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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 30.06.1999
Aktenzeichen: B 10 LW 17/98 R
Rechtsgebiete: ALG
Vorschriften:
ALG § 3 Abs 1 und Abs 4 |
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
in dem Rechtsstreit
Az: B 10 LW 17/98 R
Klägerin und Revisionsbeklagte,
Prozeßbevollmächtigte:
gegen
Landwirtschaftliche Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz, Luitpoldstraße 29, 84034 Landshut,
vertreten durch den Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, Weißensteinstraße 70/72, 34131 Kassel,
Beklagte und Revisionsklägerin.
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat am 30. Juni 1999 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Wiester, die Richter Dr. Steinwedel und Schenk sowie die ehrenamtlichen Richter Otto und Flemming
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 3. Februar 1998 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Außergerichtliche Kosten beider Rechtszüge sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin auch in der Zeit vom 1. Februar 1995 bis 29. Februar 1996 auf ihren Antrag hin von der Versicherungs- und Beitragspflicht in der Alterssicherung der Landwirte zu befreien ist.
Sie ist seit 1990 mit einem landwirtschaftlichen Unternehmer verheiratet. Nach dem Inkrafttreten des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) stellte die Beklagte mit Bescheid vom 8. Mai 1996 erstmals die grundsätzliche Versicherungs- und Beitragspflicht der Klägerin in der Alterssicherung der Landwirte ab 1. Januar 1995 fest, befreite sie aber wegen Erziehung eines Kindes auf Antrag, eingegangen am 1. Dezember 1995, von der Versicherungspflicht für den Monat Januar 1995. Mit Bescheid vom 2. August 1996 erfolgte aus dem gleichen Grund eine weitere Befreiung für den Zeitraum ab 1. März 1996. Dagegen lehnte die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 1997 die in erster Linie beantragte Befreiung von der Versicherungspflicht im verbleibenden Zeitraum wegen des Bezugs von Erwerbsersatzeinkommen nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ab, weil das ab 17. Januar 1995 von der Klägerin bezogene Arbeitslosengeld in Höhe von (umgerechnet) 478,40 DM monatlich den für die Befreiung von der Versicherungspflicht erforderlichen Einkommensgrenzwert von einem Siebtel der Bezugsgröße (§ 18 Sozialgesetzbuch Viertes Buch <SGB IV>; im Jahre 1995 monatlich 580 DM) nicht überschreite.
Das Sozialgericht (SG) Landshut hat mit Urteil vom 3. Februar 1998 die Beklagte verpflichtet, die Klägerin in der Zeit vom 1. Februar 1995 bis 29. Februar 1996 von der Versicherungspflicht zu befreien: Zwar sei nach dem Wortlaut des § 3 Abs 1 Nr 1 und Abs 4 ALG die Befreiung nicht möglich; das Gesetz sei jedoch lückenausfüllend dahingehend auszulegen, daß bei Lohnersatzleistungen, während derer weiterhin Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt werden, nicht vom Zahlbetrag der Lohnersatzleistung, sondern von der Beitragsbemessungsgrundlage der Pflichtbeiträge auszugehen sei. § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ermögliche eine Befreiung von der Pflichtversicherung in der Alterssicherung der Landwirte, sobald die Geringfügigkeitsgrenze für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung überschritten werde und damit die Versicherungspflicht in einem anderen Zweig der Alterssicherung einsetze. Wenn aber die Zugehörigkeit im System der gesetzlichen Rentenversicherung auch während des Bezugs von Lohnersatzleistungen aufrechterhalten werde und Beiträge zu diesem System abgeführt würden, "entfalle eine Schutzbedürftigkeit, dem Sicherungssystem des ALG angehören zu müssen". Von der Regelungsabsicht des Gesetzgebers her gesehen liege deshalb eine Gesetzeslücke vor. Es wäre zudem ein das Gleichbehandlungsgebot des Art 3 Abs 1 und 2 Grundgesetz (GG) verletzender Wertungswiderspruch, nur Erwerbstätige, deren Arbeitsverdienst ein Siebtel der Bezugsgröße überschreite, von der Versicherungspflicht zu befreien. Deshalb sei eine am Gesetzeszweck ausgerichtete (teleologische) Gesetzeskorrektur geboten. Solange die Klägerin Arbeitslosengeld bezogen habe und Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden seien, habe die Bemessungsgrundlage für diese Beiträge monatlich über 1.000 DM betragen. Dieser Betrag sei das maßgebliche Einkommen nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Er überschreite ein Siebtel der damaligen Bezugsgröße.
Die (Sprung-)Revision stützt die Beklagte auf eine Verletzung des § 3 Abs 1 und Abs 4 ALG: Eine Gesetzeslücke liege nicht vor. Vielmehr habe der Gesetzgeber bewußt allein auf den Zahlbetrag des Erwerbsersatzeinkommens abgestellt. Der Begriff des Erwerbsersatzeinkommens werde gleichermaßen in den §§ 28, 32 ALG und § 8 des Gesetzes zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit (FELEG) verwandt. Offensichtlich habe sich der Gesetzgeber an § 18a Abs 1 Nr 2 und § 18a Abs 3 SGB IV orientiert. Es müsse davon ausgegangen werden, daß ihm die Ausnahmeregelung des § 18b Abs 2 SGB IV bekannt gewesen sei; denn im Gegensatz zu den Anrechnungsvorschriften des FELEG habe er bewußt darauf verzichtet, diese Regelung auf die Befreiungstatbestände nach dem ALG zu übertragen.
Die Beklagte beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das Revisionsvorbringen für nicht überzeugend und schließt sich der Argumentation des SG an. Ergänzend trägt sie vor, der Begriff des Erwerbsersatzeinkommens sei dahingehend auszulegen, daß vom "Bruttobetrag" dieser Leistungen auszugehen sei, dh in ihrem Falle sei das Arbeitslosengeld um die von der Arbeitsverwaltung abgeführten Kranken- und Rentenversicherungsbeiträge zu erhöhen. Beim Bezug von Arbeitsentgelt und dem gleichgestellter Sach- und Dienstleistungen werde der Grenzwert nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ebenfalls nach dem Bruttoeinkommen und nicht nach dem "verfügbaren" Einkommen bestimmt. Das "Bruttoprinzip" gelte generell bei der Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung, vgl § 14 Abs 2 SGB IV. Für Erwerbsersatzeinkommen, die an die Stelle von Arbeitsentgelt träten, könne nichts anderes gelten. Eine andere Betrachtungsweise führe zu einer verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung, für die es keinen hinreichenden Differenzierungsgrund gebe. Im übrigen sei die Regelung des § 18b Abs 2 Satz 1 SGB IV entsprechend heranzuziehen, dh es sei vom Erwerbseinkommen des letzten Kalenderjahres, geteilt durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, auszugehen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Denn sie hat - worauf die Beklagte zu Recht abstellt - von der Arbeitsverwaltung im streitigen Zeitraum Arbeitslosengeld mit einem monatlichen Zahlbetrag von nur 478,40 DM bezogen. Damit ist ein Siebtel der Bezugsgröße nach § 18 SGB IV (im Jahre 1995 monatlich 580 DM) nicht überschritten.
Entgegen der Ansicht des SG besteht - ausgehend vom eindeutigen Wortlaut - keine Regelungslücke im Gesetz, die dahingehend zu schließen wäre, daß auf Antrag die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG auch dann vorgenommen werden muß, wenn zwar das Erwerbsersatzeinkommen (Abs 4) ein Siebtel der Bezugsgröße nicht übersteigt, jedoch während des Bezugs dieser Leistung weiterhin Rentenversicherungsbeiträge abgeführt werden, deren Bemessungsgrundlage über diesem Grenzwert liegt. Das hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 8. Oktober 1998 (- B 10 LW 2/98 R - in GVLAK RdSchr AH 5/99) entschieden.
Eine Regelungslücke ist eine "planwidrige Unvollständigkeit" des Gesetzes (vgl Larenz, Methodenlehre, 6. Aufl 1991 S 370 ff), die immer nur innerhalb des Regelungszusammenhangs des Gesetzes und ausgehend von der Regelungsabsicht des Gesetzgebers (seines "Plans") festgestellt und geschlossen werden kann. Als Anknüpfungspunkt für die Lückenschließung kommt hier nur ein Versehen des Gesetzgebers oder das Übersehen eines Tatbestandes in Betracht (zu den Voraussetzungen und Grenzen vgl mwN Urteil des Senats vom 12. Februar 1998, SozR 3-5868 § 85 Nr 2).
Eine derartige Lücke im Gesetz durch ein Versehen des Gesetzgebers oder das Übersehen eines Tatbestandes ist hier nicht festzustellen. Zweierlei ist sozialrechtlich allgemeinkundig und war es auch für den Gesetzgeber: Zum einen, daß alle in § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG aufgeführten Lohnersatzleistungen stets unterhalb der Einkommen liegen, die als Bemessungsgrundlage herangezogen und nur zu einem Bruchteil ersetzt werden. Zum anderen, daß in diesen Fällen der Lohnersatzleistungen die Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung weiterbesteht und hierzu Pflichtbeiträge, allerdings auf abgesenktem Niveau, weiterhin entrichtet werden (Krankengeld: Leistungshöhe §§ 47, 47a und 47b Sozialgesetzbuch Fünftes Buch <SGB V> mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB VI> und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI; Versorgungskrankengeld: Leistungshöhe §§ 16a bis 16d, 16f BVG mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI; Verletztengeld: Leistungshöhe § 561 Reichsversicherungsordnung mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI; Übergangsgeld, Arbeitslosengeld und Unterhaltsgeld nach dem AFG: Leistungshöhe § 59 Abs 2 bis 5, § 111 Abs 1, § 44 Abs 2 AFG mit der Versicherungspflicht in § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI und der Beitragshöhe in § 161 Abs 1 iVm § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI). Der Gesetzgeber des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG hat vor diesem Hintergrund auch dem Inhalt nach bewußt folgende Regelung getroffen: Die antragsabhängige Befreiungsmöglichkeit von der Versicherungs- und Beitragspflicht nach dem ALG entfällt ungeachtet der weiterbestehenden Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung auch dann, wenn das ursprüngliche Erwerbseinkommen - beim Arbeitsentgelt mit dem Bruttobetrag, vgl § 14 SGB IV - über einem Siebtel der Bezugsgröße gelegen hatte, jedoch das aktuelle Einkommen wegen der typischen Absenkungsquote des Erwerbsersatzeinkommens diesen Grenzwert nicht mehr erreicht. Bei einer solchen Ausgangslage darf das Gericht von vornherein nicht im Wege der Lückenausfüllung die Rolle des Gesetzgebers übernehmen, eine klare Regelung durch eine inhaltlich andere ersetzen und sich so seiner Bindung an Recht und Gesetz entziehen (BVerfGE 87, 273, 280). Ein Gericht hat dann nur die Möglichkeit, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nach Art 100 Abs 1 GG einzuholen, wenn es von der Verfassungswidrigkeit der Regelung überzeugt ist. Der Senat indes hält die gesetzliche Regelung für verfassungsgemäß. Die vom SG angenommene Planwidrigkeit des Gesetzes liegt bereits objektiv nicht vor.
Das ALG gewährleistet für die Alterssicherung der Landwirte nur eine Teilabsicherung, neben der auch in der gesetzlichen Rentenversicherung oder anderweitig Anwartschaften oder Vermögen zum Zwecke der Alterssicherung aufgebaut werden können und sollen. Dies ergibt sich aus den Regelungen über die Berechnung der Renten in § 23 ALG. Nach 40 voll bewerteten Beitragsjahren oder gleichgestellten Zeiten beträgt für die Zeit ab 1. Juli 1995 der Monatsbetrag der Rente wegen Alters nach dem ALG 854 DM (21,35x40x12x0,0833), wogegen zum Vergleich 40 durchschnittlich bewertete Beitragsjahre in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 1. Juli 1995 zu einer Rente wegen Alters mit einem monatlichen Zahlbetrag von 1.849 DM (40x46,23) führen (§ 4 Abs 1 und § 1 Abs 1 RAV 1995 vom 1. Juni 1995, BGBl I 772). Auf dieses abgesenkte Leistungsniveau sind auch die Regelungen zur Ermittlung des Einheitsbeitrages für die allein beitragspflichtigen Landwirte (vgl § 70 Abs 1 Satz 1 Halbsatz 1 ALG) zugeschnitten. Im Ergebnis führt § 68 Satz 1 ALG dazu, daß ein Beitrag in Höhe von 80 vH des Beitrags erhoben wird, der in der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten für eine vergleichbare Leistung zu zahlen wäre, wobei durch den Abschlag lediglich berücksichtigt wird, daß das ALG ein geringeres Leistungsspektrum aufweist als die gesetzliche Rentenversicherung (BT-Drucks 12/7599 S 12 zu § 68 des Entw). Der einheitliche Pflichtbeitrag (1995: 291 DM monatlich, § 114 Abs 1 ALG) dient deshalb zum Erwerb einer Teilversorgung von weniger als der Hälfte einer durchschnittlichen Rente in der gesetzlichen Rentenversicherung. Konsequent sah deshalb der ursprüngliche Gesetzentwurf des Agrarsozialreformgesetzes 1995 (ASRG 1995) in § 2 Abs 1 Nr 1 die Versicherungsfreiheit erst dann vor, wenn ohne das Arbeitseinkommen aus der Land- und Forstwirtschaft das Arbeits- sowie das Erwerbsersatzeinkommen 80 vH der Bezugsgröße (das wären 1995 in den alten Bundesländern 3.248 DM monatlich) überschreitet, denn mit diesem Einkommen kann eine anderweitige ausreichende Absicherung aufgebaut werden (vgl BT-Drucks 12/5700 S 9, 64). Auf die Einführung einer Versicherungspflichtgrenze wurde im Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens zwar verzichtet (BT-Drucks 12/7599 S 8 zu § 2 <Versicherungsfreiheit>), und es verblieb allein bei der fakultativen Befreiungsmöglichkeit nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG. Bei dem hier normierten Grenzwert kann aber entgegen der Auffassung des SG nicht angenommen werden, daß eine ausreichende anderweitige Absicherung im System der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt. Mit Erwerbs- oder Erwerbsersatzeinkommen von etwa einem Siebtel der Bezugsgröße (1995: 580 DM in den alten Bundesländern) wird eine gleichwertige Alterssicherung auch nicht annähernd erreicht, weder auf dem Leistungsniveau der gesetzlichen Rentenversicherung noch wenigstens dem aufgezeigten des ALG.
Da es dem Zweck des ALG nicht widerspricht, neben der Absicherung nach dem ALG eine zweite Anwartschaft in der Rentenversicherung aufzubauen, ist es systemkonform, bei Landwirten, deren Verdienst sich im Grenzbereich bewegt, die Versicherungspflicht ohne Befreiungsmöglichkeit (jedoch im Regelfall, der immer im Auge behalten werden muß, mit Beitragszuschuß) jedenfalls dann einsetzen zu lassen, wenn infolge des Bezugs von Erwerbsersatzeinkommen die Anwartschaften in der Rentenversicherung auf noch geringerem Niveau aufrechterhalten werden. Denn beim Bezug der in § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG aufgeführten Lohnersatzleistungen werden auch die Rentenversicherungsbeiträge, was das SG nicht berücksichtigt hat, nur in abgesenkter Höhe entrichtet (in der Regel aus 80 vH des der Lohnersatzleistung zugrundeliegenden Bemessungsentgelts, vgl § 166 Satz 1 Nr 2 SGB VI).
Bei dem normierten Grenzwert für die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag handelt es sich also nur um ein Angebot des Gesetzgebers an das Landwirtsehepaar, eine mögliche doppelte Beitragslast zur gesetzlichen Alterssicherung zu vermeiden, sobald das aktuell zur Verfügung stehende Erwerbsersatzeinkommen den für alle Einkommensarten einheitlichen Grenzwert überschreitet. Dieser Grenzwert knüpft gerade nicht an eine bestehende anderweitige gleichwertige Sicherung oder die Zugehörigkeit zu einem anderen Sicherungssystem an.
Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, daß die einheitliche Entgelt-Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV speziell bei den Erwerbsersatzeinkommen eine aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität gegriffene Größe darstellt. Mit deren Anwendung erfolgt weder eine Ausgrenzung aus dem System des ALG noch eine Zuordnung zum System der gesetzlichen Rentenversicherung, ungeachtet der Tatsache, daß in Einzelfällen wie hier weiterhin Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung abgeführt werden. § 3 Abs 1 Nr 1 ALG schließt in der überwiegenden Zahl der Fallgestaltungen nicht an das Bestehen einer Pflichtversicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung an. Normiert sind vier Befreiungstatbestände (Bezug von Arbeitsentgelt, Bezug von Arbeitseinkommen, Bezug von vergleichbarem Einkommen und Bezug von Erwerbsersatzeinkommen). Nur der erste Befreiungstatbestand stimmt zwingend mit der Rentenversicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung überein, weil auch die Geringfügigkeitsgrenze des § 8 Abs 1 Nr 1 SGB IV iVm § 5 Abs 2 Nr 1 SGB VI bei einem Siebtel der monatlichen Bezugsgröße liegt. Dieser vereinzelte Zusammenhang ist aber gesetzessystematisch die Ausnahme und nicht die Regel. Für die übrigen Befreiungstatbestände des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ist die Geringfügigkeitsgrenze des SGB IV nur ein gegriffener, dynamisierungsfähiger Nominalbetrag. Arbeitseinkommen eines Selbständigen führt in der Regel nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Für vergleichbares Einkommen gilt dies ebenfalls. Aus der allgemeinen Definition der Erwerbsersatzeinkommen in § 3 Abs 4 Satz 1 ALG läßt sich kein Bezug zur Rentenversicherung ableiten. Die Beispielsfälle des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 1 ALG (Renten und Versorgungsbezüge) führen nicht zur Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Und selbst die Beispielsfälle des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG, die mit der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung einhergehen, sind bei "vergleichbaren Leistungen" in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei, sobald diese zB von einem privatwirtschaftlichen Versicherungsunternehmen erbracht werden. Ganz fern einer Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sind schließlich Erwerbsersatzeinkommen, die von einer Stelle außerhalb der Bundesrepublik Deutschland erbracht werden, oder Renten der betrieblichen oder überbetrieblichen Altersversorgung (§ 3 Abs 4 Satz 3 ALG).
Die Erwerbsersatzeinkommen nach § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG können auch nicht, wie die Klägerin meint, um die allein vom Sozialleistungsträger aufzubringenden Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung auf einen fiktiven "Bruttobetrag" erhöht werden, womit dann ggf ein Siebtel der Bezugsgröße überschritten wird und nach § 3 Abs 1 Nr 1 ALG die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragt werden kann. Das Bruttoprinzip gilt für Arbeitsentgelte (vgl § 14 SGB IV) und (eingeschränkt) auch für das Arbeitseinkommen von Selbständigen, denn dies ist nach § 15 Abs 1 Satz 1 SGB IV der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Die Erwerbsersatzeinkommen nach § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG, wie das Arbeitslosengeld, werden indes "netto" ohne Abzüge ausgezahlt. Bei den Erwerbsersatzeinkommen nach § 3 Abs 4 Nr 1 ALG, zB Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, kann dagegen auf einen Bruttobetrag erhöht werden, wenn Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abgezogen werden.
Die Regelung des § 18b Abs 2 Satz 1 SGB IV im 4. Titel des 1. Abschnitts (Einkommen beim Zusammentreffen mit Renten wegen Todes) kann nicht entsprechend herangezogen werden und führte auch nicht zu einem Ergebnis im Sinne der Klägerin. Danach wird beim Bezug einer Rente wegen Todes und gleichzeitigem Bezug von Erwerbsersatzeinkommen nach § 18a Abs 3 Satz 1 Nr 1 (weitgehend deckungsgleich mit dem Katalog des § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG) anstelle der Lohnersatzleistung fiktiv das Erwerbseinkommen des letzten Kalenderjahres, geteilt durch die Zahl der Kalendermonate, in denen es erzielt wurde, als anrechnungsfähges Einkommen berücksichtigt. Diese Vorschrift steht vor allem in einem anderen Regelungszusammenhang und dient ausschließlich der Verwaltungsvereinfachung. Im übrigen führte sie auch nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis. Sie müßte in ihrem vollem Umfange angewandt werden, dh in einem zweiten Schritt nach § 18b Abs 5 SGB IV hätte wieder eine Kürzung auf (fiktive) Nettoeinkommen zu erfolgen, womit der von der Klägerin angestrebte Effekt idR nicht mehr erreicht würde. Kürzungen auf die Nettobeträge erfolgen im übrigen auch bei den mit § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 1 ALG vergleichbaren Erwerbsersatzeinkommen, vgl § 18b Abs 5 Satz 2 SGB IV. Ferner vermag auch die Regelung des FELEG nicht die Argumentation der Klägerin zu stützen. Beim Zusammentreffen einer Produktionsaufgaberente nach dem FELEG vom 21. Februar 1989 (BGBl I 233) mit den in § 8 Abs 1 FELEG genannten anrechenbaren Erwerbs- und Erwerbsersatzeinkommen unter Bezugnahme auf die Definition des § 3 Abs 4 ALG liegt eine ähnliche Konstellation wie beim Zusammentreffen von anrechenbarem Einkommen mit einer Rente wegen Todes vor, so daß in § 8 Abs 2 FELEG ua auch die entsprechende Anwendung des § 18b Abs 2 SGB IV bestimmt wurde. Eine darüber hinausgehende Bedeutung kommt dieser Verweisung nicht zu.
Zu beachten ist schließlich, daß das ALG auch den Zweck hat, zusätzlich zu den Lasten, die der Bund bisher schon für das agrarsoziale Sicherungssystem getragen hat, durch die Umschichtung von Bundesmitteln in Form von Beitragszuschüssen und die Vermehrung der Zahl der Beitragszahler zur Stabilisierung der Alterssicherung der Landwirte beizutragen (so Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines ASRG 1995, BT-Drucks 12/5889, S 2 B. Finanzierung). Der Zuschuß gemäß den §§ 32 ff ALG beträgt bis zu einem jährlichen Einkommen von 16.000 DM 80 vH des Beitrags und wird um jeweils 3,2 vH der Beiträge für je 1.000 DM gemindert, um die das jährliche Einkommen 15.001 DM übersteigt (§ 33 Abs 1 Sätze 1 und 2 ALG). Den Zuschuß erhalten versicherungspflichtige Landwirte bis zu einem jährlichen Einkommen von 40.000 DM (§ 32 Abs 1 ALG). Auch diese Regelungen knüpfen zur Feststellung des anrechenbaren Einkommens im Interesse der Versicherten - wenngleich nicht für die aktuellen Zeiträume (was aber verwaltungstechnische Gründe hat) - prinzipiell an das Erwerbs- oder das in § 3 Abs 4 ALG definierte Erwerbsersatzeinkommen an. Das ist im Hinblick auf das Subventionsziel nur dann sinnvoll, wenn einerseits das der Einkommensteuer unterworfene Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen (vgl § 32 Abs 3 Satz 3 Nr 1 iVm Satz 4 ALG) und andererseits bei den Erwerbsersatzeinkommen (vgl § 32 Abs 3 Satz 3 Nr 2 iVm Satz 5 ALG) - jedenfalls bei den Erwerbsersatzeinkommen nach § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG - die jeweils verfügbaren Einkommen zugrunde gelegt werden. Wäre entsprechend der Rechtsauffassung des SG auch hier beim Bezug typischer Lohnersatzleistungen das der Bemessung jener Leistungen zugrundeliegende Einkommen maßgeblich, würde das Subventionsziel verfehlt und viele Landwirte würden keinen oder nur einen geringen Beitragszuschuß erhalten. Im Hinblick darauf, daß das Gesetz in § 3 Abs 4 ALG den Begriff Erwerbsersatzeinkommen definiert und ihn in den §§ 32 ff ALG nicht erneut mit anderem Inhalt erläutert, ist davon auszugehen, daß der Begriff im ALG inhaltsgleich verwendet wird und im Gegensatz zu § 8 Abs 2 FELEG keiner weiteren Ergänzung durch die entsprechende Anwendung von Regelungen der §§ 18a ff SGB IV, die auf eine andere Ausgangslage zugeschnitten sind, bedarf.
Bei der erforderlichen Gesamtschau der Regelungen des ALG über die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag und der Regelungen über den Beitragszuschuß wird deutlich, daß nur diejenigen die Befreiung von der Versicherungspflicht beantragen werden, die keinen oder nur einen geringen Beitragszuschuß zu erwarten haben. Dieser Personenkreis ist mit Beiträgen belastet, deren Wert nicht besser aber auch nicht schlechter ist als der Wert der Beiträge der Pflichtversicherten in der gesetzlichen Rentenversicherung. Der Erhalt eines möglichst großen Kreises auch nicht subventionierter Beitragszahler ist aber ebenfalls ein legitimes Ziel des Gesetzgebers (s auch die Begründung der Bundesregierung zum Entwurf eines ASRG 1995, aaO). Ein weiteres Absenken der ohnehin bereits niedrig festgelegten Grenzwerte für die Befreiung von der Versicherungspflicht auf Antrag birgt die Gefahr, daß die Beitragsbasis wegbricht und damit das Gesamtsystem der Alterssicherung der Landwirte in Frage gestellt ist.
Die Regelung des § 3 Abs 1 Nr 1 ALG ist verfassungsgemäß. Eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung gegenüber denjenigen Landwirten, die die Befreiung beantragen können, weil ihr (Brutto-)Arbeitseinkommen ein Siebtel der Bezugsgröße überschreitet, liegt nicht vor. Die Gruppe der Bezieher von Arbeitseinkommen ist eine andere als die, wie dargelegt, sehr differenzierte Gruppe der Bezieher von Erwerbsersatzeinkommen. Aber auch mit Blick auf die Gruppe der Bezieher typischer rentenversicherungspflichtiger Lohnersatzleistungen, wie des Arbeitslosengeldes im vorliegenden Falle, liegt keine Ungleichbehandlung vor. Das Differenzierungskriterium des Gesetzes - das bei den Leistungen nach § 3 Abs 4 Satz 2 Nr 2 ALG idR effektiv zur Verfügung stehende Einkommen - ist sachgerecht und führt wegen des Anspruchs auf einen Beitragszuschuß bei nicht ausreichendem Familieneinkommen zu keinem Wertungswiderspruch.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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