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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 18.05.2004
Aktenzeichen: B 1 KR 24/02 R
Rechtsgebiete: SGB V, SGB X


Vorschriften:

SGB V § 10 Abs 2 Nr 4
SGB X § 111
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 18. Mai 2004

Az: B 1 KR 24/02 R

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. Mai 2004 durch den Richter Dr. Dreher - als Vorsitzender -, die Richter Dr. Kretschmer und Dr. Koloczek sowie die ehrenamtlichen Richter Gabke und Geppert

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 25. April 2002 wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch im Revisionsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der klagende Sozialhilfeträger begehrt von der beklagten Krankenkasse die Erstattung von Kosten, die durch eine psychiatrische Krankenhausbehandlung der Beigeladenen entstanden sind; die Beklagte bestreitet die Familienversicherung der Beigeladenen und die rechtzeitige Anmeldung des Erstattungsanspruchs.

Die Beklagte hatte der 1968 geborenen Beigeladenen bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres im Juli 1991 die bis dahin notwendig gewordene psychiatrische Behandlung aus der beim Vater bestehenden Familienversicherung gewährt. Für eine erneute stationäre Behandlung vom 5. Februar bis 18. Juli 1994 sowie vom 21. Juli 1994 bis zum 28. Februar 1995 in einer Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik kam demgegenüber zunächst der Kläger auf. Am 28. April 1994 setzte er die Beklagte mit Formularschreiben vom 25. April davon in Kenntnis, dass er für die Beigeladene seit dem 5. Februar 1994 "Krankenhilfe" mit Aufwendungen von monatlich etwa 8.000 DM erbringe und meldete einen materiell-rechtlich aus der Familienversicherung abgeleiteten Erstattungsanspruch an; beigefügt war die Kopie eines an den Kläger gerichteten Antrags der Klinik vom 7. Februar 1994 auf Übernahme der Kosten einer stationären Behandlung für eine "voraussichtliche Dauer" von 60 Tagen. Nachdem die Beklagte im Mai 1994 den Erstattungsanspruch mangels Versicherungsschutzes der Beigeladenen abgelehnt hatte, zeigte der Kläger im August 1994 unter Hinweis auf erneute "Krankenhilfe" für die Beigeladene ab dem 21. Juli 1994 und die dadurch entstehenden Kosten in Höhe von etwa 8.000 DM im Monat einen weiteren Erstattungsanspruch an. Im Zuge des folgenden Schriftwechsels der Beteiligten stellte der Kläger dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Behandlungsunterlagen zur Verfügung, aus denen dieser schloss, dass die Beigeladene nicht unfähig zum eigenen Unterhalt und daher nicht mehr familienversichert gewesen sei; sie habe nämlich 1993 mit einem Zuhälter zusammengelebt und nach Abschluss der stationären Behandlung im Februar 1995 in eine eigene Wohnung entlassen werden können. Diese Auffassung machte sich die Beklagte in einem weiteren Ablehnungsschreiben vom Juni 1995 zu Eigen und verneinte erneut die Voraussetzungen der Familienversicherung.

Das Sozialgericht hat die im August 1996 erhobene, auf Erstattung von Behandlungskosten in Höhe von 138.774,12 DM = 70.954,08 € gerichtete Klage mit Urteil vom 30. Juni 1998 abgewiesen, weil die Beigeladene nicht familienversichert gewesen sei. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) dieses Urteil aufgehoben und die Beklagte zur Erstattung des Betrags zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 vH seit dem 1. August 1996 verurteilt. Die Beigeladene sei über das 23. Lebensjahr hinaus nach § 10 Abs 2 Nr 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) familienversichert gewesen, weil sie seit einer Anfang Mai 1991 beendeten stationären psychiatrischen Behandlung und somit vor Vollendung des 23. Lebensjahres bis zur erneuten Krankenhausaufnahme im Februar 1994 wegen seelischer Behinderung außer Stande gewesen sei, sich selbst zu unterhalten. Von dieser Tatsache sei das Gericht auf Grund des Gesamtergebnisses der Ermittlungen, insbesondere des im Berufungsverfahren eingeholten neurologisch-psychiatrischen Gutachtens überzeugt. Danach müsse davon ausgegangen werden, dass die Beigeladene auf Grund ihrer massiven Persönlichkeitspathologie im fraglichen Zeitraum jede Form von Tätigkeit, in welcher Stetigkeit, Belastbarkeit, Umstellungsfähigkeit und auch Konfliktfähigkeit gefordert werde, nach kurzer Zeit infolge des neuen Auftretens von massiven Symptomen hätte abbrechen müssen. Der tatsächliche Lebenswandel der Beigeladenen mit einer nicht als versicherungspflichtig gemeldeten Tätigkeit in einer Diskothek, die in eine Beziehung zu einem Zuhälter gemündet sei, widerspreche dieser Beurteilung entgegen der Auffassung der Beklagten ebenso wenig wie eine von der AOK Hamburg bescheinigte versicherungspflichtige Beschäftigung vom 15. August bis 10. Oktober 1992, die schon wegen ihrer kurzen Dauer die damalige fehlende Stabilität der Beigeladenen bestätige. Diese Beschäftigung habe die Familienversicherung nicht erlöschen lassen, sondern lediglich unterbrochen. Da die Beschäftigung nicht Ausdruck einer relevanten Erwerbsfähigkeit gewesen sei und somit die Voraussetzungen des § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V dauerhaft vorgelegen hätten, sei die Familienversicherung mit Wegfall des Ausschlusstatbestandes der versicherungspflichtigen Beschäftigung wieder in Kraft getreten.

Der Kläger habe den Erstattungsanspruch rechtzeitig angemeldet, sodass er damit nicht wegen § 111 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ausgeschlossen sei. Sein Schreiben vom 25. April 1994 habe die unmissverständliche Erklärung der Erstattungsforderung sowie die Gründe für die Einstandspflicht der Beklagten enthalten und im Wesentlichen die Leistungen umschrieben, die als nachrangige Sozialleistung erbracht worden seien. Das Fehlen weiterer Angaben sei unschädlich, da an die Anzeige iS des § 111 SGB X keine überspannten Anforderungen zu stellen seien. Damit liege jedenfalls eine ausreichende Geltendmachung für die darin als voraussichtliche Dauer genannten ersten 60 Tage der stationären Behandlung vor. Mangels ausdrücklicher Beschränkung auf diesen Zeitraum müsse es für die fristgerechte Anmeldung des weiteren Anspruchs ausreichen, dass der Beklagten innerhalb eines Jahres die Fortsetzung der Krankenhausbehandlung bekannt geworden sei, weil ihr der MDK am 15. März 1995 eine Mitteilung des Klägers über den bisherigen Behandlungsverlauf zugeleitet habe (Urteil vom 25. April 2002).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte die Verletzung von § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V und von § 111 SGB X. Selbst wenn angenommen werde, dass die Familienversicherung der Beigeladenen über deren 23. Lebensjahr hinaus fortbestanden habe, könne sie nach dem Ende der versicherungspflichtigen Beschäftigung im Jahre 1992 nicht wieder aufgelebt sein. Die gegenteilige Auffassung des LSG komme einem Ruhen der Familienversicherung gleich, für das es keine gesetzliche Grundlage gebe. Unabhängig davon sei der Erstattungsanspruch für Behandlungszeiträume ab dem 7. April 1994 insgesamt ausgeschlossen, weil der Kläger ihn nicht ordnungsgemäß angemeldet habe. Die Anmeldung vom 25. April 1994 beziehe sich ausdrücklich nur auf die ersten sechzig Tage der Krankenhausbehandlung und somit lediglich auf die Zeit bis 6. April 1994. Die weitere Anmeldung vom 19. August 1994 lasse weder Leistungsart noch Leistungsdauer erkennen; ein Zusammenhang mit der ersten Anmeldung sei für sie (die Beklagte) nicht erkennbar gewesen. Dieser Mangel werde nicht dadurch geheilt, dass sie lediglich mittelbar und gewissermaßen zufällig über den MDK von den maßgeblichen Leistungsdaten für einen möglichen weiteren Erstattungsanspruch erfahren habe. Das entsprechende Schreiben des Klägers habe überdies gar nicht der Anmeldung des Erstattungsanspruchs, sondern der Klärung der medizinischen Voraussetzungen der Familienversicherung der Beigeladenen dienen sollen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 25. April 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 30. Juni 1998 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet.

Wie die Vorinstanzen zutreffend angenommen haben, ist die Klage zulässig. Streitgegenstand ist nicht der Status der Beigeladenen als Familienversicherte, den ein Sozialhilfeträger nicht feststellen lassen könnte (vgl BSG SozR 3-5910 § 91a Nr 6). Vielmehr ist die Familienversicherung der Beigeladenen und der daraus abzuleitende konkrete Leistungsanspruch lediglich Vorfrage für die umstrittene Erstattungspflicht der Beklagten.

Das LSG ist zu Recht zum Ergebnis gekommen, dass die Beklagte nach § 104 Abs 1 Satz 1 SGB X erstattungspflichtig ist. Nach dieser Regelung ist dann, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs 1 SGB X vorliegen, derjenige Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Hier hatte die Beklagte als vorrangig verpflichteter Leistungsträger für die Krankenhausaufenthalte der Beigeladenen aufzukommen, weil diese jedenfalls bis Ende Februar 1995 bei ihr familienversichert war. Die Voraussetzungen des § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V für eine Familienversicherung ohne Altersgrenze sind bei der Beigeladenen erfüllt. Denn den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsurteils ist zu entnehmen, dass die Beigeladene - wie vom Gesetz gefordert - über ihr 23. Lebensjahr hinaus wegen einer vorher eingetretenen Behinderung außer Stande war, sich selbst zu unterhalten (zur insoweit gleichen Rechtslage bis zum 31. Dezember 1989 allgemein vgl BSGE 49, 159 = SozR 2200 § 205 Nr 30; BSG USK 82100; BSG USK 9042; vgl auch BSG SozR 3-7140 § 90 Nr 1).

Diese Bewertung des LSG beruht in tatsächlicher Hinsicht auf eingehenden Ermittlungen und auf einer ausführlichen Würdigung der gesamten bekannten Lebensumstände der Beigeladenen einschließlich der von ihr vorübergehend ausgeübten Beschäftigungen. Die Beklagte hat im Revisionsverfahren erklärt, dass sie die daraus vom LSG gezogene Schlussfolgerung akzeptiert. Die Einwendungen der Beklagten gegen ihre Leistungszuständigkeit und Leistungspflicht nach § 10 Abs 2 Nr 4 SGB V beziehen sich ausschließlich auf eine vom 15. August bis zum 10. Oktober 1992 bei der AOK Hamburg gemeldete versicherungspflichtige Beschäftigung der Beigeladenen; das LSG habe verkannt, dass der dadurch herbeigeführte Ausschluss der Familienversicherung diese endgültig beendet habe. Ein Ruhen der Familienversicherung mit der Möglichkeit des späteren Wiederauflebens sei im Gesetz nicht vorgesehen. Dem folgt der Senat nicht.

Richtig ist an den Ausführungen der Beklagten nur, dass die Familienversicherung nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V nicht eingreift, wenn der betroffene Familienangehörige nach anderen Regelungen versichert ist. Die Versicherungspflicht auf Grund einer abhängigen Beschäftigung schließt die Familienversicherung demnach aus. Das gilt entgegen einer möglichen Vorstellung der Beklagten allerdings nicht nur, wenn die Beschäftigung der zuständigen Krankenkasse als versicherungspflichtig gemeldet war, denn die Versicherungspflicht entsteht nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V unabhängig von einer formellen Meldung bereits kraft Gesetzes. Der Ausschluss der Familienversicherung durch eine Beschäftigtenversicherung gilt für alle Tatbestände der Familienversicherung und nicht nur bei Kindern, die - wie die Beigeladene - wegen einer Behinderung außer Stande sind, sich selbst zu unterhalten; bei diesen ist die Aufnahme einer Beschäftigung jedoch zusätzlich zum rechtlichen Ausschlussgrund regelmäßig ein tatsächliches Indiz dafür, dass sie nicht (mehr) gehindert sind, für den eigenen Unterhalt aufzukommen. Unter diesem Blickwinkel kann eine Beschäftigung aus tatsächlichen Gründen durchaus zum dauerhaften Ausschluss der Familienversicherung eines behinderten Kindes führen. Diese Erwägung kann der Revision im vorliegenden Fall jedoch nicht zum Erfolg verhelfen; denn die unangefochtenen tatsächlichen Feststellungen des LSG haben - wie bereits ausgeführt - ergeben, dass die Beigeladene trotz der zwischenzeitlichen Beschäftigungen im hier maßgeblichen Zeitraum selbst nicht in der Lage war, für ihren Unterhalt zu sorgen.

Der daher allein unter rechtlichen Aspekten zu betrachtende Einwand der Beklagten steht dem Erstattungsanspruch des Klägers nicht entgegen. Die einmal begründete Familienversicherung ohne Altersgrenze wird durch eine vorübergehende Beschäftigtenversicherung nur überlagert und nicht auf Dauer beseitigt. Darauf weist der Wortlaut des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V hin, indem die verwendete Gegenwartsform ("... versichert sind") nahe legt, dass die Ausschlussnorm nur eingreift, wenn ein anderer Versicherungstatbestand und die Familienversicherung zeitlich zusammentreffen. Da das Gesetz nur einen einheitlichen Ausschlusstatbestand der anderweitigen Versicherung kennt und insofern nicht zwischen der Familienversicherung eines behinderten Kindes und anderen Fällen der Familienversicherung unterscheidet, müsste beispielsweise die Aufnahme einer Beschäftigung durch den familienversicherten Ehegatten eines Versicherten dieselbe Rechtsfolge nach sich ziehen, wie sie die Beklagte bei der Beigeladenen annehmen will: Gäbe der Ehegatte seine Beschäftigung wieder auf, dürfte dies nach Auffassung der Beklagten konsequenterweise nichts am endgültigen Ausschluss der Familienversicherung ändern. Dass dies aber dem Sinn der Vorschriften über die Familienversicherung widerspricht, bedarf keiner näheren Ausführungen.

Ein systematischer Gesichtspunkt bestätigt dieses Ergebnis. Das Gesetz regelt verschiedentlich, dass ein Versicherungstatbestand einen anderen ausschließt (neben § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 insbesondere § 5 Abs 6, 7 und 8 sowie § 189 Satz 2 SGB V). Mit derartigen Regelungen wird regelmäßig eine Rangfolge festgelegt. In diesem Sinne hat der Senat auch den hier betroffenen § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB V interpretiert (so auch Peters in Kasseler Kommentar, Stand März 2004, § 10 RdNr 9) und daraus auf einen Aufschub, aber keinen endgültigen Ausschluss der Familienversicherung durch einen nachgehenden Anspruch nach § 19 Abs 2 SGB V geschlossen (BSGE 89, 254, 255 f = SozR 3-2500 § 19 Nr 5 S 23 f). Bereits in diesem Zusammenhang hat der Senat auf die seit langem bestehende Rechtsprechung zum Rangverhältnis zwischen der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) einerseits und der Beschäftigtenversicherung bzw dem daraus abgeleiteten nachgehenden Versicherungsschutz andererseits hingewiesen; in den dazu ergangenen Entscheidungen hat das Bundessozialgericht (BSG) die Beschäftigtenversicherung gegenüber der KVdR und diese gegenüber dem nachgehenden Versicherungsschutz als vorrangig angesehen (so BSGE 14, 278 = SozR Nr 4 zu § 182 RVO; BSG DOK 1966, 469; BSG SozR Nr 4 zu § 214 RVO). Selbstverständliche Grundlage war dabei das Wiederaufleben der nachrangigen Versicherung, sobald der vorrangige Versicherungstatbestand endete, wie es beispielsweise für die vorübergehende Verdrängung der KVdR durch eine versicherungspflichtige Beschäftigung angenommen wurde (BSGE 14, 278, 279 = SozR Nr 4 zu § 182 RVO Bl Aa2; so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand September 1989, 448l f). Es spricht nichts dafür, das Verhältnis von Beschäftigtenversicherung und Familienversicherung anders zu beurteilen.

Anders als die Beklagte meint, steht dem Erstattungsanspruch des Klägers auch § 111 SGB X nicht entgegen. Nach Satz 1 dieser Bestimmung ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Die Leistungszeiträume, die dem Streit der Beteiligten zu Grunde liegen, haben am 18. Juli 1994 bzw am 28. Februar 1995 geendet, sodass die Fristen für die Geltendmachung am 18. Juli 1995 bzw am 28. Februar 1996 endeten. Nach den unangefochtenen Feststellungen des LSG hat der Kläger diese Fristen gewahrt.

In rechtlicher Hinsicht ist durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt, dass der Begriff des "Geltendmachens" im Zusammenhang mit § 111 Satz 1 SGB X keine gerichtliche Geltendmachung und keine Darlegung in allen Einzelheiten, sondern das Behaupten oder Vorbringen meint. Allerdings muss der Wille erkennbar werden, zumindest rechtssichernd tätig zu werden. Eine bloß vorsorgliche Anmeldung reicht dagegen nicht aus. Unter Berücksichtigung des Zwecks der Ausschlussfrist, möglichst rasch klare Verhältnisse darüber zu schaffen, ob eine Erstattungspflicht besteht, muss der in Anspruch genommene Leistungsträger bereits beim Zugang der Anmeldung des Erstattungsanspruches ohne weitere Nachforschungen beurteilen können, ob die erhobene Forderung ausgeschlossen ist. Dazu ist er im Rahmen von § 111 Satz 1 SGB X ohne Kenntnis des Forderungsbetrages in der Lage, wenn der Zeitraum hinreichend konkret mitgeteilt wird, für den die Sozialleistungen erbracht wurden. Da der Erstattungsanspruch iS des § 111 Satz 1 SGB X bereits geltend gemacht werden kann, bevor die Ausschlussfrist zu laufen begonnen hat, können allgemeine Angaben genügen, die sich auf die im Zeitpunkt des Geltendmachens vorhandene Kenntnisse über Art und Umfang künftiger Leistungen beschränken (zum Ganzen BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 9 S 37 f mwN). Dieser Auslegung schließt sich der Senat an.

Nach den aufgezeigten Kriterien hat der Kläger den Erstattungsanspruch für den am 18. Juli 1994 endenden Zeitraum am 28. April 1994 wirksam geltend gemacht. Diese Anmeldung durfte die Beklagte nicht deshalb als zeitlich begrenzt ansehen, weil in dem beigefügten Kostenübernahmeantrag des Krankenhauses vom 7. Februar 1994 von einer voraussichtlichen Aufenthaltsdauer von 60 Tagen ab dem 5. Februar 1994 die Rede war. Da der letztgenannte Zeitraum am 28. April 1994 bereits vollständig in der Vergangenheit lag, hätte die Beklagte das Formularschreiben des Klägers allenfalls mit einem ausdrücklichen Hinweis auf das bereits eingetretene Ende der stationären Behandlung in dem von ihr gewünschten Sinne verstehen können. Zu einem Hinweis auf das Ende des Leistungszeitraums hatte der Kläger allerdings keinen Anlass. Denn die Antwortschreiben der Beklagten vom Mai 1994 ließen für den Kläger nicht erkennen, dass die Beklagte der Kenntnis des End-Datums Bedeutung beilegen würde; sie bestritt ihre Leistungspflicht nämlich ausschließlich wegen der angeblich fehlenden Familienversicherung der Beigeladenen, für die der Endzeitpunkt der Behandlung ersichtlich keine Rolle spielen konnte.

Mit Rücksicht auf den Schriftwechsel bezüglich des ersten Leistungszeitraums genügt auch die Anmeldung des Folgeanspruchs für die stationäre Behandlung vom 21. Juli 1994 bis 28. Februar 1995 mit Formularschreiben vom 19. August 1994 den Anforderungen an eine fristwahrende Geltendmachung. Nachdem sich die Auseinandersetzung der Beteiligten in der Vorkorrespondenz auf die Frage der Familienversicherung der Beigeladenen beschränkt hatte, bedeutet es keinen wesentlichen Mangel der Folgeanmeldung, dass der Kläger nicht nochmals die Art der Leistung (= stationäre psychiatrische Behandlung) präzisierte und diese lediglich pauschal als "Krankenhilfe" bezeichnete. Außerdem enthält das Schreiben vom 19. August 1994 diesbezüglich zumindest insoweit einen Hinweis, als die ungefähren monatlichen Kosten ebenso wie in der ersten Anmeldung mit 8.000 DM angegeben wurden und so ohne Weiteres den Schluss nahe legten, es handele sich um die gleichen Leistungen, wie sie der Kläger der Beigeladenen bereits zuvor gewährt hatte. Überdies hat die Beklagte die weiteren Informationen über die dem Erstattungsbegehren zu Grunde liegende Behandlung am 15. März 1995 - also weniger als einen Monat nach Entlassung der Beigeladenen - dadurch erhalten, dass ihr der MDK Behandlungsunterlagen weiterleitete, die der Kläger diesem auf ausdrückliche Bitte der Beklagten selbst zur Verfügung gestellt hatte. In dieser Situation hätte es der Beklagten oblegen, den Kläger darauf aufmerksam zu machen, dass sie seine Anmeldung für unvollständig hielt; hierzu hätte spätestens im Schreiben vom 19. Juni 1995 Anlass bestanden, mit dem sie den Erstattungsanspruch indessen wiederum nur unter Hinweis auf die fehlende Familienversicherung der Beigeladenen ablehnte. Den ausschließlich sachlichen Einwand musste der Kläger so verstehen, dass der Erstattung aus Sicht der Beklagten keine aus dem Erstattungsrecht des SGB X abgeleiteten Hindernisse entgegenstanden. Eventuelle Mängel bei der Geltendmachung des Erstattungsanspruches hätte die Beklagte entsprechend dem Grundsatz des § 86 SGB X mitteilen müssen. Die in § 86 SGB X festgelegte Pflicht der Leistungsträger, bei der Erfüllung ihrer Aufgaben eng zusammenzuarbeiten, wird zwar für den Fall der sich gegenseitig beeinflussenden Leistungspflichten im Gesetz nicht durch Einzelvorschriften näher konkretisiert. Sie umfasst jedoch zumindest die Verpflichtung, bei widerstreitenden gegenseitigen Interessen auch die Belange des anderen Versicherungsträgers angemessen zu berücksichtigen (in diesem Sinne bereits BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 9 S 39 f unter Bezugnahme auf BSGE 57, 146, 150 = SozR 1300 § 103 Nr 2).

Der Zinsanspruch des Klägers ergibt sich aus § 108 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB X. Der vom LSG ermittelte Beginn der Verzinsung mit dem In-Kraft-Treten dieser Bestimmung am 1. August 1996 (Gesetz vom 23. Juli 1996, BGBl I 1088) steht im Einklang mit der Entscheidung des Senats vom 23. Februar 1999 (BSG SozR 3-1300 § 111 Nr 7 S 24).

Da somit die Einwände der Revision gegen das Berufungsurteil weder hinsichtlich der Familienversicherung der Beigeladenen noch hinsichtlich der erstattungsrechtlichen Ausschlussfrist durchgreifen, musste der Senat die Revision zurückweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und 4 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden und hier noch anzuwendenden Fassung (vgl BSG SozR 3-2500 § 116 Nr 24).



Ende der Entscheidung

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