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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 16.12.2003
Aktenzeichen: B 1 KR 26/01 R
Rechtsgebiete: SGB V, GG
Vorschriften:
SGB V § 61 | |
GG Art 1 | |
GG Art 2 Abs 1 | |
GG Art 3 Abs 1 | |
GG Art 6 Abs 1 | |
GG Art 14 Abs 1 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 16. Dezember 2003
Az: B 1 KR 26/01 R
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Dezember 2003 durch den Präsidenten von Wulffen, die Richter Dr. Dreher und Dr. Kretschmer sowie die ehrenamtlichen Richter Leingärtner und Ries
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 5. September 2001 - L 4 KR 2/00 - wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Befreiung von Zuzahlungspflichten und Eigenbeteiligungen.
Die Klägerin, pflichtversichertes Mitglied der beklagten Ersatzkasse, bezog 1996 Arbeitslosengeld und Krankengeld bzw von März 1997 an Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Sie ist verheiratet und hat vier zwischen 1984 und 1990 geborene familienversicherte Kinder, für die Kindergeld gezahlt wurde (1997 1.090 DM monatlich). Ihr 1996 gestellter Antrag, von Zuzahlungspflichten und Fahrkosten vollständig befreit zu werden, weil das Familieneinkommen die Einnahmengrenze nach § 61 Abs 2 Nr 1, Abs 3 Satz 1 und Abs 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterschreite, war ohne Erfolg geblieben; das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hatte angenommen, dass die Bruttoeinnahmen der Familie 1996 und 1997 jeweils über der Einnahmengrenze lagen (Urteil vom 11. März 1998 - L 4 KR 97/97 = juris-dok KSRE075040518).
Mitte 1997 wandte sich die Klägerin mit mehreren Anträgen erneut an die Beklagte: Sie weigerte sich, Zuzahlungen zu Krankengymnastik (ärztliche Verordnung vom 10. Juli 1997) zu leisten und begehrte die volle Kostenübernahme einer beabsichtigten Versorgung mit Zahnersatz (Heil- und Kostenplan vom 24. Juli 1997); ferner wollte sie generell von Zuzahlungen befreit werden und verlangte, das zu berücksichtigende Familieneinkommen um den tatsächlichen Unterhaltsaufwand für ihre Kinder zu mindern. Die Begehren sind im Verwaltungs- und Klageverfahren ohne Erfolg geblieben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klagen gegen die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 30. Juli und 29. August 1997 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19. März 1998 als unbegründet abgewiesen, weil die Befreiungsvoraussetzungen des § 61 SGB V nicht vorlägen (Urteil vom 7. Dezember 1999).
Die Klägerin hat im Berufungsverfahren die Aufhebung des SG-Urteils sowie der Bescheide beantragt und die Befreiung von Zuzahlungen für Krankengymnastik und von der Eigenbeteiligung für Zahnersatz mit der Maßgabe begehrt, dass das Einkommen ihrer Familie "in Höhe des Existenzminimums" unberührt bleibe. Damit ist sie beim LSG erfolglos geblieben: Ein Befreiungstatbestand iS von § 61 Abs 2 SGB V habe 1997 und 1998 nicht vorgelegen. Als Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt seien grundsätzlich alle Einkünfte mit Ausnahme des Kindergeldes zu berücksichtigen. Die für Juli 1997 ermittelten monatlichen Bruttoeinnahmen von 6.500 DM überschritten die sich für 1997 und 1998 ergebenden Einnahmengrenzen (4.056,50 DM bzw 4.123 DM). § 61 SGB V sei insoweit nicht verfassungswidrig. An der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach das Existenzminimum im Beitragsrecht der Krankenversicherung (KV) nicht vor Abgaben geschützt sei, müsse auch nach dem Pflegeversicherungs-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) festgehalten werden. Der Gesetzgeber sei frei darin, wie er Sozialstaatsgebot und Familienlastenausgleich in der KV verwirkliche (Urteil vom 5. September 2001).
Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung der Art 1, 2 Abs 1, 3 Abs 1, 6 Abs 1 und 14 Abs 1 Grundgesetz (GG) sowie des Rechts- und Sozialstaatsgrundsatzes. Das LSG sei ihrem Hinweis auf höhere Existenzminima im Steuer- und Sozialhilferecht zu Unrecht nicht gefolgt. Die Belastungsgrenzen des § 61 SGB V seien willkürlich und widersprächen Entscheidungen des BVerfG sowohl zum Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als auch zur Belastungsgerechtigkeit in der Pflegeversicherung. Diese Rechtsprechung sei hier in der KV zu beachten, weil Zuzahlungen letztlich Beitragssurrogate seien, die Versicherte mit Kindern gegenüber finanziell Leistungsfähigeren und Kinderlosen benachteiligten; Leistungen des Familienlastenausgleichs glichen die Schlechterstellung nicht aus. Das Existenzminimum einer Familie müsse frei von Belastungen bleiben. Die ihr (der Klägerin) mit Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen auf Grund der Härteregelung des § 62 SGB V für 1997 bzw 1998 zugemuteten jährlichen Belastungen von 1.187,35 DM bzw 594 DM führten aber zu einer Unterschreitung dieses Mindestbedarfs, den sie in den Vorinstanzen mit 7.615 DM beziffert habe. Zum Existenzminimum gebe es in den unterschiedlichen Rechtsbereichen völlig divergierende Regeln; die Einnahmengrenze des § 61 SGB V weiche zB von den Freibeträgen des Einkommensteuerrechts, den in der Sozialhilfe geltenden Bedarfssätzen, den Pfändungsfreigrenzen sowie dem Prozesskostenhilferecht ab; die Sozialhilfe-Regelsätze seien zudem willkürlich und ohne gesetzliche Grundlage festgesetzt worden. Der fehlenden Beitragsgerechtigkeit in der KV lasse sich nicht entgegenhalten, dass Zuzahlungen systematisch Leistungskürzungen seien; denn die dadurch eintretende ungleiche Belastung von Eltern mit Kindern einerseits und kinderlosen Versicherten andererseits verstoße gegen Art 3 Abs 1 GG. Das vom BVerfG für die Pflegeversicherung entwickelte Gebot zur Beitragsentlastung der Versicherten mit Kindern gelte auch für die KV, weil dieses System ebenfalls ein vor allem die Generation der Alten treffendes Risiko abdecke und sein Bestand gleichermaßen wesentlich von der Finanzierung durch nachwachsende Generationen abhänge.
Die Klägerin hat eine weitere Revision (Az B 1 KR 27/01 R; Urteil des LSG vom 5. September 2001 - L 4 KR 3/00), mit der sie die Höhe der Belastungsgrenzen von 1997 für die teilweise Befreiung von Fahrkosten und Zuzahlungen nach § 62 SGB V gerügt hatte, zurückgenommen.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 5. September 2001 - L 4 KR 2/00 - und des Sozialgerichts Hannover vom 7. Dezember 1999 - S 11 KR 199/97 - aufzuheben sowie festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 30. Juli 1997 und 29. August 1997 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 19. März 1998 insoweit rechtswidrig gewesen sind, als es die Beklagte abgelehnt hat, sie (die Klägerin) von Zuzahlungen für Krankengymnastik und von der Eigenbeteiligung für Zahnersatz in der Weise zu befreien, dass das Einkommen ihrer Familie in Höhe des Existenzminimums für die Jahre 1997 und 1998 unberührt blieb,
hilfsweise,
das Verfahren im Hinblick auf die aufgezeigten Verfassungsverstöße auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 61 Abs 2 SGB V vorzulegen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Klägerin ist zulässig. Die Revisionsbegründung entspricht noch den Anforderungen des § 164 Abs 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Klägerin stützt sich darauf, dass das angefochtene, in seinen tatsächlichen Feststellungen nicht angegriffene LSG-Urteil gegen Bestimmungen des GG verstoße, weil das Berufungsgericht im Rahmen des § 61 SGB V in verfassungswidriger Weise von zu engen Einnahmengrenzen für eine Familie mit Kindern ausgegangen sei. Obwohl eine nähere Auseinandersetzung der Revision mit der konkreten Bemessung und Entscheidungserheblichkeit des nicht näher bezifferten Existenzminimums unterbleibt, genügt der Vortrag den gesetzlichen Erfordernissen (vgl dazu allgemein BSG SozR 1500 § 164 Nr 12 und Nr 28; BSG SozR 3-1500 § 164 Nr 11 jeweils mwN); denn das Revisionsvorbringen befasst sich kritisch mit den Entscheidungsgründen des Urteils und rügt konkrete Verstöße gegen höherrangiges Recht.
Die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet. Die Vorinstanzen haben zwar in verfahrensrechtlicher Hinsicht ungenau, im Ergebnis aber zutreffend entschieden, dass die angefochtenen Bescheide nicht zu beanstanden waren. Die Klägerin konnte von der Beklagten nicht beanspruchen, für 1997 und 1998 von Zuzahlungen für Krankengymnastik und von der Eigenbeteiligung für Zahnersatz befreit zu werden.
Der Streitgegenstand des Revisionsverfahrens erschöpft sich in dieser Frage, auch die hilfsweise beantragte Vorlage an das BVerfG nach Art 100 Abs 1 GG bezieht sich allein darauf. Das LSG hat sein Urteil nur auf § 61 SGB V und die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse in den Jahren 1997 und 1998 gestützt. Soweit die Klägerin sich im Verwaltungsverfahren weitergehender Ansprüche berühmt hat, sind die darauf bezogenen Anträge im Berufungsverfahren nicht mehr gestellt worden; im Übrigen ist ihr weitergehendes Vorbringen zum Teil in dem durch Revisionsrücknahme beendeten Rechtsstreit - L 4 KR 3/00 - behandelt worden (LSG-Urteil vom 5. September 2001). Die Revision greift das prozessuale Vorgehen des LSG, insbesondere die Beschränkung des Streitstoffs, auch nicht mit Verfahrensrügen an, sondern bezieht sich ausdrücklich auf die "in zweiter Instanz gestellten Anträge".
Für die Verfolgung dieser Anträge fehlt der Klägerin bezogen auf das Jahr 1998 von vornherein das Rechtsschutzbedürfnis. Dies folgt aus Regelungsinhalt und Systematik des § 61 SGB V. Beruft sich ein Versicherter auf diese Bestimmung, kann ihm zwar grundsätzlich im Klagewege Rechtsschutz für den geltend gemachten Anspruch auf vollständige Befreiung von Zuzahlungspflichten und Eigenbeteiligungen gewährt werden, ohne dass dabei - anders als bei der teilweisen Befreiung nach § 62 SGB V - an deren konkrete Höhe anzuknüpfen wäre. § 61 SGB V erfordert vielmehr allein die (voraussichtliche) Inanspruchnahme zuzahlungspflichtiger bzw der Eigenbeteiligung unterliegender Dienst- und Sachleistungen, die dann mit Rücksicht auf eine festgelegte Einnahmengrenze oder wegen der Zielrichtung einer bezogenen Geldleistung generell nicht aus dem verfügbaren Einkommen finanziert werden müssen. Von einer solchen, in ihren Rechtsfolgen (= Befreiungsanspruch) klärungsbedürftigen Versorgung mit Zahnersatz bzw Krankengymnastik kann nur für 1997 ausgegangen werden.
Dass der Klägerin in den Jahren 1997 und 1998 tatsächlich Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen erwachsen sind, hat weder das LSG festgestellt, noch ergibt sich dies aus sonstigen Umständen. Zur Bejahung des für eine Klage nötigen Rechtsschutzbedürfnisses reicht es zwar aus, dass zumindest entsprechende Aufwendungen für Krankengymnastik und Zahnersatz konkret vorgesehen waren. Solches ist mit Blick auf die vorliegenden ärztlichen und zahnärztlichen Unterlagen aber nur für 1997 anzunehmen, mangels entsprechender Feststellungen des LSG nicht auch für 1998. Insbesondere konnte die Inanspruchnahme der 1997 (zahn)ärztlicherseits für erforderlich gehaltenen Leistungen in diesem Jahr nicht mehr nachgeholt werden, weil die Krankengymnastik-Verordnung vom 10. Juli 1997 und der Heil- und Kostenplan vom 24. Juli 1997 durch Zeitablauf hinfällig wurden: Krankengymnastische Maßnahmen müssen innerhalb von 14 Tagen nach Ausstellung der Verordnung aufgenommen werden (vgl Abschnitt A III Nr 17 der Heil- und Hilfsmittelrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 17. Juni 1992); Heil- und Kostenpläne für eine Versorgung mit Zahnersatz verlieren nach sechs Monaten ihre Gültigkeit (vgl § 17 Abs 1 Satz 2 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte iVm Anlage 3). Ein der gerichtlichen Überprüfung unterliegender Befreiungsanspruch der Klägerin nach § 61 SGB V für 1998 und ihre auf dieses Jahr bezogene Revision scheitern daher schon aus prozessrechtlichen Gründen, ohne dass es auf die Rechtmäßigkeit der Einnahmengrenze ankommt.
Bezüglich des verbleibenden Anspruchs auf Befreiung von den im Jahr 1997 im Zusammenhang mit Krankengymnastik und Zahnersatz vorgesehenen, aber nicht realisierten Verbindlichkeiten muss der Antrag der Klägerin in sachgerechter Weise dahin ausgelegt werden, dass über eine Fortsetzungsfeststellungsklage zur Sach- und Rechtslage im Jahr 1997 zu entscheiden ist (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG). Für eine demgegenüber von den Vorinstanzen zu Grunde gelegte Verpflichtungsklage bzw eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage ist ein aktuelles Bedürfnis nach Rechtsschutz nicht erkennbar. Befreiungsanträge iS des § 61 SGB V haben eine zukunftsbezogene Wirkung, weil Befreiungen nur in der Zeit nach Antragstellung bzw nach Ergehen der Befreiungsentscheidung wirksam werden (können). Dies ergibt sich schon aus dem Konditionalsatz am Ende des § 61 Abs 1 Satz 1 SGB V, wonach die Krankenkasse von der Zuzahlung und Eigenbeteiligung zu befreien hat, "wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden" (vgl BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 8 S 38 und § 61 Nr 1 S 3). Nach Ablauf des Zeitraums, in dem zuzahlungspflichtige Leistungen voraussichtlich anfallen, geht eine rückwirkende Befreiungsentscheidung dagegen ins Leere und kann nicht mehr beansprucht werden. Wird ein auf die Zukunft gerichtetes Befreiungsbegehren durch Zeitablauf gegenstandslos und erweist sich dann im Nachhinein seine Ablehnung als rechtswidrig, muss dem Versicherten, der inzwischen Zuzahlungen leisten musste, gleichwohl ein Anspruch auf Erstattung der während eines laufenden Verfahrens zu Unrecht erhobenen Zuzahlungen bzw Eigenbeteiligungen verbleiben. Wie der Senat schon in seiner bisherigen Rechtsprechung vorausgesetzt hat (BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 1 S 3; SozR 3-2500 § 61 Nr 7 S 32 und Nr 8 S 38), kann sich ein solcher Anspruch aber nur auf Aufwendungen beziehen, die bei dem Versicherten auch tatsächlich angefallen sind, nachdem er zuvor erfolglos an die Krankenkasse mit dem Befreiungsbegehren herangetreten war. Sind dem Versicherten dagegen - wie hier der Klägerin - in einem abgeschlossenen Zeitraum mangels Inanspruchnahme von zuzahlungspflichtigen Leistungen keinerlei erstattungsfähige Aufwendungen entstanden, fehlt es an einem Bedürfnis nach Rechtsschutz für eine "auf Befreiung von der Zuzahlungspflicht" gerichtete Klage. In einem derartigen Fall kommt nur noch Rechtsschutz im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs 1 Satz 3 SGG) in Betracht, mit dem Antrag festzustellen, dass die ergangenen, eine Befreiung ablehnenden Bescheide rechtswidrig gewesen sind. Auf eine solche Klageart kann eine durch Zeitablauf erledigte Klage in zulässiger Weise noch in der Revisionsinstanz umgestellt werden (allgemeine Meinung, vgl zB Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl 2002, § 131 RdNr 8a mwN). In dieser Weise war der Revisionsantrag der Klägerin für die 1997 vorgesehene Krankengymnastik und Versorgung mit Zahnersatz sachgerecht auszulegen (vgl § 123 SGG).
Der Zulässigkeit der Umstellung auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage steht das rechtskräftige Urteil des LSG Niedersachsen vom 11. März 1998 - L 4 KR 97/97 - nicht entgegen. Dieser Rechtsstreit hatte zwar die (zukunftsbezogene) Befreiung der Klägerin von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen zum Gegenstand, die in der Zeit nach Antragstellung im Jahr 1996 angefallen waren und das Jahr 1997 mit einschlossen; davon ging offenbar auch das LSG in dem genannten Urteil aus, weil es auf Einkommen und Belastungsgrenzen der Jahre 1996 sowie 1997 abstellte. Trotz der Reichweite der Rechtskraft dieses Urteils auch für einen Befreiungsanspruch im Jahr 1997 folgt daraus dennoch keine Bindungswirkung für den hiesigen Rechtsstreit (vgl §§ 77, 141 Abs 1 Nr 1 SGG); denn die Beklagte hat über das von der Klägerin Ende Juli 1997 neu eingeleitete Verwaltungsverfahren abschließend erst am 19. März 1998 - also nach Verkündung des LSG-Urteils - entschieden. Die Beklagte hat dabei bezüglich Krankengymnastik und Zahnersatz im Einzelnen die Zumutbarkeitsgrenzen des § 61 SGB V geprüft, ohne sich auf die Rechtskraft des Urteils vom 11. März 1998 zu berufen. Hierdurch wurde in Bezug auf die von der Klägerin hervorgehobenen Behandlungsmaßnahmen der Weg zu einer gerichtlichen Überprüfung des an die Beklagte nochmals herangetragenen Streitstoffs neu eröffnet.
Das für eine Fortsetzungsfeststellungsklage erforderliche besondere rechtliche Interesse der Klägerin, die Rechtswidrigkeit der für 1997 abgelehnten vollständigen Befreiung von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen feststellen zu lassen, ergibt sich daraus, dass es um die verfassungsrechtliche Bewertung der Einnahmengrenze des § 61 SGB V geht. Es ist unter dem Blickwinkel der Wiederholungsgefahr zu bejahen (vgl dazu allgemein Meyer-Ladewig, aaO, § 131 RdNr 10b mwN). Eine solche Gefahr besteht, wenn in naher Zukunft oder absehbarer Zeit die Wiederholung des beanstandeten Verwaltungsakts bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen zu besorgen ist (vgl zB BSGE 74, 257, 258 = SozR 3-5540 § 5 Nr 1; SozR 3-5525 § 32b Nr 1 S 7; SozR 3-1200 § 53 Nr 9 S 62 f). Ebenso wie zB beim Streit über die Zuordnung bestimmter Einkommensarten zu den "Einnahmen zum Lebensunterhalt" Fragen betroffen sind, die auch bei geänderten Einkommensverhältnissen in ähnlicher Weise wieder relevant werden können (vgl BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 8), muss dies für die Klärung verfassungsrechtlicher Bedenken gegen die Einnahmengrenzen in § 61 Abs 2 und 4 SGB V gelten. Auch wenn diese durch die Anknüpfung an die jeweilige Bezugsgröße des § 18 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) dynamisiert sind, bleibt das Verhältnis zum Niveau der Lebenshaltungskosten und damit die verfassungsrechtliche Problematik unverändert.
In der Sache hat die Klägerin keinen Anspruch auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der von der Beklagten für 1997 abgelehnten vollständigen Befreiung von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen.
§ 61 SGB V hatte in der ursprünglich 1997 geltenden Fassung des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) folgenden Inhalt:
(1) "Die Krankenkasse hat
1. Versicherte von der Zuzahlung zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln sowie zu stationären Vorsorge- und Rehabilitationsleistungen nach § 23 Abs 4, §§ 24, 40 Abs 2 oder § 41 zu befreien,
2. den von den Versicherten zu tragenden Anteil der berechnungsfähigen Kosten bei der Versorgung mit Zahnersatz zu übernehmen und
3. die im Zusammenhang mit einer Leistung der Krankenkasse notwendigen Fahrkosten von Versicherten zu übernehmen, wenn die Versicherten unzumutbar belastet würden.
(2) Eine unzumutbare Belastung liegt vor, wenn
1. die monatlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt des Versicherten 40 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches nicht überschreiten,
2. der Versicherte Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz oder ... erhält oder
3. ... .
(3) Als Einnahmen zum Lebensunterhalt der Versicherten gelten auch die Einnahmen anderer in dem gemeinsamen Haushalt lebender Angehöriger. Zu den Einnahmen zum Lebensunterhalt gehören nicht Grundrenten, die Beschädigte nach dem Bundesversorgungsgesetz oder nach anderen Gesetzen in entsprechender Anwendung des Bundesversorgungsgesetzes erhalten, sowie Renten oder Beihilfen, die nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schäden an Körper und Gesundheit gezahlt werden, bis zur Höhe der vergleichbaren Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz.
(4) Der in Absatz 2 Nr 1 genannte Vomhundertsatz erhöht sich für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 vom Hundert und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 vom Hundert der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buches.
(5) ... ."
Wesentliche Änderungen der Bestimmung sind 1997 und 1998 nicht erfolgt (Ergänzungen des Abs 1 Nr 1 und Nr 2 durch Gesetz vom 23 Juni 1997 - BGBl I 1520 und BGBl I 1998, 38).
Bei der Ermittlung der Einnahmengrenze nach § 61 Abs 2 Nr 1 sowie Abs 3 und 4 SGB V sind rechnerische oder rechtliche Fehler auf einfachgesetzlicher Ebene nicht zu erkennen. Die Klägerin greift die für den Senat bindende (§ 163 SGG) Feststellung des LSG, das monatliche Bruttoeinkommen der Familie habe im Juli 1997 6.500 DM betragen, nicht an. Die Beklagte hat im Übrigen im erledigten Revisionsverfahren B 1 KR 27/01 R bezogen auf das gesamte Jahr 1997 ein Bruttojahreseinkommen der Familie von 87.549,50 DM ermittelt, woraus sich sogar ein Monatseinkommen von ca 7.300 DM brutto ergäbe. Wie das LSG im Anschluss an die Berechnungen der Beklagten zutreffend ausgeführt hat, überschritt die Familie der Klägerin mit ihren Einnahmen damit die für einen Befreiungsanspruch maßgeblichen Grenzen des § 61 SGB V. Für die Klägerin selbst waren 40 vH der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV zu Grunde zu legen und der Betrag um 15 vH für ihren Ehemann sowie um vier Mal 10 vH für ihre Kinder zu erhöhen. Die sich ergebende Summe von 95 vH der Bezugsgröße - 4.270 DM im Jahr 1997 (vgl BGBl I 1996, 1870) - führt lediglich zu einem Betrag von 4.056,50 DM.
Dass das LSG angenommen hat, im Rahmen des § 61 SGB V sei das Einkommen nicht um die von der Klägerin bezogenen Kindergeldleistungen (hier: 1.090 DM monatlich für vier Kinder) zu erhöhen, entspricht der Rechtslage. Zwar wird Kindergeld im Katalog der privilegierten Sozialleistungen des § 61 Abs 3 Satz 2 SGB V nicht ausdrücklich aufgeführt (anders zB § 194 Abs 3 Nr 9 Drittes Buch Sozialgesetzbuch <SGB III> für die Nichtberücksichtigung bei der Arbeitslosenhilfe) und wäre etwa auf die Bemessung der Hilfe zum Lebensunterhalt im Sozialhilferecht anzurechnen (so BVerwG NVwZ 1986, 382; zur umstrittenen Behandlung des Kindergeldes im Rahmen der Prozesskostenhilfe vgl zB Thomas/Putzo, ZPO, 25. Aufl 2003, § 115 RdNr 2 mwN; Hartmann in: Baumbach, ua, ZPO, 61. Aufl 2003, § 115 RdNr 28 mwN). Den Gesetzesmaterialien zu § 61 SGB V ist zu entnehmen, dass zu den "Einnahmen zum Lebensunterhalt" - wie schon in Rechtsprechung und Praxis zu § 180 Reichsversicherungsordnung (RVO) angenommen - nur diejenigen persönlichen Einnahmen des Versicherten gehören sollten, die der typischen Funktion des Arbeitsentgelts bei Pflichtversicherten entsprechen; zweckgebundene Zuwendungen wie zB Kindergeld sollten keine berücksichtigungsfähigen Einnahmen sein (so BT-Drucks 11/2237 S 187 zu § 69 Abs 2 und 3 des Entwurfs eines GRG). Da die Rechtsprechung des BSG unter Geltung der RVO das Kindergeld nicht den Einnahmen zum Lebensunterhalt zurechnete (SozR 2200 § 180 Nr 9), entspricht es dem Willen des Gesetzgebers, diese Sozialleistung im Rahmen der Befreiungsvorschrift des § 61 Abs 3 SGB V gleichermaßen nicht den Einnahmen zum Lebensunterhalt zuzurechnen (ebenso zB Zipperer, BArbBl 4/1989, 30, 31; ders in: Maaßen/Schermer/Wiegand/Zipperer, SGB V, § 61 RdNr 13a; H. Peters, aaO, § 61 SGB V RdNr 21; Gerlach in: Hauck/Noftz, SGB V, K § 61 Anhang Anm 1. und S 24; Kruse in: LPK-SGB V, 2. Aufl 2003, § 61 RdNr 11).
Anders als die Klägerin meint, verstoßen die zu einem ihr ungünstigen Ergebnis führenden Regelungen des § 61 SGB V nicht gegen Vorschriften des GG. Zur Überzeugung des Senats war es verfassungsrechtlich nicht geboten, für sie und ihre Familie in Ansehung ihrer vier Kinder eine über 6.500 DM (der Summe der Familieneinnahmen) liegende Einnahmengrenze festzulegen. Nur dann wäre die Sache aber dem Hilfsantrag entsprechend nach Art 100 Abs 1 GG dem BVerfG vorzulegen gewesen.
Zwar ergibt sich - wie zu Recht von der Revision hervorgehoben - aus der Rechtsprechung des BVerfG (Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 1629/94 = BVerfGE 103, 242, 263 ff = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16 ff), dass die Ausgestaltung des Beitragsrechts der sozialen Pflegeversicherung für kindererziehende Eltern gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG verstößt und dieser Rechtszustand nur noch vorübergehend - bis Ende 2004 - hinzunehmen ist. Das BVerfG hat dazu darauf abgestellt, dass die Erziehungsleistung von Eltern innerhalb umlagefinanzierter Sozialversicherungssysteme, die der Deckung eines maßgeblich vom Älterwerden der Versicherten bestimmten Risikos dienen, Versicherte ohne Kinder ungerechtfertigt begünstige; kindererziehende Versicherte müssten daher im Beitragsrecht in besonderer Weise begünstigt und entlastet werden (BVerfG, aaO). Die Klägerin weist ferner zutreffend darauf hin, dass schon nach früheren Entscheidungen des BVerfG das Existenzminimum einer Familie nicht einer Abgabenbelastung durch persönliche Steuern ausgesetzt sein darf (vgl BVerfGE 82, 60, 85 = SozR 3-5870 § 10 Nr 1 S 11; BVerfGE 87, 153, 169; 99, 246, 263) und dass der Gesetzgeber insbesondere im Einkommensteuerrecht darauf zu achten hat, dass er bei der Berücksichtigung zwangsläufiger Unterhaltsaufwendungen keine realitätsfremden Grenzen aufstellt (so BVerfGE 66, 214, 223). Andererseits folgt aus dem in Art 6 Abs 1 GG geregelten Schutz der Familie angesichts des dem Gesetzgeber zustehenden weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraums - zumal bei der Regelung komplexer Sachverhalte - nicht, dass der Staat auch jedwede zusätzliche finanzielle Belastung von Familien vermeiden müsste (vgl BVerfGE 87, 1, 35 = SozR 3-5761 Allg Nr 1; BVerfGE 97, 332, 349; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 21 S 104).
Die Rechtsprechung des BVerfG zur Beitragsgestaltung in der Pflegeversicherung kann auf die krankenversicherungsrechtlichen Zuzahlungspflichten und Eigenbeteiligungen nicht übertragen werden. Ebenso wenig trägt der Hinweis der Klägerin auf das von Abgabenlasten zu verschonende Existenzminimum einer Familie. Schon der für ihre verfassungsrechtliche Argumentation gewählte Ausgangspunkt, Zuzahlungen in der KV stellten bloße "Beitragssurrogate" dar und seien entsprechend den aufgezeigten Grundsätzen zu behandeln, erweist sich als unzutreffend. Die Auffassung lässt zudem den Regelungszusammenhang außer Acht, in dem die Befreiungsvorschriften der §§ 61, 62 SGB V stehen.
Die Verpflichtung der Versicherten in der KV, Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen und im Zusammenhang mit gesundheitsdienlichen Maßnahmen entstandene Fahrkosten zu tragen, ist der vom BVerfG beim Beitragsrecht der Pflegeversicherung als verfassungswidrig angesehenen Sachlage nicht vergleichbar. Anders als dort geht es vorliegend nicht um die Klärung der Frage, zu welchen finanziellen Bedingungen Kinderlosen einerseits und Kindererziehenden andererseits (abstrakt) Sozialversicherungsschutz gegen die Wechselfälle des Lebens zur Verfügung gestellt wird, sondern darum, in welchem Umfang ihnen die KV bei Eintritt eines Versicherungsfalls Leistungen gewährt. Eigenbeteiligungen für krankheitsbedingte Aufwendungen stellen keine Gegenleistung für den abstrakt zur Verfügung gestellten Schutz gegen Krankheit dar, sondern sind Ausdruck eines allgemeinen, die soziale KV mitprägenden Prinzips, das schon in den Eingangsbestimmungen der §§ 1 und 2 SGB V niedergelegt ist: Nach § 1 Satz 2 SGB V sind die Versicherten trotz des solidarisch finanzierten Leistungssystems für ihre Gesundheit selbst mitverantwortlich. Nach § 2 Abs 1 Satz 1 SGB V stellen die Krankenkassen Leistungen nur zur Verfügung, "soweit sie nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden". Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen haben dabei die spezielle Funktion, das Verhalten der Versicherten beim Zugriff auf die gesetzlichen Leistungen zu steuern (vgl Regierungsentwurf zum GRG, BT-Drucks 11/2237 S 149 unter b): "Anreiz zu sparsamer Inanspruchnahme"; Schulin in: ders, Handbuch des Sozialversicherungsrechts Bd 1, Krankenversicherungsrecht, 1994, § 6 RdNr 205; vgl bereits BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 6 S 29). Dieses gesetzgeberische Motiv gilt unabhängig davon, welchen Status derjenige hat, der eine Sozialleistung aus der KV begehrt, dh, es erlangt auch Bedeutung, wenn kindererziehende Versicherte Leistungen in Anspruch nehmen (wollen).
Zwischen der Finanzierung der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und den Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen der gesetzlichen KV bestehen zusätzliche wesentliche Unterschiede. So steht bei Letzteren im Gegensatz zur Abgabenbelastung durch Beiträge (vgl §§ 20, 21 SGB IV) stets eine konkrete Gewährung von (Haupt-)Leistungen durch eine Krankenkasse im Raum. Die vorliegend streitigen Aufwendungen fallen nur im Zusammenhang mit einem konkreten Leistungsakt an und dienen nicht allgemein der Finanzierung des Versicherungsschutzes. Das Postulat der Klägerin, finanzielle Aufwendungen für Zuzahlungen in gleicher Weise wie Sozialversicherungsbeiträge zu behandeln, würde demgegenüber letztlich bedingen, dass das Leistungsrecht der KV insgesamt für Versicherte mit Kindern günstiger ausgestaltet werden müsste als für kinderlose Versicherte. Eine derart enge Festlegung des Gesetzgebers ist von Verfassungs wegen nicht geboten.
Entgegen der Darstellung der Klägerin verhält es sich auch nicht so, dass Sozialleistungsberechtigte im Kindesalter Leistungen der KV - ähnlich wie dies in der Pflegeversicherung und anderen Versicherungszweigen der Fall ist - durchgängig weniger in Anspruch nähmen als Angehörige der älteren Generation und dass daraus folgend bei intergenerativer Betrachtung verallgemeinernd der höhere Anteil von Eltern an der Finanzierung des KV-Systems auch bei § 61 SGB V in stärkerem Maße berücksichtigt werden müsste. Das Risiko, Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen, steigt in der KV nicht annähernd vergleichbar signifikant proportional mit der Zunahme des Lebensalters wie es etwa in der Rentenversicherung mit ihren auf unbestimmte Dauer angelegten Rentenleistungen und in der vom BVerfG (BVerfGE 103, 242, 263 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 16) besonders unter diesem Blickwinkel betrachteten Pflegeversicherung mit ihren dauerhaft gewährten Geld- und Sachleistungen zur Abdeckung der Pflegebedürftigkeit der Fall ist. Das Risiko der Krankheit, dh eines regelwidrigen behandlungsbedürftigen Körper- oder Geisteszustandes, trifft vielmehr regelmäßig auch Versicherte jüngeren Alters. Die KV ist im Grundsatz traditionell anders und nicht wie die speziell für das Pflege-, Alters- und Invaliditätsrisiko geschaffenen Sozialversicherungszweige vorrangig auf den finanziellen und materiellen Ausgleich von Lasten durch Dauerleidenszustände angelegt, die mit höherem Lebensalter häufiger anzutreffen sind (vgl Schulin, Empfiehlt es sich, die Zuweisung von Risiken und Lasten im Sozialrecht neu zu ordnen?, Gutachten E zum 59. Deutschen Juristentag Hannover 1992, S 77). In diesem Sinne unterstreichen Untersuchungen zur Ausgabenverteilung in der KV den Befund, dass überdurchschnittlich hohe Leistungsausgaben nicht nur bei älteren Menschen zu verzeichnen sind, sondern zB auch in der Gruppe der (kleinen) Kinder. Die Leistungsausgaben (in DM je Tag) sind bei Kindern in den ersten Lebensjahren etwa ebenso hoch wie bei 60- bis 65-jährigen Versicherten. Selbst die täglichen standardisierten Leistungsausgaben für Versicherte jenseits des 80. Lebensjahres sind nur in etwa doppelt so hoch wie bei Kindern im ersten Lebensjahr und nur ca drei- bis fünf Mal so hoch wie bei Versicherten in der typischen Erwerbsphase (vgl Klaus-Dirk Henke, "Zukunft wagen! Gesundheitswirtschaft 2010", Vortrag gehalten beim Health Update-Kongress am 27./28. März 2003 in Nürnberg, im Internet abrufbar unter:
"www.healthupdate.de/downloadhauptkongress_030326/henke.pdf", recherchiert am 1. Dezember 2003, dort Übersicht Seite 8). Dieses Ergebnis deckt sich mit Erkenntnissen, die beim kassenartenübergreifenden Risikostrukturausgleich (§ 266 SGB V) von Bedeutung sind. In dessen Rahmen legt das Bundesversicherungsamt ua Verhältniswerte fest, die die altersbedingten Unterschiede bei den standardisierten Leistungsausgaben der KV für die Versichertengruppen in Abhängigkeit von ihrem Lebensalter abbilden (vgl § 313a Abs 1 Nr 5 und Nr 6 SGB V). Der Verhältniswert 1 (= arithmetisches Mittel) galt im streitigen Jahr 1997 zB im Rechtskreis West für männliche Versicherte mit Anspruch auf Krankengeld im Alter von 51 Jahren sowie für entsprechende weibliche Versicherte im Alter von 49 Jahren (vgl dazu BSGE 90, 231, 238 f = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 24 - "Risikostrukturausgleich-Urteil" unter Hinweis auf die Zahlen der 57. Bekanntmachung zum Risikostrukturausgleich, BArbBl 5/1999 S 72 f); in Relation dazu reichten die Werte für Kinder bis hin zum Verhältniswert 1,6607 (Jungen im 1. Lebensjahr) und betrugen zB bei Versicherten im Rentenalter nur zwischen 1,896 (Männer, 65. Lebensjahr) und 3,0336 (Frauen, 87. Lebensjahr). Entscheidungserhebliche Änderungen sind seither nicht eingetreten (vgl 103. Bekanntmachung zum Risikostrukturausgleich, BArbBl 1/2003 S 49 ff).
Unabhängig von den dargestellten wesentlichen Unterschieden zwischen der Zuzahlungsproblematik in der KV und der verfassungsgerichtlich beanstandeten Finanzierung der Pflegeversicherung begegnet die Ausgestaltung der Einnahmengrenze des § 61 SGB V auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit dadurch Versicherte mit Kindern überhaupt finanziellen Belastungen ausgesetzt werden. Der Bestimmung liegt das Solidarprinzip zu Grunde, welchem zwar nicht in allen Belastungssituationen, aber jedenfalls in bestimmten Härtefällen der Vorrang insbesondere vor der Eigenverantwortung des Versicherten gebühren soll (so BSGE 75, 171, 173 = SozR 3-2500 § 61 Nr 6 S 28); § 61 SGB V soll Härten abmildern, die bei der Eigenbeteiligung der Versicherten an den Behandlungskosten auftreten (vgl BT-Drucks 11/2237 S 187 zu § 69 des Entwurfs). Sämtliche im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme von Leistungen der KV auftretenden Härten musste der Gesetzgeber in Ausprägung seines weiten sozialpolitischen Gestaltungsspielraums dabei allerdings nicht ausgleichen. So verstößt es zB nicht gegen Art 3 Abs 1 GG, dass die Regelung nur einkommensabhängige Ausnahmen zum Gegenstand hatte und nicht auch solche, die sich auf lebenswichtige Arzneimittel bei chronisch Kranken beziehen (vgl BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 7: Insulin bei Diabetes; zum abschließenden Charakter des § 61 SGB V schon BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 3 S 17 mwN und Nr 5 S 23). Der Senat hat es auch nicht als gegen Art 3 Abs 1 oder Art 6 Abs 1 GG verstoßend oder als sozialstaatswidrig angesehen, dass nach § 61 Abs 3 Nr 1 SGB V bei der Prüfung, ob ein Härtefall vorliegt, auch die Einnahmen von Haushaltsangehörigen mit zu berücksichtigen sind (BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 3 S 17 ff). Wenn der Gesetzgeber im Zusammenhang mit krankheitsbedingten Aufwendungen nicht sämtliche Mitglieder einer Familie mit Kindern generell vollständig von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen freigestellt hat, erscheint auch dies nicht von vornherein derart sachwidrig oder unverhältnismäßig, dass dadurch der allgemeine Gleichheitssatz, der Schutz von Ehe und Familie oder andere Verfassungsprinzipien verletzt sein könnten. Denn der Gesetzgeber hat im Regelungszusammenhang der Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen sehr wohl speziell auf Familien mit Kindern Bedacht genommen. Abgesehen davon, dass diese bereits bei der Beitragsgestaltung durch die Vorschriften über die Familienversicherung (§ 3 Satz 3, § 10 SGB V) begünstigt sind, kommt der Schutz solcher Familien in besonderer Weise darin zum Ausdruck, dass Versicherte vor Vollendung des 18. Lebensjahres weitestgehend von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen ausgenommen sind (vgl zB § 28 Abs 2 Satz 6, § 30 Abs 2 Satz 4, § 31 Abs 3 Satz 1, § 32 Abs 2 Satz 1, § 33 Abs 2 Satz 3, § 39 Abs 4 Satz 1 SGB V). Entsprechende finanzielle Belastungen des Familieneinkommens können also bei Familien mit minderjährigen Kindern typischerweise nur durch Aufwendungen für die erforderliche Krankenbehandlung der in der KV versicherten Eltern entstehen.
Schließlich erlangt bei der verfassungsrechtlichen Würdigung des § 61 SGB V - vor allem unter dem Blickwinkel der Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 1 GG - der Gesamtkontext der Bestimmung Bedeutung. Die hier beanstandete Regelung darf nicht isoliert betrachtet werden, vielmehr bilden die Finanzierungs-, Zuzahlungs- und Zuzahlungsbefreiungsregelungen des SGB V ein abgestuftes Regelungssystem. Soweit bei einer Familie mit Kindern danach überhaupt Zuzahlungen, Eigenbeteiligungen und Fahrkosten im Zusammenhang mit einer Krankenbehandlung ihrer Mitglieder anfallen, nehmen die Einnahmen- bzw Belastungsgrenzen der §§ 61, 62 SGB V auf die höhere Belastung von Familien mit Kindern bei den allgemeinen Aufwendungen für den Lebensunterhalt Bedacht. Verfassungsrechtlich gestützte Einwände gegen die Ausgestaltung des Komplexes greifen nicht durch, weil das Regelungssystem die Wertentscheidung des besonderen Schutzes der Familie (Art 6 Abs 1 GG) nicht aushöhlt (zur Reichweite dieses Schutzes vgl zB BVerfGE 103, 242, 259 f = SozR 3-3300 § 54 Nr 2 S 13 f; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 21 S 104 mwN). Ebenso werden Familien mit Kindern gegenüber Versicherten ohne Kinder nicht in gleichheitswidriger Weise willkürlich bzw unverhältnismäßig belastet (zu den Grenzen des Art 3 Abs 1 GG vgl zB BVerfGE 102, 68, 87 = SozR 3-2500 § 5 Nr 42 S 184 mwN; BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 7 S 34).
§ 61 Abs 2 Nr 2 SGB V stellt von vornherein alle Bezieher von Sozialhilfe von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen frei, unabhängig davon, in welcher Höhe ihnen diese Sozialleistung gezahlt wird. Hierdurch wird ein unmittelbarer Bezug zu dem von der Revision vermissten Berücksichtigung eines Existenzminimums bei der Zuzahlungsbefreiung in der KV hergestellt. Soweit die Klägerin die Sozialhilfeleistungen in Bezug auf die Gewährleistung eines Existenzminimums für zu niedrig bemessen hält, könnte dies nicht speziell § 61 SGB V angelastet werden, zumal bei dieser Bestimmung anders als im Sozialhilferecht (wie oben dargestellt) die von der Familie bezogenen Kindergeldleistungen keiner Anrechnung unterliegen. Die Regelung bietet auch keinen geeigneten Ansatz dafür, sämtliche Probleme der als unzureichend angesehenen sozialen Absicherung von Familien mit Kindern exemplifizieren und lösen zu können.
Als zweite Stufe einer möglichen vollständigen Befreiung von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen gewährleistet § 61 SGB V in seinem Abs 2 Nr 1 sowie in Abs 3 und 4 den Schutz von Versicherten und ihren Familien, indem er mit seinen Einnahmengrenzen typisierend, nämlich anknüpfend an die Bezugsgröße des § 18 SGB IV, bestimmte Einkommensbezieher teilweise von der Eigenverantwortung in der KV ausnimmt, auch ohne dass sie die Voraussetzungen für den Bezug bedürftigkeitsabhängiger Sozialleistungen erfüllen. Dabei ergibt sich als Folge der Staffelung des § 61 Abs 4 SGB V eine in ihren Auswirkungen differenzierte Belastung von Versicherten mit Kindern und ohne Kinder, nämlich in Abhängigkeit von der Zahl der Familienangehörigen. Daraus resultiert, dass zB Versicherte in der Situation der Klägerin im Jahr 1997 bei erzielten Bruttoeinnahmen der Familie zum Lebensunterhalt von 4.056,50 DM monatlich keinerlei Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen erbringen mussten; gewährtes Kindergeld (hier 1.090 DM monatlich) war dabei zusätzlich geschützt. Da diese Berücksichtigung der Familiensituation kumulativ mit der begünstigenden Beitragsgestaltung durch die Familienversicherung im Beitragsrecht der KV und zusätzlich zur Freistellung von Zuzahlungen für Kinder bis zum 18. Lebensjahr erfolgte, ist eine Benachteiligung speziell der kindererziehenden Versicherten nicht erkennbar.
Auf der dritten Stufe, mit der die Härten bei den Zuzahlungs- und Eigenbeteiligungsregelungen abgemildert werden, ist schließlich § 62 Abs 1 und 2 SGB V mit zu würdigen. Diese Bestimmung sah ab 1. Juli 1997 (Gesetz vom 23. Juni 1997 - BGBl I 1518) vor, dass die Krankenkasse die dem Versicherten während eines Kalenderjahres entstandenen notwendigen Fahrkosten sowie Zuzahlungen zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln zu übernehmen hat, soweit sie die Belastungsgrenze von 2 vH der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt übersteigen. Bei der Ermittlung dieser Belastungsgrenze sind - ähnlich wie bei § 61 SGB V - die Einnahmen für den ersten in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen des Versicherten um 15 vH und für jeden weiteren in dem gemeinsamen Haushalt lebenden Angehörigen um 10 vH der jährlichen Bezugsgröße nach § 18 SGB IV zu vermindern. In Anwendung dieser Regelung ergab sich für die Familie der Klägerin nach dem Urteil des LSG vom 5. September 2001 - L 4 KR 3/00 - (= Gegenstand des erledigten Revisionsverfahrens B 1 KR 27/01 R) für 1997 ausgehend von einem dort als maßgeblich angesehenen Einkommen von 87.549,50 DM (ohne Kindergeld) und abzüglich des Freibetrags von 28.182 DM ein zu berücksichtigendes Einkommen von 59.367,50 DM, mithin eine daran anknüpfende 2%ige Belastungsgrenze von jährlich 1.187,35 DM.
Quintessenz der dargestellten §§ 61, 62 SGB V ist, dass die Klägerin und ihre Familie 1997 grundsätzlich eine auf 1.187,35 DM jährlich begrenzte Belastung für Zuzahlungen im Zusammenhang mit Leistungen der KV, dh monatlich weniger als 100 DM, treffen konnte. Soweit § 62 Abs 2a Satz 1 bis 3 SGB V für die Versorgung mit Zahnersatz besondere Regelungen enthält (ab 1. Juli 1997: der Höhe nach einkommensabhängige Übernahme eines anteiligen Betrages zusätzlich zum Festzuschuss nach § 30 SGB V, maximal in Höhe des zweifachen Festzuschusses - mit Übergangsregelungen, vgl Gesetz vom 23. Juni 1997 - BGBl I 1520 und BGBl I 1998, 38), konnten sich daraus zwar höhere Eigenbeteiligungen ergeben; da es sich bei Zahnersatz indessen um eine Leistung handelt, die einen Bedarf typischerweise über mehrere Jahre hinweg abdeckt, ist darauf bezogen eine höhere Belastung der Versicherten nicht sachwidrig. Die einkommensmäßigen Voraussetzungen für die vollständige Freistellung eines kindererziehenden Versicherten von Zuzahlungen und Eigenbeteiligungen nach § 61 SGB V sind jedenfalls nicht zu beanstanden, weil daneben ein noch weitergehender Schutz des Existenzminimums (bei Sozialhilfebedürftigkeit) sowie ein flankierender Überforderungsschutz durch § 62 SGB V existierte und eine Familie in der Situation der Klägerin über im Rahmen der §§ 61, 62 SGB V nicht als Einkommen berücksichtigtes Kindergeld verfügte. Nach den Maßstäben der dargestellten Rechtsprechung des BVerfG verletzt eine solche Ausgestaltung im Bereich der Absicherung des allgemeinen Krankheitsrisikos weder Grundrechte noch verstößt sie gegen andere Verfassungsgrundsätze.
Das von der Klägerin geltend gemachte, im Rahmen einer Fortsetzungsfeststellungsklage überprüfte Begehren kann nach alledem auch bezogen auf das Jahr 1997 keinen Erfolg haben. Soweit es ihrem Anliegen entsprochen haben sollte, deutlich zu machen, dass die von einer sechsköpfigen Familie erwirtschafteten und ihr zum Lebensunterhalt verbleibenden Einnahmen angesichts der sie treffenden beitrags- und steuerrechtlichen Abgaben generell zu niedrig bemessen seien, lässt sich dies im Rahmen der Überprüfung der streitbefangenen Ansprüche aus § 61 SGB V nicht thematisieren. Für die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmung ist unerheblich, ob die darin festgelegte Einnahmengrenze mit ähnlichen, in anderen Rechtsgebieten getroffenen Regelungen korrespondiert. Die beantragte Vorlage an das BVerfG scheidet damit aus.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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