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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 25.06.2002
Aktenzeichen: B 1 KR 35/00 R
Rechtsgebiete: GG, SGB V
Vorschriften:
GG Art 3 Abs 1 | |
SGB V § 11 Abs 4 | |
SGB V § 49 Abs 1 Nr 3a |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 25. Juni 2002
Az: B 1 KR 35/00 R
Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. Juni 2002 durch den Präsidenten von Wulffen und die Richter Steege und Dr. Dreher sowie den ehrenamtlichen Richter Gerner und die ehrenamtliche Richterin Arlt
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30. August 2000 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger ist als selbstständiger Handwerker freiwilliges Mitglied der beklagten Ersatzkasse mit Anspruch auf Krankengeld ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit. Bei der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft ist er - ebenfalls freiwillig - als Unternehmer gegen Arbeitsunfälle versichert. Infolge eines am 4. August 1998 erlittenen Arbeitsunfalls war er arbeitsunfähig krank und erhielt bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 31. Januar 2000 Verletztengeld, das auf der Grundlage des in der Satzung festgelegten Jahresarbeitsverdienstes von 41.850 DM berechnet wurde und sich auf 93 DM pro Kalendertag belief.
Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger für dieselbe Zeit ergänzend Krankengeld zu zahlen. Zwar sei das Krankengeld, das sich aus einem Einkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze von seinerzeit 75.600 DM errechne, mit einem Tagessatz von 147 DM erheblich höher als das Verletztengeld. Die Differenz von 54 DM (sog Krankengeldspitzbetrag) könne aber nicht verlangt werden, weil der Bezug des Verletztengeldes nach § 49 Abs 1 Nr 3a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) dazu führe, dass der parallel bestehende Krankengeldanspruch in voller Höhe ruhe.
Widerspruch und Klage sind erfolglos geblieben. Das Sozialgericht (SG) hat ausgeführt, der Gesetzgeber habe bewusst die Zahlung von Krankengeld neben Verletztengeld auch für den Fall ausgeschlossen, dass das Krankengeld höher sei. Dadurch werde kein Verfassungsrecht verletzt. Gegenüber der früheren gleich lautenden Regelung der Reichsversicherungsordnung (RVO), die das Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beanstandet habe, habe sich die Rechtslage durch die Einführung des § 11 Abs 4 und des § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V dahingehend geändert, dass für Leistungen bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten nur noch die Unfallversicherung zuständig sei. Die Entlastung der Krankenversicherung von den durch die Unfallversicherung abgedeckten Risiken sei ein hinreichender sachlicher Grund für die mit dem Ausschluss des Krankengeldspitzbetrags verbundenen Nachteile, zumal die in der Unfallversicherung versicherten Selbstständigen durch korrekte Angaben zum Jahresarbeitsverdienst ein höheres Verletztengeld erreichen könnten.
Mit der Sprungrevision rügt der Kläger sinngemäß eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 Grundgesetz <GG>). Die Regelung in § 11 Abs 4 und § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V sei auf pflichtversicherte Arbeitnehmer zugeschnitten und führe bei diesen in der Regel nicht zu gravierenden Nachteilen. Ihre Erstreckung auf freiwillig versicherte Selbstständige sei dagegen verfassungswidrig. Bei einem Unternehmer, der sich freiwillig in der Unfallversicherung versichere, richteten sich Beiträge und Geldleistungen nicht nach dem tatsächlichen Einkommen oder der tatsächlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, sondern nach einer vom Betreffenden selbst gewählten Versicherungssumme. Die Berechnungsgrundlagen für das Kranken- und das Verletztengeld seien in seinem Fall gerade nicht identisch und die Leistungen deshalb auch nicht vergleichbar. Er habe sich gegen das Risiko der Arbeitsunfähigkeit durch den freiwilligen Eintritt in die gesetzliche Krankenversicherung versichert und erfahre jetzt, dass dieser Versicherungsschutz durch weitaus geringere Leistungsansprüche gegen die Unfallversicherung unterlaufen werde. Es könne nicht sein, dass Personen, die in beiden Versicherungszweigen versichert seien, trotz doppelter Beitragslast geringere Leistungen erhielten als Unfallopfer, die ausschließlich krankenversichert seien. Mit der Neufassung des § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V habe der Gesetzgeber eine Rechtslage geschaffen, die das Bundesverfassungsgericht bereits 1988 als unvereinbar mit dem Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 GG bezeichnet habe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 30. August 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. Oktober 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 1999 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 25. August 1998 bis 31. Januar 2000 Krankengeld unter Anrechnung des von der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft gewährten Verletztengeldes zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben seine Klage zu Recht abgewiesen.
Auf Leistungen der Krankenversicherung besteht nach § 11 Abs 4 SGB V kein Anspruch, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind. Nach ihrem Wortlaut schließt bereits diese Bestimmung im vorliegenden Fall einen Krankengeldanspruch aus, denn die Arbeitsunfähigkeit des Klägers war nach den Feststellungen des SG auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen. Allerdings hat der erkennende Senat durch Urteil vom 23. November 1995 (BSGE 77, 98 = SozR 3-2500 § 11 Nr 1) entschieden, die Regelung in § 11 Abs 4 SGB V müsse zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Benachteiligung unfallversicherter Kassenmitglieder einschränkend dahin ausgelegt werden, dass der Anspruchsausschluss auf den Betrag des aus der Unfallversicherung zu zahlenden Verletztengeldes beschränkt sei. Dieser Rechtsprechung hat der Gesetzgeber jedoch in der Folge durch eine Neufassung des § 49 Abs 1 SGB V die Grundlage entzogen. Der durch Gesetz vom 7. August 1996 (BGBl I 1254, 1311) mit Wirkung ab 1. Januar 1997 eingefügte § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V ordnet seither das Ruhen des Krankengeldanspruchs unabhängig von dessen Höhe an, solange der Versicherte Verletztengeld erhält. Unbeschadet gesetzessystematischer Einwände, die sich auf die Anordnung des Ruhens eines zuvor bereits ausgeschlossen Anspruchs beziehen (dazu Krasney, BKK 1997, 345, 349; Schmidt in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Stand: 2000, § 49 SGB V RdNr 86a), lässt die genannte Vorschrift auch mit Rücksicht auf die Gesetzesmotive (BT-Drucks 13/2204 S 124) keinen Raum mehr für eine Auslegung, die den Ruhenstatbestand auf den Betrag des Verletztengeldes beschränkt. Nach dem Gesetz besteht somit kein Anspruch auf den Krankengeldspitzbetrag.
Der Senat hat sich nicht davon überzeugen können, dass dieses Ergebnis verfassungswidrig ist. An seiner früheren, anders lautenden Einschätzung, die dem Urteil vom 23. November 1995 (BSGE 77, 98 = SozR 3-2500 § 11 Nr 1) zu Grunde liegt, hält er nach erneuter Prüfung nicht fest.
Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG. Er ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können. Das Gewicht des Rechtfertigungsgrundes muss dabei zur Bedeutung der Benachteiligung in einem angemessenen Verhältnis stehen. Für die Sozialversicherung leitet sich aus dem Gleichheitssatz die Forderung nach einer prinzipiellen Äquivalenz von Beitrag und Leistung ab, auch wenn dieser Grundsatz aus Gründen der sozialen Fürsorge durchbrochen sein kann. Demnach bedürfen unterschiedliche Leistungshöhen bei Versicherten mit gleicher Beitragsleistung und gleicher Bedarfssituation einer eigenen Rechtfertigung. Das gilt in erhöhtem Maße, wenn diese Versicherten in ein Zwangsversicherungssystem einbezogen sind (BVerfGE 92, 53, 68 f = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 19; BVerfGE 102, 127, 142 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1 S 3 f).
Bei freiwillig krankenversicherten Selbstständigen wie dem Kläger kann die Regelung in § 11 Abs 4 und § 49 Abs 1 Nr 3 SGB V dazu führen, dass sie im Falle eines beruflich bedingten Gesundheitsschadens und dadurch verursachter Arbeitsunfähigkeit trotz gleicher Beitragsleistung in der Krankenversicherung unterschiedlich hohe Geldleistungen erhalten, je nachdem, ob sie außerdem gesetzlich gegen Unfall versichert sind oder nicht. Das beruht darauf, dass § 11 Abs 4 SGB V den Krankengeldanspruch nur ausschließt, wenn die Arbeitsunfähigkeit Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ist, also eine Person betrifft, die in diesem Zweig der Sozialversicherung versichert ist (siehe dazu bereits BSGE 77, 98, 99 f = SozR 3-2500 § 11 Nr 1 S 3). Ist das Verletztengeld des freiwillig unfallversicherten Unternehmers niedriger als das Krankengeld, kommt es zu einer Benachteiligung gegenüber demjenigen Selbstständigen, der nur krankenversichert ist und deshalb das volle Krankengeld erhält.
Da die Betroffenen nicht der Versicherungspflicht unterliegen, sondern der Krankenversicherung freiwillig angehören, können sie dem Nachteil allerdings entgehen, indem sie sich bei einem privaten Unternehmen oder ohne Anspruch auf Krankengeld versichern. Insofern gelten für sie, was die sachliche Rechtfertigung für den Leistungsausschluss betrifft, nicht dieselben strengen Anforderungen wie für Pflichtversicherte. Andererseits ist, wie das Beispiel des Klägers zeigt, der mit dem Ruhen des Krankengeldanspruchs verbundene finanzielle Nachteil unter Umständen erheblich, so dass die Beschränkung auf das Verletztengeld und der Ausschluss des Anspruchs auf den Krankengeldspitzbetrag nicht allein mit ordnungspolitischen oder fiskalischen Erwägungen begründet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht hatte deswegen mit Beschluss vom 9. November 1988 (BVerfGE 79, 87 = SozR 2200 § 183 Nr 54) die frühere gleich lautende Ruhensregelung des § 183 Abs 6 RVO als verfassungswidrig angesehen, weil es unter den damaligen rechtlichen Rahmenbedingungen keine sachliche Rechtfertigung dafür sah, dass Versicherte trotz gleicher Beitragsleistung und medizinisch gleicher Bedarfssituation unterschiedliche Versicherungsleistungen erhielten. Als einen möglichen Grund für eine verfassungsrechtlich zulässige Abweichung vom Beitrags- oder Versicherungsprinzip hat das Gericht die Verwirklichung des Grundsatzes der einheitlichen Trägerschaft nach einheitlichem Leistungsrecht erwogen. Es hat diese Überlegung im damaligen rechtlichen Zusammenhang aber nicht für tragfähig gehalten, weil das Gesetz das Strukturprinzip der einheitlichen Risikozuweisung zu einem Versicherungszweig bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten gerade nicht konsequent befolge. Die Regelung in § 565 RVO führe vielmehr dazu, dass je nach Fallgestaltung einmal die Krankenkasse und ein anderes Mal die Berufsgenossenschaft für die Leistungsgewährung zuständig sei und gegebenenfalls sogar in ein und demselben Versicherungsfall beide Sozialversicherungsträger Leistungen zu erbringen hätten. Dass bei einer Beseitigung dieser Doppelzuständigkeit die Frage der Verfassungsmäßigkeit anders zu beurteilen sein könnte, klingt in der Entscheidung mehrfach an, wenn aufgezeigt wird, wie der festgestellte Verfassungsverstoß behoben werden könnte.
Der Gesetzgeber hat im Gesundheits-Reformgesetz (GRG) vom 20. Dezember 1988 (BGBl I 2477) diesen Hinweis aufgegriffen und mit der Schaffung des am 1. Januar 1991 in Kraft getretenen § 11 Abs 4 SGB V die Leistungspflicht der Krankenversicherung bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten beseitigt und die Absicherung dieser Risiken in die alleinige Zuständigkeit der Unfallversicherung verlagert. Den Ausschluss des Krankengeldanspruchs bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten rechtfertigt er nunmehr mit der Notwendigkeit einer klaren Trennung der Risikobereiche von Krankenversicherung und Unfallversicherung und dem Ziel, die gesetzliche Krankenversicherung von Leistungen für betriebsbedingte Gesundheitsschäden freizustellen (BT-Drucks 11/2237 S 163 zu § 11 Abs 3 des Entwurfs eines GRG). Die Auswirkungen seien hinnehmbar, weil für das Krankengeld und das Verletztengeld die gleichen Berechnungsgrundlagen gelten würden und unbillige Ergebnisse deshalb im Regelfall nicht zu erwarten seien (BT-Drucks 13/2204 S 224). Der Senat teilt die Auffassung, dass die angeführten Gründe ausreichendes Gewicht haben, um das Ruhen des Krankengeldanspruchs bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten und die daraus resultierende Möglichkeit unterschiedlich hoher Lohnersatzleistungen bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit auf der einen und krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit auf der anderen Seite verfassungsrechtlich zu rechtfertigen.
Das gilt unproblematisch, soweit die Auswirkungen auf Personen bezogen werden, die in beiden Versicherungszweigen versichert sind. Ruhensregelungen, die eine sozialpolitisch unerwünschte Kumulierung zweckindentischer Leistungen aus verschiedenen Sozialversicherungszweigen verhindern sollen, sind als solche mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar, obwohl sie auch dann, wenn sich gleich hohe Leistungen gegenüberstehen, stets zu einer Benachteiligung des mehrfach Versicherten führen, der auf Grund seiner Beitragszahlung an sich Leistungen aus beiden Versicherungszweigen zu beanspruchen hätte. Es ist auch nicht verfassungsrechtlich geboten, beim Zusammentreffen unterschiedlich hoher Leistungen stets die jeweils höhere von beiden zu gewähren. Ausreichend ist, wenn eine anderweitige, der zum Ruhen gebrachten Leistung adäquate soziale Absicherung besteht (BVerfGE 79, 87, 101 = SozR 2200 § 183 Nr 54 S 157 mwN).
Letzteres ist im Verhältnis Krankengeld und Verletztengeld der Fall. Den Einwand, das Verletztengeld des Selbstständigen habe - anders als das des Arbeitnehmers - keine Lohnersatzfunktion und sei deshalb von vornherein mit dem Krankengeld nicht vergleichbar, hält der Senat nicht für überzeugend. Der 8. Senat des BSG, der diese Auffassung in seinem Vorlagebeschluss vom 9. Dezember 1986 (USK 86132) geäußert hat, hat zwar zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich bei der Unternehmerversicherung im Ergebnis um eine Selbsthilfeeinrichtung der Unternehmer gleicher Berufssparten handelt, die im Unterschied zu der Versicherung der Arbeitnehmer nicht auf dem Prinzip der Haftungsersetzung beruht, sondern der Eigenvorsorge dient und deshalb auch einen anderen Leistungscharakter hat. Dennoch ist die Zweckbestimmung des Verletztengeldes bei beiden Personengruppen im Grundsatz dieselbe, nämlich einen durch unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit eintretenden Einkommensverlust auszugleichen. Das mag beim Unternehmer weniger dringlich sein, weshalb ihm die Möglichkeit eingeräumt wird, innerhalb bestimmter Grenzen durch Wahl der Versicherungssumme zu bestimmen, inwieweit er die Leistung in Anspruch nehmen will. Die Funktion des Verletztengeldes ändert sich dadurch aber nicht. Im Übrigen könnte beim freiwillig krankenversicherten Selbstständigen mit derselben Berechtigung am Lohnersatzcharakter des Krankengeldes gezweifelt werden, zumal das Gesetz auch hier Modifikationen im Vergleich zum Krankengeldanspruch des pflichtversicherten Arbeitnehmers zulässt (vgl § 44 Abs 2 SGB V oder früher § 215 RVO).
Auch was die Höhe des Verletztengeldes angeht, handelt es sich um eine "adäquate soziale Absicherung" im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Im Regelfall des pflichtversicherten Arbeitnehmers wurden Kranken- und Verletztengeld bis Ende 1996 im Wesentlichen gleich berechnet; der Versicherte erhielt in beiden Fällen 80 Prozent seines vorher bezogenen Arbeitsentgelts. Seit der zum 1. Januar 1997 vorgenommenen Absenkung des Krankengeldes auf 70 Prozent ist das Verletztengeld sogar höher als das Krankengeld. Beim selbstständigen Unternehmer, der kraft Satzung in der Unfallversicherung pflichtversichert ist oder der sich dort freiwillig versichert hat, bestimmt allerdings nicht das tatsächliche Einkommen, sondern eine vom Versicherten in den Grenzen der durch Satzung und Gesetz bestimmten Mindest- und Höchstbeträge selbst gewählte Versicherungssumme den Versicherungsschutz. Deshalb kann bei ihm das Verletztengeld erheblich niedriger sein als das auf dem tatsächlichen Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze basierende Krankengeld aus der freiwilligen Krankenversicherung. Diese Konsequenz kann er jedoch durch Vereinbarung einer ausreichend hohen Versicherungssumme - nach der Satzung der Lederindustrie-Berufsgenossenschaft bis zu einem Jahresarbeitsverdienst von 108.000 DM - ohne weiteres vermeiden. Belässt er es in Kenntnis der durch § 11 Abs 4 und § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V geschaffenen Rechtslage bei der Mindestversicherungssumme, gibt er damit zu erkennen, dass er darin die für ihn "adäquate" Absicherung für das Arbeitsunfähigkeitsrisiko sieht.
Auch in diesem Zusammenhang kann der Kläger nicht mit dem Hinweis auf den besonderen Charakter der Unternehmerversicherung verlangen, von den für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten geltenden Leistungsausschlüssen in § 11 Abs 4 und § 49 Abs 1 Nr 3a SGB V freigestellt zu werden. Es trifft zwar zu, dass die gesetzliche Unfallversicherung von der Konzeption her eine Arbeitnehmerversicherung ist und ihre Regelungen deshalb in erster Linie auf die Bedürfnisse dieses Personenkreises zugeschnitten sind, während die Versicherung der Unternehmer eher als Fremdkörper erscheinen mag. Dennoch gelten für den Selbstständigen, der sich der gesetzlichen Unfallversicherung freiwillig anschließt oder der dort kraft Satzung versichert wird, grundsätzlich dieselben Bedingungen wie für den pflichtversicherten Arbeitnehmer. Müsste von Verfassungs wegen bei einem hinter der tatsächlichen Leistungsfähigkeit zurückbleibenden Versicherungsschutz in der Unfallversicherung gleichwohl ergänzend der Krankengeldspitzbetrag gezahlt werden, wäre dem Gesetzgeber eine klare Trennung der verschiedenen Versicherungszweige mit abschließender Risikozuweisung verwehrt. Gleichzeitig würde der selbstständige Unternehmer gegenüber dem pflichtversicherten Arbeitnehmer privilegiert, weil er sich mit einem niedrigen Beitrag gegen Unfall versichern und darauf vertrauen könnte, bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit den dann beim Verletztengeld fehlenden Betrag aus der Krankenversicherung zu erhalten.
Der Ausschluss des Krankengeldanspruchs bei Schadensereignissen, die in den Risikobereich der gesetzlichen Unfallversicherung fallen, ist auch nicht deshalb verfassungswidrig, weil er nur Personen mit Unfallversicherungsschutz trifft, während nicht unfallversicherte Unternehmer auch bei beruflich erlittenen Gesundheitsschäden weiterhin Krankengeld erhalten. Die unterschiedliche Behandlung der genannten Personengruppen ist eine unvermeidliche Folge der Entscheidung des Gesetzgebers, die Krankenversicherung von Leistungen für anderweitig versicherte Risiken freizustellen. Gemessen an der Bedeutung dieser Entscheidung für die Sozialversicherungssysteme hat sie kein solches Gewicht, dass sich daraus eine gleichheitswidrige Benachteiligung ableiten ließe. Der Einwand, die Schlechterstellung der Mehrfachversicherten hätte sich durch eine konsequente Risikotrennung mit Ausschluss des Krankengeldanspruchs auch bei beruflich begründeter Arbeitsunfähigkeit der nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Mitglieder vermeiden lassen, ist nicht stichhaltig. Abgesehen davon, dass dem Krankenversicherungsrecht ursachenbezogene Leistungsausschlüsse grundsätzlich fremd sind, gibt es außerhalb der Unfallversicherung keine Instanz, die das Vorliegen eines dem Arbeitsunfall oder der Berufskrankheit des Unfallversicherungsrechts entsprechenden Ereignisses verbindlich feststellen könnte. Schon wegen dieser praktischen Schwierigkeiten kam für den Gesetzgeber eine derartige Lösung nicht in Betracht. Im Übrigen gäbe es für die nicht gegen Arbeitsunfall versicherten Mitglieder der Krankenkasse gerade keine anderweitige adäquate Absicherung gegen die Folgen von Arbeitsunfällen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts einen Ausschluss oder ein Ruhen des Krankengeldanspruchs rechtfertigen könnte.
Für seine Auffassung, dass die Vorenthaltung des Krankengeldspitzbetrags ungeachtet der Beseitigung der früheren Doppelzuständigkeit von Berufsgenossenschaft und Krankenkasse und der klaren Risikotrennung in § 11 Abs 4 SGB V auch weiterhin nicht mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar sei, kann sich der Kläger nicht auf die Ausführungen berufen, mit denen das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 9. November 1988 (BVerfGE 79, 87 = SozR 2200 § 183 Nr 54) die Verfassungswidrigkeit der seinerzeit für das Zusammentreffen von Krankengeld und Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vorgesehenen Ruhensregelung begründet hat (Abschnitt C II 4 der Entscheidungsgründe). Diese Ausführungen könnten den Eindruck erwecken, dass auch bei einer strikten Abgrenzung der Risikosphären, wie sie zwischen Renten- und Krankenversicherung seit jeher besteht, kein rechtfertigender Grund für eine Schlechterstellung des Mehrfachversicherten gegenüber dem nur Krankenversicherten gegeben ist. Indessen hat das Gericht ersichtlich vor Augen gehabt, dass in der Rentenversicherung Rehabilitationsleistungen im Ermessen des Leistungsträgers stehen und es deshalb trotz Fehlens einer dem § 565 RVO vergleichbaren Vorschrift letztlich von dessen Entscheidung abhing, ob und wann der Versicherte im Fall der Arbeitsunfähigkeit das höhere Krankengeld oder das niedrigere Übergangsgeld erhielt. Die Wendung, es sei nicht einsichtig, weshalb sich der Versicherte "bei Übernahme der medizinischen Leistungen zur Rehabilitation durch den Rentenversicherungsträger" trotz zweifachen Versicherungsschutzes bei Arbeitsunfähigkeit auf den deutlich niedrigeren Übergangsgeldanspruch verweisen lassen müsse, lässt erkennen, dass es letztlich auch hier die unklare Zuordnung des betreffenden Versicherungsfalls und die daraus resultierende Gefahr von Zufallsergebnissen war, derentwegen das Bundesverfassungsgericht den bestehenden Rechtszustand als gleichheitswidrig beurteilt hat.
Die Revision konnte aus den dargestellten Gründen keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.
Ende der Entscheidung
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