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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 10.02.2005
Aktenzeichen: B 10 EG 5/03 R
Rechtsgebiete: BErzGG


Vorschriften:

BErzGG § 1 Abs 1 Nr 4
BErzGG § 2 Abs 1 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 10 EG 5/03 R

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat am 10. Februar 2005 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Loytved, den Richter Dau und die Richterin Knickrehm sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Klasen und Senske

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin werden die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2003 und des Sozialgerichts Kiel vom 21. November 2002 aufgehoben sowie der Bescheid des Beklagten vom 4. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2001 geändert. Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin Bundeserziehungsgeld auch für die Zeit vom 1. März bis 29. April 2001 zu gewähren.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten aller drei Rechtszüge zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist der Anspruch der Klägerin auf Bundeserziehungsgeld (Erzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) in den Monaten März und April 2001.

Die Klägerin war seit dem 1. August 2000 als angestellte Grund- und Hauptschullehrerin mit einer Unterrichtsverpflichtung von 14 Wochenstunden erwerbstätig. Nach der Geburt ihres Sohnes am 30. Oktober 2000 bezog sie zunächst Mutterschaftsgeld, befand sich bis zum 31. Januar 2001 im Erziehungsurlaub und arbeitete ab dem 1. Februar 2001 wieder im bisherigen Umfang als Lehrerin, wobei sie im Rahmen ihres Pflichtunterrichtskontingents zwei Stillstunden wöchentlich in Anspruch nahm. Der Beklagte gewährte der Klägerin bis zum 28. Februar 2001 Erzg; versagte es jedoch für die Monate März und April 2001 wegen der Aufnahme der Erwerbstätigkeit (Bescheid vom 4. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2001). Zur Begründung führte er aus: Die Klägerin übe mit der arbeitsvertraglich vereinbarten Unterrichtsverpflichtung von 14 Wochenstunden eine volle Erwerbstätigkeit iS der §§ 1 Abs 1 Nr 4 iVm 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aus. Ab 13,4 wöchentlichen Unterrichtsstunden werde die in § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG vorgesehene Grenze von 19 Arbeitsstunden überschritten.

Klage und Berufung der Klägerin sind erfolglos geblieben (Urteile des Sozialgerichts Kiel <SG> vom 21. November 2002 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts <LSG> vom 10. Juli 2003). Das LSG hat seiner Entscheidung im Wesentlichen folgende Erwägungen zu Grunde gelegt: Das arbeitsvertraglich vereinbarte Pflichtstundenkontingent der Klägerin von 14 Wochenstunden entspreche einer mehr als 19-stündigen wöchentlichen Erwerbstätigkeit. Die Regelarbeitszeit für vollbeschäftigte angestellte Lehrer in Schleswig-Holstein habe im strittigen Zeitraum 38,5 und die Unterrichtsverpflichtung 27 Wochenstunden betragen. Neben der Unterrichtung der Kinder habe der Lehrer seine Arbeitskraft für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie die sonstigen mit dem Lehrerberuf verbundenen Aufgaben einzusetzen. Unter Berücksichtigung dessen entspreche die Unterrichtsverpflichtung von 14 Wochenstunden einer wöchentlichen Arbeitszeit von 19,6 Stunden. Sie überschreite damit die 19-Stunden-Grenze des § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG, so dass kein Anspruch auf Erzg mehr bestanden habe. Diese Verhältnisberechnung folge aus dem Grundsatz der Gleichbehandlung mit allen anderen Erziehungsgeldberechtigten. Soweit die Klägerin eine unterschiedliche Behandlung von angestellten und beamteten Lehrern rüge - beamtete Lehrer hätten im gleichen Zeitraum in Schleswig-Holstein 27,5 Pflichtunterrichtsstunden in der Woche zu erteilen gehabt -, sei dies nicht entscheidungserheblich, denn auch ein beamteter Lehrer überschreite mit 14 wöchentlichen Pflichtunterrichtsstunden die Grenze des § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG. Insoweit komme es auch nicht auf die tatsächlich im Einzelfall geleistete Arbeitszeit an; deren Nachweis sei bei einer Berufsgruppe wie der der Lehrer, deren Arbeitszeit über die Unterrichtsverpflichtung hinaus nicht festgelegt sei, kaum zu erbringen. Die zwei Stillstunden reduzierten die zu berücksichtigende Arbeitszeit nicht, denn sie seien bezahlte Erwerbstätigkeit. Entstehe kein Verdienstausfall, sei auch kein Erzg zu erbringen. Diese Leistung diene nämlich dazu, einen Teil des Verdienstausfalls durch Kinderbetreuung zu kompensieren.

Mit ihrer vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung von § 1 Abs 1 Nr 4 iVm § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG. Dazu trägt sie vor: Die Art der Berechnung der von ihr wöchentlich geleisteten Arbeitszeit verstoße gegen Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Die Verhältnisberechnung führe zu einer "Dynamisierung" der als Teilzeitbeschäftigung zu wertenden und damit leistungsunschädlichen Tätigkeit, je nach Dauer der Regelarbeitszeit. Hieraus folge eine Ungleichbehandlung von Lehrern im Vergleich zu Angestellten des öffentlichen Dienstes, bei denen die Grenze der vollen Erwerbstätigkeit stetig bei 19 Wochenstunden verbleibe. Die Arbeitszeiten von Lehrern und sonstigen Angestellten des öffentlichen Dienstes seien zudem nicht vergleichbar, da Lehrer ihre Arbeitszeit - mit Ausnahme des Pflichtunterrichtskontingents - frei gestalten könnten. Die Verhältnisberechnung ergebe ferner eine Ungleichbehandlung zwischen angestellten und beamteten Lehrern sowie zwischen Lehrern der verschiedenen Schultypen und Bundesländer, da diese eine unterschiedlich hohe Zahl von Pflichtunterrichtsstunden zu absolvieren hätten. Im Hinblick auf die Zielsetzung des BErzGG müsse auch die Flexibilität der Lehrer bei der individuellen Planung ihres Arbeitseinsatzes für die sonstigen schulischen Aufgaben berücksichtigt werden. Ein Lehrer könne nämlich seinen häuslichen Arbeitseinsatz für die Schule an den Bedürfnissen des eigenen Kindes orientieren. Letztendlich seien auch die Stillstunden von den arbeitsvertraglich vereinbarten Pflichtunterrichtsstunden in Abzug zu bringen, denn während der Stillstunden habe die Klägerin tatsächlich keine Arbeitsleistung erbracht, sondern sich dem Kind zugewandt, so dass auch nur zwölf Pflichtunterrichtsstunden vor- und nachzubereiten gewesen seien. Hieraus folge - selbst unter Zugrundelegung der Berechnungsweise des LSG - eine leistungsunschädliche Arbeitszeit von 17,11 Wochenstunden. Auf die Entgeltzahlung für die Stillstunden komme es nicht an; das BErzGG stelle für den Anspruch dem Grunde nach nicht auf die Entgeltlichkeit ab.

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 10. Juli 2003 und des Sozialgerichts Kiel vom 21. November 2002 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 4. Januar 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. August 2001 abzuändern sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr Erzg auch für den Zeitraum vom 1. März bis 29. April 2001 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er schließt sich den Ausführungen des LSG an.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).

II

Die Revision ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Erzg auch für die Zeit vom 1. März bis 29. April 2001.

Die Leistungsberechtigung der Klägerin richtet sich nach dem BerzGG in der Fassung des Gesetzes vom 24. März 1997 (BGBl I 594) - im Weiteren aF -, das gemäß § 24 Abs 1 BErzGG in der Fassung des Gesetzes vom 12. Oktober 2000 (BGBl I 1426) für Geburten vor dem 1. Januar 2001 weiter anzuwenden ist. Nach § 1 Abs 1 BErzGG aF hat Anspruch auf Erzg, wer

1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat,

2. mit einem Kind, für das ihm die Personensorge zusteht, in einem Haushalt lebt,

3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und

4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Die Klägerin erfüllte nach den Feststellungen des LSG in den Monaten März und April 2001 die Voraussetzungen der Nr 1 bis 3. Sie hat darüber hinaus im streitigen Zeitraum auch keine volle Erwerbstätigkeit iS von § 1 Abs 1 Nr 4, § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aF ausgeübt.

Das Tatbestandsmerkmal der "vollen Erwerbstätigkeit" wird nach § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aF durch den Umfang der Arbeitzeit bestimmt. Eine volle Erwerbstätigkeit übt danach der aus, dessen wöchentliche Arbeitszeit 19 Stunden übersteigt. Dieses war vorliegend nicht der Fall. Mit der arbeitsvertraglich festgelegten Lehrverpflichtung von 14 Unterrichtsstunden wöchentlich überschritt die Klägerin zwar die "19-Stunden-Grenze" (1). Die Inanspruchnahme von zwei Stillstunden wöchentlich reduziert hier jedoch die Arbeitszeit unter den konkreten Umständen des Einzelfalls derart, dass die Klägerin auch im März und April 2001 noch keine volle Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aF ausgeübt hat (2).

(1) Erwerbstätigkeit iS des § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aF ist eine unselbstständige Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit, die auf die Erzielung von Erwerbseinkommen gerichtet ist. Dabei kommt es für die Erzg-Berechtigung auf die Höhe des Entgelts nicht an (s aber §§ 5 und 6 BErzGG aF; Zmarzlik/Zipper/Viethen, Mutterschutzgesetz, Mutterschaftsleistungen, Bundeserziehungsgeldgesetz, 8. Auflage, § 2 BErzGG RdNr 4; Irmen in Hambüchen, Kindergeld/ Erziehungsgeld/Elternteil, Kommentar, Stand Januar 2004, § 2 RdNr 8). Arbeitszeit - während der eine Erwerbstätigkeit ausgeübt wird - ist nach § 2 Abs 1 Arbeitszeitgesetz (ArbZG) die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeitszeit ohne Ruhepausen (vgl auch Zmarzlik ua, aaO, § 2 BErzGG RdNr 8). Der Umfang der Arbeitzeit ergibt sich regelmäßig aus dem Arbeitsvertrag oder, wenn ein solcher nicht vorliegt, aus der Natur der Sache (vgl Irmen in Hambüchen, aaO, § 2 RdNr 19). Ist die aufzuwendende Arbeitszeit zwar im Arbeitsvertrag vereinbart, wird die betreffende Tätigkeit jedoch im Allgemeinen nicht allein in der arbeitsvertraglich vereinbarten Zeit verrichtet - besteht beispielsweise die Verpflichtung, zur Vor- und Nachbereitung weitere mit der Arbeit im Zusammenhang stehende Aufgaben zu erledigen - ist die Arbeitszeit unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten zu bestimmen (vgl Zmarzlik ua, aaO, § 2 BErzGG RdNr 14 - dort hervorgehoben die Tätigkeit von Lehrkräften). So ist hier vorzugehen.

Im Arbeitsvertrag der als Lehrerin an einer Grund- und Hauptschule tätigen Klägerin war eine wöchentliche Unterrichtsverpflichtung von 14 Stunden vereinbart worden. Die damit von der Klägerin abzuleistenden Pflichtunterrichtsstunden unterschritten als solche zwar die Grenze des § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aF. Gleichwohl ergibt sich unter Berücksichtigung weiterer erforderlicher Arbeiten - zunächst unter Außerachtlassung individueller Besonderheiten (siehe dazu unter 2) - pro Woche eine mehr als 19-stündige Erwerbstätigkeit.

Die Arbeitszeit eines Lehrers wird im Allgemeinen nicht nur durch die festgelegte Unterrichtsverpflichtung bestimmt. Neben den zu leistenden Pflichtstunden gehört auch der Zeitaufwand für die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts sowie für die Erledigung sonstiger berufstypischer Aufgaben (im Weiteren: sonstige Aufgaben) mit zu der vergüteten Arbeitszeit (vgl dazu auch Uttlinger/Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau, Kommentar zum Bundesangestelltentarifvertrag <BAT>, Stand Januar 2004, SR 2 I I, Anm 3). Sind in einem Arbeitsvertrag wie dem vorliegenden daher nur die zu erbringenden Pflichtunterrichtsstunden vereinbart, gilt es, nach den tatsächlichen Gegebenheiten den insgesamt erforderlichen zeitlichen Aufwand zur Erledigung der arbeitsvertraglich vereinbarten Leistungen zu ermitteln.

Sofern keine individuellen Besonderheiten vorliegen (vgl Zmarzlik ua, aaO, § 2 BErzGG RdNr 15), sind Grundlage für die Berechnung die üblichen Arbeitsbedingungen, unter denen ein durchschnittlich begabter Lehrer mit durchschnittlichen Fertigkeiten bei einem normalen Ablauf der Ereignisse seine Arbeitsleistung zu erbringen hat (vgl BSG SozR 4100 § 102 Nr 8, S 24). Eine solche am Durchschnitt orientierte Betrachtung ist geboten, da die über die Unterrichtsverpflichtung hinausgehende Arbeitszeit von Lehrern nur grob pauschaliert geschätzt werden kann (vgl Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> Beschluss vom 26. August 1992 - 2 B 90/92 - JURIS). Sowohl die pädagogische Aufgabenstellung je nach Schultyp, Klassenstärke, Unterrichtsfach usw, als auch die individuelle Arbeitsweise der Lehrer können einen unterschiedlichen Umfang an Arbeitsaufwand nach sich ziehen. Es ist daher aus Gründen der Praktikabilität - soweit bei pauschaler Betrachtung gleichartige Verpflichtungen bestehen und gleichartige Aufgaben zu erfüllen sind - der Zeitaufwand für die gesamte Breite der Tätigkeit unter Zuhilfenahme der einschlägigen Gesetze, Verordnungen und Erlasse der jeweiligen Kultusministerien sowie der einschlägigen tarifvertraglichen Regelungen zu bestimmen (vgl auch BSG SozR 4100 § 102 Nr 8, S 24; BVerwG Beschlüsse vom 27. Mai 1992 - 2 NB 2/92; 26. August 1992 - 2 B 90/92, beide JURIS).

Ausgehend von den Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) fanden für das Arbeitsverhältnis der Klägerin die §§ 15, 16, 16a, 17, 34 und 35 BAT keine Anwendung. Es waren zur Feststellung des Umfangs der Arbeitszeit nach Nr 3 der Sonderregelung SR 2 I I BAT (§§ 15 bis 17 BAT; vgl BAT-Komm, aaO, SR 2 I I, Anm 3) die Bestimmungen für die entsprechenden Beamten heranzuziehen (vgl auch die vom LSG eingeholte Auskunft des schleswig-holsteinischen Ministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur <im Weiteren: Bildungsministerium> vom 6. Juni 2003). Unter Bestimmungen für Beamte sind insoweit neben den Gesetzen und Verordnungen auch sonstige allgemein für die entsprechenden Lehrer geltenden Regelungen, also auch Verwaltungsanordnungen und Erlasse zu verstehen (vgl Bundesarbeitsgericht <BAG>, Urteil vom 15. November 1985 - 7 AZR 334/83, AP Nr 14 zu § 17 BAT; Oberverwaltungsgericht <OVG> Lüneburg, Urteil vom 12. Oktober 1982 - 5 A 21/82, JURIS; BAT-Komm, aaO, mwN). Nach § 121 Abs 4 Schulgesetz für das Land Schleswig-Holstein erlässt das Bildungsministerium sonstige Bestimmungen zur Schulgestaltung und legt fest, welchen Teil ihrer Arbeitszeit die Lehrkräfte durch Unterricht zu erfüllen haben. Das LSG hat auf Grund des vom Bildungsministerium beigezogenen Erlasses vom 9. März 1999 (III 146 - 0311.121.2) sowie unter Beachtung der Auskunft des Bildungsministeriums vom 6. Juni 2003 (§§ 162, 163 SGG) festgestellt, die Unterrichtsverpflichtung für angestellte Lehrer an Grund- und Hauptschulen habe in Schleswig-Holstein zum streitgegenständlichen Zeitpunkt 27 (§ 1 Abs 2 Nr 1 Erlass, aaO), die Regelarbeitszeit 38,5 Wochenstunden betragen. Sonderregelungen für Lehrer, betreffend die Regelarbeitszeit, gab es nach den Feststellungen des LSG in Schleswig-Holstein nicht (vgl dazu auch BAT-Komm, aaO, SR 2 I I, Anm 3). Auf dieser Grundlage ist die Arbeitszeit der Klägerin unter Berücksichtigung der sonstigen Aufgaben anhand der im Erlass für Vollzeitbeschäftigte festgelegten Pflichtstundenzahl und des sich daraus ergebenden Zeitaufwandes für die sonstigen Aufgaben im Verhältnis zu dem von der Klägerin arbeitsvertraglich vereinbarten Pflichtstundenkontingent zu ermitteln (vgl dazu auch BAT-Komm, SR 2 I I, Anm 3).

Diese Vorgehensweise zur Berechnung der Arbeitszeit eines Lehrers ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Unterschiedliche Ergebnisse in Abhängigkeit von Regelarbeitszeit und Umfang des Pflichtstundenkontingents stellen ebenso wenig wie die Unterschiede bei einem Vergleich verschiedener Gruppen von Beschäftigten (angestellte Lehrer an Grund- und Hauptschulen im Verhältnis zu anderen Angestellten im öffentlichen Dienst, zu Lehrern in anderen Schultypen und Bundesländern sowie zu beamteten Lehrern) eine gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoßende Ungleichbehandlung dar.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln, ohne dass jegliche Differenzierung verwehrt wäre. Ob das Ergebnis einer Gesetzesanwendung dem allgemeinen Gleichheitssatz entspricht, hängt davon ab, ob für die getroffene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die Ungleichbehandlung rechtfertigen können (stRspr des Bundesverfassungsgerichts <BVerfG>, vgl zuletzt zum BErzGG Beschluss vom 6. Juli 2004 - 1 BvR 2515/95 -, RdNr 29 mwN).

Die sachliche Rechtfertigung für die von der Klägerin angeführten unterschiedlichen rechnerischen Ergebnisse bei gleicher Rechenmethode im Verhältnis von Lehrern zu anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes liegt in den eingangs aufgezeigten Besonderheiten der Arbeitszeitgestaltung von Lehrern, die sich grundlegend von der anderer Arbeitnehmer unterscheidet. Auch die Klägerin bestreitet angesichts dieser Besonderheiten nicht die Notwendigkeit, die tatsächlich geleistete Arbeitszeit eines Lehrers iS von § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aF unter Berücksichtigung von frei gestalteter Arbeitszeit und per Erlass und/oder Arbeitsvertrag festgelegter Unterrichtsverpflichtung zu ermitteln. Auch das BVerwG betont zur Rechtfertigung unterschiedlicher Arbeitszeitgestaltungen von Lehrern und anderen Angestellten des öffentlichen Dienstes in ständiger Rechtsprechung - insbesondere im Hinblick auf die Mehrarbeitszeit der Lehrer -, dass Lehrer ihre Arbeitszeit, abgesehen von den Pflichtstunden, frei einteilen könnten. Sie nähmen mit ihrer Arbeit typischerweise am kulturellen Leben in besonderem Maße teil; die für sie vorgesehene Altersermäßigung der Pflichtstundenzahl kenne das allgemeine Arbeitszeitrecht nicht. Im Übrigen rechtfertigen das öffentliche Interesse an einem geordneten Schulbetrieb und an ausreichendem Schulunterricht die Unterschiede im Umfang der Arbeitszeit zwischen Lehrern und anderen Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes (so auch BVerwG BVerwGE 38, 191, 195; Beschluss vom 27. Mai 1992 - 2 NB 2/92, JURIS, mwN).

Die tatsächlichen Gegebenheiten in Gestalt unterschiedlicher Regelarbeitszeiten und Unterrichtsverpflichtungen stehen auch einer schematischen Gleichbehandlung der Lehrer unterschiedlicher Schultypen entgegen. Die insoweit maßgebenden Kriterien festzulegen, liegt in der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, deren Rahmen dann nicht verlassen wird, wenn die unterschiedlichen Arbeitsbedingungen einen sachlichen Bezug zur jeweils geforderten Arbeitsbelastung, insbesondere zu deren zeitlichem Maß haben. Ein derartiger sachlicher Bezug wird in der ständigen Rechtsprechung des BVerwG bei der Differenzierung zwischen den verschiedenen Schultypen im Hinblick auf die Verschiedenartigkeit der Ausbildungsziele angenommen (BVerwG, 15. Dezember 1971 - VI C 40.68; 13. Juli 1977 - VI C 85.75; Urteile vom 28. Oktober 1982 - 2 C 88.81 und 21. September 1998 - 2 B 7/98; alle JURIS s auch OVG Lüneburg, Urteil vom 12. Oktober 1982 - 5 A 33/81, JURIS). In diesem Zusammenhang können auch Änderungen der Regelarbeitszeit und/oder des Umfangs der Unterrichtsverpflichtung zu einer Änderung des Umfangs der leistungsunschädlichen Erwerbstätigkeit führen. Dieses ist jedoch vor dem Hintergrund der tatsächlich unterschiedlichen Arbeitsbedingungen, also der ungleichen Ausgangsverhältnisse hinzunehmen.

Entsprechendes gilt für die unterschiedlichen Arbeitszeiten und Unterrichtsverpflichtungen in den verschiedenen Bundesländern. Sie sind Folge der grundgesetzlich verankerten ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz der Länder im Schulrecht (Art 70 Abs 1 GG; vgl BVerwG, Urteil vom 18. Dezember 1996 - 6 C 6/95, BVerwGE 104, 1 mwN, insbesondere unter Hinweis auf BVerfGE 6, 309, 354). Die unterschiedlichen Lebensverhältnisse und gesellschaftspolitischen Vorstellungen in den einzelnen Bundesländern bringen eine diesen angepasste Schulpolitik mit sich, der wiederum eine entsprechende Gestaltung der Arbeitszeit der Lehrer folgt. Unter Berücksichtigung der insoweit relevanten Faktoren hat der jeweilige Dienstherr einen Ermessensspielraum, in dessen Rahmen kein Gebot besteht, bundeseinheitliche Verhältnisse zu schaffen.

Eine sachwidrige Unterscheidung zwischen beamteten und angestellten Lehrern bringt die oben dargestellte Vorgehensweise bei der Arbeitszeitermittlung nicht mit sich. Die Berechnungsformel ist für beide Gruppen gleich. Unterschiedliche rechnerische Ergebnisse werden wiederum gerechtfertigt durch die verschiedenen Arbeitsbedingungen, ausgedrückt in dem unterschiedlichen Verhältnis von Regelarbeitszeit zu Unterrichtsverpflichtung. Der Dienstherr bestimmt in dem besonderen Pflichtenverhältnis, in dem Beamte stehen, die für sie geltende Regelarbeitszeit und, im Verhältnis dazu, den Umfang der regelmäßigen Unterrichtsverpflichtung. Ihm steht insoweit eine Einschätzungsprärogative zu, die wiederum durch die schon mehrfach genannten Faktoren bestimmt wird (vgl BVerwG, Urteil vom 28. Januar 2004 - 2 C 19/03, JURIS). Gleiches gilt im Grundsatz zwar auch für angestellte Lehrer, da für sie nach dem BAT (SR 2a I I) die beamtenrechtlichen Vorschriften entsprechend anzuwenden sind. Bislang wurden diese jedoch - wie auch die Klägerin - im Regelfall gegenüber den beamteten Lehrern insoweit begünstigt, als sie in geringerem Umfang zur Unterrichtserteilung verpflichtet waren. Soweit sich diese Begünstigung durch die gewählte Berechnungsmethode bei Anwendung des BErzGG zum Nachteil verkehren sollte, ist dieses hinzunehmen. Im Übrigen gilt hier: Die unterschiedlichen Unterrichtsverpflichtungen von angestellten und beamteten Lehrern an Grund- und Hauptschulen in Schleswig-Holstein (angestellte Lehrer: 27, beamtete Lehrer: 27,5 Unterrichtsstunden) führt nach der gewählten Berechnungsmethode, wie das LSG zutreffend festgestellt hat, konkret zu keiner relevanten Ungleichbehandlung, da in beiden Fällen - wegen Überschreitens der "19-Stunden-Grenze" - kein Anspruch auf Erzg bestünde.

Rechnerisch ergibt sich - ausgehend von einer Regelarbeitszeit von wöchentlich 38,5 Zeitstunden und einer vollen Unterrichtsverpflichtung von 27 Wochenstunden - eine pro Unterrichtsstunde aufzuwendende Arbeitszeit von insgesamt 1,426 Stunden (38,5 Stunden: 27 Unterrichtsstunden). Bei 14 Pflichtunterrichtsstunden liegt die wöchentliche Arbeitsbelastung demnach bei 19,96 Stunden (14 x 1,426 Stunden).

(2) Angesichts der vom LSG festgestellten Besonderheiten des vorliegenden Falles blieb die Arbeitszeit der Klägerin gleichwohl unterhalb der anspruchsschädlichen 19-Stunden-Grenze. Das beruht auf der Inanspruchnahme von zwei wöchentlichen Stillstunden (s Auskunft der Rektorin der Grundschule Brokstedt vom 22. Januar 2001). Der Senat konnte offen lassen, ob die arbeitsrechtlich eindeutige Zuordnung der Stillzeit zur Arbeitszeit iS des § 2 Abs 1 ArbZG (vgl BVerwG, Urteil vom 30. Juni 1988 - 2 C 60/86, BVerwGE 79, 366; BAG, Urteil vom 3. Juli 1985 - 5 AZR 79/84, EzA § 7 MuSchG Nr 1, JURIS; Schlachter in Erfurter Kommentar zum Arbeitsrecht, 5. Auflage 2005, § 7 RdNr 4; Heenen, Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, 2. Auflage - Stand 2000, § 226 Schutz vor und nach der Entbindung, RdNr 30, 39; Zmarzlik ua, aaO, § 7 MuSchG RdNr 11 mwN) auch für das BErzGG gilt oder ob die Stillzeit dort, wegen der damit verbundenen, dem Zweck des BErzGG entsprechenden Hinwendung zum Kind, von der Arbeitszeit abzusetzen ist. Auch wenn die Stillzeit selbst als Arbeitszeit bewertet würde, führte ihre Inanspruchnahme im konkreten Fall dennoch zu einer Verringerung der Arbeitszeit der Klägerin; und zwar mit entscheidendem Einfluss auf die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals "keine volle Erwerbstätigkeit" iS des § 2 Abs 1 Nr 1 BErzGG aF. Durch den tatsächlichen Ausfall von wöchentlich zwei Unterrichtsstunden waren von der Klägerin entsprechend weniger sonstige Aufgaben zu erledigen, was rechnerisch eine Gesamtarbeitszeit von unter 19 Stunden ergibt.

Ausgangspunkt des vom Senat angewendeten Rechenkonzepts zur Ermittlung der Arbeitszeit von Lehrern ist es, dass sich die Gesamtarbeitszeit eines teilzeitbeschäftigten Lehrers aus dem Produkt seiner Pflichtstundenzahl mit dem Verhältnis zwischen der Regelarbeitszeit und der Unterrichtsverpflichtung vergleichbarer vollbeschäftigter Lehrer errechnet. Hierbei handelt es sich um pauschalierende Betrachtung, da der Umfang der über die Unterrichtsverpflichtung hinausgehenden Arbeitszeit von zahlreichen Faktoren abhängt: zB der Fächerkombination, der zu unterrichtenden Altersklasse, dem gerade behandelten Unterrichtsstoff und auch der individuellen Arbeitsweise des Lehrers (vgl BVerwG, Beschluss vom 26. August 1992 - 2 B 90/92, JURIS; BAT-Komm, aaO, RdNr 9 mit zahlreichen weiteren Nachweisen). Diese Vorgehensweise rechtfertigt sich dadurch, dass der jeweiligen Unterrichtsverpflichtung typischerweise alle sonstigen Aufgaben entspringen - jedenfalls soweit sie mit der Erteilung von Unterricht zusammenhängen und es sich nicht um davon losgelöste Verwaltungsaufgaben handelt, was gesondert zu betrachten wäre. Die Hochrechnung von Lehrverpflichtung auf Gesamtarbeitszeit ist allerdings dann nicht möglich, wenn während der angerechneten Unterrichtsstunden regelmäßig tatsächlich kein Unterricht (mit entsprechender Vor- und Nachbereitung sowie sonstigen unterrichtsbezogenen Aufgaben) erteilt wird. Hieraus folgt im konkreten Fall: Selbst wenn die zwei wöchentlichen Stillstunden - als Arbeitszeit geltend - das Pflichtstundenkontingent nicht mindern, hat die unterbliebene Unterrichtserteilung dennoch Auswirkungen auf den Umfang der Gesamtarbeitszeit. Die Klägerin brauchte die von ihr arbeitsrechtlich geschuldete Arbeitsleistung zur Erfüllung von sonstigen Aufgaben, die im Zusammenhang mit den als Stillzeit frei genommenen Unterrichtsstunden angefallen wären, nicht zu erbringen. Unter Berücksichtigung der gebotenen pauschalierenden Betrachtung kann mithin den betreffenden Stillzeiten (zwei Unterrichtsstunden) rechnerisch keine weitere Arbeitszeit zugeordnet werden. Das heißt, die tatsächlich aufgewendete Arbeitszeit ist entsprechend niedriger anzusetzen.

Die tatsächlich nicht für sonstige Aufgaben aufgewendete Zeit ist auch rechtlich nicht der Stillzeit selbst zuzuordnen und deswegen ggf als Arbeitszeit zu werten. Auf Grund der besonderen Arbeitszeitgestaltung bei Lehrern besteht ein Anspruch auf das "Freigeben" zum Zwecke des Stillens - also ein Anspruch auf Stillzeit - nur während der Unterrichtsstunden. Fällt das Stillen in die frei zu gestaltende Arbeitzeit, entfällt der Anspruch, da er nur im Falle des unvermeidlichen Zusammentreffens des Stillens mit der zeitlich festgelegten Dienstzeit besteht (vgl BVerwGE 79, 366).

Dementsprechend ergibt sich hier folgende Berechnung: Der Teil der Arbeitszeit, der auch die Erfüllung sonstiger Aufgaben beinhaltet, ist auf der Basis von 12 tatsächlich erteilten Unterrichtsstunden zu ermitteln (38,5 Stunden Regelarbeitszeit : 27 Unterrichtsstunden = 1,426 Stunden pro Unterrichtsstunde x 12 Unterrichtsstunden). Hierbei ergibt sich eine Arbeitszeit von 17,112 Stunden. Dieser wären - unterstellt die Stillzeit gilt als Arbeitszeit iS des BErzGG - nur zwei Unterrichtsstunden (Stillstunden ohne Erfüllung sonstiger Aufgaben) hinzuzurechnen. Da die Unterrichtsstunde als Einheit nur 45 Minuten beträgt, kommen zu den 17,112 Stunden 90 Minuten (2 x 45 Minuten) = 1,5 Stunden hinzu. Hieraus folgt eine Gesamtarbeitszeit der Klägerin von 18,612 Stunden und damit ein Unterschreiten der "19-Stunden-Grenze" auch in den Monaten März und April 2001.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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