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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 04.12.1997
Aktenzeichen: 7 RAr 24/96
Rechtsgebiete: ArbErlaubV, SGB X, AFG
Vorschriften:
ArbErlaubV § 1 Abs 3 | |
SGB X § 34 | |
AFG § 19 |
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 4. Dezember 1997
in dem Rechtsstreit
Az: 7 RAr 24/96
Klägerin und Revisionsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigte:
gegen
Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,
Beklagte und Revisionsklägerin.
Der 7. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 4. Dezember 1997 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Wolff, die Richter Eicher und Husmann sowie die ehrenamtlichen Richter Höchst und Lasar für Recht erkannt:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. Februar 1996 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Klägerin begehrt die Mitwirkung der Beklagten bei der Vermittlung von drei in Polen wohnenden polnischen Arbeitnehmerinnen.
Die Klägerin betreibt einen Barbetrieb mit Kabarett, Striptease und Filmvorführungen. Seit 1988 hat sie in über 30 Fällen in Polen lebende polnische Arbeitnehmerinnen für zeitlich befristete Beschäftigungen als Hilfskräfte bzw Bardamen in ihrem Betrieb eingestellt; dabei hat das Arbeitsamt (ArbA) jeweils von der Klägerin eingereichte - von den Arbeitnehmerinnen unterschriebene - als "Einstellungszusage/Arbeitsvertrag" überschriebene Formulare an die polnische Arbeitsverwaltung mit der darauf bereits vorgefertigten Erklärung weitergeleitet, daß gegen die Erteilung der Arbeitserlaubnis für die beabsichtigte Beschäftigung keine Bedenken bestünden.
Am 5. September 1994 reichte die Klägerin drei weitere Formulare dieser Art für drei namentlich benannte polnische Arbeitnehmerinnen beim ArbA ein. Zwei der Arbeitnehmerinnen sollten nach Angabe der Klägerin auf Abruf für drei Monate als Kabarettänzerin, die dritte Arbeitnehmerin bis zu drei Monate als Hilfskraft beschäftigt werden; alle Arbeitnehmerinnen wollten ihren Wohnsitz in Polen beibehalten.
Das ArbA lehnte die Weiterleitung der Formulare mit der Begründung ab, nach § 1 Abs 3 Arbeitserlaubnisverordnung (ArbErlaubV) könne eine Arbeitserlaubnis bis zu insgesamt drei Monaten jährlich nur erteilt werden, sofern der Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes über das Verfahren der Auswahl und der Vermittlung vermittelt worden sei; danach sei jedoch die Vermittlung von Arbeitnehmern in Nachtclubs und Barbetriebe ausgeschlossen (drei Schreiben vom 23. Dezember 1994; Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1995).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, "der Klägerin die auf drei Monate befristete Zusicherung" für die drei Arbeitnehmerinnen zu erteilen, daß für die beabsichtigte Beschäftigung bei der Klägerin als Kabarettänzerin bzw Hilfskraft keine Bedenken bestehen (Urteil vom 16. März 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 21. Februar 1996). Dabei hat es das Urteil des SG dahin ausgelegt, daß die Beklagte der Klägerin die Zusicherung zu erteilen habe, den drei Arbeitnehmerinnen auf drei Monate befristete Arbeitserlaubnisse zu erteilen. Die Klägerin habe ein berechtigtes Interesse an einer solchen Zusicherung iS des § 34 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X). Die Beklagte könne sich nicht auf die Absprache mit der polnischen Arbeitsverwaltung über die Nichtvermittlung in Nachtclubs und Barbetriebe berufen. Soweit nämlich § 1 Abs 3 ArbErlaubV fordere, daß der Arbeitnehmer aufgrund von Absprachen mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes vermittelt worden sei, sei dies nicht durch die Ermächtigungsnorm des § 19 Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gedeckt.
Mit ihrer Revision rügt die Beklagte, der Klägerin fehle das Rechtsschutzinteresse, weil der Zeitraum bereits verstrichen sei, für den die Arbeitserlaubnisse hätten erteilt werden sollen. Die Klägerin habe ohnedies keinen Anspruch darauf, daß ihr die Erteilung von Arbeitserlaubnissen zugesichert werde. Die sog "Zusicherung" einer Arbeitserlaubnis werde nach dem vorgesehenen und üblichen Vermittlungsverfahren nicht unmittelbar dem Arbeitgeber oder Arbeitnehmer erteilt, sondern lediglich auf dem als "Einstellungszusage/Arbeitsvertrag" überschriebenen Formular als vorgefertigte behördeninterne Information an die polnische Arbeitsverwaltung bzw die deutsche Auslandsvertretung zwecks Erteilung eines Visums weitergeleitet. Die Entscheidung des LSG beruhe außerdem auf einer Verletzung des § 19 AFG iVm § 1 ArbErIaubV. Soweit § 1 Abs 3 ArbErIaubV vorschreibe, daß für eine Beschäftigung bis zu drei Monaten jährlich die Arbeitserlaubnis nur erteilt werden dürfe, wenn der Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes vermittelt worden sei, sei dies entgegen der Ansicht des LSG durch § 19 Abs 4 AFG gedeckt. Die Arbeitsverwaltungen in den mittel- und osteuropäischen Ländern hätten ihr (der Beklagten) mitgeteilt, daß eine Vermittlung ausländischer Arbeitnehmerinnen in Barbetriebe und Vergnügungslokale nicht mehr erfolge, weil die Arbeitsverträge dieser Personen häufig nicht eingehalten und die Arbeitnehmerinnen aufgefordert würden, der Gästeanimation und Prostitution nachzugehen.
Die Beklagte beantragt,
die Urteile des LSG und des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Revision mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß die Beklagte verurteilt wird, die eingereichten Formulare ("Einstellungszusage/Arbeitsvertrag") mit dem Vermerk an die polnische Arbeitsverwaltung weiterzuleiten, daß gegen die beabsichtigte Beschäftigung der Arbeitnehmerinnen J Z , M L und M P keine arbeitserlaubnisrechtlichen Bedenken bestehen.
Sie ist der Ansicht, die Beklagte müsse das Vermittlungsverfahren wie früher betreiben.
Ihr Anliegen habe sich nicht wegen Zeitablaufs erledigt; die polnischen Arbeitnehmerinnen meldeten sich noch heute bei ihr und stünden nach wie vor auf Abruf zur Verfügung.
II
Die Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Eine Entscheidung in der Sache ist schon deshalb untunlich, weil das LSG trotz formaler Zurückweisung der von der Beklagten eingelegten Berufung inhaltlich über einen anderen Streitgegenstand entschieden hat als das SG, das mit seiner Entscheidung dem, wahren Klagebegehren entsprochen hat. Würde der Senat bei dieser Sachlage abschließend über den richtigen, von Amts wegen zu ermittelnden Streitgegenstand befinden, müßte erstmals in der Revisionsinstanz eine Vielzahl von in den Tatsacheninstanzen nicht erörterten Rechts- und Tattragen behandelt werden, nachdem sich auch das SG in seinem Urteil und im erstinstanzlichen Verfahren auf eine kursorische Prüfung beschränkt hat. Ob die Entscheidung des LSG überhaupt alle notwendigen Tatsachenfeststellungen enthält oder der Senat ggf fehlende Tatsachenfeststellungen nachholen dürfte, kann unter diesen Umständen offenbleiben.
Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die drei Schreiben der Beklagten vom 23. Dezember 1994 und der Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 1995, mit denen es die Beklagte abgelehnt hat, die von der Klägerin eingereichten Formulare an die polnische Arbeitsverwaltung mit der darauf vorgefertigten Erklärung weiterzuleiten, daß gegen die beabsichtigte Beschäftigung der drei Arbeitnehmerinnen keine arbeitserlaubnisrechtlichen Bedenken bestehen. Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Klage und begehrt damit eine Mitwirkung der Beklagten an der Vermittlung der drei Arbeitnehmerinnen. Zwar hat die Klägerin beim SG beantragt, die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 23. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 1995 zu verurteilen, ihr für die drei Arbeitnehmerinnen die auf drei Monate befristete Zusicherung zu erteilen, daß für die beabsichtigte Beschäftigung bei ihr als Kabarettänzerin bzw als Hilfskraft keine Bedenken bestehen; für die Auslegung eines Klageantrags ist jedoch nicht am Wortlaut der Erklärung zu haften (§ 123 SGG), sondern es ist der wirkliche Wille zu erforschen und zu berücksichtigen, der sich auch aus den sonstigen Umständen ergeben kann (vgl nur BSGE 74, 77, 79 mwN = SozR 3-4100 § 104 Nr 11). Die Auslegung eines Antrags hat sich deshalb danach zu richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepaßt hätte und keine Gründe für ein anderes Verhalten vorliegen (BSGE 74, 77, 79 mwN = SozR 3-4100 § 104 Nr 11).
Wie die Klägerin im Revisionsverfahren ausdrücklich klargestellt hat, ging es ihr mit der Klage von Anfang an um die Weiterleitung der eingereichten Formulare im Rahmen des zwischenstaatlichen Vermittlungsverfahrens. Daß das SG nur hierüber entschieden hat, zeigt der auf den ersten Blick schwer verständliche, sich am Wortlaut des Klageantrags orientierende Tenor der Entscheidung. Insoweit greift das SG auf die in der jeweiligen "Einstellungszusage/Arbeitsvertrag" vorgefertigte Formulierung zurück, daß gegen die Erteilung der Arbeitserlaubnis für die beabsichtigte Beschäftigung keine Bedenken bestehen. Wenn das SG diese formularmäßige Stellungnahme als "Zusicherung" bezeichnet, so beruht das auf dem Sprachgebrauch der Beklagten, die diesen Terminus in ihren Durchführungsanweisungen (DA) selbst verwendet, obwohl die bezeichnete Stellungnahme weder gegenüber dem Arbeitgeber noch gegenüber dem Arbeitnehmer erteilt wird, somit rechtlich keine Zusicherung iS des § 34 SGB X darstellt. Daß das SG in seinem Entscheidungstenor die von ihm als "Zusicherung" bezeichnete Stellungnahme auf drei Monate befristet hat, entspricht dem Inhalt der Formulare; denn dort ist - wiederum vorformuliert - eine Gültigkeit der Stellungnahme nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgesehen. Greift das SG mithin im Urteilstenor die Verwaltungspraxis der Beklagten auf, so erhellt gerade dies den Gehalt der Entscheidung, nämlich eine Verurteilung zur Weiterleitung der Formulare mit der vorgefertigten Stellungnahme zur arbeitserlaubnisrechtlichen Situation.
Nur dies entsprach dem, was ein verständiger Antragsteller begehren würde. Denn die Erforderlichkeit eines solchen Verfahrens ergibt sich jedenfalls für die Zeit vor Inkrafttreten des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung - (SGB III) aus § 18 Abs 1 Satz 1 AFG (zuletzt idF, die § 18 durch das Erste Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms <1. SKWPG> vom 21. Dezember 1993 - BGBl I 2353 - erhalten hat), der die sog Selbstsuche des Arbeitgebers im Ausland (außerhalb der Europäischen Gemeinschaft <EG>) verbietet. Nach dieser Regelung wird die Anwerbung im Ausland (außer EG) sowie die Vermittlung in eine Beschäftigung im Inland nur von der Beklagten selbst oder - insoweit hier nicht einschlägig - unter bestimmten Voraussetzungen von anderen Einrichtungen und Personen durchgeführt. Mit der Einreichung der Formulare betr die drei polnischen Arbeitnehmerinnen hat die Klägerin zu erkennen gegeben, daß sie die Durchführung des in § 18 Abs 1 Satz 1 AFG vorgegebenen Vermittlungsverfahrens begehrt, und zwar in der Weise, wie es die Beklagte mittels des "Einstellungszusage/Arbeitsvertrag"- Formulars im einzelnen vorgesehen und in den sie, die Klägerin, betreffenden Fällen bisher - ihren DA gemäß - praktiziert hat.
Hat also das SG - zu Recht - über dieses Klagebegehren befunden, so war nur dieses Gegenstand des Berufungsverfahrens, und das LSG hat die Entscheidung des SG - basierend auf einer Fehleinschätzung des klägerischen Begehrens - mißverstanden. Anstelle eines Anspruchs auf Zusicherung iS des § 34 SGB X hätte es einen Anspruch auf Weiterleitung der Formulare mit der darin vorgesehenen Stellungnahme, also auf Mitwirkung der Beklagten an der zwischenstaatlichen Vermittlung, prüfen müssen. Da das LSG indes die Berufung der Beklagten gegen das SG-Urteil zurückgewiesen hat, ist Gegenstand des Revisionsverfahrens auch ohne Rechtsmittel der Klägerin die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung und damit das wahre Begehren der Klägerin (vgl zu einer ähnlichen Situation BSGE 74, 77, 80 = SozR 3-4100 § 104 Nr 11); hierüber hat nunmehr das LSG zu befinden.
Für diese Entscheidung weist der Senat auf die nachfolgenden Gesichtspunkte hin:
1. Die Berufung der Beklagten war nach §§ 143, 144 SGG (idF des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11. Januar 1993 - BGBl I 50) auch ohne Zulassung durch das SG statthaft. Nach dem hier allein einschlägigen § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Beschwerdewert bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 1.000,00 DM nicht übersteigt. Die vom SG ausgesprochene Verurteilung der Beklagten zur Weiterleitung der von der Klägerin eingereichten Formulare einschließlich der Unbedenklichkeitserklärung betraf von vornherein keine Geldleistung; sie stellt jedoch auch keine Verurteilung zu einer Sachleistung iS der Vorschrift dar.
Was unter einer Sachleistung iS des § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG zu verstehen ist, ist weder der Vorschrift selbst noch den Gesetzesmaterialien (vgl BT-Drucks 12/1217 S 71) zu entnehmen. Um eine möglichst einfache Handhabung der Norm zu gewährleisten, liegt es deshalb nahe, sich an § 11 Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) zu orientieren, der für den Gesamtbereich des Sozialgesetzbuchs grundsätzlich zwischen Geld-, Dienst- und Sachleistungen unterscheidet. Dort ist mit einer Sachleistung die Hingabe von Sachen, dh von körperlichen Gegenständen (§ 90 Bürgerliches Gesetzbuch), gemeint (Mrozynski, SGB I, 2. Aufl 1995, Rz 20 zu § 11); diese Differenzierung gilt auch für § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG (Meyer-Ladewig, SGG, 5. Aufl 1993, Rz 9 zu § 144 mwN). Die Berufung der Beklagten richtet sich aber gerade nicht gegen die Verurteilung zur Erbringung einer Sach-, sondern einer Dienstleistung. Hieran ändert sich auch nichts dadurch, daß die Beklagte zur Weiterleitung einer Urkunde verurteilt worden ist; maßgeblich ist insoweit nicht die Urkunde als Sache, sondern die Verfahrenshandlung selbst.
2. Es kann davon ausgegangen werden, daß zum Zeitpunkt der Senatsentscheidung ein Rechtsschutzinteresse an der Verfolgung des Vermittlungsgesuchs noch besteht; denn die betroffenen Arbeitnehmerinnen haben nach der von der Klägerin im Revisionsverfahren abgegebenen Erklärung von Zeit zu Zeit bei dieser vorgesprochen und weiterhin für eine Beschäftigung zur Verfügung gestanden. Der Klage fehlte es daher an einem Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb, weil die angefochtenen Bescheide durch Zeitablauf gegenstandslos und damit unwirksam geworden wären (vgl dazu nur BSGE 79, 71, 74 = SozR 3-4100 § 116 Nr 4). Dieser Umstand entbindet jedoch das LSG bei seiner erneuten Entscheidung nicht von einer Prüfungspflicht für die Folgezeit.
3. Das LSG wird ggf auch der Klageart seine Aufmerksamkeit schenken müssen, soweit davon gesetzliche Zulässigkeitsvoraussetzungen abhängig sind. Insbesondere wird es prüfen müssen, ob die erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig ist, wobei es davon auszugehen haben wird, daß der Widerspruchsbescheid der Beklagten die vorangehenden Schreiben vom 23. Dezember 1994 in jedem Fall zu Verwaltungsakte gemacht hat (BSG, Urteil vom 18. September 1997 - 11 RAr 85/96 - mwN, zur Veröffentlichung vorgesehen). Ggf wird es auch der Überprüfung bedürfen, ob sich die am 1. Januar 1998 in Kraft getretenen Vorschriften des SGB III unter Berücksichtigung der Verwaltungspraxis der Beklagten auf die Zulässigkeit der Klage auswirken. Dabei kann der Klägerin nicht schon entgegengehalten werden, sie habe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt einen eigenen Anspruch auf Mitwirkung der Beklagten an der zwischenstaatlichen Vermittlung geltend gemacht. Die Klagebefugnis ist also nicht bereits deshalb zu verneinen, weil es der Klägerin schon an einer gesetzlich geschützten Rechtsposition fehle (sog Schutznormtheorie: vgl nur Kopp, VwGO, 10. Aufl 1994, Rz 48 ff zu § 42 mwN). Vielmehr ergibt sich eine solche Rechtsposition der Klägerin aus § 18 AFG iVm § 19 Abs 1 Satz 3 AFG (beide zuletzt idF, die sie durch das 1. SKWPG erhalten haben).
Nach § 18 Abs 1 Satz 1 AFG führt die Beklagte ua die Anwerbung im Ausland sowie die Arbeitsvermittlung für eine Beschäftigung als Arbeitnehmer im Inland durch. Diese Vorschrift beinhaltet für deutsche Arbeitgeber einen Eingriff in ihre Freiheit, sich Arbeitskräfte selbst zu suchen und ausländische Arbeitsangebote zu nutzen (vgl Gagel, AFG, Stand Januar 1996, Rz 4 zu § 18). Der Klägerin war es danach versagt, selbst eine Arbeitnehmerin in Polen anzuwerben bzw in sonstiger Weise selbst initiativ zu werden. Wollte sie gleichwohl zur Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses aktiv werden, mußte sie sich mit einem Vermittlungsauftrag an die Beklagte wenden, die in einem besonderen Verfahren die begehrte Anwerbung/Vermittlung durchführt bzw an einer solchen mitwirkt. Im Rahmen dieses Verfahrens, das dann der Erteilung der Arbeitserlaubnis nach § 19 Abs 1 Satz 3 AFG vorgeschaltet ist und der Begründung eines rechtmäßigen Beschäftigungsverhältnisses (§ 19 Abs 1 Satz 6 AFG) dient, müssen aber dem Arbeitgeber eigene Rechtspositionen eingeräumt werden, die es ihm ermöglichen, gerichtlich auf die Beklagte einzuwirken. Nur eine solche Rechtsposition, die sich auch auf Art 12 GG stützen läßt, bietet dem Arbeitgeber hinreichend Gewähr, sein angestrebtes Ziel zu verwirklichen, mit einem im Ausland wohnenden ausländischen Arbeitnehmer zwecks Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses in Kontakt zu treten. Dies gilt um so mehr, als die Beklagte nach den Feststellungen des LSG - jedenfalls vor Inkrafttreten des SGB III - ein entsprechendes Verfahren praktiziert hat, so daß auch Gesichtspunkte des Art 3 GG zu beachten sind.
4. Bei der Begründetheit der Klage wird das LSG nicht nur über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung zum Zeitpunkt ihres Erlasses, sondern - ggf unter Berücksichtigung von Rechtsänderungen - auch darüber zu befinden haben; ob der Klägerin ein Anspruch auf Weiterleitung der Formulare generell oder nur dann zusteht, wenn die arbeitserlaubnisrechtlichen Voraussetzungen für die beabsichtigten Beschäftigungen vorliegen. Bei der Beantwortung dieser Frage wird das LSG die von ihm geäußerte Rechtsauffassung zur teilweisen Unwirksamkeit des § 1 Abs 3 ArbErlaubV nicht aufrechterhalten können; entgegen der von ihm geäußerten Ansicht ist diese Vorschrift ermächtigungskonform.
Nach § 1 Abs 3 Satz 1 ArbErlaubV (idF der V0 zur Änderung des Arbeitserlaubnisrechts vom 30. September 1996 - BGBl I 1491) darf für eine Beschäftigung nach § 19 Abs 1 Satz 3 AFG die Arbeitserlaubnis nach Abs 1 (Erteilung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes) bis zu insgesamt drei Monaten im Kalenderjahr (Modifikationen in Abs 3 Sätze 3 und 4 seit 1. Januar 1997) erteilt werden, sofern der Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache der Beklagten mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes über das Verfahren, die Auswahl und die Vermittlung (vor 1. Januar 1997: "Verfahren der Auswahl und der Vermittlung") vermittelt worden ist; ferner muß es sich um eine Beschäftigung von mindestens 30 Stunden wöchentlich bei durchschnittlich mindestens 6 Stunden Arbeit täglich handeln (eingefügt mit Wirkung ab 1. Januar 1997). Die Vermittlung ist nach Abs 1 Satz 2 ua auf eine Beschäftigung im Hotel- und Gaststättengewerbe beschränkt (seit 1. Januar 1993).
Soweit in § 1 Abs 3 ArbErlaubV für die Erteilung der Arbeitserlaubnis ua gefordert wird, daß der Arbeitnehmer aufgrund einer Absprache der Beklagten mit der Arbeitsverwaltung des Herkunftslandes über das Verfahren, die Auswahl und die Vermittlung vermittelt worden sein muß, verstößt dies nicht gegen § 19 Abs 4 AFG. Insoweit hat der Verordnungsgeber keine zusätzliche, von der Ermächtigungsnorm nicht gedeckte Voraussetzung aufgestellt. § 19 Abs 4 Satz 1 AFG erlaubt nämlich nicht nur den Erlaß von Vorschriften über Art, Umfang, Geltungsdauer und Aufhebung der Arbeitserlaubnis, sondern ausdrücklich auch über das "Verfahren". Diese Ermächtigung zum Erlaß von Verfahrensregelungen ist nicht isoliert zu sehen; sie steht für die Fallgestaltungen des § 19 Abs 1 Satz 3 AFG vielmehr in einem sachlich untrennbaren Zusammenhang mit § 18 Abs 1 AFG. Weil sich danach der Arbeitgeber, der an einen im Ausland wohnenden Arbeitnehmer zwecks Eingehung eines Arbeitsverhältnisses herantreten will, grundsätzlich der Vermittlung der Beklagten bedienen muß, kann schon der Sache nach wegen der Souveränitätsrechte des Herkunftslandes nicht auf Absprachen mit dessen Arbeitsverwaltung verzichtet werden.
Darüber hinaus stehen die genannten Regelungen in einem engen Zusammenhang mit dem seit 1973 grundsätzlich geltenden Anwerbestopp der Beklagten und der damit korrespondierenden Begrenzung der Arbeitsaufenthalte von Ausländern, die durch das Gesetz zur Neuregelung des Ausländerrechts vom 9. Juli 1990 (BGBl I 1354) sowohl im Aufenthaltsrecht (§ 10 Ausländergesetz idF vom 9. Juli 1990 <AuslG>) als auch im Arbeitserlaubnisrecht - durch Einfügung des § 19 Abs 1 Satz 3 AFG - gesetzlich verankert worden ist (BT-Drucks 11/6321, S 45 und S 57 zu § 10). Ausländern; die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben und im Geltungsbereich dieses Gesetzes eine Beschäftigung ausüben wollen, darf eine Arbeitserlaubnis nur erteilt werden, sofern die Dauer der Beschäftigung drei Monate nicht übersteigt (§ 19 Abs 1 Satz 3 AFG); diese Vorschrift erfaßt jedenfalls die Fälle, in denen - wie hier - die Arbeitnehmer ihren Wohnsitz im Ausland beibehalten wollen. § 19 Abs 1 Satz 3 AFG wird ergänzt durch das Ausländerrecht, das bei einem Arbeitsaufenthalt des genannten Personenkreises ebenfalls danach differenziert, ob eine Beschäftigung länger als drei Monate oder nur bis zu drei Monate ausgeübt werden soll (vgl § 3 Abs 1 und 3 AuslG iVm §§ 11 Abs 1 Nr 2, 11 Abs 2 Nr 5, 12 VO zur Durchführung des AuslG <DVAuslG> vom 18. Dezember 1990 - BGBl I 2983). Danach bedarf die Aufenthaltsgenehmigung (= Visum) für Ausländer, die eine durch die Beklagte, mit ihrer Zustimmung oder in ihrem Auftrag vermittelte Erwerbstätigkeit bis zu einer Höchstdauer von drei Monaten ausüben, abweichend von § 11 Abs 1 Nr 2 DVAuslG nicht der Zustimmung der Ausländerbehörde (des inländischen Beschäftigungsortes). Dies bedeutet, daß für den kurzfristigen Arbeitsaufenthalt eines ausländischen Arbeitnehmers als Aufenthaltsgenehmigung lediglich das Visum der deutschen Auslandsvertretung im Herkunftsland erforderlich ist (§ 63 Abs 3 AuslG), das auf Vorlage der von der Beklagten übermittelten arbeitserlaubnisrechtlichen Unbedenklichkeitserklärung erteilt werden kann, weil der Arbeitnehmer damit dokumentiert, daß er durch die Beklagte bzw mit ihrer Zustimmung vermittelt worden ist. Eine derartige Verfahrensgestaltung und -vereinfachung, wie sie von der Beklagten praktiziert wird, dient nicht nur dem Interesse der ausländischen Arbeitnehmer, sondern - jedenfalls mittelbar auch der inländischen Arbeitgeber.
§ 1 Abs 3 ArbErlaubV beinhaltet entgegen der Ansicht des LSG ohnedies keine zusätzliche - eigenständige -, im AFG nicht enthaltene Voraussetzung für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis. Absprachen mit den Arbeitsverwaltungen der Herkunftsländer unterliegen - wie die Erteilung der Arbeitserlaubnis selbst - dem Gebot, Lage und Entwicklung des (inländischen) Arbeitsmarktes zu berücksichtigen; dh, wirksame Absprachen dürfen keine Verfahrens-, Vermittlungs- oder Auswahlregelungen enthalten, die dem widersprechen. Daß dies so ist, ergibt sich zwanglos daraus, daß § 1 Abs 3 Satz 1 ArbErlaubV ausdrücklich auf § 1 Abs 1 ArbErIaubV Bezug nimmt, der die Erteilung der Arbeitserlaubnis - in Übereinstimmung mit § 19 Abs 1 Satz 2 AFG - von Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes abhängig macht.
Bei der Beurteilung des Arbeitsmarktes ist indes nicht nur der quantitative Aspekt des Bedarfs an ausländischen Arbeitskräften zu beachten, sondern bedeutsam sind auch qualitative Gesichtspunkte, die der Sicherung der Ordnung des Arbeitsmarktes dienen und sich aus den allgemeinen Zielvorstellungen des AFG ergeben. Insoweit hat die Beklagte schon unter Geltung des AFG als Träger öffentlicher Gewalt bei der Arbeitsvermittlung Recht und Gesetz zu beachten; sie darf nicht an einer Vermittlung in gesetz- oder sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse mitwirken. Dieser Grundsatz, der in § 36 Abs 1 SGB III expressis verbis normiert ist, ist offenkundig als so selbstverständlich angesehen worden, daß er in den allgemeinen Zielnormen des AFG nicht festgeschrieben ist. Er kommt jedoch in einer Reihe von Normen des AFG zum Ausdruck, zB in § 2 Nr 8, wonach die Beklagte dazu beizutragen hat, daß illegale Beschäftigung bekämpft und damit die Ordnung auf dem Arbeitsmarkt aufrechterhalten wird, oder in § 16, wonach die Beklagte nicht in Arbeitsverhältnisse mit tarifwidrigen Bedingungen bzw in Beschäftigungen vermitteln soll, in denen gegen Mindestarbeitsbedingungen verstoßen wird. Auch die Vermittlung in Arbeitsverhältnisse, die die Gefahr der Übervorteilung bzw der Nichteinhaltung der Arbeitsverträge zu Lasten des Arbeitnehmers begründen, entspricht erkennbar nicht den Zielvorstellungen des AFG. Dies ergibt sich schon aus dem Schutzzweck, der nach §§ 18, 227 Abs 1 Nr 2 AFG mit dem Vermittlungsmonopol der Beklagten in Fällen der vorliegenden Art verfolgt wird, nämlich den ausländischen Arbeitnehmer vor Ausbeutung zu schützen (vgl BVerfG SozR 3-4100 § 227 Nr 1). Nicht zuletzt hat die Beklagte dazu beizutragen, daß keine unterwertige Beschäftigung eintritt (§ 2 Nr 1 AFG), die auch bei gesetz- und sittenwidrigen Arbeitsverhältnissen angenommen werden muß. Wegen des negativen Einflusses auf Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes darf die Beklagte derartige Erfahrungen bei den nach § 1 Abs 3 ArbErlaubV vorgesehenen Absprachen mit den Arbeitsverwaltungen des Herkunftslandes, die ggf vom LSG zu ermitteln sind, berücksichtigen. Selbst wenn indes vorhandene, auf generellen Erfahrungswerten beruhende Absprachen nicht eingreifen sollten, wäre die Erteilung von Arbeitserlaubnissen dann ausgeschlossen, wenn die näher bezeichneten Aspekte im konkreten Fall der Erteilung einer Arbeitserlaubnis entgegenstünden.
5. Die Erteilung von Arbeitserlaubnissen an die drei polnischen Arbeitnehmerinnen scheitert nicht schon daran, daß der Betrieb der Klägerin nicht einem der in § 1 Abs 3 Satz 2 ArbErlaubV genannten Wirtschaftszweige zugeordnet werden könnte, auf die die Erteilung von Arbeitserlaubnissen nach Maßgabe des § 19 Abs 1 Satz 5 AFG beschränkt werden darf. Zu dem in § 1 Abs 3 ArbErlaubV ausdrücklich genannten Hotel- und Gaststättengewerbe zählt grundsätzlich auch der von der Klägerin geführte Betrieb. Die Versagung der Arbeitserlaubnis ließe sich insoweit auch nicht darauf stützen, daß die genannte Regelung nur sog Saisonbetriebe erfassen will, ein Barbetrieb aber nicht zu den Saisonbetrieben gehört und die Auswahl der in § 1 Abs 3 Satz 2 ArbErlaubV aufgeführten Wirtschaftszweige maßgeblich unter einem solchen Aspekt getroffen worden sein könnte. Eine ausschließliche Beschränkung auf Saisonbetriebe läßt sich jedoch weder § 1 Abs 3 Satz 2 ArbErlaubV noch § 19 Abs 1 Satz 3 AFG entnehmen. Sie ergibt sich auch nicht zwangsläufig aus der Art der aufgezeigten Wirtschaftszweige.
6. Ggf wird das LSG zu erwägen haben, ob die betroffenen polnischen Arbeitnehmerinnen Anspruch auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis nach Maßgabe der VO über Ausnahmeregelungen für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis an neu einreisende Arbeitnehmer (Anwerbestoppausnahme-Verordnung) vom 21. Dezember 1990 oder nach dem Europa-Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen den Europäischen Gemeinschaften und ihrer Mitgliedstaaten einerseits und der Republik Polen andererseits vom 16. Dezember 1991 haben (vgl BGBl II 1993, 1316 und BGBl II 1994, 804).
Das LSG wird schließlich über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.
Ende der Entscheidung
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