Entscheidungen über die Zuständigkeit im Rahmen eines Prozesskostenhilfeverfahrens ergangen sind. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ermöglicht die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonfliktes auch im Verfahren wegen der Gewährung von Prozesskostenhilfe vor Rechtshängigkeit der Hauptsache, sofern das Verfahren wie hier durch Mitteilung der Antragsschrift an den Gegner in Gang gesetzt worden ist (vgl. BGH, Beschl. v. 09.03.1994 - XII ARZ 8/94, NJW-RR 1994, 706 m.w.N.).

c)

Einer Bestimmung des zuständigen Gerichts steht auch nicht entgegen, dass es im Streitfall um die Zulässigkeit des Rechtswegs geht.

Ein nach § 17a Abs. 2 GVG ergangener Beschluss, mit dem ein Gericht den beschrittenen Rechtsweg für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verwiesen hat, ist allerdings einer weiteren Überprüfung entzogen, sobald er rechtskräftig geworden ist. Auch wenn sich das Gericht, an das die Sache verwiesen wurde, an den Verweisungsbeschluss nicht für gebunden hält, kommt eine Zuständigkeitsbestimmung analog § 36 Nr. 6 ZPO grundsätzlich nicht in Betracht. Etwas anderes gilt nur dann, wenn es innerhalb eines Verfahrens zu Zweifeln über die Bindungswirkung von rechtskräftigen Verweisungsbeschlüssen kommt und keines der in Frage kommenden Gerichte bereit ist, die Sache zu bearbeiten (BGH, Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 69/01, NJW 2001, 3631) oder die Verfahrensweise eines Gerichts die Annahme rechtfertigt, dass der Rechtsstreit von diesem nicht prozessordnungsgemäß gefördert werden wird, obwohl er gemäß § 17b Abs. 1 GVG vor ihm anhängig ist (BGH, Beschl. v. 13.11.2001 - X ARZ 266/01, NJW-RR 2002, 713; ebenso BAG, Beschl. v. 28.02.2006 - 5 AS 19/05, NJW 2006, 1372 Tz. 8).

Im vorliegenden Fall haben sowohl das Verwaltungsgericht als auch das Amtsgericht und das Landgericht eine inhaltliche Befassung mit der Sache abgelehnt. Zwar hat das Amtsgericht formal über das Prozesskostenhilfegesuch entschieden. Die von ihm ausgesprochene Ablehnung dieses Gesuchs beschränkt sich jedoch auf eine Prüfung der bereits vom Verwaltungsgericht - mit abweichendem Ergebnis - behandelten Zuständigkeitsfrage. Eine Entscheidung über die sachlichen Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage steht damit noch aus. Sie kann auch nicht darin gesehen werden, dass das Amtsgericht das Klagebegehren in einer Hilfserwägung als unbegründet bezeichnet hat. Das Landgericht hat seine Beschwerdeentscheidung nicht auf diesen Gesichtspunkt gestützt, sondern lediglich über die Frage der Zuständigkeit entschieden.

Bliebe es dabei, hätte der Antragsteller keine zumutbare Möglichkeit, eine sachliche Entscheidung über sein Prozesskostenhilfegesuch zu erreichen. Zwar erwächst die Versagung von Prozesskostenhilfe nicht in Rechtskraft (BGH, Beschl. v. 03.03.2004 - IV ZB 43/03, NJW 2004, 1805, 1806; BVerfG, Beschl. v. 15.05.2007 - 1 BvR 2347/05, WM 2007, 1170 Tz. 13), so dass der Antragsteller nicht gehindert ist, einen erneuten Antrag beim Verwaltungsgericht oder beim Amtsgericht zu stellen. Angesichts des bisherigen Verfahrensverlaufs erscheint es aber unwahrscheinlich, dass die genannten Gerichte bei der Prüfung eines neuen Gesuchs von ihrer bisherigen Auffassung abrücken würden.

d)

Alle vorangegangenen Entscheidungen sind rechtskräftig und bindend.

Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts ist mangels rechtzeitiger Einlegung eines Rechtsmittels nicht mehr anfechtbar und gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG für das Amtsgericht bindend. Dies gilt auch dann, wenn die Anwendung von § 17a GVG im Prozesskostenhilfeverfahren unzulässig wäre (dafür z.B. Zöller/Lückemann, ZPO, 27. Aufl., Vor §§ 17-16b GVG Rdn. 12; Musielak/Wittschier, ZPO, 6. Aufl., § 17 GVG Rdn. 3, je m.w.N. auch zur Gegenauffassung). Eine Auslegung, nach der die genannte Bestimmung auch im Verfahren über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe anzuwenden ist, ist jedenfalls nicht unvertretbar (BGH, Beschl. v. 26.07.2001 - X ARZ 132/01, NJW 2001, 3633; vgl. auch BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751, 752).

Der Beschluss, mit dem das Amtsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe versagt hat, ist nach der Zurückweisung der dagegen eingelegten Beschwerde ebenfalls nicht mehr anfechtbar. Eine Verneinung der Zuständigkeit im Sinne von § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegt auch dann vor, wenn ein Prozesskostenhilfegesuch mit der Begründung abgelehnt worden ist, die beabsichtigte Rechtsverfolgung habe mangels Zuständigkeit keine Aussicht auf Erfolg (BGH, Beschl. v. 09.02.1994 - XII ARZ 1/94, NJW 1994, 1416).

2.

Als zuständiges Gericht für die inhaltliche Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch ist das Amtsgericht Nordhausen zu bestimmen. Dies ergibt sich aus der Bindungswirkung des Verweisungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts gemäß § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG. Diese Bindungswirkung gilt zwar nur für das Verfahren über die Gewährung der beantragten Prozesskostenhilfe, nicht auch für ein darauf folgendes Hauptsacheverfahren (vgl. BGH, Beschl. v. 18.04.1991 - I ARZ 748/90; BAG, Beschl. v. 27.10.1992 - 5 AS 5/92, NJW 1993, 751, 752). Sie stünde auch einer - nach dem Sach- und Streitstand kaum in Betracht kommenden - Versagung der Prozesskostenhilfe wegen fehlender sachlicher Zuständigkeit nicht entgegen (vgl. BGH, Beschl. v. 13.07.2004 - VI ZB 12/04, NJW-RR 2004, 1437). Aufgrund der Bindungswirkung ist es dem Amtsgericht jedoch verwehrt, die Rechtswegzuständigkeit im Rahmen der Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch abweichendzu beurteilen (BAG, aaO). Es hat deshalb inhaltlich über das Gesuch zu befinden und darf die Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage nicht wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit verneinen.

Ende der Entscheidung

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