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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundesgerichtshof
Urteil verkündet am 22.09.2009
Aktenzeichen: Xa ZR 77/08
Rechtsgebiete: ZPO


Vorschriften:

ZPO § 563 Abs. 1 Satz 2
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Der Xa-Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 22. September 2009

durch

die Richter Prof. Dr. Meier-Beck, Keukenschrijver,

die Richterin Mühlens und

die Richter Dr. Berger und Dr. Bacher

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das am 21. April 2008 verkündete Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten der Revision, an einen anderen Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Revisionsverfahren werden nicht erhoben.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, ihrer Tochter, die Rückzahlung eines dieser zugewendeten Betrages von 100.000,00 DM.

In einem vorausgegangenen Verfahren behauptete die Klägerin in erster Instanz, sie habe der Beklagten den Betrag von 100.000,00 DM als Darlehen zur Verfügung gestellt. Dem widersprach die Beklagte und behauptete, die Klägerin habe ihr das Geld geschenkt. Das Landgericht wies die Klage ab, weil die Klägerin den ihr obliegenden Beweis, es habe sich um ein Darlehen gehandelt, nicht geführt habe. Die Klägerin legte Berufung ein und stützte die Klage in der Berufungsbegründung nicht mehr auf einen Rückzahlungsanspruch aus Darlehen, sondern machte geltend, die Geschäftsgrundlage für die Schenkung sei weggefallen. Das Berufungsgericht verwarf die Berufung als unzulässig, weil die Klägerin nicht die sich aus dem erstinstanzlichen Urteil ergebende Beschwer bekämpfe. Der in zweiter Instanz verfolgte Anspruch auf Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage betreffe einen anderen Streitgegenstand als der erstinstanzlich geltend gemachte Rückzahlungsanspruch aus Darlehen, weil er auf einer in wesentlichen Punkten geänderten Tatsachengrundlage beruhe.

Im vorliegenden Verfahren verlangt die Klägerin nunmehr erneut die Rückzahlung der 100.000,00 DM (51.129,19 EUR) nebst Zinsen, weil die Geschäftsgrundlage der Schenkung oder unbenannten Zuwendung weggefallen sei.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, weil kein Grund für eine Rückabwicklung der Zuwendung bestehe. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hat das Berufungsgericht zurückgewiesen.

Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht zu neuer Verhandlung und Entscheidung.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

Die Klage sei unzulässig, weil der Streitgegenstand identisch mit demjenigen des Vorprozesses sei. Die rechtskräftige Klageabweisung im Vorprozess stehe daher der erneuten Klage entgegen. Die Klage sei im Übrigen aber auch unbegründet. Der Betrag von 100.000,00 DM sei bestimmungsgemäß zur Tilgung eines Kredits verwendet worden, den allein der Ehemann der Beklagten aufgenommen habe. Deshalb fehle es schon an einer Zuwendung an die Beklagte. Aber auch wenn man eine solche bejahen wolle, so verstoße die Aufrechterhaltung der geschaffenen Vermögenslage nicht gegen Treu und Glauben.

Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Es erscheint zweifelhaft, ob das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat, das jetzige Klagebegehren und die Klage im Vorprozess beträfen denselben Streitgegenstand. Denn die tatbestandliche Grundlage eines Anspruchs auf Rückforderung einer Schenkung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bilden die tatsächlichen Umstände, die sich nach einer unentgeltlichen Zuwendung ergeben oder so verändert haben sollen, dass die Geschäftsgrundlage der Zuwendung entfallen ist. Die tatbestandliche Grundlage eines Anspruchs auf Rückzahlung eines Darlehens, wie er in erster Instanz des Vorprozesses geltend gemacht worden ist, ist hingegen die mit der Begründung einer Verpflichtung zur Rückerstattung bei Fälligkeit verbundene Zurverfügungstellung eines Geldbetrages in vereinbarter Höhe. Die jeweiligen für die Anspruchsbegründung maßgeblichen Lebenssachverhalte unterscheiden sich daher wesentlich.

Jedoch kann dies im Ergebnis offenbleiben. Denn auch wenn mit dem Berufungsgericht eine Identität der Streitgegenstände anzunehmen wäre, durfte das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Klage nicht von einer rechtskräftigen Entscheidung der Klage im Vorprozess ausgehen. Bei der Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft eines eine Leistungsklage abweisenden Urteils sind Tatbestand und Entscheidungsgründe dieses Urteils heranzuziehen. Eine Einschränkung des Umfangs der Rechtskraft eines die Leistungsklage abweisenden Urteils ist danach anzunehmen, wenn dem Urteil zu entnehmen ist, dass das Gericht einen rechtlichen Gesichtspunkt bewusst ausgespart hat. Ist der Entscheidung der Wille des Prozessgerichts zu entnehmen, über den zu Grunde liegenden Sachverhalt nicht abschließend zu erkennen und dem Kläger so eine Klage unter dem - bewusst ausgesparten - rechtlichen Gesichtspunkt auf der gleichen tatsächlichen Grundlage und auf Grund von bereits im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vorliegenden Umständen vorzubehalten, so ist der Umfang der materiellen Rechtskraft dadurch beschränkt (BGH, Urt. v. 14.05.2002 - X ZR 144/00, GRUR 2002, 787, 788 - Abstreiferleiste m.w.N.). Indem das Berufungsgericht in dem vorangegangenen Verfahren in dem Begehren nach Rückzahlung einer schenkweisen Zuwendung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage eine Klageänderung gegenüber der erstinstanzlich beanspruchten Rückzahlung eines Darlehns gesehen hat und aus diesem Grund die Berufung mangels Angriffs gegen die Beschwer durch das Ersturteil als unzulässig verworfen hat, hat es deutlich gemacht, dass es den Sachverhalt nicht unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage einer Schenkung entschieden hat. Der Klägerin war deshalb eine hierauf gestützte Klage vorbehalten.

Auf die Hilfsbegründung des Berufungsurteils kommt es unter diesen Umständen nicht an. Da das Berufungsgericht entschieden hat, dass die Klage bereits unzulässig sei, gilt die Hilfsbegründung, die sich zur Begründetheit der Klage verhält, als nicht geschrieben (BGH, Beschl. v. 26.05.1994 - III ZB 17/94, NJW 1994, 2098, 2099).

Die Sache ist daher zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei macht der Senat von der nach § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO bestehenden Möglichkeit Gebrauch, die Sache an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts zurückzuverweisen, dem auch die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist. Gerichtskosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erheben (§ 21 Abs. 1 GKG).

Ende der Entscheidung

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