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Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 09.12.1997
Aktenzeichen: 8 BKn 7/97
Rechtsgebiete: SGG
Vorschriften:
SGG § 136 Abs. 1 Nr. 4 |
BUNDESSOZIALGERICHT BESCHLUSS
in dem Rechtsstreit
Az: 8 BKn 7/97
Kläger und Beschwerdegegner,
Prozeßbevollmächtigte:
gegen
Bundesknappschaft, Pieperstraße 14/28, 44789 Bochum,
Beklagte und Beschwerdeführerin.
Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 9. Dezember 1997 durch den Vorsitzenden Richter Wiester, die Richter Dr. Steinwedel und Masuch sowie die ehrenamtlichen Richter Schmidt und Rückert
beschlossen:
Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. April 1997 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beschwerdeführerin (Beklagte) wendet sich gegen ihre Verurteilung zur Gewährung einer Rente wegen Berufsunfähigkeit (BU).
Der 1955 geborene Beschwerdegegner (Kläger), bisheriger Beruf: Hauer, bezieht seit dem 1. Januar 1991 Bergmannsrente. Nach seinem Antrag vom Oktober 1993 auf Rente wegen BU führte die Beklagte vom 4. November bis zum 16. Dezember 1993 eine Rehabilitationsmaßnahme (Anschlußheilbehandlung nach einer konservativen Behandlung von Wirbelsäulenbeschwerden) durch. Den Rentenantrag lehnte sie ab; Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg (Bescheid und Widerspruchsbescheid vom 13. September 1994 bzw 22. Februar 1995; Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 17. September 1996).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Landessozialgericht (LSG) hat der Beklagten-Vertreter erklärt:
"Am 26.05. und 06.06.1997 beginnen im Berufsförderungswerk B. - L. Feststellungsmaßnahmen zur Arbeitserprobung/Berufsfindung. Die Beklagte ist bereit, dem Kläger eine solche Maßnahme zu bewilligen. Dem Kläger stünde, da er keine Leistungen des Arbeitsamtes bezieht, ein Anspruch auf Übergangsgeld gegen die Beklagte zu für diese Maßnahme, die 14 Tage, längstens 3 Wochen dauere."
Das LSG hat den Kläger für berufsunfähig gehalten und die Beklagte verurteilt, "vorbehaltlich der Gewährung einer Leistung zur Rehabilitation gemäß § 116 Abs 1 Sätze 2 und 3 SGB VI ... , dem Kläger ab 1. November 1993 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu zahlen". Zur Begründung hat es ausgeführt, daß der Kläger seinen bisherigen Beruf als Hauer nicht mehr vollwertig ausführen könne; eine zumutbare Verweisungstätigkeit könne nicht benannt werden. Eine Verweisung innerhalb des Bergbaus komme für den vom Bergbau abgekehrten Kläger nicht in Betracht, da insoweit von einem verschlossenen Arbeitsmarkt auszugehen sei.
Verweisungstätigkeiten außerhalb des Bergbaus (das LSG hat die eines Auslieferungsfahrers im Arzneimittelgroßhandel und eines Hauswarts in der Wohnungswirtschaft geprüft) kämen für den Kläger nicht in Betracht. Die Tätigkeit als Auslieferungsfahrer sei einfach und von geringer Qualität; den Anforderungen einer Hauswarttätigkeit sei der Kläger weder von seinen Kenntnissen und Fähigkeiten her noch gesundheitlich (Winterdienst) gewachsen.
Zum Vorbehalt im Tenor führt das LSG-Urteil aus:
"Die Beklagte wird bei ihrer Entscheidung entsprechend dem Vorbehalt im Urteil des Senats § 116 Abs. 1 Satz 2 u. 3 SGB VI zu beachten haben, wonach in Verbindung mit § 25 Abs. 2 SGB VI vor und während bewilligter Rehabilitationsleistungen keine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit sondern Übergangsgeld zu leisten ist. Der berufskundliche Sachverständige hat ausdrücklich eine berufliche Rehabilitation für den Kläger befürwortet, die Beklagte hat bereits eine Maßnahme der Berufsfindung/Arbeitserprobung angeboten und den grundsätzlichen Anspruch auf Übergangsgeld bejaht. Der Senat konnte in seinem Urteil einen entsprechenden Vorbehalt aufnehmen wegen des Grundsatzes 'Rehabilitation vor Rente' (§ 9 SGB VI, vgl. auch GesamtKommentar aaO § 116 SGB VI Anm. 12)."
Mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde macht die Beschwerdeführerin die grundsätzliche Bedeutung folgender Rechtsfrage geltend:
"Ist anstelle einer unbefristeten Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 43 SGB VI eine Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Zeit gemäß §§ 43,102 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI zu gewähren, wenn der beklagte Rentenversicherungsträger dem Versicherten (Kläger) während des Verfahren vor dem Berufungsgericht die Teilnahme an einer Maßnahme zur Arbeitserprobung/Berufsfindung als berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme konkret anbietet?"
Daneben rügt die Beschwerdeführerin als Verfahrensmängel, daß es dem Urteilstenor an der gemäß § 136 Abs 1 Nr 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erforderlichen Bestimmtheit mangele. Ferner fehlten Entscheidungsgründe gemäß § 136 Abs 1 Nr 6 SGG bzw § 202 SGG iVm § 551 Nr 7 Zivilprozeßordnung. Hierzu trägt sie vor, sie habe gegen den Vorbehalt im Tenor des Berufungsurteils keine Einwände, wenn hierdurch der Unsicherheit des LSG Rechnung getragen werden sollte, ob der Kläger während der in Bad D. in der Zeit vom 4. November bis 16. Dezember 1993 durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme Übergangsgeld bezogen habe - was der Fall gewesen sei. Angesichts der Ausführungen in den Entscheidungsgründen, die nur auf eine berufsfördernde Rehabilitationsmaßnahme abstellten, die evtl in der Zukunft durchgeführt werde, könnte das Urteil jedoch so ausgelegt werden, daß die BU-Rente ab 1. November 1993 jedenfalls für die Zeit bis zur Urteilsverkündung zu zahlen wäre. Dann aber komme es für die Zeit vom 4. November bis 16. Dezember 1993 zu einer rechtswidrigen Doppelleistung von Rente wegen BU und Übergangsgeld. Insoweit werde aus dem Urteil nicht ersichtlich, auf welcher gesetzlichen Grundlage dies geschehen solle. Auch wenn das Berufungsgericht dies nicht habe erreichen wollen, fehle es dem Urteilstenor an einer hinreichend bestimmten Aussage, welche Leistung - Übergangsgeld oder Rente - für welchen Zeitraum habe zugesprochen werden sollen.
Der Beschwerdegegner hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
II
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Die von der Beschwerdeführerin gerügten Verfahrensfehler liegen nicht vor.
a) Dem Vorbehalt im Urteilstenor mangelt es nicht an der nötigen Bestimmtheit. Er ist vielmehr mit dem uneingeschränkten Bezug auf die Gewährung einer Leistung zur Rehabilitation so umfassend formuliert, daß er sich auch auf die medizinische Rehabilitationsmaßnahme von November/Dezember 1994 erstreckt.
b) Im übrigen ergibt sich auch nichts anderes aus den Entscheidungsgründen. Das LSG hat sich in dem fraglichen Abschnitt ua auf die Kommentierung von Störmann in: GesamtKomm, § 116 SGB VI, Anm 12 - Stand: 1996 - berufen. Diese befaßt sich ganz generell mit der notwendigen Einschränkung einer Verurteilung des Rentenversicherungsträgers, wenn zur Zahlung von Rente ab einem Zeitpunkt vor Beginn einer Rehabilitationsmaßnahme verurteilt wird: Ohne Hinweis auf § 116 Abs 1 Satz 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) im Urteilstenor oder in der Begründung könne "eine noch durchzuführende oder nach Rentenbeginn bereits durchgeführte" Rehabilitationsmaßnahme bzw Übergangsgeldzahlung nicht zum Rentenausschluß führen. Damit aber waren die entsprechenden Ausführungen des LSG nicht nur auf die angebotene berufliche Rehabilitationsmaßnahme beschränkt. Die erforderlichen Entscheidungsgründe des Berufungsurteils liegen somit vor.
2. Der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG).
Denn die von der Beschwerdeführerin aufgeworfene Frage ist jedenfalls nicht klärungsbedürftig. Ihre Antwort ergibt sich bereits aus dem Gesetz. Nach § 102 Abs 2 Nr 1 SGB VI werden Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit auf Zeit geleistet, wenn begründete Aussicht besteht, daß die Minderung der Erwerbsfähigkeit in absehbarer Zeit behoben werden kann. Hieraus ergibt sich bereits, daß die Rechtsfrage weder generell mit "Ja" noch mit "Nein", sondern wie folgt zu beantworten ist: Wenn ein Angebot der von der Beschwerdeführerin angesprochenen Art dazu beiträgt, daß eine "begründete Aussicht" iS des § 102 Abs 2 Nr 1 SGB VI besteht, ist eine Rente wegen BU lediglich auf Zeit zu gewähren. Wenn jedoch ein solches Angebot ergeht, ohne daß jene "begründete Aussicht" besteht, ist die Rente nicht zu befristen. Keinesfalls aber ist eine Rente stets dann zu befristen, wenn ein Angebot der von der Beschwerdeführerin angesprochenen Art vorliegt.
Offenbleiben kann, ob das Angebot eines Rentenversicherungsträgers, wie es hier im Berufungsverfahren ergangen ist (eine Feststellungsmaßnahme zur Arbeitserprobung/IBerufsfindung mit einer Dauer von zwei bis drei Wochen), überhaupt die Voraussetzungen für das erforderliche konkrete Angebot einer berufsfördernden Maßnahme erfüllt, wie sie das von der Beschwerdeführern angeführte BSG-Urteil vom 21. April 1993 - 5 RJ 48/192 aufgestellt hat
Der Entscheidung über die Kosten ergeht in entsprechender Anwendung des § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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