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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 24.04.2003
Aktenzeichen: B 10 LW 15/02 R
Rechtsgebiete: ALG
Vorschriften:
ALG § 75 Nr 1 | |
ALG § 117 Abs 2 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: B 10 LW 15/02 R
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 24. April 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Loytved, den Richter Dau, die Richterin Knickrehm sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Wirsam und Senske
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2002 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine Kosten zu erstatten.
Gründe:
I
Die Kläger machen als Rechtsnachfolger des - während des erstinstanzlichen Verfahrens - am 14. Oktober 1999 verstorbenen J H (H.) - im Revisionsverfahren noch - Beitragserstattung geltend.
Der 1934 geborene H. hat als landwirtschaftlicher Unternehmer für die Zeit vom 1. März 1972 bis zum Ende seiner Mitgliedschaft am 31. Januar 1982 119 Monatsbeiträge zur Alterskasse gezahlt. Von der Möglichkeit zur Weiterversicherung nach § 27 Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) machte er nicht Gebrauch. 1998 beantragte H. Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Die Beklagte lehnte diesen Antrag ebenso ab (Bescheid vom 13. Oktober 1998) wie die daraufhin hilfsweise beantragte Beitragserstattung (Schreiben der Beklagten vom 18. Februar 1999); den Widerspruch wies sie zurück (Bescheid vom 18. Mai 1999). Beiträge seien weder nach § 27a des bis Ende 1994 geltenden GAL zu erstatten noch nach den seither geltenden Vorschriften des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG). Zum einen seien - wie nach § 27a GAL, § 117 Abs 1 ALG erforderlich - nicht für mindestens 180 Monate Beiträge gezahlt worden; zum anderen schließe § 117 Abs 2 ALG die Erstattung für Zeiten vor dem 1. Januar 1995 gezahlter Beiträge aus, soweit - wie hier - am 31. Dezember 1994 keine Beiträge zur Altershilfe für Landwirte gezahlt worden seien und nach dem am 31. Dezember 1994 geltenden Recht eine Erstattung von Beiträgen ausgeschlossen gewesen sei.
Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteile des Sozialgerichts Trier <SG> vom 11. Dezember 2001 und des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz <LSG> vom 6. Mai 2002). Das LSG hat § 117 Abs 2 ALG - entgegen der Entscheidung eines anderen Senats desselben Gerichts (Urteil vom 19. August 1999 - L 5 Lw 5/98 - EzS 60/124) - als allgemeine übergangsrechtliche Ausschlussregelung angesehen und deshalb eine Erstattung auch nur der hälftigen Beiträge (nach §§ 75, 76 ALG) abgelehnt.
Die Kläger machen mit ihrer - vom LSG zugelassenen - Revision geltend: Das Berufungsgericht habe § 75 Nr 1, § 117 Abs 2 ALG verletzt. § 117 Abs 2 ALG stehe gesetzessystematisch in direktem Zusammenhang mit § 117 Abs 1 ALG und betreffe daher nur die vom Gesetzgeber als Übergangsregelung aufrechterhaltene Möglichkeit der vollen Beitragserstattung, die auf solche Personen beschränkt werde, die auch nach dem früheren Recht des GAL schon diese volle Beitragserstattung hätten beanspruchen können. Wenn darüber hinaus auch der allgemeine (hälftige) Erstattungsanspruch nach § 75 ALG hätte ausgeschlossen werden sollen, wäre dies vom Gesetzgeber entweder durch eine ausdrückliche Verweisung in § 75 ALG auf § 117 Abs 2 ALG oder durch Bildung eines eigenständigen Paragraphen (neben dem jetzigen § 117 Abs 1 ALG) deutlich zu machen gewesen.
Die Kläger beantragen (sinngemäß),
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 6. Mai 2002 sowie des SG Trier vom 11. Dezember 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Verwaltungsaktes vom 18. Februar 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 1999 zu verurteilen, ihnen die von H. für die Zeit vom 1. März 1972 bis zum 31. Januar 1982 zur Alterskasse gezahlten Beiträge zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für richtig.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist nicht begründet.
Zutreffend sind die Vorinstanzen davon ausgegangen, dass die Kläger als Erben des H. befugt sind, einen Nachlassanspruch gegen die Beklagte geltend zu machen. Denn nach § 58 Satz 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) werden fällige Ansprüche auf Geldleistungen, soweit sie nicht nach den §§ 56 und 57 einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, nach den Vorschriften des Bürgerlichen Rechts vererbt. Solche Ansprüche erlöschen mit dem Tode des Berechtigten nur, wenn sie - anders als hier - zu diesem Zeitpunkt weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist (§ 59 Satz 2 SGB I). Eine vom bürgerlichen Recht abweichende Sonderrechtsnachfolge findet nach § 56 Abs 1 SGB I allein für Ansprüche auf laufende Geldleistungen statt. Dazu gehört der Anspruch auf Erstattung von Beiträgen nicht; er richtet sich auf eine einmalige Geldleistung (vgl BSG SozR 3-5850 § 27a Nr 1). In der Sache steht den Klägern die beanspruchte Beitragserstattung nicht zu. H. hatte nach dem GAL keinen Anspruch auf Erstattung der von 1972 bis 1982 gezahlten Beiträge erworben, den er übergangsweise auch nach dem Inkrafttreten des ALG (vom 1. Januar 1995) noch hätte geltend machen können. Das mit dem ALG neu konzipierte Recht der Beitragserstattung hat einen solchen Anspruch auch nicht geschaffen.
Welches Recht für den hier streitigen Anspruch auf Erstattung von Beiträgen maßgebend ist, ergibt sich aus dem am 1. Januar 1995 in Kraft getretenen § 94 ALG. Nach dessen Abs 1 sind die Vorschriften dieses Gesetzes von dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens an auf einen Sachverhalt oder Anspruch auch dann anzuwenden, wenn bereits vor diesem Zeitpunkt der Sachverhalt oder Anspruch bestanden hat. Von der danach angeordneten Geltung neuen Rechts für alle nach dem 31. Dezember 1994 ergehenden Entscheidungen macht § 94 Abs 2 ALG die Ausnahme, dass das GAL auch nach dem Zeitpunkt seiner Aufhebung (durch Art 48 Abs 1 iVm Art 47 Nr 1 Agrarsozialreformgesetz 1995 zum 1. Januar 1995) noch auf den bis dahin bestehenden Anspruch anzuwenden ist, wenn dieser bis zum Ablauf von drei Monaten nach der Aufhebung des Gesetzes - also bis zum 31. März 1995 - geltend gemacht worden ist. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. H. hat erst 1998 beantragt, ihm die gezahlten Beiträge zu erstatten.
Ob H. von der Beklagten über diese Rechtslage etwa nicht hinreichend aufgeklärt und beraten worden ist, sodass er im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen wäre, als hätte er die Erstattung rechtzeitig beantragt, kann offen bleiben. Denn nach § 27a Abs 1 Buchst a GAL werden Beiträge nur dem erstattet, der - anders als H. - mindestens für 180 Kalendermonate Beiträge an die landwirtschaftliche Alterskasse gezahlt hat.
Während § 94 Abs 2 ALG eine zeitlich begrenzte Weitergeltung ansonsten außer Kraft getretenen alten Rechts anordnet, regelt § 117 ALG (ggf iVm §§ 75, 76 ALG) die Modalitäten zur Erstattung von Altbeiträgen (gezahlt für Zeiten bis zum 31. Dezember 1994) unter der Geltung des neuen Rechts. Im ALG hat der Gesetzgeber das Recht der landwirtschaftlichen Alterssicherung grundlegend weitgehend nach dem Vorbild der gesetzlichen Rentenversicherung umgestaltet und dabei die Erstattung von Beiträgen ähnlich wie dort (§ 210 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch) geregelt (§§ 75 ff ALG). Dieser Bruch mit dem zuvor geltenden System der Beitragserstattung machte es erforderlich, über das Schicksal von Altbeiträgen zu entscheiden. Das ist in § 117 ALG geschehen. Auch hieraus ergibt sich der von den Klägern geltend gemachte Anspruch nicht.
§ 117 ALG unterscheidet zwischen Personen, die am 31. Dezember 1994 die wesentlichen Voraussetzungen für eine Beitragserstattung nach § 27a Abs 1 Buchst a GAL (180 Kalendermonate mit Beiträgen, Fehlen einer Beitragspflicht) erfüllt hatten (Abs 1) und solchen, die nach altem Recht keinen Anspruch auf Beitragserstattung hatten und für die zudem am 31. Dezember 1994 keine Beiträge zur Alterhilfe für Landwirte gezahlt wurden (Abs 2). Der ersten Gruppe werden - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach dem Ende der Beitragspflicht auf Antrag die als Landwirt entrichteten Beiträge erstattet. Die unbefristete altrechtliche Möglichkeit zur Beitragserstattung wurde damit durch eine fristgebundene ersetzt (vgl dazu BSG SozR 3-5868 § 44 Nr 1). Im Falle des Klägers fehlt es schon an der Möglichkeit einer Beitragserstattung nach altem Recht, da er keine 180 Beitragsmonate vorweisen kann.
Anders als § 117 Abs 1 ALG enthält dessen Abs 2 keine Anspruchsgrundlage, sondern nur einen Ausschlusstatbestand. Insofern können sich die Kläger für die von ihnen beanspruchte Beitragserstattung allenfalls noch auf die §§ 75, 76 ALG stützen. Diese Bestimmungen sehen eine (hälftige) Beitragserstattung vor. Es ist davon auszugehen, dass die dafür geforderten Voraussetzungen hier - jedenfalls ab 1999 - vorliegen: H. konnte die 15-jährige Wartezeit für Altersrente (§ 11 Abs 1 Nr 2 ALG) bis zur Vollendung seines 65. Lebensjahres im Jahre 1999 nicht mehr erfüllen. Zwar werden nach § 17 Abs 1 Satz 2 Nr 1 ALG auf die Wartezeit "ferner" Zeiten mit Pflichtbeiträgen zur gesetzlichen Rentenversicherung angerechnet und das SG hat unter Berücksichtigung solcher Zeiten die Wartezeit als von H. überschritten angesehen. 1999 fehlten aber jegliche auf die Wartezeit anrechenbare Beitragszeiten in der landwirtschaftlichen Alterssicherung. Die von 1972 bis 1982 zurückgelegten Zeiten waren nach § 90 Abs 1 Satz 1 ALG nicht anrechenbar und ab Vollendung des 65. Lebensjahres hätte H. (wegen Versicherungsfreiheit nach § 2 Nr 1 Buchst a ALG) auch als Landwirt (bei - erneutem - Betrieb eines landwirtschaftlichen Unternehmens) oder als mithelfender Familienangehöriger keine Beitragszeiten mehr zurücklegen können.
Beiträge sind den Klägern dennoch nicht zu erstatten. Das ergibt sich aus § 117 Abs 2 ALG, den das LSG zu Recht als eine sich gerade auf § 75 Nr 1, § 76 Abs 1 ALG beziehende Ausschlussregelung interpretiert hat (so bereits das Senatsurteil vom 11. Dezember 2002 - B 10 LW 9/01 R - juris). Da diese Bestimmung eine Personengruppe erfasst, welche die Voraussetzungen des § 117 Abs 1 ALG von vorneherein nicht erfüllt, kann sie nicht zum Ausschluss der dort vorgesehenen Beitragserstattungsmöglichkeit dienen. Vielmehr ergänzt sie jene Vorschrift insofern, als sie klarstellt, dass Beiträge, die bereits nach altem Recht nicht erstattet werden konnten, grundsätzlich auch künftig nicht erstattet werden (vgl BT-Drucks 12/7599, S 199). Eine Ausnahme lässt § 117 Abs 2 ALG nur für solche Versicherten zu, die als Beitragszahler in das neue Recht hineingewachsen sind. Dazu zählt H. nicht. Für ihn sind Beiträge nur bis zu 31. Januar 1982 gezahlt worden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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