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Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 10.09.2009
Aktenzeichen: Xa ZR 18/08
Rechtsgebiete: PatG, GebrMG, ArbnErfG, InsO
Vorschriften:
PatG § 12 | |
GebrMG § 13 Abs. 3 | |
ArbnErfG § 6 | |
InsO § 12 | |
InsO § 35 |
Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 10. September 2009
durch
die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Keukenschrijver, Asendorf, Dr. Berger und Dr. Bacher
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das am 24. Oktober 2007 verkündete Urteil des 2. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen Gebrauchsmusterverletzung im Wege der Stufenklage auf Rechnungslegung, Herausgabe einer ungerechtfertigten Bereicherung und Schadensersatz in Anspruch.
Die Klägerin ist Inhaberin der am 18. Dezember 2001 eingereichten und am 3. Juli 2003 offengelegten deutschen Patentanmeldung 101 61 687 sowie des am 21. Februar 2002 unter Inanspruchnahme der inneren Priorität der Patentanmeldung angemeldeten und am 27. Juni 2002 eingetragenen Gebrauchsmusters 202 05 896 (Klagegebrauchsmusters). Die Eintragung des Klagegebrauchsmusters ist am 1. August 2002 im Patentblatt bekanntgemacht worden.
Die Ansprüche 1, 2, 4, 7 und 8 des Klagegebrauchsmusters lauten:
"1.
Füllstoff für kunststoffgebundene Beschichtungen, dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei diesem Füllstoff um ein Eisenoxid mit einem FE-Anteil von > 50% handelt.
2.
Füllstoff für kunststoffgebundene Beschichtungen, dadurch gekennzeichnet, dass es sich bei diesem Füllstoff um das Material FELITH handelt.
4.
Beschichtungsmaterial für flexible Unterlagen, dadurch gekennzeichnet, dass eine Mischung aus Ethylen-Vinyl-Acetat und einem Eisenoxid mit einem FE-Anteil von > 50% verwendet wird.
7.
Beschichtungsmaterial für flexible Unterlagen, dadurch gekennzeichnet, dass das verwendete Ethylen-Vinyl-Acetat einen Schmelzpunkt zwischen 75 und 130 C aufweist.
8.
Beschichtungsmaterial für flexible Unterlagen, dadurch gekennzeichnet, dass das verwendete Ethylen-Vinyl-Acetat eine Korngröße zwischen 50 und 800 mµ [sic] aufweist."
Die Beklagte ist die Verwalterin im Insolvenzverfahren über das Vermögen der P. GmbH in K. (Insolvenzschuldnerin), die Rückenbeschichtungen für Teppichböden hergestellt hat. Die Beklagte führt den Geschäftsbetrieb der Insolvenzschuldnerin weiter.
Die Insolvenzschuldnerin hat unter anderem ein Produkt vertrieben, dessen Rückenbeschichtung aus Ethylen-Vinyl-Acetat und Eisenoxid besteht. Dieses Produkt ist von H. P. , dem Ehemann der Klägerin und Vater des Geschäftsführers der Insolvenzschuldnerin, entwickelt worden, der auch als Erfinder des Klagegebrauchsmusters benannt ist. H. P. war auf der Grundlage eines Beratervertrages vom 21. Juni 1997 gegen ein monatliches Honorar von 15.000,- DM für die Insolvenzschuldnerin als Berater für alle Produktions-, Vertriebs- und Vermarktungsangelegenheiten tätig. Nach dem Beratervertrag war H. P. verpflichtet, sein Know-how über die von ihm entwickelten magnetisch haftenden Bodenbeläge der Insolvenzschuldnerin zur Verfügung zu stellen und alles in seinen Möglichkeiten Stehende zu tun, um die technische Weiterentwicklung und die Vermarktung dieser Bodenbeläge bestmöglich voranzutreiben.
Die Klägerin, die ihre Klage in erster Instanz hilfsweise auch auf einen am 20. Dezember 2001 mit der Insolvenzschuldnerin geschlossenen und am 31. Januar 2002 gekündigten Lizenz- und Know-how-Vertrag gestützt hat, hat in der ersten Klagestufe zuletzt Auskunft darüber begehrt, in welchem Umfang die Beklagte seit dem 27. Juni 2002 Gegenstände gewerbsmäßig hergestellt, verarbeitet, angeboten, in Verkehr gebracht oder gebraucht hat, die die (im Klageantrag näher bezeichneten) Merkmale der Gebrauchsmusteransprüche 1, 4, 7 und 8 aufweisen.
Das Landgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben (das Berufungsurteil ist veröffentlicht in GRUR-RR 2008, 115). Hiergegen richtet sich die - vom Senat zugelassene - Revision der Klägerin, mit der sie ihre in der Berufungsinstanz zuletzt geltend gemachten Ansprüche weiterverfolgt. Die Beklagte tritt der Revision entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision.
I.
Das Berufungsgericht hat die Klageansprüche mit der Begründung verneint, zu Gunsten der Insolvenzschuldnerin bestehe ein Vorbenutzungsrecht, das die Beklagte den Ansprüchen aus dem Klagegebrauchsmuster entgegenhalten könne. Die Insolvenzschuldnerin sei spätestens seit November 2001 im Erfindungsbesitz gewesen. Im November 2001 seien die von H. P. durchgeführten Testreihen abgeschlossen gewesen. Von diesem Zeitpunkt an sei der Maschinenführer der Insolvenzschuldnerin in der Lage gewesen, selbständig zu produzieren. Das Vorbenutzungsrecht sei auch in der Person der Insolvenzschuldnerin entstanden. Die erforderliche Kenntnis von der objektiv fertigen Erfindung habe die Insolvenzschuldnerin vermittelt durch die Person ihres Entwicklers H. P. besessen. Dieser sei zwar unstreitig kein Arbeitnehmer gewesen. Er habe aber die Funktion eines leitenden Mitarbeiters innegehabt. Jedenfalls sei er eine in die Betriebsorganisation eingebundene Person gewesen, die im Interesse des Unternehmens tätig gewesen sei. Selbst wenn man davon ausgehen wolle, dass H. P. außerhalb der betrieblichen Organisation der Insolvenzschuldnerin gestanden habe, stehe der Beklagten ein Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 4 PatG zu. H. P. habe die Erfindung vor der Anmeldung der Insolvenzschuldnerin mitgeteilt. Dies folge daraus, dass die Maschinenführer der Insolvenzschuldnerin in der Lage gewesen seien, die Beschichtungen ohne Überwachung selbständig zu produzieren. Rechte für den Fall einer Patent- oder Gebrauchsmustererteilung habe sich H. P. bei der Mitteilung nicht vorbehalten. Die Insolvenzschuldnerin habe danach die Erfindung mit Benutzungswillen in Benutzung genommen und dabei gegenüber der Klägerin auch nicht unredlich gehandelt.
II.
Dies hält der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand.
1.
Zutreffend ist das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ein von der Insolvenzschuldnerin erlangtes Vorbenutzungsrecht zur Insolvenzmasse gehört und deshalb von der Beklagten als Insolvenzverwalterin ausgeübt werden darf, solange diese den Betrieb der Insolvenzschuldnerin weiterführt.
Gemäß § 35 InsO gehört zur Insolvenzmasse unter anderem das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört. Ein Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 InsO ist ein solcher Vermögensgegenstand. Es gibt dem Berechtigten das Recht, von der Lehre eines Patents oder Gebrauchsmusters Gebrauch zu machen. Diesem Recht kommt ein wirtschaftlicher Wert zu.
§ 36 Abs. 1 InsO, wonach Gegenstände, die nicht der Zwangsvollstreckung unterliegen, nicht zur Insolvenzmasse gehören, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar kann das Vorbenutzungsrecht gemäß § 12 Abs. 1 Satz 3 PatG nur zusammen mit dem Betrieb vererbt oder veräußert werden. Es ist deshalb gemäß § 857 Abs. 3 ZPO nicht separat pfändbar. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urt. v. 7.10.1965 - Ia ZR 129/63, GRUR 1966, 370, 374 - Dauerwellen II) stand dies jedoch der Zugehörigkeit zur Konkursmasse nach den Regeln der Konkursordnung nicht entgegen, wenn zusammen mit dem Vorbenutzungsrecht auch der Betrieb zur Masse gelangt. Für die Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse nach den Regeln der Insolvenzordnung gilt nichts anderes. § 12 Abs. 1 Satz 3 PatG soll verhindern, dass der Umfang des Vorbenutzungsrechts verändert wird, indem es von dem Betrieb, in dem es entstanden ist, abgelöst wird. Diese Gefahr droht nicht, wenn das Recht zusammen mit dem Betrieb der Verwaltungsbefugnis eines Insolvenzverwalters unterstellt wird - unabhängig davon, ob der Insolvenzverwalter den Betrieb sofort veräußert oder zunächst selbst weiterführt. Wäre ein Übergang in dieser Situation ausgeschlossen, hätte dies das Erlöschen des Vorbenutzungsrechts zur Folge. Dies würde die Zugriffsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger, deren Schutz § 35 InsO dient, beeinträchtigen, ohne dass der Insolvenzschuldner einen Vorteil hätte. Dies kann nicht Sinn des § 36 Abs. 1 InsO sein.
2.
Der Beklagten steht kein Vorbenutzungsrecht zu.
a)
Ein Vorbenutzungsrecht, das gemäß § 13 Abs. 3 GebrMG auch Ansprüchen aus einem Gebrauchsmuster entgegengehalten werden kann, setzt gemäß § 12 PatG voraus, dass die Erfindung vor dem Prioritätstag bereits in Benutzung genommen wurde oder die dafür erforderlichen Veranstaltungen getroffen worden sind. Werden solche Handlungen ausschließlich im Interesse eines Dritten vorgenommen, erwirbt der Handelnde selbst kein Vorbenutzungsrecht (BGHZ 121, 194, 200 f. - Wandabstreifer m.w.N.). Möglich ist auch die Ausübung sowohl im eigenen Interesse als auch im Interesse eines Dritten. Dann erwerben grundsätzlich beide Beteiligten ein Vorbenutzungsrecht (BGHZ 121, 194, 203 f. - Wandabstreifer). Arbeiter und Angestellte handeln grundsätzlich nicht im eigenen, sondern im Interesse des Betriebsinhabers (BGH, Urt. v. 21.6.1960 - I ZR 114/58, GRUR 1960, 546, 548 - Bierhahn). Handlungen leitender Betriebsangehöriger, die dazu berufen sind, Anordnungen zu treffen, sowie Handlungen von Gesellschaftsorganen im ihnen gesetzlich zugewiesenem Vertretungsbereich erfolgen grundsätzlich im Interesse der Gesellschaft (BGHZ 121, 194, 200 f. - Wandabstreifer). Die Zurechnung solcher Benutzungshandlungen erfolgt weder auf der Grundlage von § 166 BGB noch nach den Regeln des Deliktsrechts. Maßgeblich ist vielmehr, ob tatsächliche Vorgänge einer bestimmten Person oder einem bestimmten Unternehmensträger zugeordnet werden können (BGHZ 121, 194, 203 - Wandabstreifer).
b)
Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, sind für den Erwerb eines Vorbenutzungsrechts zusätzlich zu den in § 12 Abs. 1 PatG genannten objektiven Handlungen weitere Voraussetzungen erforderlich. § 12 PatG hat den Zweck, aus Billigkeitsgründen einen vorhandenen oder bereits angelegten gewerblichen Besitzstand des Vorbenutzers zu schützen und damit die unbillige Zerstörung in zulässiger, insbesondere rechtlich unbedenklicher Weise geschaffener Werte zu verhindern (BGH, Urt. v. 13.11.2001 - X ZR 32/99, GRUR 2002, 231, 233 - Biegevorrichtung m.w.N.). Dessen Kraft, Zeit und Kapitaleinsatz auf bestehende Anlagen, die entweder die Erfindung bereits verwerten oder bei denen der Wille, sie zu verwerten, durch Veranstaltungen zur Benutzung bestätigt worden ist, sollen nicht umsonst aufgewandt sein und ein solcher Besitzstand nicht durch die Patentanmeldung eines anderen entwertet werden (BGHZ 39, 389, 397 - Taxilan; BGH, Urt. v. 28.5.1968 - X ZR 42/66, GRUR 1969, 35, 36 - Europareise; Urt. v. 13.3.2003 - X ZR 100/00, GRUR 2003, 507, 509 - Enalapril). Hieraus folgt nicht, dass ein Vorbenutzungsrecht unabhängig vom Vorliegen der in § 12 PatG normierten Voraussetzungen aufgrund von Billigkeitserwägungen oder im Hinblick auf einen "Besitzstand" bejaht oder verneint werden könnte (BGH, Urt. v. 30.6.1964 - Ia ZR 206/63, GRUR 1964, 673, 675 f. - Kasten für Fußabtrittsroste; BGH, a.a.O., GRUR 2003, 507, 509 - Enalapril). Der Zweck des § 12 PatG ist jedoch bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale zu berücksichtigen.
Ausgehend davon hat der Bundesgerichtshof - überwiegend in Weiterentwicklung der Rechtsprechung des Reichsgerichts - entschieden, dass eine ausreichende Benutzungshandlung oder Veranstaltung nur dann vorliegt, wenn der Handelnde selbständigen Erfindungsbesitz erlangt und diesen redlich erworben und ausgeübt hat (BGH, a.a.O., GRUR 1964, 673, 675 - Kasten für Fußabtrittsroste; Eichmann, GRUR 1993, 73, 80). Erfindungsbesitz in diesem Sinne ist gegeben, wenn die aus Aufgabe und Lösung sich ergebende technische Lehre objektiv fertig und subjektiv derart erkannt ist, dass die tatsächliche Ausführung der Erfindung möglich ist (BGH, a.a.O., GRUR 1964, 673, 674 - Kasten für Fußabtrittsroste). Redlich erworben ist der Erfindungsbesitz, wenn der Benutzer sich für befugt halten durfte, die erfindungsgemäße Lehre für eigene Zwecke anzuwenden. Redlichkeit wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass der Erfindungsbesitz vom Inhaber des Patents oder dessen Rechtsvorgängern abgeleitet ist. Unredlich handelt der Benutzer aber jedenfalls dann, wenn er die geschützte Lehre widerrechtlich entnommen hat (BGH, a.a.O., GRUR 1964, 673, 675 - Kasten für Fußabtrittsroste).
c)
In Anwendung und Weiterentwicklung dieser Grundsätze ist ein Vorbenutzungsrecht in aller Regel ausgeschlossen, wenn der Benutzer und der Erfinder in vertraglicher Beziehung stehen und der Erfindungsbesitz im Zusammenhang mit der Erfüllung dieses Vertrags erlangt wurde. In diesem Fall kann und muss jede Vertragspartei aus den vertraglichen Vereinbarungen entnehmen, ob und welche Rechte ihr in Bezug auf Erfindungen der anderen Seite zustehen. Werden die Rechte an solchen Erfindungen im Vertrag abgetreten oder zumindest ein schuldrechtlicher Anspruch auf Abtretung begründet oder steht dem anderen Teil ein Recht zur Inanspruchnahme der Erfindung gemäß § 6 ArbNErfG zu, hat der begünstigte Teil hinreichende Möglichkeiten, die geschützte Lehre für seine eigenen Zwecke zu nutzen. Macht er von diesen Möglichkeiten keinen Gebrauch oder stehen ihm derartige Rechte weder nach dem Vertrag noch nach dem Gesetz zu, kann er redlicherweise nicht erwarten, dennoch zur weiteren Nutzung der Erfindung befugt zu sein. Zur Entstehung eines Vorbenutzungsrechts gegenüber dem Erfinder oder dessen Rechtsnachfolgern kann es weder im einen noch im anderen Fall kommen. Für die Anwendung von § 12 PatG ist in solchen Konstellationen kein Raum.
Der bereits erwähnte Grundsatz, wonach ein Vorbenutzungsrecht auch dann entstehen kann, wenn der Erfindungsbesitz vom Erfinder selbst abgeleitet ist, steht dem nicht entgegen. Dieser Grundsatz kann wie ebenfalls bereits dargelegt nur dann greifen, wenn der Erfindungsbesitz redlich erworben und ausgeübt wurde. Dies ist bei einer auf den Erfinder zurückgehenden Offenbarung in der Regel nur dann möglich, wenn der Benutzer sich aufgrund der Umstände für befugt halten durfte, von der von ihm erkannten Lehre Gebrauch zu machen (BGH, a.a.O., GRUR 1964, 673, 675 - Kasten für Fußabtrittsroste). Hierzu genügt nicht, dass der Erfindungsbesitz rechtmäßig erworben worden ist. Erforderlich ist auch, dass sich der Benutzer redlicherweise für befugt halten darf, den Erfindungsbesitz unabhängig von einem der Überlassung zu Grunde liegenden Rechtsverhältnis auf Dauer ausüben zu dürfen. Sind die Rechtsbeziehungen zwischen dem Erfinder und dem Benutzer vertraglich geregelt, fehlt es von vornherein an einer berechtigten Grundlage für eine solche Annahme, wenn sich aus dem Vertrag derartiges nicht ergibt. Die Befugnisse des anderen Teils richten sich dann allein nach den vertraglichen Vereinbarungen, nicht nach § 12 PatG.
Für Diensterfindungen eines Arbeitnehmers entspricht dieses Ergebnis der nahezu einhelligen Auffassung in Rechtsprechung und Literatur. Diese gesteht einem Arbeitgeber, der von der Möglichkeit, die Erfindung in Anspruch zu nehmen, keinen Gebrauch macht, ein Vorbenutzungsrecht nach § 12 PatG nicht zu (Bartenbach/Volz, Arbeitnehmererfindergesetz, 3. Aufl., § 8 Rdn. 59; Reimer, Das Recht der Arbeitnehmererfindung, 7. Aufl., § 8 Rdn. 25; Busse/Keukenschrijver, PatG, 6. Aufl., § 12 Rdn. 20 und § 8 ArbNErfG Rdn. 5; Meier-Beck, Festschrift für Reimann, S. 309, 317; OLG München InstGE 10, 87 Tz. 35; vgl. auch RGZ 56, 223, 228 - Kugelmühle; abweichend für den Fall, dass der Arbeitgeber schon vor der Meldung der Erfindung Erfindungsbesitz erlangt, Klauer/Möhring/Nirk, Patentrechtskommentar, 3. Aufl., Anhang zu § 3 Rdn. 37; abweichend für das österreichische Recht der Oberste Patent- und Markensenat, Beschl. v. 14.10.1981 - Op 2/81, GRUR Int. 1982, 560, 561). Für Erfindungen, die einem anderen aufgrund anderer vertraglicher Beziehungen offenbart worden sind, beispielsweise aufgrund eines Dienstverhältnisses als gesetzlicher Vertreter oder freier Mitarbeiter, kann im Ergebnis nichts anderes gelten. Solche Erfindungen stehen nicht dem Unternehmensinhaber, sondern dem Erfinder zu, sofern sich aus den vertraglichen Vereinbarungen, die der Zusammenarbeit zu Grunde liegen, nicht ausdrücklich oder konkludent etwas Abweichendes ergibt (BGH, Urt. v. 22.10.1964 - Ia ZR 8/64, GRUR 1965, 302, 304 - Schellenreibungskupplung; BGH, Urt. v. 24.10.1989 - X ZR 58/88, GRUR 1990, 193 f. - Auto-Kindersitz). Im einen wie im anderen Fall können und müssen sich alle am Vertrag Beteiligten von vornherein Klarheit darüber verschaffen, welche Rechte ihnen in Bezug auf Erfindungen zustehen, die im Rahmen der vertraglichen Tätigkeit entstehen oder dem Vertragspartner zugänglich gemacht werden. Ein redlicher Erwerb von nicht im Vertrag vorgesehenen Rechten ist allenfalls auf der Grundlage einer stillschweigenden Vertragsänderung denkbar, nicht aber nach § 12 PatG.
In dieser Konstellation kann ein Vorbenutzungsrecht für den Unternehmensinhaber gegenüber dem Erfinder und dessen Rechtsnachfolgern auch dann nicht entstehen, wenn aufgrund der vertraglichen Zusammenarbeit nicht nur der Erfinder, sondern auch andere Beschäftigte Erfindungsbesitz erlangt haben. Unerheblich ist auch, ob die Voraussetzungen des § 12 Abs. 1 Satz 4 PatG vorliegen. Mangels redlichen Erwerbs des Erfindungsbesitzes kann es nicht zu Benutzungshandlungen oder sonstigen Veranstaltungen im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 1 PatG kommen.
Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung führt die Anwendung dieser Grundsätze nicht zu einem unbilligen Ergebnis. Ein Unternehmensinhaber, der durch eine vertragliche Abrede Zugang zu einer Erfindung erhält, hat es, soweit ihm nicht ohnehin ein Recht zu Inanspruchnahme gemäß § 6 ArbNErfG zusteht, in der Hand, sich ausreichende Rechte an der Erfindung zu verschaffen. Macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, ist es nicht unbillig, sondern konsequent, wenn ihm auch kein Vorbenutzungsrecht zusteht.
d)
Im Streitfall kommt ein Vorbenutzungsrecht mithin schon deshalb nicht in Betracht, weil die Insolvenzschuldnerin den Erfindungsbesitz von H. P. im Rahmen der vertraglichen Zusammenarbeit aufgrund des Beratervertrages erworben hat. Aus diesem Grund ist unerheblich, ob die Insolvenzschuldnerin nur durch H. P. oder auch in Person ihres Geschäftsführers A. P. oder durch Arbeitnehmer Erfindungsbesitz erlangt hat. Ebenfalls unerheblich ist die zwischen den Parteien streitige Frage, ob H. P. faktischer Geschäftsführer der Insolvenzschuldnerin war. Auch in diesem Fall stünden der Insolvenzschuldnerin Rechte an der Erfindung allenfalls nach Maßgabe des faktischen Vertragsverhältnisses zu. Wenn H. P. , wie die Beklagte in der Revisionsinstanz erstmals geltend macht, aufgrund des Beratervertrages oder als faktischer Geschäftsführer verpflichtet gewesen sein sollte, der Insolvenzschuldnerin die Nutzung der Erfindung unentgeltlich zu überlassen, führte dies nicht zur Entstehung eines Vorbenutzungsrechts gemäß § 12 PatG, sondern zu einer auf Vertrag gestützten Einrede gegen die Geltendmachung von Rechten aus dem Klagegebrauchsmuster. Unerheblich ist schließlich auch die Frage, ob und in welchen Grenzen ein Vorbenutzungsrecht auch für Bodenbeläge in Anspruch genommen werden könnte, deren Beschichtung nicht aus FELITH, sondern aus einem Material mit ähnlicher Zusammensetzung besteht.
III.
Der Senat kann nicht gemäß § 563 Abs. 3 ZPO in der Sache entscheiden. Das Berufungsgericht hat - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zu den weiteren Einwendungen der Beklagten bislang keine Feststellungen getroffen.
1.
Die Beklagte hat unter Beweisantritt vorgetragen, die Insolvenzschuldnerin habe Bodenbeläge mit einer Beschichtung aus FELITH schon seit Anfang 2001 in Verkehr gebracht und damit der Öffentlichkeit zugänglich gemacht (LGU 6). Das Landgericht hat Zeugenaussagen, die diesen Vortrag bestätigen, als glaubhaft angesehen (LGU 10 f.). Das Berufungsgericht hat sich damit nicht befasst. Dem Senat ist angesichts dessen eine abschließende Entscheidung verwehrt.
2.
Die Beklagte hat ferner unter Beweisantritt vorgetragen, H. P. habe der Insolvenzschuldnerin die Nutzung der Erfindung zu einem Zeitpunkt überlassen, zu dem ordentliche Kaufleute der Gesellschaft Eigenkapital zugeführt hätten. H. P. sei aufgrund seiner finanziellen Beteiligung und der Leitungsbefugnisse, die er aufgrund seiner faktischen Stellung im Betrieb der Insolvenzschuldnerin gehabt habe, wie ein Gesellschafter zu behandeln. Sofern dieser Vortrag zutrifft, kann der Beklagten ein befristetes Recht zur unentgeltlichen Nutzung der Erfindung zustehen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unterliegt der Gesellschafter einer GmbH, der der Gesellschaft in einer Krisensituation Vermögensgegenstände zur Nutzung überlässt, den auf eine analoge Anwendung der §§ 30, 31 GmbHG gestützten Regeln über eigenkapitalersetzende Leistungen (BGHZ 109, 55, 57 f.). Er ist verpflichtet, der Gesellschaft den Vermögensgegenstand zur unentgeltlichen Nutzung für den vertraglich vereinbarten Zeitraum, bei einer missbräuchlichen Zeitbestimmung für einen angemessenen Zeitraum, zu belassen (BGHZ 127, 1, 10; BGH, Urt. v. 31.1.2005 - II ZR 240/02, NZG 2005, 346). Diese Regeln sind trotz der zum 1. November 2008 in Kraft getretenen Änderungen des GmbH-Rechts auf Altfälle weiterhin anwendbar (BGHZ 179, 249 Tz. 15 ff. - Gut Buschow). Zum Kreis der Verpflichteten gehören auch Personen, die nur über einen Treuhänder oder Strohmann an der Gesellschaft beteiligt sind (vgl. nur BGHZ 31, 258, 263 f.; BGHZ 95, 188, 193). Aus dem Beklagtenvortrag ergibt sich deshalb eine Pflicht von H. P. , der Insolvenzschulderin die Nutzung der Erfindung für einen angemessenen Zeitraum unentgeltlich zu ermöglichen. Hieran wäre nach dem Rechtsgedanken des § 15 Abs. 3 PatG auch die Klägerin gebunden, die ihre Rechte von H. P. ableitet. Ein in entsprechender Anwendung der §§ 30 und 31 GmbHG begründetes Nutzungsrecht an der nicht angemeldeten Erfindung setzt sich mit der Eintragung des Gebrauchsmusters in einer Lizenz an diesem Recht fort (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1975 - X ZR 74/72, GRUR 1976, 140, 142 - Polyurethan).
3.
In der erneut eröffneten Berufungsinstanz wird darüber hinaus zu prüfen sein, ob die Insolvenzschuldnerin schon aufgrund des Beratervertrages Rechte an der Erfindung erworben hat. Zwar hat die Beklagte in den Tatsacheninstanzen eine solche Berechtigung nicht geltend gemacht. Von ihrem Rechtsstandpunkt aus, den sowohl das Landgericht als auch das Berufungsgericht geteilt haben, hatte sie indes auch keinen Anlass, hierzu vorzutragen. Das Berufungsgericht wird ihr deshalb Gelegenheit geben müssen, zu diesem Gesichtspunkt gegebenenfalls näher vorzutragen.
Bei der Auslegung des Beratervertrages wird das Berufungsgericht auch zu prüfen haben, welche Bedeutung dem Lizenz- und Know-how-Vertrag zwischen der Insolvenzschuldnerin und der von H. P. als Geschäftsführer und Mitgesellschafter vertretenen Pi. GmbH vom 15. Februar 1997 (Anlage K8) zukommt, in dem der Insolvenzschuldnerin eine entgeltliche Lizenz an einem älteren Schutzrecht eingeräumt worden ist. Das Berufungsgericht hat sich bislang - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nur mit der Frage befasst, ob diesem Vertrag entnommen werden kann, dass sich der Erfinder H. P. im Jahr 2001 die Rechte an einer neuen Erfindung ebenfalls vorbehalten wollte. Es wird nunmehr ergänzend zu prüfen haben, ob dem nur wenige Monate nach dem Lizenz- und Know-how-Vertrag geschlossenen Beratervertrag eine Rechtseinräumung an die Insolvenzschuldnerin entnommen werden kann, obwohl H. P. neben dem vereinbarten Beraterhonorar die Lizenzeinnahmen für das bestehende Schutzrecht weiter zukommen sollten. Sollte die Vertragsauslegung zu dem Ergebnis führen, dass die Insolvenzschuldnerin Rechte in Bezug auf die Erfindung erworben hat, wird ferner zu prüfen sein, welcher Art diese Rechte waren. Sofern es sich nur um schuldrechtliche Ansprüche auf Übertragung der Rechte an der Erfindung oder auf Einräumung einer Lizenz handelt, könnten diese der am Vertrag nicht beteiligten Klägerin grundsätzlich nicht entgegengehalten werden.
4.
Auf § 91 InsO kann die Beklagte keine weitergehenden Einwendungen gegen die Klageansprüche stützen. Sofern die Insolvenzschuldnerin vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens Rechte an der Erfindung erworben hat, ist sie schon nach § 15 Abs. 3 PatG geschützt. Sofern sie nur schuldrechtliche oder keine Ansprüche auf Übertragung oder auf Einräumung eines Nutzungsrechts erworben hat, sind der Insolvenzmasse durch die von der Klägerin getätigte Anmeldung keine Rechte entgangen.
Ende der Entscheidung
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