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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 28.08.1997
Aktenzeichen: 14/10 RKg 10/96
Rechtsgebiete: BKGG, EStG
Vorschriften:
BKGG § 11a Abs 1 iVm EStG § 32a Abs 1 Nr 1 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 28. August 1997
in dem Rechtsstreit
Az: 14/10 RKg 10/96
Klägerin und Revisionsklägerin,
Prozeßbevollmächtigte:
gegen
Bundesanstalt für Arbeit - Kindergeldkasse -, Regensburger Str. 104, 90478 Nürnberg,
Beklagte und Revisionsbeklagte.
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 28. August 1997 durch den Vorsitzenden Richter Dr. L a d a g e , die Richter Dr. U d s c h i n g und Dr. N a u j o k s sowie die ehrenamtlichen Richter L e i n g ä r t n e r und K o c h für Recht erkannt:
Die Revision der Klägerin gegen den Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. September 1995 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin für 1993 Kindergeldzuschlag (KgZ) zusteht.
Die geschiedene Klägerin bezog für drei Kinder Kindergeld (Kg). Im Januar 1993 bewilligte ihr die Beklagte für das Jahr 1993 KgZ unter dem Vorbehalt der Rückforderung. Im Verlauf des Jahres 1993 fiel die Kg-Zahlung für ein Kind weg, weil dieses zu seinem Vater gezogen war. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides für den Veranlagungszeitraum 1993 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Mai 1994 KgZ für 1993 iHv 1.950,00 DM zurück, weil der Klägerin nach dem Einkommensteuerbescheid 1993 nur zwei Kinderfreibeträge zuständen und ihr zu versteuerndes Einkommen von 7.774,00 DM den maßgebenden Grundfreibetrag von 5.616,00 DM übersteige, so daß sich die zu berücksichtigenden zwei Kinderfreibeträge bei ihr voll auswirkten. Der Widerspruch der Klägerin blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 7. Juli 1994).
Das Sozialgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 24. Februar 1995). Es ist dem Einwand der Klägerin, ihr Erwerbseinkommen wäre im Jahre 1993 bis zur Höhe von 10.529,00 DM wegen der Anwendung der Zusatztabelle zur Steuerfreistellung des Existenzminimums auch ohne Kinderfreibeträge einkommensteuerfrei geblieben, von daher hätten sich die Kinderfreibeträge nicht voll steuermindernd ausgewirkt, nicht gefolgt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die hiergegen gerichtete Berufung durch Beschluß vom 19. September 1995 zurückgewiesen. Die Beklagte sei in Bezug auf den KgZ an die Feststellung im Einkommensteuerbescheid gebunden, wonach bei der Klägerin für 1993 nur zwei Kinderfreibeträge berücksichtigt worden seien. Ihr Vorbringen, im Steuerbescheid hätten 2,5 Kinderfreibeträge berücksichtigt werden müssen, sei deshalb unbeachtlich.
Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 11a Abs 1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) iVm § 32a Abs 1 Nr 1 Einkommensteuergesetz (EStG). § 11 a Abs 1 BKGG müsse in den Fällen, in denen sich nach Anwendung der Zusatztabelle zur Steuerfreistellung des Existenzminimums kein steuerpflichtiges Einkommen ergebe, im Hinblick auf Art 3 Grundgesetz (GG) verfassungskonform ausgelegt werden. Da auch in diesen Fällen der Kinderfreibetrag nicht voll ausgenutzt werden könne, bestehe ein Anspruch auf KgZ. Es bestehe kein Grund, diejenigen, deren Einkommen durch den zusätzlichen Freibetrag zur Sicherung des Existenzminimums steuerfrei gestellt werde, anders zu behandeln als Personen mit einem Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages. In beiden Fällen könne der Kinderfreibetrag nicht oder nicht voll ausgenutzt werden. Bei einem zu versteuernden Einkommen von 7.774,00 DM ergebe sich für sie ein ungenutzter Freibetrag von 2.755,00 DM, der zu einem KgZ von 523,00 DM führe.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. September 1995, das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 24. Februar 1995 und den Bescheid der Beklagten vom 25. Mai 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 1994 wegen eines Betrages von 523,00 DM aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision der Klägerin gegen den Beschluß des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 19. September 1995 zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluß für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet. Die Beklagte hat zu Recht die volle Erstattung der unter dem Vorbehalt der Rückforderung gezahlten Zuschläge verlangt (§ 11a Abs 8 Satz 1 und Satz 4 iVm § 11 Abs 3 Satz 4 und Satz 5 BKGG). Der Klägerin steht für das Jahr 1993 ein Anspruch auf den KgZ nicht zu.
Nach § 11a Abs 1 Satz 1 BKGG (in der Neufassung vom 30. Januar 1990, BGBl I S 149) erhöht sich das Kg für die Kinder, für die dem Berechtigten der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs 6 EStG (idF des Gesetzes v. 25. Februar 1992, BGBl I S 297) zusteht, um einen Zuschlag, dessen Höhe sich nach § 11a Abs 6 BKGG bemißt, wenn das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs 5 EStG) geringer ist als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs 1 Nr 1 EStG (idF des Gesetzes v. 25. Februar 1992, BGBl I S 297). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht, denn ihr zu versteuerndes Einkommen war im Jahr 1993 höher als der Grundfreibetrag nach § 32a Abs 1 Nr 1 EStG. Das LSG hat zu Recht den bestandskräftigen Steuerbescheid über die Höhe der Kinderfreibeträge für maßgebend erachtet.
Die Tatsache, daß sich die Kinderfreibeträge bei der Klägerin nicht voll steuermindernd ausgewirkt haben, führt zu keinem anderen Ergebnis. § 11a BKGG läßt auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben eine Auslegung, die den Anspruch der Klägerin als begründet erscheinen läßt, nicht zu (1.). Die Vorschrift ist insoweit auch nicht verfassungswidrig (2.).
1. § 11a Abs 1 BKGG verweist wegen des Anspruchs auf KgZ auf die Regelung des Grundfreibetrags in § 32a Abs 1 Nr 1 EStG, die das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 25. September 1992 (BVerfGE 87, 153, 154f) für verfassungswidrig erklärt hat, weil durch die in dieser Vorschrift vorgesehenen Grundfreibeträge nicht gewährleistet sei, daß bei der Einkommensbesteuerung dem Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld von seinen Erwerbsbezügen soviel verbleibe, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und - unter Berücksichtigung von Art 6 Abs 1 GG - desjenigen seiner Familie bedürfe (Existenzminimum). Hierdurch ist in § 11a Abs 1 Satz 1 BKGG jedoch keine Regelungslücke entstanden, die im Wege richterlicher Rechtsfortbildung im Sinne der Klägerin geschlossen werden könnte.
Der Gesetzgeber hat die vom BVerfG in der genannten Entscheidung aufgestellten Forderungen umgesetzt. Hierzu zählte bis zum Ablauf des Jahres 1995 eine Änderung des § 11a BKGG nicht. Das BVerfG hatte § 32a Abs 1 Nr 1 EStG bis zu einer Neuregelung, die spätestens bis zum 1. Januar 1996 zu erfolgen hatte, für weiterhin anwendbar erklärt. Es mußte lediglich sichergestellt werden, daß mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1993 die Erwerbsbezüge insoweit von der Besteuerung freigestellt wurden, als sie zur Deckung des existenznotwendigen Bedarfs benötigt werden. Der Gesetzgeber hat dieser Forderung dadurch entsprochen, daß er im Gesetz zur Umsetzung des föderalen Konsolidierungsprogramms (FKPG) vom 23. Juni 1993; BGBl I S 944) § 32c in das EStG eingefügt hat, der durch das Standortsicherungsgesetz vom 13. September 1993 (BGBl I S 1569) inhaltsgleich zu § 32d EStG geworden ist. Danach wird die tariflich festzusetzende Einkommensteuer (§ 2 Abs 6 EStG) zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums entweder entsprechend § 32d Abs 1 Satz 2 EStG gemindert oder bei Unterschreitung der in § 32d Abs 1 Satz 1 EStG genannten Beträge auf Null Deutsche Mark reduziert.
Hieraus folgt jedoch nicht, daß die an § 32a Abs 1 Nr 1 EStG anknüpfende Regelung des § 11a Abs 1 Satz 1 BKGG, die der Gesetzgeber trotz der Entscheidung des BVerfG zu § 32a EStG unverändert gelassen hat, seit der Einfügung des § 32d EStG keinen vollständigen und eindeutigen Regelungsgehalt aufweist. Dies aber wäre Grundvoraussetzung einer verfassungskonformen Auslegung. Sie ist nur zulässig, wenn eine Norm unter Berücksichtigung des Wortlauts, des Sinn und Zwecks und der Entstehungsgeschichte mehrere Auslegungen zuläßt. In diesem Fall sind diejenigen Auslegungen auszuschließen, die der Verfassung nicht entsprechen (vgl BVerfGE 30, 129, 148; 32, 373, 383). Diese Voraussetzungen liegen in bezug auf § 11 a Abs 1 BKGG nicht vor.
Die von der Klägerin im Ergebnis angestrebte Lösung, daß die Sozialgerichte im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung die Verweisung in § 11a Abs 1 Satz 1 BKGG dahingehend modifizieren (auslegen), daß nicht mehr die vom BVerfG für verfassungswidrig erklärte Grundfreibetragsregelung des § 32a Abs 1 Nr 1 EStG anzuwenden sei, sondern daß sich der Grundfreibetrag aus § 32d Abs 1 Satz 1 EStG ergebe, würde eine unzulässige richterliche Rechtsfortbildung darstellen, da sie gegen den eindeutigen gesetzgeberischen Willen verstößt. Dieser kommt bereits in der Tatsache zum Ausdruck, daß die in Satz 1 des § 11a Abs 1 BKGG enthaltene Verweisung auf § 32a Abs 1 Nr 1 EStG auch nach der Einfügung von § 32d EStG bewußt (vgl hierzu: Antwort der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage, BT-Drucks 12/7028 S 2) nicht abgeändert wurde. In Anbetracht des eindeutigen gesetzgeberischen Willens bleibt für eine hiervon abweichende - verfassungskonforme - Auslegung kein Raum. Es käme nur eine Vorlage nach Art 100 Abs 1 GG in Betracht, wenn der Senat - im Hinblick auf die ab 1. Januar 1993 neugeschaffene Steuerminderungsregelung zur Freistellung des Existenzminimums - von der Verfassungswidrigkeit des § 11 a Abs 1 BKGG überzeugt wäre. Dies ist jedoch nicht der Fall.
2. § 11 a BKGG war - auch nach dem Inkrafttreten des § 32d EStG - nicht verfassungswidrig. Der Klägerin ist zuzugestehen, daß der KgZ nunmehr seiner ursprünglichen sozialpolitischen Zielrichtung nicht mehr voll gerecht werden konnte. Der KgZ wurde aus Gründen "sozialer Gerechtigkeit" für denjenigen Personenkreis als Ausgleich geschaffen, bei dem sich mangels hinreichenden Einkommens der Kinderfreibetrag nach § 32 Abs 6 EStG steuerlich nicht oder nicht voll auswirkte (BT-Drucks 10/2886 S 7). Der KgZ stellt damit einen weiteren Teil des vom Gesetzgeber in einem dualen System ausgestalteten Familienlastenausgleichs (BT-Drucks 9/1240 S 66) dar. Einerseits sollte durch die allgemeine Sozialleistung des Kg die wirtschaftliche Belastung teilweise ausgeglichen werden, die Eltern durch die Sorge für ihre Kinder entsteht. Andererseits war der steuerliche Kinderfreibetrag dazu bestimmt, im Steuerrecht zu berücksichtigen, daß die Leistungsfähigkeit von Steuerpflichtigen durch den Unterhalt ihrer Kinder gemindert wird. Mithin trug das Einkommensteuerrecht zusammen mit dem Kg und zugleich wie dieses dazu bei, daß dem Steuerpflichtigen wirtschaftlich das steuerlich zu verschonende Existenzminimum (BVerfG, Beschluß vom 25. September 1992 - BVerfGE 87, 153, 169 f) verblieb. In den Fällen, in denen es wegen geringen Einkommens ganz oder teilweise unmöglich war, den zustehenden Kinderfreibetrag auszuschöpfen, übernahm der KgZ als rechtlich selbständiger Teil des Kg auch diejenige Seite des Familienlastenausgleichs, die bei höheren Einkommen über die steuerliche Entlastungsfunktion des Kinderfreibetrages erreicht wurde.
Durch den KgZ wurde somit nicht die Funktion des Kg als allgemeine Sozialleistung, sondern seine auf das Einkommensteuerrecht bezogene Entlastungsfunktion im dualen System des Familienlastenausgleichs ergänzt (vgl hierzu eingehend: BSG, Urteil vom 3. Dezember 1996 - 10 RKg 12/95 = SozR 3-5870 § 11 a Nr 10 - mwN).
Da der KgZ danach als Ersatz für den nicht oder nicht voll ausgeschöpften steuerlichen Kinderfreibetrag allein von den Regelungen des Steuerrechts abhing, wäre es konsequent gewesen, das Kindergeldrecht insoweit mit dem geänderten Steuerrecht zu harmonisieren und den KgZ allen Berechtigten zu gewähren, bei denen sich der Kinderfreibetrag bei der Festsetzung der Einkommensteuer nicht (voll) auswirkte. Aus der Tatsache, daß sich der Gesetzgeber nicht für diese Lösung entschieden hat, ergeben sich jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, die eine Aussetzung des Rechtsstreits und eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 GG begründen.
Ein Verstoß gegen Art 6 Abs 1 GG ("Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung") kommt ebenso wenig in Betracht wie eine Verletzung des Sozialstaatsprinzips (Art 20 Abs 1 GG), denn ein Anspruch der Klägerin auf eine kindbezogene staatliche Förderung gleich welcher Art läßt sich hieraus nicht ableiten (vgl BVerfG, Beschluß vom 29. Mai 1990 - BVerfGE 82, 60, 99 f). In Anbetracht des Beschlusses des BVerfG vom 25. September 1992 war der Gesetzgeber - zur Wahrung des Existenzminimums des Steuerpflichtigen und seiner Familie - lediglich gehalten, mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 1993 sicherzustellen, daß dem Steuerpflichtigen bei der Einkommenbesteuerung die Erwerbsbezüge belassen wurden, die er zu Deckung eines existenznotwendigen Bedarfs benötigte. Um dieser Forderung zu genügen, mußte in kürzester Zeit allein für diesen Bereich eine Übergangsregelung geschaffen werden. Wegen der tiefgreifenden Auswirkungen der Entscheidung auf die öffentlichen Haushalte hat das BVerfG dem Gesetzgeber für eine umfassende Neuordnung ausdrücklich eine Frist bis zum Ablauf des Jahres 1995 eingeräumt. Dies gilt auch für die Auswirkungen der Steuerfreistellung des Existenzminimums auf den Familienlastenausgleich, der im Jahressteuergesetz 1996 umfassend neu geregelt wurde.
Die unterbliebene Anpassung der Voraussetzungen für die Gewährung des KGZ verstößt auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Der allgemeine Gleichheitssatz (Art 3 Abs 1 GG) ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (st Rspr des BVerfG, zB Beschluß vom 29. Mai 1990 - BVerfGE 82, 60, 86 mwN). Zu vergleichen ist hier die Gruppe von Steuerpflichtigen, deren steuerpflichtiges Einkommen unter der Grundfreibetragsgrenze des § 32a Abs 1 Nr 1 EStG lag und die demzufolge, da sie den Kinderfreibetrag nicht oder nicht voll ausnutzen konnte, in den Genuß des KgZ kam, mit der Gruppe von Steuerpflichtigen, deren steuerpflichtiges Einkommen über dieser Grenze lag, die wegen der Übergangsregelung in § 32d Abs 1 EStG jedoch tatsächlich - auch ohne Berücksichtigung des Kinderfreibetrages - keine oder nur so geringe Steuern zu entrichten hatte, daß sich der Kinderfreibetrag nicht voll auswirkte.
Ein sachlicher Grund für die Differenzierung zwischen beiden Gruppen ergibt sich bereits daraus, daß die zuletzt genannte Gruppe über ein höheres Einkommen verfügte. Der Grundfreibetrag nach § 32a Abs 1 Nr 1 EStG betrug 5.616 DM (bei Alleinstehenden) bzw 11.232 DM (bei Verheirateten), derjenige nach § 32d EStG lag 1993 bei ca 11.000 DM (für Alleinstehende) bzw ca 22.000 DM (für Verheiratete). Der Unterschied in der Höhe des Einkommens hatte früher zur Folge, daß Bezieher von Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages die Kinderfreibeträge nicht oder nicht voll ausnutzen konnten, während sich die Kinderfreibeträge bei Beziehern von höherem Einkommen steuermindernd auswirkten. Dieser Unterschied ist durch die steuerliche Neuregelung bis zu der neugeschaffenen Steuerentlastungsgrenze zwar entfallen. Daraus allein folgt jedoch nicht, daß auch eine Gleichbehandlung hinsichtlich des KgZ von Verfassungs wegen geboten ist. Die Neuregelung hat die Rechtsstellung der Bezieher von Einkommen zwischen dem alten Grundfreibetrag und der neuen Steuerentlastungsgrenze nicht verschlechtert, sondern verbessert. Sie bekommen zwar nach wie vor keinen KgZ, zahlen gegenüber dem früheren Rechtszustand jedoch weniger oder überhaupt keine Einkommensteuer mehr. Demgegenüber ist die Lage derjenigen, die bereits früher mit ihrem Einkommen unterhalb des Grundfreibetrages lagen, unverändert geblieben: Sie erhalten nach wie vor KgZ in der früheren Höhe. Das Begehren der Klägerin, deren Existenzminimum durch die Neuregelung entsprechend den Vorgaben des BVerfG steuerfrei gestellt worden ist, läuft somit darauf hinaus, den Gesetzgeber zu verpflichten, die einmal getroffene sozialpolitische Grundentscheidung, eine fehlende oder unvollständige Ausnutzung des steuerlichen Kinderfreibetrages durch Gewährung eines KgZ zu kompensieren, in Zukunft an jede Änderung des Steuersystems anzupassen. Dies läßt sich jedoch bei einer Sozialleistung wie dem KgZ, die nicht wie die Sozialhilfe der Wahrung des Existenzminimums dient, nicht aus der Verfassung ableiten. Im Hinblick auf Art 3 Abs 1 GG ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, ein bestimmtes, von ihm selbst geschaffenes sozialpolitisches Konzept beizubehalten und bei geänderten Rahmenbedingungen gegebenenfalls fortzuentwickeln.
Selbst wenn man in der beibehaltenen Anknüpfung des § 11a BKGG an § 32a Abs 1 Nr 1 EStG im Hinblick auf das sozialpolitische Ziel des KgZ einen Systembruch sieht, stellt dies allein noch keine Verletzung von Art 3 Abs 1 GG dar. Die systemwidrige Ungleichbehandlung einer Gruppe von Betroffenen kann nur ausnahmsweise als Indiz dafür gewertet werden, daß die maßgebende Regelung gegen das Willkürverbot verstößt (st Rspr des BVerfG, vgl BVerfGE 9, 20, 28; 81, 156, 207). Eine solche Ausnahme liegt im Hinblick auf die unterbliebene Anpassung des § 11a Abs 1 BKGG an die nur als Übergangsregelung konzipierte Grundfreibetragsregelung des § 32d Abs 1 EStG nicht vor. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß der Gesetzgeber nur zur Steuerfreistellung des Existenzminimums verpflichtet war; ihm aber bei der Einräumung weiterer Vergünstigungen ein Gestaltungsspielraum zusteht. Er kann grundsätzlich stets frei bestimmen, ob, ab wann, in welcher Höhe und gegenüber welchem Personenkreis er eine bestehende Sozialleistung ausweitet, solange er sich nicht von unsachlichen Erwägungen leiten läßt (BSG SozR 3-5870 § 11a Nr 6 mwN; vgl auch: BVerfGE 39, 148, 153 ff mwN). Die Forderung der Klägerin, der Gesetzgeber müsse im Interesse sozialer Gerechtigkeit stets strikte Gleichförmigkeit schaffen, begründet tendenziell die Gefahr, daß Reformen, die sich vor allem aus finanziellen Gründen nur schrittweise verwirklichen lassen, von vornherein unterbleiben (BVerfGE 40, 121, 140; 69, 272, 304). Der Gesetzgeber hat der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte den Vorrang eingeräumt gegenüber einer durch Ausweitung von Sozialleistungen eintretenden Vergrößerung des ohnehin durch den Ausfall von Steuern entstandenen Finanzbedarfs. Damit hat er sich innerhalb des ihm zustehenden Gestaltungsspielraums bewegt, den er mit der gänzlichen Neuregelung des Kindergeldrechts im Jahressteuergesetz 1996 (vom 11. Oktober 1995, BGBl I S 1250) nur weiter ausgefüllt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Ende der Entscheidung
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