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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 30.10.1997
Aktenzeichen: 13 RJ 3/97
Rechtsgebiete: SGB VI


Vorschriften:

SGB VI § 300
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

BUNDESSOZIALGERICHT

Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 30. Oktober 1997

in dem Rechtsstreit

Az: 13 RJ 3/97

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigter:

gegen

Landesversicherungsanstalt Rheinprovinz, Königsallee 71, 40215 Düsseldorf,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 30. Oktober 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. G a g e l , die Richter Dr. L o y t v e d und M ü t z e sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. S c h n e i d e r und W e n i g e r für Recht erkannt:

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Altersrente des Klägers. Umstritten ist insbesondere, ob diese im Zugunstenverfahren. (vgl § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch <SGB X>) nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) oder des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) zu berechnen ist.

Der im Oktober 1925 geborene Kläger war im August 1941 als deutscher Volkszugehöriger aus der Ukraine nach Kasachstan verbracht worden, wo er zunächst unter Kommandanturaufsicht stand. Am 24. April 1990 siedelte er von dort in die Bundesrepublik Deutschland über.

Im Mai 1990 beantragte der Kläger bei der Außenstelle der Landesversicherungsanstalt (LVA) Westfalen in U. Altersruhegeld wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei machte er auch Ersatzzeiten wegen Vertreibung, Flucht oder Umsiedlung iS des Bundesvertriebenengesetzes geltend. In dem Abschnitt "Beitrags- und Beschäftigungszeiten" gab er ua an: "1941 zwangsumgesiedelt von der Ukraine nach K. /Kasachstan". Mit Bescheid vom 25. Januar 1991 bewilligte ihm die Beklagte das beantragte Altersruhegeld ab November 1990, wobei sie neben Pflichtbeitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 3. Mai 1947 bis 26. Dezember 1985 (gekürzt auf 5/6) und einer Rentenbezugszeit vom 27. Dezember 1985 bis 24. April 1990 auch eine (pauschale) Ersatzzeit vom 1. Januar 1945 bis 31. Dezember 1946 berücksichtigte. Auf Widerspruch des Klägers gewährte ihm die Beklagte mit Bescheid vom 15. April 1991 in Abänderung des Bescheides vom 25. Januar 1991 aufgrund eines Versicherungsfalls vom 5. Oktober 1988 flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs 1 RVO, zahlbar ab 24. April 1990.

Am 30. Dezember 1993 beantragte der Kläger eine Neuberechnung seiner Leistungsansprüche, insbesondere unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit von August 1941 bis zur Ausreise. Dazu machte er geltend, daß er bereits 1956 den Entschluß zur Einreise in das Bundesgebiet gefaßt habe. In Abänderung des Bescheides vom 15. April 1991 erteilte die Beklagte dem Kläger daraufhin unter dem 2. Mai 1994 einen neuen Rentenbescheid. Bei der nach dem SGB VI vorgenommenen Berechnung berücksichtigte sie eine Ersatzzeit vom 1. August 1941 bis 31. Dezember 1956. Zur Begründung berief sie sich auf § 250 SGB VI idF des Rentenüberleitungs-Ergänzungsgesetzes (Rü-ErgG) vom 24. Juni 1993 (BGBl I S 1038). Der insbesondere auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch gestützte Widerspruch des Klägers wurde durch Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 17. Januar 1995 zurückgewiesen. Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) Düsseldorf verpflichtete die Beklagte durch Urteil vom 24. Januar 1996, das Altersruhegeld des Klägers hinsichtlich der Ersatzzeittatbestände nach dem bei Antragstellung im Mai 1990 geltenden Recht neu zu berechnen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen die erstinstanzliche Entscheidung durch Urteil vom 21. Oktober 1996 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird im wesentlichen ausgeführt:

Der Anspruch des Klägers auf Rücknahme der bindenden Bescheide vom 25. Januar und 15. April 1991 sei gemäß § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X nur insoweit begründet gewesen, als der Kläger nach § 250 Abs 1 Nr 3 SGB VI die Anrechnung einer weiteren Ersatzzeit bis zum 31. Dezember 1956 verlangen könne. Zwar erfülle der Kläger die Voraussetzungen dieser Vorschrift auch für die darauf folgende Zeit. Die Umsiedlung der Rußlanddeutschen innerhalb der Sowjetunion sei als feindliche Maßnahme zu werten; ferner sei der Kläger auch nach Dezember 1956 noch an der Ausreise nach Deutschland gehindert gewesen. Indes scheitere eine Anrechnung an § 250 Abs 2 Nr 3 SGB VI. Die darin enthaltene Vermutung, daß ein Versicherter nicht allein aus Ersatzzeitgründen keine Erwerbstätigkeit ausgeübt habe, sei zwar widerleglich. Hier sei der Kläger aber durchgehend versicherungspflichtig beschäftigt gewesen, so daß eine Anrechnung von Ersatzzeiten über den 31. Dezember 1956 hinaus ausscheide. Zudem habe der Kläger ab 27. Dezember 1985 eine Versichertenrente wegen Alters bezogen, so daß dieser Zeitraum wegen § 250 Abs 2 Nr 2 SGB VI nicht berücksichtigt werden könne.

Die Vorschrift des § 250 SGB VI idF des Rü-ErgG gelte gemäß § 300 Abs 1 und 3 SGB VI auch für den vorliegenden Fall, da der Kläger den Antrag nach § 44 SGB X erst am 30. Dezember 1993 gestellt habe. Demgemäß sei die Neufeststellung seines Altersruhegeldes unter Berücksichtigung weiterer Ersatzzeiten jedenfalls mehr als drei Monate nach Inkrafttreten des Rü-ErgG am 1. Juli 1993 geltend gemacht worden.

Entgegen der Ansicht des Klägers könne er sein Begehren auch nicht mit Erfolg auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen. Ein solcher Anspruch komme nicht in Betracht, wo lediglich ein Fehler der Sachbearbeitung in der Sache selbst vorliege, der nicht zu einem für ihn ungünstigen Verhalten des Versicherten geführt habe. So liege der Fall hier. Zwar habe die Beklagte den Hinweis des Klägers im Erstantrag auf das Vorliegen von Ersatzzeittatbeständen nicht beachtet und deshalb dann einen objektiv rechtswidrigen Verwaltungsakt erlassen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, daß der Kläger durch den Fehler der Beklagten zu einem für ihn ungünstigen Verhalten bewegt worden wäre. Dem Kläger sei es unbenommen geblieben, durch Einlegung eines Rechtsmittels gegen den Bescheid vom 25. Januar 1991 bzw gegen den vom 15. April 1991 die Anwendung des § 1251 RVO herbeizuführen.

Mit seiner vom LSG zugelassenen Revision macht der Kläger insbesondere geltend: Da § 300 SGB VI die sich aus § 44 SGB X ergebenden Rechtsfolgen bei Antragstellung nach dem 31. März 1992 einschränke, müsse der vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch auch dort diskutiert werden, wo lediglich ein Fehler in der Sache selbst vorliege. Es dürfe dem Bürger nicht die Hinnahme eines finanziellen Nachteils zugemutet werden, der allein aufgrund eines behördlichen Fehlers entstanden sei. Der Rechtsanspruch auf rechtmäßige Bescheiderteilung nach vorhergehender sorgfältiger Sachverhaltsaufklärung ergebe sich bereits aus den Grundsätzen von Treu und Glauben sowie von Recht- und Gesetzmäßigkeit der Verwaltung. Darüber hinaus sei die Bundesrepublik Deutschland durch ihre Verfassung als sozialer Rechtsstaat definiert. Daher müsse auch die Korrektur eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach Eintritt seiner formellen Bestandskraft und Ablauf der Ausschlußfrist des § 300 SGB VI in der Form erfolgen, daß dem Bürger aus der anfänglichen Rechtswidrigkeit kein Nachteil entstehe. Dieser Ausgleich habe im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zu erfolgen, indem die Rente unter Berücksichtigung sämtlicher im Zeitpunkt der erstmaligen Antragstellung anzurechnender Versicherungszeiten ermittelt werde.

Darüber hinaus bestünden gegen die Verfassungsmäßigkeit des § 300 Abs 3 SGB VI erhebliche Bedenken. Seine Rente wäre höher gewesen, wenn die Beklagte die Sozialleistungen entsprechend den im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Rechtsvorschriften rechtmäßig festgestellt hätte. Insoweit sei er in seinem Eigentumsrecht nach Art 14 des Grundgesetzes (GG) verletzt. Ein derartiger Eingriff in den Eigentumsschutz könne nicht durch Gründe des öffentlichen Wohls gerechtfertigt werden. Letzteres sei nicht mit dem Begriff der Verwaltungsvereinfachung identisch. Die sich aus dem Klageantrag ergebende Notwendigkeit, daß für die Neuberechnung vergleichbarer Fälle weiterhin Berechnungsprogramme nach altem Recht verfügbar sein müßten, stelle im Hinblick auf den Stand der heutigen datentechnischen Verarbeitung und auf die Kapazitäten der den Versicherungsträgern zur Verfügung stehenden Großrechner keinen unverhältnismäßig großen Aufwand dar.

Schließlich seien die Voraussetzungen für einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch vorliegend erfüllt. Er habe in seiner Rentenangelegenheit besonderer Beratung und Aufklärung bedurft, die ihm jedoch nicht zuteil geworden sei. Aus dem Rentenbescheid sei für ihn ebenfalls nicht ersichtlich, daß Zeiten nicht berücksichtigt worden seien. Entsprechende Bescheidzusätze fehlten. Somit habe er bei der erstmaligen Bescheiderteilung keine Veranlassung gehabt, an der Rechtmäßigkeit seines Rentenbescheides hinsichtlich des Umfanges der berücksichtigten Ersatzzeiten zu zweifeln und sich ggf weitergehend zu informieren bzw Rechtsmittel einzulegen. Allein aufgrund der Empfehlung ihm bekannter Volksdeutscher aus Rußland habe er im Dezember 1993 einen Rentenberater mit der Überprüfung seiner Rente beauftragt.

Folge man den Entscheidungen der Vorinstanzen, so wäre er gezwungen, zum Ausgleich des ihm entstandenen Schadens ein zivilrechtliches Verfahren nach § 839 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) iVm Art 34 GG zu führen. Es widerspreche jedoch der Absicht des Gesetzgebers, wenn ein Bürger seine sozialen Rechte über die Zivilgerichte durchsetzen müsse, wobei weder Kostenfreiheit noch das Prinzip des Amtsbetriebes gälten. Wegen der strengeren Formvorschriften sei das Hinzuziehen eines Rechtsbeistandes im zivilrechtlichen Verfahren unumgänglich, was wiederum zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung führe. Darüber hinaus erscheine es auch unter Berücksichtigung der Fachkompetenz der jeweiligen Kammern bzw Senate sinnvoll, wenn soziale Rechtsansprüche ausschließlich auf sozialrechtlichem Wege durchgesetzt würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Oktober 1996 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 24. Januar 1996 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt ergänzend vor: § 300 SGB VI stelle aus der Sicht des Gesetzgebers ein geeignetes, erforderliches und damit verhältnismäßiges Mittel dar, um die mit dem SGB VI angestrebte Wirkung zu erzielen. Die Rechtmäßigkeit des Eingriffs in eigentumsähnliche Rechtspositionen des Klägers beruhe nicht nur auf dem angestrebten Ziel der Verwaltungsvereinfachung, sondern folge auch aus dem in § 300 Abs 3 SGB VI enthaltenen Besitzschutz der bisher anerkannten Entgeltpunkte. Zudem finde nach § 300 SGB VI eine Gleichbehandlung mit Personen statt, die im gleichen Zeitraum Rentenanträge gestellt hätten, in dem der Überprüfungsantrag gestellt worden sei.

Entgegen der Ansicht des Klägers bestehe kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch. Tatbestandsvoraussetzung sei dafür nämlich auch, daß der Versicherte durch ein objektives Fehlverhalten der Verwaltung an der Wahrnehmung einer für ihn günstigen Gestaltungsmöglichkeit gehindert worden sei. Dies gelte auch in Fällen, in denen dem Versicherten die günstigen Voraussetzungen erst später bekannt geworden seien oder von ihm hätten nachgewiesen werden können. Ferner müsse zwischen Pflichtverletzung und eingetretenem Schaden neben Kausalität auch ein Schutzzweckzusammenhang bestehen. Ein solcher wäre nur gegeben, wenn ihr die rechtmäßige Erteilung des Ausgangsbescheides auch aus dem Grunde geboten gewesen wäre, den Kläger vor etwaigen gesetzlichen Neuregelungen zu schützen. Dies könne jedoch nicht bejaht werden.

Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (vgl § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>).

II

Die Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Die Beklagte hat bei der Neufeststellung der Rente des Klägers zutreffend nach dem seit dem 1. Juli 1993 geltenden Recht eine Ersatzzeit lediglich bis zum 31. Dezember 1956 angerechnet.

Der Anspruch des Klägers auf (teilweise) Rücknahme des bindenden Rentenbescheides vom 15. April 1991 ergibt sich aus § 44 SGB X. Nach Abs 1 Satz 1 dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, daß bei Erlaß dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist, liegen diese Voraussetzungen vor, soweit die Beklagte mit Bescheid vom 15. April 1991 der Rentenberechnung nur eine Ersatzzeit von Januar 1945 bis Dezember 1946 und nicht eine solche von August 1941 bis April 1990 zugrunde gelegt hat. Nach der zum Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes gegebenen Sach- und Rechtslage hätte aus heutiger Sicht (vgl BSGE 57, 209, 210 = SozR 3-1300 § 44 Nr 13; Kasseler Komm/Steinwedel, § 44 SGB X RdNr 29) eine Ersatzzeit gemäß § 1251 Abs 1 Nr 3 RVO grundsätzlich vom Beginn der gegen den Kläger gerichteten Maßnahmen bis zu seiner Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland bejaht werden müssen, weil er nach den Feststellungen des LSG aufgrund seiner deutschen Volkszugehörigkeit nicht nur 1941 zwangsweise von der Ukraine nach Kasachstan verbracht, sondern dort in der Folgezeit auch an der Verwirklichung eines bereits 1956 gefaßten Ausreiseentschlusses gehindert worden ist (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 126). Infolge dieser Rechtswidrigkeit hat die Beklagte dem Kläger mit dem bindend gewordenen Rentenbescheid vom 15. April 1991 eine zu niedrige Rente gewährt.

Diesen Gegebenheiten hat die Beklagte durch den hier angefochtenen Bescheid vom 2. Mai 1994 idF des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 1995 gesetzeskonform Rechnung getragen, indem sie in Abänderung des Bescheides vom 15. April 1991 dem Kläger ab 24. April 1990 nunmehr Altersrente für langjährig Versicherte (vgl § 36 SGB VI) unter Berücksichtigung einer Ersatzzeit von August 1941 bis Dezember 1956 gewährt hat. Insbesondere ist es nicht zu beanstanden, daß sie dabei das ab 1. Juli 1993 geltende Recht des SGB VI angewandt hat.

Die Neufeststellung einer Leistung im Rahmen eines sog Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X richtet sich zunächst nach Abs 4 dieser Vorschrift. Darin heißt es (Satz 1): Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Da es sich hier um ein durch den Antrag von Mai 1990 eingeleitetes und durch die Teilrücknahme des Bescheides vom 15. April 1991 wiedereröffnetes Rentenbewilligungsverfahren handelt, kommen als "besondere Teile dieses Gesetzbuches" zum einen die mit Wirkung vom 1. Januar 1992 gestrichenen Vorschriften des Vierten Buches der RVO (vgl Art 6 Nr 24, Art 85 Abs 1 des Rentenreformgesetzes 1992 <RRG 1992>; Art II § 1 Nr 4 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch <SGB I>) und zum anderen die gleichzeitig in Kraft getretenen Vorschriften des SGB VI in Betracht. Während allgemeine Gesichtspunkte für eine Anwendung des zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 15. April 1991 geltenden Rechts der RVO sprechen mögen (vgl dazu Kasseler Komm/Steinwedel, § 44 SGB X RdNr 35), ergibt sich die Anwendung des SGB VI im vorliegenden Fall aus der Regelung des § 300 Abs 1 bis 3 SGB VI.

In § 300 Abs 1 SGB VI ist bestimmt, daß Vorschriften des SGB VI vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden sind, wenn diese bereits vor diesem Zeitpunkt bestanden haben. Nach § 300 Abs 2 SGB VI sind aufgehobene Vorschriften dieses Gesetzbuches und durch dieses Gesetzbuch ersetzte Vorschriften auch nach dem Zeitpunkt ihrer Aufhebung noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden, wenn der Anspruch bis zum Ablauf von drei Kalendermonaten nach der Aufhebung geltend gemacht wird. Die Abs 1 und 2 des § 300 SGB VI gelten auch, wenn nach dem maßgebenden Zeitpunkt eine bereits vorher geleistete Rente neu festzustellen ist und dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln sind (vgl § 300 Abs 3 SGB VI).

Zunächst ist festzuhalten, daß diese Vorschriften nicht nur für den Übergang von der RVO zum SGB VI, sondern generell auch für spätere Rechtsänderungen Bedeutung haben. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemein gehaltenen Wortlaut, der nicht nur auf das Inkrafttreten des SGB VI am 1. Januar 1992 abstellt (vgl Kasseler Komm/Niesel, vor § 300 SGB VI RdNr 1, § 300 SGB VI RdNr 2; Mutz/Mey/Paulus/Pflüger, DAngVers 1997, 328).

Nach allgemeiner Meinung stellt die Grundsatznorm des § 300 Abs 1 SGB VI eine Abkehr vom Versicherungsfallprinzip dar (vgl zB Gemeinschaftskomm-SGB VI/Lueg, § 300 RdNr 6; Hauck, § 300 SGB VI RdNr 1; Kasseler Komm/Niesel vor § 300 RdNr 9, § 300 RdNr 11 f; Verbandskommentar zur Rentenversicherung, § 300 SGB VI RdNr 2; Zweng/Scheerer/Buschmann/Dörr, Handbuch der Rentenversicherung, § 300 SGB VI RdNr 1). So waren nach dem zum 1. Januar 1992 aufgehobenen Art 2 § 5 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes <ArVNG> (vgl Art 3 Nr 7 RRG 1992) für Rentenansprüche aus Versicherungsfällen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes grundsätzlich die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften maßgebend. Wenn demgegenüber nunmehr neue Vorschriften vom Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auch auf bereits bestehende Ansprüche anzuwenden sind, so ist diese Regelung nach Auffassung des erkennenden Senats dahin zu verstehen, daß ein Rechtsanwender das neue Recht grundsätzlich immer dann und in vollem Umfang (also auch für Zeiten vor dem 1. Januar 1992) heranzuziehen hat, wenn nach dem 31. Dezember 1991 eine rentenversicherungsrechtliche Entscheidung zu treffen ist (vgl dazu auch Jahn, § 300 SGB VI RdNrn 9, 12). Diese "funktionale" Auslegung des § 300 Abs 1 SGB VI ergibt sich insbesondere aus der Begründung zum Entwurf des RRG 1992. Darin wird der Vorteil hervorgehoben, daß der Rechtsanwender nach diesem Prinzip nicht ständig prüfen müsse, inwieweit altes, bereits aufgehobenes Recht noch weiter anwendbar sein könnte, das meist nur schwer feststellbar sei (vgl BT-Drucks 11/4124, S 206).

Der in § 300 Abs 1 SGB VI normierte Grundsatz einer durchgängigen Anwendung des jeweils geltenden neuen Rechts wird allerdings in mehrfacher Weise eingeschränkt. So stellt § 300 Abs 2 SGB VI (in Korrespondenz mit § 99 Abs 1 SGB VI) sicher, daß Renten, die innerhalb von drei Monaten nach Erfüllen der Anspruchsvoraussetzungen beantragt werden, auch bei zwischenzeitlichen Rechtsänderungen noch nach den alten Vorschriften zu bewilligen sind (vgl dazu BT-Drucks 11/4124, S 206). Was laufende Renten - wie die im vorliegenden Fall betroffene - anbelangt, so ist vor allem die Ausnahmeregelung des § 306 Abs 1 SGB VI zu beachten: Bestand Anspruch auf Leistung einer Rente vor dem Zeitpunkt einer Änderung rentenrechtlicher Vorschriften, werden aus Anlaß der Rechtsänderung die einer Rente zugrunde gelegten persönlichen Entgeltpunkte grundsätzlich nicht neu bestimmt. Demgegenüber gelten die Abs 1 und 2 des § 300 SGB VI auch dann, wenn nach dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts eine laufende Rente neu festzustellen ist und dabei die persönlichen Entgeltpunkte neu zu ermitteln sind (vgl § 300 Abs 3 SGB VI).

Bei der hier streitigen Leistungsbewilligung nach § 44 Abs 4 SGB X steht § 300 Abs 3 SGB VI einer Anwendung der Vorschriften der RVO entgegen (vgl bereits Senatsurteil vom 8. November 1995, SozR 3-2600 § 300 Nr 5; ebenso BSG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 5 RJ 36/96 -). Die Grundvoraussetzungen dieser Bestimmung sind gegeben. Zum einen handelt es sich bei einer Zugunstenentscheidung nach § 44 SGB X um eine Neufeststellung iS von § 300 Abs 3 SGB VI (vgl zB Hauck/Stahl, § 306 SGB VI RdNr 8). Zum anderen betrifft die Entscheidung die Ermittlung von Entgeltpunkten, da gegenüber dem Bescheid vom 15: April 1991 weitere Versicherungszeiten zu berücksichtigen sind (vgl dazu BT-Drucks 11/4124, S 206). Damit bestimmt sich das anwendbare Recht nach § 300 Abs 1 und 2 SGB VI.

Im vorliegenden Fall ist gemäß § 300 Abs 1 SGB VI von der Anwendbarkeit des SGB VI auszugehen, da die Sonderregelung des § 300 Abs 2 SGB VI nicht eingreift. Der nach dieser Vorschrift maßgebende Antrag ist nicht bis zum 30. März 1992 (innerhalb von drei Monaten nach Streichung des Vierten Buches der RVO) gestellt worden. Im vorliegenden Zusammenhang ist insoweit der Zeitpunkt des Zugunstenantrages des Klägers (30. Dezember 1993), hingegen nicht der des ursprünglichen Rentenantrages (Mai 1990) maßgebend. Nach der Begründung des Entwurfs zum RRG 1992 soll das vorher geltende Recht nämlich (nur) dann anzuwenden sein, wenn eine Neufeststellung innerhalb von drei Monaten nach der Aufhebung der bisherigen Vorschriften beantragt worden ist (vgl BT-Drucks 11/4124, S 206).

Soweit der 4. Senat des BSG in seinem Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 55/95 - eine gegenteilige Auffassung vertreten hat, vermag der erkennende Senat dieser nicht zu folgen. Der 4. Senat will insbesondere § 300 Abs 1 SGB VI dahin verstehen, daß er die Anwendung neuer Vorschriften frühestens für Zeiten ab ihrem Inkrafttreten vorsehe. Eine solche Auslegung mag zwar mit dem Wortlaut dieser Bestimmung vereinbar sein, sie widerspricht jedoch dem aus den Gesetzesmaterialien deutlich erkennbaren Willen des Gesetzgebers (vgl BT-Drucks 11/4124, S 206). Trotz dieser Meinungsverschiedenheiten hat sich der erkennende Senat nicht gehalten gesehen, vor seiner Entscheidung gemäß § 41 Abs 3 Satz 1 SGG beim 4. Senat anzufragen, ob dieser an seiner Rechtsauffassung festhalte. Denn die betreffenden Ausführungen des 4. Senats tragen sein Urteil vom 30. Januar 1997 - 4 RA 55/95 - nicht. Der 4. Senat hat in dem dortigen Fall nämlich letztlich den auf einer Anwendung des neuen Rechts (SGB VI) beruhenden Neufeststellungsbescheid bestätigt, weil die Revision sowohl nach altem wie nach neuem Recht im Ergebnis unbegründet war.

Ebensowenig gibt das Urteil des BSG vom 18. Januar 1995 - 5 RJ 78/93 - Anlaß zu einer Anfrage gemäß § 41 Abs 3 Satz 1 SGG. Unabhängig davon, wie die darin enthaltenen Ausführungen zur Anwendung der RVO bei Entscheidung über einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X (vgl Umdr S 4) zu verstehen sind, hat der 5. Senat des BSG nämlich jedenfalls in seinem Urteil vom 18. Juni 1997 - 5 RJ 36/96 - klargestellt, daß er in seiner Auslegung des § 300 Abs 3 SGB VI mit der Rechtsauffassung des erkennenden Senats (Urteil vom 8. November 1995 in SozR 3-2600 § 300 Nr 5) übereinstimmt.

Eine Anwendung der RVO ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch des Klägers. Dieses von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut ist auf die Vornahme einer Amtshandlung zur Herstellung des Zustandes gerichtet, der bestehen würde, wenn der Versicherungsträger die ihm aufgrund eines Gesetzes oder konkreten Sozialrechtsverhältnisses dem Versicherten gegenüber erwachsenden Haupt- oder Nebenpflichten, insbesondere zur Auskunft und Beratung, ordnungsgemäß wahrgenommen hätte (stRspr, vgl BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 12 mwN; SozR 3-3200 § 86a Nr 2).

Zwar ist der Herstellungsanspruch seiner Rechtsfolge nach geeignet, uU zur Anwendung der RVO zu führen (vgl dazu BT-Drucks 11/4124 S 206), er kommt hier jedoch nicht in Betracht. In der Rechtsprechung des BSG ist ein solcher Anspruch bisher vornehmlich dort anerkannt worden, wo der Versicherte durch ein Verhalten der Verwaltung entweder von einer rechtzeitigen Wahrnehmung ihm zustehender Rechte abgehalten oder veranlaßt wurde, eine für ihn ungünstige Erklärung abzugeben. Dabei muß die Fehlleitung des Bürgers nicht durch eine Verletzung von Aufklärungs-, Beratungs- oder Auskunftspflichten iS der §§ 13 bis 15 SGB I bewirkt worden sein, sie kann auch auf anderen behördlich bedingten Umständen, zB einer rechtswidrigen Satzung (vgl BSG SozR 2200 § 313 Nrn 6, 7) oder einem Bescheid in einer anderen Sache (vgl BSG SozR 5850 § 26 Nr 2) beruhen. In engen Grenzen ist ein Herstellungsanspruch darüber hinaus auch bei zögerlicher Sachbearbeitung der Behörde bejaht worden (vgl BSG SozR 2200 § 1241a Nr 9). In jedem Fall bedarf es eines pflichtwidrigen Verwaltungshandelns (oder -unterlassens), das zu der für den Versicherten ungünstigen Rechtsposition beigetragen hat (vgl dazu auch die allgemeinen Rechtsgedanken in §§ 142, 242 BGB).

Diese Grundsätze würden es an sich erlauben, die Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs auch auf Fälle zu erstrecken, bei denen der dem Versicherten entstandene Nachteil in einer fehlerhaften Sachentscheidung liegt. Dem steht jedoch die Eigenart dieses Anspruchs als Ergebnis richterlicher Rechtsfortbildung entgegen. Für ein derartiges Rechtsinstitut ist nämlich nur dann Platz, wo es an gesetzgeberischen Regelungen fehlt (vgl zuletzt Bundesverwaltungsgericht, NJW 1997, 2966). Dies ist hinsichtlich der Behandlung rechtswidriger Verwaltungsakte gerade nicht der Fall. Hier hat der Gesetzgeber dem Betroffenen zunächst das Recht eingeräumt, die im SGG vorgesehenen Rechtsbehelfe einzulegen (Widerspruch, Klage, Berufung usw). Ist ein derartiger Bescheid bestandskräftig geworden (vgl § 77 SGG), besteht die Möglichkeit eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X. Damit ist die Korrektur von Verwaltungsentscheidungen, welche die Rechte eines Betroffenen nicht vollständig wahren, grundsätzlich abschließend geregelt (vgl dazu BSGE 60, 158, 164 ff = SozR 1300 § 44 Nr 23).

Kommt demnach eine Anwendung des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs in diesem Zusammenhang allenfalls dann in Betracht, wenn über die fehlerhafte Sachbearbeitung, die zu einem rechtswidrigen Verwaltungsakt geführt hat, hinaus ein pflichtwidriges Verwaltungshandeln feststellbar ist, welches für die Rechtsnachteile des Betroffenen ursächlich geworden ist, so scheidet ein derartiger Anspruch des Klägers nach den Feststellungen des LSG aus. Insbesondere ist er weder davon abgehalten worden, im Rahmen seines Erstantrages die streitigen Ersatzzeiten geltend zu machen, noch gegen den Bescheid vom 15. April 1991 Rechtsbehelfe einzulegen oder zu einem früheren Zeitpunkt (namentlich bis zum 31. März 1992) einen Antrag nach § 44 SGB X zu stellen.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist der Beklagten im Rahmen des ursprünglichen Rentenverfahrens auch keine Verletzung von Beratungspflichten anzulasten. Ein Sozialleistungsträger ist zwar verpflichtet, den Versicherten über ausdrücklich gestellte Fragen hinaus auch auf naheliegende Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen, wenn diese sich als offensichtlich zweckmäßig aufdrängen und mutmaßlich von jedem verständigen Versicherten genutzt werden (vgl etwa BSGE 60, 79, 86 = SozR 4100 § 100 Nr 11; BSG SozR 3-1200 § 14 Nr 5); darüber hinaus ist jedoch nicht zu verlangen, daß die Behörde den Bürger bereits im Leistungsbewilligungsverfahren ungefragt über alle Einzelheiten möglicher Tatbestände und Voraussetzungen von für ihn günstigen Regelungen informiert. Hat der Versicherungsträger mittels eines entsprechend gestalteten Antragsformulars - ggf unter Mitwirkung einer sachkundigen Stelle (wie hier der Außenstelle einer LVA) - die für die Entscheidung über den Rentenantrag bedeutsamen Angaben des Versicherten aufgenommen, so liegt die weitere Sachbearbeitung grundsätzlich in seinen Händen. Insbesondere ermittelt er gemäß § 20 SGB X den Sachverhalt von Amts wegen. Demgegenüber ist es Sache des Antragstellers, die sodann ergehende Verwaltungsentscheidung, welche auch über den Umfang der anerkannten Versicherungszeiten Auskunft gibt, auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Bei eigener Unsicherheit steht es ihm frei, sich entweder unmittelbar vom Versicherungsträger zu konkreten Fragen beraten zu lassen oder auf andere Weise sachkundige Hilfe in Anspruch zu nehmen, zB - wie hier (allerdings erst zu einem späteren Zeitpunkt) - durch Hinzuziehung eines Rentenberaters.

Da der Kläger seinen Zugunstenantrag erst am 30. Dezember 1993 gestellt hat, findet, soweit es die streitigen Ersatzzeiten betrifft, § 250 SGB VI in der am 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Fassung des Rü-ErgG Anwendung. Das bis zum 30. Juni 1993 geltende Recht wäre gemäß § 300 Abs 3 iVm Abs 2 SGB VI nur dann anwendbar gewesen, wenn die Neufeststellung der Rente innerhalb von drei Monaten nach der Rechtsänderung, also bis zum 30. September 1993, beantragt worden wäre.

Nach der insoweit mit § 1251 Abs 1 Nr 3 RVO im wesentlichen übereinstimmenden Regelung des § 250 Abs 1 Nr 3 SGB VI sind Ersatzzeiten ua auch Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr während oder nach dem Ende eines Krieges, ohne Kriegsteilnehmer zu sein, durch feindliche Maßnahmen bis zum 30. Juni 1945 an der Rückkehr aus Gebieten außerhalb des jeweiligen Geltungsbereichs der Reichsversicherungsgesetze oder danach aus Gebieten außerhalb des Geltungsbereichs dieser Gesetze, soweit es sich nicht um das Beitrittsgebiet handelt, verhindert gewesen oder dort festgehalten worden sind. Nach den Feststellungen des LSG ist zwar davon auszugehen, daß der Kläger für die gesamte Zeit seines Aufenthaltes in Kasachstan durch feindliche Maßnahmen iS dieser Vorschrift an einer Ausreise in die Bundesrepublik Deutschland gehindert war (vgl dazu BSG SozR 2200 § 1251 Nr 126). Dennoch kommt eine Anerkennung von Ersatzzeiten über den 31. Dezember 1956 hinaus nicht in Betracht. Da der Kläger - wie sich aus den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen ergibt - in der Zeit vom 1. Januar 1957 bis 26. Dezember 1985 durchgängig Versicherungszeiten nach §§ 15, 16 FRG zurückgelegt hat, ist insoweit eine Ersatzzeit schon deshalb ausgeschlossen, weil solche Fremdrentenzeiten dem Vorliegen von Versicherungspflicht gleichstehen (vgl Kasseler Komm/Niesel § 250 SGB VI RdNr 9). Für die Zeit seines anschließenden Altersrentenbezuges in Kasachstan ist der Ausschlußtatbestand des § 250 Abs 2 Nr 2 SGG gegeben.

Durch die Anwendung des § 250 SGB VI idF des Rü-ErgG bei der Neufeststellung seiner Rente wird der Kläger nicht in seinen verfassungsmäßigen Rechten verletzt (vgl dazu bereits BSG SozR 3-2600 § 300 Nr 5; so jetzt auch BSG, Urteil vom 18. Juni 1997 - 5 RJ 36/96 -).

Soweit der Kläger einen Verstoß gegen Art 14 GG geltend macht, ist ihm entgegenzuhalten, daß sein mit Einreise in die Bundesrepublik (also im April 1990) entstandener Rentenanspruch (dh sein Rentenstammrecht) durch diese Verfassungsnorm nur in der Ausgestaltung geschützt war, wie er sich in einer Zusammenschau aller in diesem Zeitpunkt geltenden, die Eigentümerstellung regelnden gesetzlichen Vorschriften darstellte (vgl dazu BVerfGE 58, 300, 336). Eine im vorliegenden Zusammenhang wesentliche Beschränkung der Rechtsposition des Klägers ergab sich von vornherein insbesondere aus den Vorschriften über die Bestandskraft von Verwaltungsakten (§ 77 SGG) und über das Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X. Darüber hinaus war aus dem bereits verkündeten und zum 1. Januar 1992 in Kraft getretenen § 300 Abs 3 SGB VI zu entnehmen, daß ein nach dem 31. März 1992 gestellter Neufeststellungsantrag zur Anwendung des neuen Rentenrechts mit seinen für den Kläger teilweise ungünstigeren Bestimmungen führen würde. In die durch diese Regelungen umschriebene Rechtsposition des Klägers ist nicht dadurch in verfassungswidriger Weise eingegriffen worden, daß sich die darin angelegten Risiken im vorliegenden Fall dahingehend verwirklicht haben, daß der Kläger seinen ursprünglich vorhandenen materiellen Rechtsanspruch auf eine höhere Rente durch zwischenzeitliche Rechtsänderungen verloren hat, nachdem er den ihm erteilten Rentenbescheid zunächst hat bestandskräftig werden und später auch nicht rechtzeitig gemäß § 44 SGB X hat überprüfen lassen. Im übrigen ist der Kläger durch die entsprechende Anwendung des § 88 SGB VI vor Einbußen bei seiner laufenden Rente geschützt (vgl § 300 Abs 3 Satz 2 SGB VI). Damit scheidet auch eine Verletzung des - grundsätzlich gegenüber Art 14 Abs 1 GG subsidiären - rechtsstaatlichen Vertrauensschutzes aus.

Wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 8. November 1995 (SozR 3-2600 § 300 Nr 5) bereits näher ausgeführt hat, liegt auch kein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz (vgl Art 3 Abs 1 GG) vor. Soweit der Kläger gegenüber anderen Versicherten ungleich behandelt wird, ist dies durch die in § 300 Abs 3 iVm Abs 2 SGB VI enthaltene Stichtagsregelung sachlich gerechtfertigt. Die Antragsfrist von drei Monaten nach Inkrafttreten einer Rechtsänderung ist ausreichend bemessen und orientiert sich an den materiellen Vorschriften zum Rentenbeginn (vgl § 99 Abs 1 SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.



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