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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 19.09.2007
Aktenzeichen: B 1 KR 1/07 R
Rechtsgebiete: SGB V
Vorschriften:
SGB V § 61 | |
SGB V § 62 Abs 2 |
Entscheidung wurde am 11.01.2008 korrigiert: die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: B 1 KR 1/07 R
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 19. September 2007 durch die Richter Prof. Dr. Schlegel als Vorsitzenden, Dr. Kretschmer und Dr. Hauck sowie die ehrenamtlichen Richter Leite und Alsbach
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. März 2006 und des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2005 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Februar 2004 und 5. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2004 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger 10,65 Euro zu erstatten. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits in allen Rechtszügen.
Gründe:
I
Streitig ist die Berechnung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen chronisch Kranker, insbesondere die Berücksichtigung von Beitragsrückerstattungen und fiktiven Einnahmen in Höhe des Regelsatzes nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG).
Der 1963 geborene Kläger, bei der beklagten Ersatzkasse krankenversichert, war bis zum 31.12.2003 von Zuzahlungen zu Leistungen der Krankenversicherung befreit. Vom 1.1. bis 9.6.2004 erhielt er 872,62 Euro Arbeitslosengeld, anschließend bis zum Jahresende Arbeitslosenhilfe in Höhe von 1.143,90 Euro (insgesamt 2.016,52 Euro). Zusätzlich erzielte er 343,07 Euro Zinsen, insgesamt also 2.359,59 Euro. Daneben erhielt der Kläger am 13.7.2004 eine Erstattung überzahlter Beiträge in Höhe von 1.322,20 Euro, die er aus seinem Vermögen geleistet hatte. Zudem bestritt er - allein in seinem Haushalt lebend - seinen Lebensunterhalt von einer weiteren Beitragsrückerstattung der Beklagten vom 13.11.2003 (2.942,52 Euro), dem Einsatz sonstiger Ersparnisse in Höhe von 760 Euro sowie von Geldgeschenken seiner Eltern in Höhe von 140 Euro (Zuschuss zu den Fahrtkosten bei sieben Elternbesuchen in M , jeweils 20 Euro). Seine Anträge, ihn von Zuzahlungen für das Jahr 2004 zu befreien, lehnte die Beklagte zunächst ab, da die Mindestbelastungsgrenze von 2 vH der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt - bei schwerwiegend chronisch Erkrankten 1 vH - unabhängig von den tatsächlichen Einnahmen zumindest den Regelsatz nach dem BSHG von derzeit 297 Euro monatlich in Baden-Württemberg umfasse, mithin erst bei Zuzahlungen in Höhe von 71,28 Euro (bei chronisch Kranken: 35,64 Euro) erreicht sei (Bescheide vom 17.2. und 5.3.2004; Widerspruchsbescheid vom 20.4.2004). Während des sich anschließenden Klageverfahrens hat die Beklagte den Kläger zunächst ab 25.10.2004 von weiteren Zuzahlungen im Jahr 2004 befreit und später wegen attestierter schwerwiegender chronischer Krankheit eine Belastungsgrenze in Höhe von 35,64 Euro unter Rückzahlung der Differenz zugrunde gelegt (Schreiben vom 31.5.2005).
Klage (Urteil des Sozialgerichts <SG> vom 20.9.2005) und Berufung, mit denen der Kläger zuletzt wegen Bruttoeinnahmen in Höhe von insgesamt 2.359,59 Euro Erstattung von 12,04 Euro begehrt hat, sind ohne Erfolg geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat zur Begründung ua ausgeführt, als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt seien neben den Leistungen der Bundesagentur und den Zinsen die Beitragsrückerstattung in Höhe von 1.322,20 Euro zu berücksichtigen, so dass der Kläger durch die Annahme einer Belastungsgrenze in Höhe von 35,64 Euro nicht beschwert sei (Urteil vom 14.3.2006).
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 62 SGB V: Nach Wortlaut, System, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck der Norm seien weder die Erstattung von aus dem Vermögen geleisteten Beiträgen noch fiktive Einnahmen in Höhe des Eckregelsatzes der Sozialhilfe für die Belastungsgrenze zugrunde zu legen. Private Fahrtkostenzuschüsse seien wie Fahrkostenerstattungen durch Sozialleistungsträger nicht zu berücksichtigen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 14. März 2006 sowie des Sozialgerichts Mannheim vom 20. September 2005 aufzuheben, die Bescheide der Beklagten vom 17. Februar und 5. März 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. April 2004 idF des Teilanerkenntnisses vom 31. Mai 2005 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm 12,04 Euro zu erstatten.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (vgl § 124 Abs 2 SGG), ist begründet. Zu Unrecht haben das LSG die Berufung des Klägers zurückgewiesen und das SG die Klage abgewiesen. Bei der Berechnung der Belastungsgrenze sind weder die Beitragsrückerstattung in Höhe von 1.322,20 Euro noch ein fiktiver Regelsatz nach dem BSHG zu berücksichtigen, sondern lediglich die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt - hier in Höhe von 2.499,59 Euro. Die Beklagte hat dem Kläger 10,65 Euro überzahlter Zuzahlungen zu erstatten.
1. Der Rechtsanspruch des Klägers auf Erstattung desjenigen Betrages, den er für über der Belastungsgrenze liegende Zuzahlungen aufgewandt hat, ergibt sich aus § 62 SGB V in seiner hier ab 1.1.2004 gültig gewesenen Neufassung des Art 1 Nr 40 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz <GMG> vom 14.11.2003, BGBl I 2190, geändert mit Wirkung vom 6.8.2004 durch Art 4 Nr 1 des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30.7.2004, BGBl I 2014) iVm dem allgemeinen öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch. Danach haben Versicherte während jedes Kalenderjahres nur Zuzahlungen bis zur Belastungsgrenze zu leisten. Wird die Belastungsgrenze bereits innerhalb eines Kalenderjahres erreicht, hat die Krankenkasse eine Bescheinigung darüber zu erteilen, dass für den Rest des Kalenderjahres keine Zuzahlungen mehr zu leisten sind. Die Belastungsgrenze beträgt 1 vH der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für chronisch Kranke, die - wie der Kläger - wegen derselben schwerwiegenden Krankheit in Dauerbehandlung sind (vgl § 62 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V). Das Gesetz geht davon aus, dass der Versicherte eine Zuzahlung über die Belastungsgrenze hinaus durch eine zeitgerecht erteilte Bescheinigung vermeiden und er diese Bescheinigung gegebenenfalls im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gerichtlich erwirken kann. Hat er Zuzahlungen bereits über die maßgebliche Belastungsgrenze hinaus geleistet, weil die Krankenkasse die Grenze nicht rechtzeitig oder in einer zu großen Höhe bescheinigt hat, sind Zuzahlungen über die Belastungsgrenze hinaus zu erstatten. Bei Berechnung der Belastungsgrenze für Zuzahlungen sind die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des laufenden Kalenderjahres zugrunde zu legen (vgl BSG, Urteil vom 10.5.2007 - B 10 KR 1/06 R - Leitsatz und RdNr 10, zur Veröffentlichung vorgesehen). Der hierauf gerichtete Anspruch ist im Wege einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage durchzusetzen (vgl BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 7 S 32).
2. So liegt es hier. Die Beklagte hat die Belastungsgrenze des Klägers zu hoch festgesetzt. Sie hat den Rechtsbegriff der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt (dazu a) verkannt. Die Beitragsrückerstattungen vom 13.11.2003 und 13.7.2004 gehören nicht hierzu. Sie waren vielmehr bloße Vermögensumschichtungen (dazu b). Die Beklagte durfte auch nicht fiktive Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt in Höhe des in Baden-Württemberg geltenden Regelsatzes nach dem BSHG von monatlich 297 Euro anstelle der tatsächlichen Bruttoeinnahmen zugrunde legen (dazu c), wohl aber die Geldzuwendung der Eltern (dazu d). Die über die Belastungsgrenze hinaus geleisteten Zuzahlungen sind dem Kläger zu erstatten (dazu e).
a) Nach Entstehungsgeschichte, Systematik und Zweck des § 62 SGB V sind "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" entsprechend dem Verständnis, das sich - anknüpfend an das Recht der Reichsversicherungsordnung - RVO - (§ 180 Abs 4 RVO) - zu § 61 und § 62 SGB V in den früheren Fassungen gebildet hat, die persönlichen Einnahmen, die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienen. Abzustellen ist auf das Kalenderjahr, für das die Belastungsgrenze zu berechnen ist.
aa) Den Begriff der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt definiert das Gesetz nicht umfassend. § 62 Abs 2 Satz 1 bis 3 SGB V regelt lediglich näher, dass bei der Ermittlung der Belastungsgrenzen nach Abs 1 die Zuzahlungen und die Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt der mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten und des Lebenspartners jeweils zusammengerechnet werden (vgl insgesamt näher hierzu BSG, Urteil vom 26.6.2007 - B 1 KR 41/06 R - RdNr 10 ff, zur Veröffentlichung vorgesehen). Die in § 62 Abs 2 Satz 4 ff SGB V geregelten Konkretisierungen des Begriffs "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" sind hier nicht einschlägig. Nach § 62 Abs 2 Satz 4 SGB V gehören zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt nicht Grundrenten, die Beschädigte nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des BVG erhalten, sowie Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Körper und Gesundheit gezahlt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist gemäß § 62 Abs 2 Satz 5 SGB V bei Versicherten,
1.
die Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG oder im Rahmen der Kriegsopferfürsorge nach dem BVG oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des BVG oder Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung erhalten,
2.
bei denen die Kosten der Unterbringung in einem Heim oder einer ähnlichen Einrichtung von einem Träger der Sozialhilfe oder der Kriegsopferfürsorge getragen werden sowie für den in § 264 SGB V genannten Personenkreis als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur der Regelsatz des Haushaltsvorstands nach der Verordnung zur Durchführung des § 22 BSHG (Regelsatzverordnung) maßgeblich. Bei Versicherten, die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II erhalten, ist abweichend von den Sätzen 1 bis 3 als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt für die gesamte Bedarfsgemeinschaft nur die Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II maßgeblich (§ 62 Abs 2 Satz 6 SGB V). Zu den Versicherten iS von § 62 Abs 2 Satz 5 und 6 SGB V zählt der Kläger nicht. Er erhält keine der dort angesprochenen Leistungen, ebenso wenig Leistungen iS von § 62 Abs 2 Satz 4 SGB V.
bb) Zur Konkretisierung des Begriffs "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" kann jedoch auf die Rechtsprechung zu § 180 Abs 4 RVO zurückgegriffen werden. Bereits die Vorläuferregelung zum GMG in § 61 SGB V idF des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen (Gesundheits-Reformgesetz <GRG> vom 20.12.1988, BGBl I 2477) verwendete den Begriff der Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt, ohne ihn selbst näher zu erläutern oder zu definieren. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu § 61 SGB V aF hat sich unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien an der Rechtsprechung zu § 180 Abs 4 RVO orientiert (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 2 S 9; BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 8 S 39). In der Begründung zu § 69 des Entwurfs des GRG, dessen Absatz 2 dem § 61 Abs 2 SGB V idF des GRG entsprach, war zur Umschreibung des Begriffs ausgeführt: "Einnahmen zum Lebensunterhalt sind - wie schon im geltenden Recht (§ 180 Abs 4 RVO) - die persönlichen Einnahmen, die dem tatsächlichen Lebensunterhalt dienen, also die Einnahmen, die der typischen Funktion des Arbeitsentgelts beim Pflichtversicherten entsprechen. Dazu gehören nicht zweckgebundene Zuwendungen (zB zur Abdeckung eines Mehrbedarfs wie Pflegegeld, Blindenzulage oder Kindergeld). Auf die dazu entwickelte Rechtsprechung und Praxis kann zurückgegriffen werden" (vgl BT-Drucks 11/2237 S 187 zu § 69 Abs 2 und 3; ähnlich auch Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung, BT-Drucks 11/3480 S 57 zu § 69 Abs 2 und 3).
cc) Die Rechtsprechung des BSG hat am Ausgangspunkt dieses Verständnisses des Begriffs "Einnahmen zum Lebensunterhalt" auch in der Folgezeit festgehalten und es nur in eingeschränktem Umfang insoweit modifiziert, als sie nicht alle sich aus dem Beitragsrecht ergebenden Differenzierungen in Gänze übernommen hat (vgl näher BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 8 S 39 ff). Vielmehr hat es die Rechtsprechung im Interesse der einfachen Handhabbarkeit sowie unter Berücksichtigung der pauschalierenden Befreiung aller Sozialhilfeempfänger von Zuzahlungen in der damaligen Regelung für die Bestimmung der Belastungsgrenze als angemessen angesehen, die gesamten Abfindungen eines Arbeitgebers bei Verlust des Arbeitsplatzes in die Einnahmen zum Lebensunterhalt einzubeziehen, ohne - wie die Rechtsprechung zum Beitragsrecht - zwischen dem Arbeitsentgeltanteil und dem sozialen Anteil zu unterscheiden (vgl zur Entschädigung für den Verlust des Arbeitsplatzes BSG SozR 2200 § 180 Nr 39 mwN; BSGE 66, 219 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2).
dd) An dieses Grundverständnis des Begriffes der "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" knüpft auch der Gesetzgeber des GMG an. Das belegen die Gesetzesmaterialien, nach denen es bei der bisherigen Orientierung der Überforderungsklausel am Familieneinkommen bleibt (vgl Gesetzentwurf eines GMG der Fraktionen SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drucks 15/1525, S 95 zu Nr 40 - § 62 SGB V -, linke Spalte).
ee) Wie der 10. Senat des BSG ausgeführt hat, bestimmt § 62 SGB V zwar nicht ausdrücklich, auf welches Jahr bei den "jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" für die Ermittlung der Belastungsgrenze abzustellen ist. Aus Systematik und Zweck der Regelung ergibt sich aber, dass es die Einnahmen des Kalenderjahres sind, für das die Belastungsgrenze zu berechnen ist. § 62 Abs 1 Satz 2 SGB V spricht von Zuzahlungen "während jeden Kalenderjahres". Der entscheidende Satz 2 knüpft mit den "jährlichen" Bruttoeinnahmen an den so bestimmten Zeitraum an. Nur dadurch wird das Ziel des Gesetzes erreicht, Versicherte durch Zuzahlungen finanziell nicht zu überfordern. Denn welche Belastungen nach dem Maßstab des Gesetzes noch erträglich sind, richtet sich nach dem aktuellen Einkommen, aus dem die Zuzahlungen zu bestreiten sind. Ein historisches - uU Jahre zurückliegendes - Einkommen steht dazu regelmäßig nicht mehr zur Verfügung (vgl BSG, Urteil vom 10.5.2007 - B 10 KR 1/06 R). Dem schließt sich der erkennende Senat an.
b) Ausgehend von diesen Grundsätzen zählt zu den Einnahmen des Klägers im Jahr 2004 von vornherein nicht die Beitragserstattung, die er am 13.11.2003 empfangen hat. Aber auch die Beitragserstattung im Jahr 2004 ist keine Bruttoeinnahme zum Lebensunterhalt, denn dazu gehört nicht das Vermögen oder seine Umschichtung. Diesen Grundsatz hat das BSG zunächst für den Kapitalanteil einer Leibrente unter Rückgriff auf Wertungen des Arbeitsförderungsgesetzes (vgl BSG SozR 4100 § 138 Nr 3) entwickelt (BSG SozR 2200 § 180 Nr 12 S 38). Es hat ihn später erstreckt auf Kapitalumschichtungen sowie auf betriebsfremde Privatentnahmen aus einem Unternehmen, einem Fall der Entnahme aus der Vermögenssubstanz (BSG SozR 2200 § 180 Nr 19 S 61; vgl auch BSG, Urteil vom 16.4.1985, 12 RK 47/83, USK 85233). Danach können bloße Umschichtungen des eigenen Vermögens nicht als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt gewertet werden. In diese Kategorie fällt auch die Rückerstattung überzahlter, aus dem Vermögen geleisteter Beiträge. Mit der Rückerstattung wird nur eine nicht gerechtfertigte früher erfolgte Vermögensverschiebung wieder ausgeglichen. Raum für die Qualifizierung des Rückflusses von zu Unrecht aus dem Vermögen geleisteten Zahlungen als "Einnahme" verbleibt danach nicht.
c) § 62 SGB V lässt es schließlich auch nicht zu, fiktive Bruttoeinnahmen zugrunde zu legen. Vielmehr zielt die Vorschrift nach Wortlaut, Entstehungsgeschichte und Systematik darauf ab, nur die tatsächlichen jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt als maßgeblich anzusehen. Soweit das Gesetz fiktive Untergrenzen bezeichnen will, nimmt es dies eindeutig und ausdrücklich vor wie etwa in § 240 Abs 4 Satz 2 SGB V. Im praktischen Ergebnis führt die Gesetzesfassung allerdings dazu, dass auch Personen, die über ein sehr großes Vermögen verfügen, das keinen Ertrag abwirft, und von dessen Verzehr sie leben, keinen Zuzahlungen ausgesetzt sind, während selbst Bezieher von Leistungen nach dem BSHG - oder jetzt SGB XII - oder von entsprechenden Leistungen Zuzahlungen entrichten müssen. Es liegt aber nicht in der Hand der Rechtsprechung, solche - im Tatsächlichen eher extrem seltene Konstellationen betreffende - Entscheidungen des Gesetzgebers zu korrigieren, indem richterrechtlich eigenständig Mindestbruttoeinnahmen der Versicherten ohne gesetzliche Grundlage fingiert werden.
d) Abweichend von der Rechtsauffassung des Klägers sind die Zuschüsse, die ihm seine Eltern zu seinen Besuchsfahrten in Höhe von 140 Euro gewährt haben, den Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt zuzurechnen. Dies steht in Einklang mit der Rechtsprechung des BSG zur Auslegung des § 180 Abs 4 RVO, an den die Regelung des § 62 SGB V anknüpft (vgl oben II 2 a). Im Rahmen des § 180 RVO hat das BSG in ständiger Rechtsprechung unter den sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt nicht (nur) die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts verstanden, sondern den Begriff im Wesentlichen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgefüllt. Den (sonstigen) Einnahmen zum Lebensunterhalt wurden alle Einnahmen zugerechnet, die dem Versicherten bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise zur Bestreitung seines Lebensunterhalts zur Verfügung standen (BSG SozR 2200 § 180 Nr 12 mwN; BSGE 57, 235, 237 = SozR 2200 § 180 Nr 19 S 59/60; BSGE 57, 240, 242 = SozR 2200 § 180 Nr 20 S 64). Dazu zählen auch freigiebige Leistungen Dritter, nicht mit dem Versicherten im gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger des Versicherten, selbst wenn die Zuwendungen für einen bestimmten Zweck gewährt werden (vgl ähnlich zu § 194 Abs 2 Satz 1 SGB III aF BSGE 88, 258, 260 ff = SozR 3-4300 § 193 Nr 3 mwN). Mit Fahrkostenerstattungen von Sozialleistungsträgern sind sie nicht vergleichbar.
e) Den Einnahmen des Klägers stehen nach den nicht angegriffenen, bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) keine abzuziehenden notwendigen Aufwendungen gegenüber. Der Begriff "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" gebietet es zwar, von den Einnahmen die zu deren Erzielung notwendigen Aufwendungen abzuziehen: Nur dasjenige, das dem Versicherten nach Saldierung von Einnahmen und zu deren Erwirtschaftung erforderlichen Aufwendungen verbleibt, steht ihm "zum Lebensunterhalt" zur Verfügung (vgl näher BSG, Urteil vom 19.9.2007 - B 1 KR 7/07 R). Solche Aufwendungen hat der Kläger aber nicht geltend gemacht.
Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Kläger im Jahr 2004 Bruttoeinnahmen in Höhe von 2.499,59 Euro gehabt. Die Belastungsgrenze belief sich bei dem Kläger 2004 auf 1 vH hiervon, mithin nicht - wie von der Beklagten angenommen - auf 35,64 Euro, sondern lediglich auf 24,99 Euro. Es besteht kein Grund, diesen Betrag aufzurunden. Danach hat die Beklagte dem Kläger 10,65 Euro zu erstatten.
3. Der Senat verkennt nicht, dass es während des laufenden Kalenderjahres erhebliche Probleme bereiten kann, entsprechende Nachweise über Einnahmen und Ausgaben vorzulegen und dass frühestens nach Ablauf des Kalenderjahres als dem maßgeblichen "Veranlagungszeitraum" eine endgültige Bilanz gezogen werden kann. Die Situation ist insoweit ähnlich problematisch wie bei der Ermittlung der beitragspflichtigen Einnahmen selbständig erwerbstätiger Versicherter bzw bei der Ermittlung des dieser Personengruppe zustehenden Krankengeldes (vgl dazu BSG, Urteil vom 14.12.2006 - B 1 KR 11/06 R, SozR 4-2500 § 47 Nr 7; siehe auch BSG, Urteil vom 19.9.2007 - B 1 KR 7/07 R). Stellt sich nach Ablauf des Kalenderjahres heraus, dass von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, ist die getroffene Entscheidung nach Maßgabe der §§ 44 ff SGB X ggf zu korrigieren.
Es liegt auf der Hand, dass die erforderlichen Ermittlungen - auch im Hinblick auf gewährte freiwillige Zuwendungen zum Lebensunterhalt ohne Bagatellgrenzen - nicht den Grundsätzen der Verwaltungspraktikabilität entsprechen. Naheliegender wäre eine gesetzliche Regelung, die es den Krankenkassen erlaubt, bei der Ermittlung der Belastungsgrenze als "Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt" zunächst von fiktiven Mindesteinnahmen in Höhe des Existenzminimums und dann von den auf das gesamte Kalenderjahr hochgerechneten Werten auszugehen, die der Beitragsbemessung des Versicherten im laufenden Kalenderjahr bis zur Antragstellung zugrunde gelegt wurden. Dies ermöglichte eine rasche und mit geringem Verwaltungsaufwand zu treffende Entscheidung. Eine Korrektur dieser Entscheidung sollte nur dann erfolgen, wenn später ein Steuerbescheid vorgelegt oder beigezogen wird, aus dem sich ergibt, dass zunächst von unzutreffenden Einnahmen und hierfür erforderliche Ausgaben ausgegangen wurde.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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