Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 08.02.2000
Aktenzeichen: B 1 KR 11/99 R
Rechtsgebiete: SGB V


Vorschriften:

SGB V § 49 Abs 1 Nr 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 8. Februar 2000

in dem Rechtsstreit

Az: B 1 KR 11/99 R

Klägerin und Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Hamburg-Münchener-Krankenkasse, Schäferkampsallee 16, 20357 Hamburg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Februar 2000 durch den Präsidenten von Wulffen und die Richter Steege und Dr. Dreher sowie die ehrenamtlichen Richter Gerner und Dr. Brandenburg

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. November 1998 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. November 1997 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. November 1995 und vom 23. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1996 aufgehoben.

Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. August 1993 bis zum Ablauf der Höchstbezugsdauer von 78 Wochen Krankengeld unter Anrechnung der für dieselbe Zeit erhaltenen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.

Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten in allen Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Krankengeld.

Die 1955 geborene Klägerin ist gelernte Fotolaborantin und wurde später zur Altenpflegerin umgeschult. Als solche war sie zuletzt im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in einer Einrichtung des Deutschen Roten Kreuzes tätig. Seit 27. April 1993 war sie laut Bescheinigung ihres behandelnden Orthopäden wegen eines Wirbelsäulenleidens arbeitsunfähig krank. Sie erhielt Lohnfortzahlung und sodann ab 8. Juni 1993 von der Beklagten Krankengeld. Ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 29. Juni 1993 bestätigte das Vorliegen von Arbeitsunfähigkeit und schloß mit der Empfehlung, die Klägerin aus der Arbeitsbeschaffungsmaßnahme herauszunehmen, weil sie wegen eines Wirbelsäulensyndroms und eines beiderseitigen Kniegelenksverschleißes für den Beruf der Altenpflegerin auf Dauer nicht mehr geeignet sei. Unter Berufung auf dieses Gutachten kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1993. Die Klägerin meldete sich arbeitslos und bezog ab 2. August 1993 Arbeitslosengeld sowie nach dessen Erschöpfung Arbeitslosenhilfe. Zuvor hatte der MDK in einem weiteren Gutachten vom 22. Juli 1993 bei unverändertem Gesundheitszustand Arbeitsfähigkeit ab 1. August 1993 mit der Begründung bescheinigt, daß die Klägerin nach Auflösung ihres bisherigen Arbeitsverhältnisses für eine andere, körperlich weniger belastende Tätigkeit zur Verfügung stehe. Dieser Beurteilung hatte der behandelnde Arzt der Klägerin zugestimmt. Die Beklagte stellte daraufhin das Krankengeld zum 31. Juli 1993 ein.

Mehr als zwei Jahre später, im Oktober 1995, wandte sich die Klägerin gegen die Zahlungseinstellung und forderte die Beklagte auf, ihr für die Zeit vom 1. August 1993 bis zum Ablauf der Höchstbezugsdauer von 78 Wochen Krankengeld unter Anrechnung des für dieselbe Zeit erhaltenen Arbeitslosengeldes nachzuzahlen. Ihre Arbeitsunfähigkeit habe entgegen der Auffassung des MDK über den 31. Juli 1993 hinaus angedauert, da ihr Gesundheitszustand unverändert geblieben sei und eine Wiederaufnahme der Arbeit als Altenpflegerin auch weiterhin nicht zugelassen habe. Daß sie seinerzeit der Auflösung ihres Arbeitsverhältnisses zugestimmt und sich arbeitslos gemeldet habe, ändere nichts, denn für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit bleibe die zuletzt ausgeübte Tätigkeit maßgebend.

Die Beklagte lehnte den Antrag ab (Bescheide vom 22. November 1995 und 23. Februar 1996; Widerspruchsbescheid vom 2. September 1996). Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben. Das Sozialgericht (SG) hat angenommen, daß sich der Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses als Altenpflegerin geändert habe. Die Klägerin habe sich von da an auch auf andere zumutbare Tätigkeiten, beispielsweise in ihrem erlernten Beruf als Fotolaborantin, verweisen lassen müssen, die sie mit dem verbliebenen Leistungsvermögen habe ausüben können (Urteil vom 18. November 1997). Das Landessozialgericht (LSG) hat insoweit rechtliche Bedenken geäußert, die Entscheidung aber im Ergebnis bestätigt, weil ein etwaiger Krankengeldanspruch jedenfalls gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) geruht habe. Mit der Feststellung der Arbeitsfähigkeit durch den MDK und der entsprechenden Mitteilung an die Beklagte, der die Klägerin nicht widersprochen habe, sei die Wirkung der bisherigen Krankmeldung entfallen. Zur Begründung eines erneuten Krankengeldanspruchs hätte die Klägerin gegenüber der Beklagten das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit geltend machen müssen, was nicht geschehen sei. Das Fehlen der erforderlichen Arbeitsunfähigkeitsmeldung könne auch nicht über einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch ausgeglichen werden (Urteil vom 24. November 1998).

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V. Eine ausdrückliche Feststellung, daß sie ab 1. August 1993 arbeitsfähig gewesen sei, habe der MDK nicht getroffen, so daß schon von daher kein Anlaß für eine erneute Arbeitsunfähigkeitsmeldung bestanden habe. Die Berufung auf das Fehlen einer solchen Meldung verstoße im übrigen gegen Treu und Glauben. Denn die Praxis der Krankenkassen, Versicherte, die aus Krankheitsgründen ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben könnten, dadurch vom Krankengeldbezug auszuschließen, daß man sie an die Arbeitsämter verweise, sei rechtswidrig. Das LSG habe deshalb zu Unrecht einen Herstellungsanspruch verneint.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 24. November 1998 und des Sozialgerichts Itzehoe vom 18. November 1997 sowie die Bescheide der Beklagten vom 22. November 1995 und vom 23. Februar 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. August 1993 bis zum Ablauf der Höchstbezugsdauer von 78 Wochen Krankengeld unter Anrechnung der für dieselbe Zeit erhaltenen Leistungen wegen Arbeitslosigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

II

Die Revision der Klägerin ist begründet. Ihr steht das beanspruchte Krankengeld zu. Die entgegenstehenden Entscheidungen der Beklagten und der Vorinstanzen können keinen Bestand haben.

Zutreffend geht das LSG davon aus, daß die Klägerin mit ihrem Begehren nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil sie den Anspruch auf Weitergewährung des Krankengeldes erst mehr als zwei Jahre nach Einstellung der Leistung geltend gemacht hat. Insoweit kann auch im Revisionsverfahren unentschieden bleiben, ob in der Zahlungseinstellung verbunden mit der Mitteilung des begutachtenden Arztes, daß die Arbeitsunfähigkeit am 31. Juli 1993 ende, ein die frühere Krankengeldbewilligung aufhebender Verwaltungsakt zu sehen ist, wie dies die Beklagte in ihrem Widerspruchsbescheid vom 2. September 1996 angenommen hat. Das würde voraussetzen, daß das Krankengeld der Klägerin ursprünglich auf unbestimmte Zeit bewilligt worden war. Wird freilich die Arbeitsunfähigkeit, wie in der Praxis üblich, jeweils nur für eine begrenzte Zeit im voraus bescheinigt, so markiert der vom Arzt festgelegte Endzeitpunkt zugleich das - vorläufige - Ende der Krankengeldbezugszeit. Die Leistungsbewilligung ist dann von vornherein auf den angegebenen Zeitraum beschränkt. Wenn der Versicherte keine weiteren Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beibringt, endet der Anspruch auf Krankengeld mit Ablauf der zuletzt bescheinigten Arbeitsunfähigkeitszeit, ohne daß es eines Aufhebungsbescheides bedarf (dazu näher: BSG SozR 2200 § 182 Nr 103 S 219 f). Aber auch wenn im vorliegenden Fall eine zeitlich unbegrenzte Bewilligung des Krankengeldes unterstellt und deshalb in der Leistungseinstellung ein entgegengesetzter Verwaltungsakt gesehen wird, ändert das nichts; denn dieser Verwaltungsakt ist seinerseits gemäß § 44 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben, weil bei seinem Erlaß das Recht unrichtig angewandt und deshalb das der Klägerin zustehende Krankengeld zu Unrecht nicht erbracht worden ist. Die Verurteilung der Beklagten umfaßt in diesem Fall die Verpflichtung, den entgegenstehenden Bescheid über die Einstellung der Krankengeldzahlung zurückzunehmen (zur Klageart beim Anspruch nach § 44 SGB X vgl BSGE 76, 256, 157 f = SozR 3-4100 § 249e Nr 7 S 52; BSGE 74, 225, 227 = SozR 3-8825 § 2 Nr 2 S 4; Steinwedel in: Kasseler Komm, Stand: 1998, § 44 SGB X RdNr 16).

Die gesetzlichen Voraussetzungen des Krankengeldanspruchs (Arbeitsunfähigkeit wegen Krankheit, vgl § 44 Abs 1 Satz 1 SGB V) haben entgegen der Ansicht des SG auch in der Zeit nach dem 31. Juli 1993 weiterhin vorgelegen; insbesondere ist die Arbeitsunfähigkeit der Klägerin durch die Beendigung des Arbeitsverhältnisses beim Deutschen Roten Kreuz nicht beseitigt worden. Arbeitsunfähigkeit ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) gegeben, wenn der Versicherte seine zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls konkret ausgeübte Arbeit wegen Krankheit nicht (weiter) verrichten kann. Daß er möglicherweise eine andere Tätigkeit trotz der gesundheitlichen Beeinträchtigung noch ausüben könnte, ist unerheblich. Gibt er nach Eintritt der Arbeitsunfähigkeit die zuletzt innegehabte Arbeitsstelle auf, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab insofern, als für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit nicht mehr die konkreten Verhältnisse an diesem Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf dann auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten "verwiesen" werden, wobei aber der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist. Handelt es sich bei der zuletzt ausgeübten Tätigkeit um einen anerkannten Ausbildungsberuf, so scheidet eine Verweisung auf eine außerhalb dieses Berufs liegende Beschäftigung aus. Auch eine Verweisungstätigkeit innerhalb des Ausbildungsberufs muß, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Entlohnung angeht, mit der bisher verrichteten Arbeit im wesentlichen übereinstimmen, so daß der Versicherte sie ohne größere Umstellung und Einarbeitung ausführen kann. Dieselben Bedingungen gelten bei ungelernten Arbeiten, nur daß hier das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten deshalb größer ist, weil die Verweisung nicht durch die engen Grenzen eines Ausbildungsberufs eingeschränkt ist (ausführlich zu alledem: Urteil des 8. Senats vom 9. Dezember 1986 - BSGE 61, 66 = SozR 2200 § 182 Nr 104; vgl ferner aus der früheren Judikatur: Beschluß des Großen Senats vom 16. Dezember 1981 - BSGE 53, 22 = SozR 2200 § 1259 Nr 59; Urteil des 3. Senats vom 15. November 1984 - BSGE 57, 227 = SozR 2200 § 182 Nr 96). Nach dieser Rechtsprechung, der sich der erkennende Senat anschließt, kann die Klägerin nicht, wie das SG gemeint hat, auf ihren ursprünglich erlernten Beruf als Fotolaborantin verwiesen werden, da es sich um eine völlig andere Tätigkeit handelt, die mit der zuletzt ausgeübten Beschäftigung als Altenpflegerin keine Berührungspunkte aufweist. Auch andere geeignete "Verweisungstätigkeiten" sind nicht ersichtlich.

Daran ändert nichts, daß sich die Klägerin nach dem Ausscheiden aus ihrem Arbeitsverhältnis beim Deutschen Roten Kreuz arbeitslos gemeldet und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt hat. Die Arbeitsunfähigkeit entfällt nämlich, wie das BSG ebenfalls bereits entschieden hat, nicht dadurch, daß sich der Versicherte in Anbetracht seiner gesundheitlichen Beeinträchtigung für eine berufliche Neuorientierung öffnet und zu erkennen gibt, daß er zu einem Berufswechsel bereit ist (Urteil vom 24. Mai 1978 - BSGE 46, 190 = SozR 2200 § 182 Nr 34; Urteil vom 2. Februar 1983 - 3 RK 43/81 - USK 8309; Urteil vom 2. Februar 1984 - SozR 4100 § 158 Nr 6 S 6; Urteil vom 15. November 1984 - BSGE 57, 227, 229 f = SozR 2200 § 182 Nr 96 S 199). Das Krankengeld ist dazu bestimmt, den krankheitsbedingten Ausfall des bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit bezogenen Arbeitsentgelts oder sonstigen Erwerbseinkommens auszugleichen; es behält seine Funktion, solange die Unfähigkeit zur Verrichtung der zuletzt ausgeübten oder einer vergleichbaren Erwerbstätigkeit andauert. Allein die Bereitschaft, eine dem verbliebenen Leistungsvermögen entsprechende Arbeit anzunehmen, beseitigt deshalb nicht den für den Krankengeldanspruch maßgebenden Bezug zu der früheren Beschäftigung. Erst mit der tatsächlichen Aufnahme einer neuen beruflichen Tätigkeit endet dieser Bezug und wird die neue Tätigkeit zur Grundlage für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit (BSGE 57, 227, 229 f = SozR 2200 § 182 Nr 96 S 199).

Für ihre anderslautende Auffassung, die auch dem Gutachten des MDK vom 22. Juli 1993 zugrunde liegt, kann sich die Beklagte nicht auf die Rechtsprechung des BSG zu § 48 Abs 2 SGB V berufen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 28. September 1993 (BSGE 73, 121 = SozR 3-4100 § 158 Nr 1) entschieden, daß ein Versicherter, dessen Krankengeldanspruch erschöpft war, auch bei durchgehender Arbeitsunfähigkeit für seine zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einem neuen Dreijahreszeitraum wieder Anspruch auf Krankengeld hat, wenn er zwischenzeitlich mindestens sechs Monate mit seinem Restleistungsvermögen der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand und danach auch hinsichtlich dieses Restleistungsvermögens arbeitsunfähig wird. In diesem Fall ist es unerheblich, ob der Versicherte zuvor eine entsprechende leichtere Tätigkeit tatsächlich aufgenommen hatte. Da die in § 48 Abs 2 SGB V für einen neuen Anspruch auf Krankengeld wegen derselben Krankheit vorausgesetzte zeitweilige Arbeitsfähigkeit von vornherein nur für die leichteren, berufsfremden Arbeiten bestanden hat, bilden diese nunmehr auch den Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit. Entsprechend bestimmt sich die Höhe des Krankengeldes nach der zuletzt bezogenen Leistung wegen Arbeitslosigkeit und nicht nach dem Entgelt aus der zuletzt ausgeübten Beschäftigung im bisherigen Beruf. Daß bei der Prüfung der Arbeitsunfähigkeit in einer späteren Blockfrist nicht mehr auf den ursprünglich vor Beginn der Erkrankung ausgeübten Beruf, sondern vielmehr auf die Tätigkeit abzustellen ist, die der Versicherte in der Zwischenzeit ausgeübt oder für die er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden hat, hat der Senat in einem weiteren Urteil vom 3. November 1993 (SozR 3-2500 § 48 Nr 5) bekräftigt. Diese Rechtsprechung betrifft indessen nur den Sonderfall des § 48 Abs 2 SGB V; sie zieht die Konsequenzen daraus, daß das Gesetz das "Wiederaufleben" des Krankengeldanspruchs in einer späteren Rahmenfrist von einer zumindest vorübergehenden Rückkehr des Versicherten in das Erwerbsleben abhängig macht. Für den ersten Dreijahreszeitraum, für den diese Voraussetzung nicht gilt, bleibt es dagegen bei der Anknüpfung an die zuletzt ausgeübte Beschäftigung. Etwas anderes kann auch dem Urteil des 11. Senats des BSG vom 21. September 1995 (SozR 3-4100 § 105b Nr 2) nicht entnommen werden. Soweit dort (aaO S 6 f) ausgeführt wird, die Rechtsprechung zur Krankenversicherung gehe für die Bestimmung einer während der Arbeitslosigkeit eintretenden Arbeitsunfähigkeit nicht mehr von dem zuletzt ausgeübten Beruf, sondern von den Tätigkeiten aus, für die sich der Versicherte der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestellt habe, bezieht sich das ebenfalls nur auf Fälle des § 48 Abs 2 SGB V. Der 11. Senat hat diese Einschränkung zwar nicht ausdrücklich gemacht; er hat aber ersichtlich nur die Rechtsgrundsätze aus der von ihm zitierten Entscheidung des erkennenden Senats vom 28. September 1993 (BSGE 73, 121 = SozR 3-4100 § 158 Nr 1) wiedergegeben, während eine eigene, davon abweichende Aussage zum krankenversicherungsrechtlichen Begriff der Arbeitsunfähigkeit weder beabsichtigt noch im konkreten Fall veranlaßt war.

Die begehrte Leistung kann der Klägerin schließlich nicht mit der Begründung verwehrt werden, der Krankengeldanspruch habe in der streitigen Zeit gemäß § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V geruht, weil sie der Beklagten das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nicht spätestens innerhalb einer Woche gemeldet habe. Das LSG hat seine gegenteilige Auffassung damit begründet, daß die Beklagte aufgrund der übereinstimmenden gutachtlichen Äußerungen des MDK und des behandelnden Arztes von der Beendigung der Arbeitsunfähigkeit am 31. Juli 1993 habe ausgehen können und daß es in einem solchen Fall die Meldepflicht gebiete, daß der Versicherte der ärztlichen Beurteilung widerspreche und das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit geltend mache, wenn er mit der getroffenen Entscheidung nicht einverstanden sei. Dieser rechtlichen Bewertung vermag sich der Senat jedenfalls für die hier zu beurteilende Fallkonstellation nicht anzuschließen.

Keine Einwände bestehen gegen die Annahme des Berufungsgerichts, daß es bei wiederholtem Krankengeldbezug mit einer einmaligen Krankmeldung bei Beginn der Arbeitsunfähigkeit nicht getan ist. Anders als es der Wortlaut des § 49 Abs 1 Nr 5 Halbs 2 SGB V nahezulegen scheint, muß die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse vor jeder erneuten Inanspruchnahme des Krankengeldes auch dann angezeigt werden, wenn sie seit ihrem Beginn ununterbrochen bestanden hat. Die Meldepflicht ist auf den jeweiligen konkreten Leistungsfall bezogen; sie soll gewährleisten, daß die Kasse über das (Fort-)Bestehen der Arbeitsunfähigkeit informiert und in die Lage versetzt wird, vor der Entscheidung über den Krankengeldanspruch und gegebenenfalls auch während des nachfolgenden Leistungsbezugs den Gesundheitszustand des Versicherten durch den medizinischen Dienst überprüfen zu lassen, um Zweifel an der ärztlichen Beurteilung zu beseitigen und gegebenenfalls Maßnahmen zur Sicherung des Heilerfolges und zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können (vgl § 275 Abs 1 Nr 3 SGB V). Ein Bedürfnis nach Überprüfung besteht aber nicht nur bei der erstmaligen, sondern auch bei jeder weiteren Bewilligung von Krankengeld. Dementsprechend muß die Arbeitsunfähigkeit der Krankenkasse erneut gemeldet werden, wenn nach einer vorübergehenden leistungsfreien Zeit wieder Krankengeld gezahlt werden soll (BSGE 31, 125, 129 = SozR Nr 49 zu § 183 RVO Bl Aa 50; BSGE 38, 133, 135 = SozR 2200 § 182 Nr 7 S 7; BSGE 56, 13, 14 = SozR 2200 § 216 Nr 7 S 19). Dasselbe hat auch bei ununterbrochenem Leistungsbezug zu gelten, wenn wegen der Befristung der bisherigen Krankschreibung über die Weitergewährung des Krankengeldes neu zu befinden ist. Auch dann muß der Versicherte die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit rechtzeitig vor Fristablauf ärztlich feststellen lassen und seiner Krankenkasse melden, wenn er das Ruhen des Leistungsanspruchs vermeiden will.

Bei der Meldung der Arbeitsunfähigkeit handelt es sich um eine Obliegenheit des Versicherten; die Folgen einer unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Meldung sind deshalb grundsätzlich von ihm zu tragen. Dem LSG ist auch darin beizupflichten, daß die Ausschlußregelung des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V strikt anzuwenden ist. Sie soll die Krankenkasse davon freistellen, die Voraussetzungen eines verspätet angemeldeten Anspruchs im nachhinein aufklären zu müssen, und ihr die Möglichkeit erhalten, die Arbeitsunfähigkeit zeitnah durch den MDK überprüfen zu lassen, um Leistungsmißbräuchen entgegentreten und Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit einleiten zu können. Das BSG hat deshalb in ständiger Rechtsprechung die Gewährung von Krankengeld bei verspäteter Meldung auch dann ausgeschlossen, wenn die Leistungsvoraussetzungen im übrigen zweifelsfrei gegeben waren und dem Versicherten keinerlei Verschulden an dem unterbliebenen oder nicht rechtzeitigen Zugang der Meldung zur Last gelegt werden konnte (vgl etwa: BSGE 29, 271, 272 = SozR Nr 8 zu § 216 RVO - Verlust einer rechtzeitig aufgegebenen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf dem Postweg; SozR Nr 11 zu § 216 RVO - Unterbleiben der Meldung, weil der gesetzliche Vertreter eines Geschäftsunfähigen von dessen Arbeitsunfähigkeit keine Kenntnis hatte; BSGE 38, 133, 135 = SozR 2200 § 182 Nr 7 S 8 - unverschuldetes Unterlassen der Meldung nach Unterbrechung des Krankengeldbezugs; SozR 2200 § 216 Nr 7 - Unkenntnis des Meldeerfordernisses bei Beginn einer neuen Blockfrist; BSG SozR 2200 § 216 Nr 11: Meldeversäumnis wegen Beantragung einer konkurrierenden Sozialleistung).

Von der Ausschlußwirkung der Ruhensregelung hat die Rechtsprechung aber trotz der strikten Handhabung Ausnahmen anerkannt. Das Ruhen darf dem Anspruch nicht entgegengehalten werden, wenn die Feststellung oder die Meldung der Arbeitsunfähigkeit durch Umstände verhindert oder verzögert wurde, die dem Verantwortungsbereich der Krankenkasse und nicht dem des Versicherten zuzurechnen sind. Das ist beispielsweise angenommen worden, wenn der Versicherte von der rechtzeitigen Abgabe der Meldung ausgehen durfte, diese ihren Adressaten aber wegen von der Kasse zu vertretender Organisationsmängel nicht erreicht hatte (BSGE 52, 254 = SozR 2200 § 216 Nr 5). In einem anderen Fall, in dem der Versicherte von seinem behandelnden Arzt auf Grund einer Fehldiagnose irrtümlich gesund geschrieben worden war, hat das BSG ausgeführt, der Versicherte müsse eine die Arbeitsunfähigkeit ablehnende ärztliche Feststellung nicht stets hinnehmen, sondern könne ihre Unrichtigkeit - gegebenenfalls auch durch eine ex-post-Beurteilung eines anderen ärztlichen Gutachters - nachweisen (BSGE 54, 62, 65 = SozR 2200 § 182 Nr 84 S 167 f). Die ihm vom Gesetz übertragene Obliegenheit, für eine zeitgerechte ärztliche Feststellung der geltend gemachten Arbeitsunfähigkeit zu sorgen (früher: § 182 Abs 3 RVO; jetzt: § 46 Abs 1 Nr 2 SGB V), erfülle er, wenn er alles in seiner Macht stehende tue, um die ärztliche Feststellung zu erhalten. Er habe dazu den Arzt aufzusuchen und ihm seine Beschwerden vorzutragen. Er könne aber den Arzt nicht zwingen, eine vollständige Befunderhebung durchzuführen und eine zutreffende Beurteilung abzugeben. Unterbleibe die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit allein aus Gründen, die dem Verantwortungsbereich des Kassenarztes oder der sonstigen zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung berufenen Personen oder Einrichtungen zuzuordnen sind, so dürfe sich das nicht zum Nachteil des Versicherten auswirken.

Demgegenüber hat der 3. Senat des BSG in dem vom Berufungsgericht angeführten Urteil vom 12. November 1985 (SozR 2200 § 216 Nr 8) eine erneute Arbeitsunfähigkeitsmeldung auch in einem Fall gefordert, in dem ärztlicherseits eine weitere Krankschreibung abgelehnt worden war und der Versicherte dem nicht widersprochen hatte. Er hat unter Bezugnahme auf die dem § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V entsprechende Ruhensvorschrift des früheren § 216 Abs 3 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) die Auffassung vertreten, eine rückwirkende Gewährung von Krankengeld sei ausgeschlossen, wenn der Versicherte in Kenntnis der ärztlichen Feststellung, daß seine Arbeitsunfähigkeit beendet sei, die Einstellung der Leistung zunächst widerspruchslos hingenommen habe und sich erst später auf ein Fortdauern der Arbeitsunfähigkeit berufe (ähnlich zuvor bereits: BSG SozR Nr 11 zu § 216 RVO; vgl ferner: LSG Berlin NZS 1998, 238). Die ärztliche Bescheinigung des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit und die entsprechende Unterrichtung der Krankenkasse hebe in einem solchen Fall die Rechtswirkungen der ursprünglichen Arbeitsunfähigkeitsmeldung auf mit der Folge, daß eine Wiederaufnahme der Krankengeldzahlungen erst nach erneuter Feststellung und Meldung der Arbeitsunfähigkeit in Frage komme. Der Versicherte könne, wenn er mit dem Ergebnis der ärztlichen Begutachtung nicht einverstanden sei, seine Rechte nur dadurch wahren, daß er fristgerecht Widerspruch erhebe und eine Überprüfung verlange. Das LSG hat diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall übertragen. Dem Umstand, daß für die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit der Klägerin durch den MDK nicht medizinische, sondern rechtliche Gesichtspunkte ausschlaggebend waren, hat es keine Bedeutung beigemessen.

In dem hier interessierenden Zusammenhang kann offenbleiben, ob der angeführten Judikatur des 3. Senats für die dort entschiedene Fallkonstellation beizutreten ist. Bedenken könnten sich daraus ergeben, daß die Entscheidung dem Versicherten in Abkehr von der sonstigen Linie der Rechtsprechung das Risiko eines Rechtsverlusts durch verspätete Vorlage der Arbeitsunfähigkeitsmeldung auch insoweit aufbürdet, als die Gründe für das Unterbleiben oder die Verzögerung der Meldung im Verantwortungsbereich der Krankenkasse zu suchen sind. Ohne daß die Frage hier einer abschließenden Beantwortung bedarf, kann jedenfalls bei der dem jetzigen Rechtsstreit zugrundeliegenden besonderen Sachverhaltskonstellation der Krankengeldanspruch am Fehlen der Arbeitsunfähigkeitsmeldung nicht scheitern. Die Klägerin ist nicht arbeitsfähig geschrieben worden, weil sich - aus Sicht des begutachtenden Arztes - ihr Gesundheitszustand gebessert oder die medizinische Beurteilung ihrer Leistungsfähigkeit geändert hätte. Grund war vielmehr die unzutreffende rechtliche Bewertung, daß sich die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit wegen der Aufgabe des Arbeitsplatzes nicht mehr an der zuletzt ausgeübten Tätigkeit auszurichten habe. Dabei handelt es sich entgegen der Auffassung des LSG um einen Fehler, der nicht dem MDK, sondern unmittelbar der Krankenkasse selbst zuzurechnen ist. Auch wenn man dem Versicherten entgegenhalten wollte, er müsse sich in Fällen einer medizinisch begründeten Fehleinschätzung seiner Arbeitsfähigkeit durch Aufsuchen weiterer Ärzte selbst um eine Korrektur bemühen, kann dies nicht gelten, wenn die unrichtige Feststellung der Arbeitsfähigkeit rechtlich begründet ist und nur durch die Kasse selbst richtiggestellt werden könnte. Es kann sich in einer solchen Situation für den Betroffenen auch nicht nachteilig auswirken, wenn er die Entscheidung der Krankenkasse zunächst unwidersprochen hinnimmt. Die Auffassung des LSG, daß eine nachträgliche Richtigstellung auch bei allein von der Kasse zu vertretenden Fehlentscheidungen auszuschließen sei, führt zu einer unangemessenen Benachteiligung des Versicherten, die weder durch den Wortlaut noch durch den Zweck der Ruhensvorschrift des § 49 Abs 1 Nr 5 SGB V gerechtfertigt wird.

Der dem Grunde nach bestehende Anspruch auf Krankengeld hat allerdings in Höhe der für dieselbe Zeit gewährten Leistungen wegen Arbeitslosigkeit (Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe) geruht, so daß der Klägerin im Ergebnis nur der Unterschiedsbetrag zwischen diesen bereits erhaltenen Leistungen und dem höheren Krankengeld (sog Krankengeldspitzbetrag) zusteht (§ 49 Abs 1 Nr 3 SGB V in der hier noch maßgebenden Fassung des Gesundheits-Reformgesetzes vom 20. Dezember 1988 - BGBl I 2477). Ihrem Klagebegehren, das diese Einschränkung bereits berücksichtigt, war danach in vollem Umfang zu entsprechen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Ende der Entscheidung

Zurück