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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 06.02.2001
Aktenzeichen: B 10 LW 19/00 R
Rechtsgebiete: ALG
Vorschriften:
ALG § 32 Abs 4 | |
ALG § 107a |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: B 10 LW 19/00 R
Kläger und Revisionsbeklagte,
gegen
Beklagte und Revisionsklägerin.
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 6. Februar 2001 durch die Richter Dr. Steinwedel - als Vorsitzender - , die Richter Schenk und Masuch sowie die ehrenamtlichen Richter Heithecker und Bauer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Anschlußrevision des Klägers wird als unzulässig verworfen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24. Februar 2000 geändert. Die Klage der Klägerin wird insoweit abgewiesen, als in den angefochtenen Bescheiden für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis 31. Juli 1998 das Ruhen des ihr nach dem Einkommensteuerbescheid für 1995 nicht zustehenden Teils des Beitragszuschusses und die entsprechende Rückzahlungspflicht geregelt wird. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern zwei Drittel der Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über das Ruhen des Anspruchs auf Beitragszuschuß für einen Zeitraum, während dessen die Kläger den letzten Einkommensteuerbescheid nicht vorgelegt hatten.
Die Kläger waren als Landwirt bzw dessen Ehegattin bei der Beklagten versichert (§ 1 Abs 2, Abs 3 Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte <ALG>) und erhielten Beitragszuschuß (§ 32 ALG). Ihre Pflicht zur zeitgerechten Vorlage des sich auf das jeweils zeitnächste Veranlagungsjahr beziehenden Einkommensteuerbescheides (§ 32 Abs 4, Abs 3 Satz 4 Nr 1 ALG) hatten sie für den Einkommensteuerbescheid 1994 vom 7. August 1996 durch Vorlage am 3. September 1996 erfüllt; ebenso für den Einkommensteuerbescheid 1996 vom 15. Juli 1998, vorgelegt am 22. Juli 1998. Den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 18. Juni 1997 legten sie erst am 3. August 1998 der Beklagten (in Kopie) vor, gaben jedoch an, ihn erstmals bereits im Juni des Vorjahres eingereicht zu haben.
Mit den angefochtenen Bescheiden vom 9. Oktober 1998 und Widerspruchsbescheiden vom 28. Januar 1999 hob die Beklagte jeweils die Bewilligung des Beitragszuschusses für den Zeitraum vom 1. August 1997 bis einschließlich 31. August 1998 mit der Begründung auf, die Leistung ruhe wegen nicht fristgerechter Vorlage des Einkommensteuerbescheides; die für jenen Zeitraum geleisteten Zuschüsse (2 x DM 3.454,--) forderte sie zurück.
Die Klagen hatten teilweise Erfolg. Das Sozialgericht (SG) Landshut hat mit Urteil vom 24. Februar 2000 die die Klägerin betreffenden Bescheide insgesamt aufgehoben; hinsichtlich des Klägers wurde die Beklagte - unter Klagabweisung im übrigen - lediglich verurteilt, von der Rückforderung des Beitragszuschusses für den Monat August 1998 abzusehen, da für jenen Monat bereits der zeitnähere Einkommensteuerbescheid für 1996 vorgelegen habe. Die Aufhebung der die Klägerin betreffenden Bescheide begründete das SG damit, daß diese eine unverhältnismäßige Sanktion vorsähen. Es liege lediglich ein Verstoß gegen ein gesetzliches Gebot vor, das nicht zur doppelten Belastung zweier Ehepartner führen dürfe; dieses Ergebnis folge auch aus der engen Verzahnung des Steuerrechts mit dem Recht des Beitragszuschusses und einer Rechtsanalogie der Vorschriften der §§ 26, 26b Einkommensteuergesetz, § 44 Abs 1 Abgabenordnung sowie § 70 Abs 1 Satz 1 ALG.
Hiergegen richtet sich die (Sprung-) Revision der Beklagten. Sie trägt vor, eine verfassungskonforme Auslegung, wie vom SG und - in anderer Form - auch vom erkennenden Senat (Hinweis auf die Urteile vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R und B 10 LW 11/00 R) vertreten, finde ihre Grenze dort, wo sie mit dem Wortlaut des Gesetzes und dem klar erkennbaren Willen des Gesetzgebers in Widerspruch treten würde. Ein derartiger Widerspruch ergebe sich jedoch, wenn der Zeitpunkt der Vorlage des Steuerbescheides in das Belieben des potentiell Beitragszuschuß Berechtigten gestellt und die Rückforderung des Beitragszuschusses von einer Ermessensausübung abhängig gemacht würde. Das Urteil des SG widerspreche Wortlaut und Zweckbestimmung der Ruhensvorschrift des § 32 Abs 4 ALG. Den aus dieser Regelung folgenden Härten habe der Gesetzgeber lediglich mit der Ausnahmebestimmung des § 107a ALG nur für den Zeitraum vor dem 1. Januar 1997 Rechnung getragen. Die Regelung sei auch insgesamt verfassungsmäßig.
Die Beklagte beantragt,
bezüglich des Klägers das Urteil des SG insoweit aufzuheben als die Beklagte verurteilt wird, bei ihm von der Rückforderung des Beitragszuschusses für den Monat August 1998 abzusehen, und die Klage auch insoweit abzuweisen; bezüglich der Klägerin das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen (Schriftsatz vom 20. Dezember 2000),
bezüglich des Klägers das Urteil des SG insoweit aufzuheben, soweit die Beklagte darin nicht verurteilt wird, von der Rückforderung des Beitragszuschusses für den Monat August 1998 abzusehen, und die Beklagte hinsichtlich der verbleibenden Rückforderung des Beitragszuschusses zu verurteilen, die angefochtenen Bescheide aufzuheben;
bezüglich der Klägerin die Revision gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Sie nehmen zur Begründung auf die Senatsurteile vom 17. August 2000 (B 10 LW 8/00 R und B 10 LW 11/00 R) Bezug.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) einverstanden erklärt.
II
Soweit der Antrag des Klägers im Revisionsverfahren über den Antrag hinausgeht, die Revision der Beklagten zurückzuweisen, ist er als Anschlußrevision anzusehen. Diese ist unzulässig, da verfristet. Sie hätte binnen eines Monats nach Zustellung der Revisionsbegründung (laut Empfangsbekenntnis am 20. Oktober 2000) eingelegt werden müssen (§ 202 SGG iVm § 556 Abs 1 Zivilprozeßordnung; vgl BSG vom 21. Juli 1977, BSGE 44, 184 f = SozR 1750 § 556 Nr 1), also bis zum 20. November 2000. Der den erweiterten Antrag enthaltende Schriftsatz der Kläger vom 20. Dezember 2000 ist jedoch erst am 22. Dezember 2000 beim Bundessozialgericht eingegangen. Auf die Revision der Beklagten ist hinsichtlich des Klägers lediglich das Ruhen des Beitragszuschusses für den Monat August 1998 streitig, während hinsichtlich der Klägerin nach wie vor über den gesamten Zeitraum (August 1997 bis August 1998) zu entscheiden ist.
Die Revision der Beklagten erweist sich als auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung des Senats (1) als teilweise begründet. Wie das SG zutreffend erkannt hat, scheitert das in den angefochtenen Bescheiden festgestellte Ruhen des Anspruchs auf Beitragszuschuß für den Monat August 1998 - und die insoweit geltend gemachte Rückzahlungsforderung - daran, daß die Kläger für diesen Zeitraum der Beklagten bereits den zeitnäheren Einkommensteuerbescheid für 1996 vorgelegt hatten (2). Soweit danach noch streitig, erweisen sich die angefochtenen Bescheide als rechtmäßig, als sie sich auf den Teil des Beitragszuschusses beziehen, der der Klägerin nach dem maßgeblichen Einkommensteuerbescheid für 1995 nicht zustand (3a); im übrigen erweisen sie sich als rechtswidrig, da die Beklagte das ihr zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat, ob der Beitragszuschuß insoweit in vollem Umfang oder nur teilweise ruht (3b).
(1)
Der Senat geht hierbei von folgenden Grundsätzen aus (vgl insoweit im einzelnen das Senatsurteil vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R, das den Beteiligten zur Kenntnis gegeben wurde):
Das mit dem ALG eingeführte Verfahren zur Berechnung des Beitragszuschusses (neue Anrechnungsmethode) stellt maßgeblich auf jene Einkünfte ab, die sich aus dem letzten (dem sich auf das zeitnächste Veranlagungsjahr beziehenden) Einkommensteuerbescheid ergeben (wenn für eines der letzten vier Kalenderjahre eine Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt ist): § 32 Abs 3 Satz 4 Nr 1 ALG. Damit ist die Alterskasse darauf angewiesen, jeweils die neuesten Einkommensteuerbescheide zu erhalten. Deshalb regelt § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 ALG, daß ihr der Einkommensteuerbescheid spätestens zwei Kalendermonate nach seiner Ausfertigung vorzulegen ist (also bei Ausfertigung im Juni - wie hier - spätestens bis Ende August). Geschieht dies, so werden die sich hieraus ergebenden Änderungen vom ersten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats an berücksichtigt (§ 32 Abs 4 Satz 2 ALG; also bei Ausfertigung im Juni und rechtzeitiger Vorlage, je nach Vorlagemonat, ab 1. Juli, 1. August oder 1. September).
Wird der Einkommensteuerbescheid erst verspätet vorgelegt, so ergeben sich hieraus unterschiedliche Konsequenzen, je nachdem, ob sich nach den Feststellungen im Steuerbescheid ein niedrigerer (a) oder ein gleich hoher oder höherer (b) Beitragszuschuß errechnet als bisher gezahlt.
(a) Soweit sich die Festsetzungen in dem neuen, der Alterkasse verspätet vorgelegten Einkommensteuerbescheid negativ auf den Beitragszuschuß auswirken - also zu einem niedrigeren oder gar keinem Anspruch führen -, erfolgt ab dem Beginn des dritten Kalendermonats nach Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides (vgl § 107a Satz 2 ALG, also bei Ausfertigung im Juni - wie hier - ab 1. September) eine Neufeststellung, und der Landwirt hat die entsprechende Überzahlung in jedem Fall zu erstatten. Dies folgt - auch ohne die Ruhensvorschrift des § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG - aus der Regelung des § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 iVm § 34 Abs 4 ALG; nach der letztgenannten Vorschrift ist bei einer Änderung der für den Beitragszuschuß maßgebenden Verhältnisse die bisherige Bewilligung vom Zeitpunkt der Änderung an aufzuheben. Da diese Sonderregelung zu § 48 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) rückwirkende Neufeststellungen zu Lasten des Betroffenen erlaubt, ohne Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes zu berücksichtigen (hierzu Senatsurteil vom 8. Oktober 1998, SozR 3-5868 § 32 Nr 2 S 14), kann der Betroffene jedenfalls keinen Vorteil daraus ziehen, daß der Alterskasse ein neuer, maßgeblicher Einkommensteuerbescheid erst verspätet bekannt wird. Der überzahlte Beitragszuschuß ist zurückzuzahlen (§ 50 Abs 1 SGB X).
(b) Soweit nicht bereits nach den Grundsätzen zu (a) der gesamte Beitragszuschuß zurückzuzahlen ist, greift die Ruhensvorschrift des § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG ein: Hiernach ruht - wird der Einkommensteuerbescheid nicht rechtzeitig vorgelegt - der Beitragszuschuß vom Beginn des Monats, in dem der Bescheid (gemeint: noch) fristgemäß hätte vorgelegt werden können (hier also ab 1. August bis zum Ablauf des Monats der tatsächlichen Vorlage (bei Vorlage im August des Folgejahres also bis zum 31. August): Die Regelung setzt bereits vom Tatbestand her ein Verschulden voraus (s hierzu das Senatsurteil vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R unter II 1, S 8 des Umdrucks). Die Leistungsbewilligung ist insoweit aufzuheben. Dies geschieht naturgemäß stets rückwirkend, da der Alterkasse die Existenz eines neuen Einkommensteuerbescheides nicht bereits mit seinem Erlaß bekannt wird. Die Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung für die Vergangenheit (wegen des nachträglich festgestellten Ruhens) ist auch hier ohne weitere Voraussetzungen und ohne Rücksicht auf einen etwaigen Vertrauensschutz möglich (§ 34 Abs 4 ALG); ein für den Ruhenszeitraum gezahlter Beitragszuschuß ist dann zurückzuzahlen (§ 50 Abs 1 SGB X).
Der Ruhensvorschrift des § 32 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 ALG kommt damit ein reiner Sanktionscharakter zu. Sie ist unter entsprechender Anwendung des § 67 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch (SGB I) verfassungskonform einschränkend auszulegen: Die Alterskasse hat ein Ermessen auszuüben, ob der im Ruhenszeitraum ausgezahlte und nach dem maßgeblichen Steuerbescheid auch zustehende Beitragszuschuß in voller Höhe ruht oder lediglich teilweise (Senatsurteil vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R unter II 3 und 4, S 13 ff des Umdrucks).
(2)
Auf dieser Grundlage kommt im vorliegenden Fall von vornherein weder ein Ruhen noch eine Neufeststellung des Beitragszuschusses (mit Rückzahlungspflicht) für den Monat August 1998 in Betracht, ab dem nach § 32 Abs 4 Satz 2 ALG die im (neueren) Einkommensteuerbescheid für 1996 festgesetzten Einkünfte der Berechnung des Beitragszuschusses zugrunde zu legen waren.
Ab dem Zeitpunkt, in dem der Berechnung des Beitragszuschusses ein Einkommensteuerbescheid für ein zeitnäheres Veranlagungsjahr zugrunde zu legen ist, verlieren Steuerbescheide für weiter zurückliegende Veranlagungsjahre insoweit jegliche Bedeutung. Dies folgt aus der Regelung des § 32 Abs 3 Satz 4 Nr 1 ALG; hiernach sind maßgebend für die Feststellung des Einkommens nach § 32 Abs 3 Satz 3 Nr 1 - und damit auch für das Jahreseinkommen des § 32 Abs 3 Satz 1 und das jährliche Einkommen des § 32 Abs 2 ALG - die Einkünfte, die sich aus dem Einkommensteuerbescheid mit dem zeitnächsten Veranlagungsjahr ergeben (sofern eine Veranlagung zur Einkommensteuer für eines der letzten vier Kalenderjahre erfolgt ist). Änderungen des Einkommens werden vom ersten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats berücksichtigt (§ 32 Abs 4 Satz 2 ALG).
Dies bedeutet aber nichts anderes, als daß ab der Vorlage eines Einkommensteuerbescheides für ein zeitnäheres Veranlagungsjahr (hier: des Einkommensteuerbescheides für 1996 vom 15. Juli 1998, vorgelegt am 22. Juli 1998) sämtliche Einkommensteuerbescheide für die Vorjahre (seien sie vorläufig oder endgültig, Erst- oder Änderungs-Bescheide) jegliche Relevanz im Verfahren über den Beitragszuschuß für spätere Zeiträume (hier: ab August 1998) verlieren. Dies wird insbesondere dann deutlich, wenn vor dem Erlaß des Einkommensteuerbescheides zB für 1996 noch die erstmalige Festsetzung der Einkommensteuer für 1995 aussteht. Dann ist ein hierüber später noch ergehender Bescheid - gleichgültig, welche Einkünfte auch immer er auswiese - für den Beitragszuschuß vor vornherein unbeachtlich; bei einer solchen - zugegebenermaßen außergewöhnlichen - Fallkonstellation entsteht hinsichtlich des Einkommensteuerbescheides für 1994 nach § 34 Abs 4 Satz 1 Halbsatz 1 ALG von vornherein keine Vorlagepflicht. Ganz entsprechend können aber auch nach Halbsatz 2 aaO für Zeiträume nach Vorlage eines zeitnäheren Einkommensteuerbescheides aus der verspäteten Vorlage eines früheren Steuerbescheides keine nachteiligen Folgerungen mehr gezogen werden.
Diese Auffassung hält auch den vorgetragenen Gegenargumenten stand. Insoweit geht die Beklagte davon aus, der Wortlaut des § 32 Abs 4 Satz 1 ALG lasse keine entsprechende Differenzierung zu; wäre er im vom Senat vertretenen Sinne auszulegen, hätte der zweite Halbsatz jener Vorschrift nach ihrer Ansicht wie folgt formuliert sein müssen: "...; nach Ablauf dieser Frist ruht die Leistung von Beginn des Monats, in dem der Bescheid fristgemäß hätte vorgelegt werden können, bis zum Ablauf des Monats in dem dieser oder der mittlerweile nach Abs 3 Satz 4 Nr 1 maßgebende Bescheid vorgelegt wird."
Dieser Argumentation ist entgegenzuhalten, daß mit dem in § 32 Abs 4 Satz 1 ALG - sowohl im ersten als auch im zweiten Halbsatz genannten - "Einkommensteuerbescheid" nicht zwingend jeder Bescheid, unabhängig vom maßgeblichen Veranlagungsjahr, gemeint ist. Vielmehr liegt durchaus nahe, daß sich der hier verwandte Begriff "Einkommensteuerbescheid" auch ohne nähere Erläuterung auf den Einkommensteuerbescheid iS des § 32 Abs 3 Satz 4 Nr 1 ALG bezieht, also den "sich auf das zeitnächste Veranlagungsjahr beziehende(n) Einkommensteuerbescheid"; dies ist auch der einzige Einkommensteuerbescheid, der in der Vorschrift des § 32 ALG vor ihrem Abs 4 Satz 1 ALG überhaupt erwähnt wird.
Ebensowenig bedeutet ein Vorgehen nach der Auslegung des Senats, daß - wie die Beklagte meint - die Alterskasse nicht sicher sein könne, ob ihr der jeweils zeitnächste Einkommensteuerbescheid vorliege und ob in einem weiteren Bescheid nicht evtl abweichende Einkommensdaten enthalten seien. Es mag zwar zutreffen, daß sämtliche Einkommensteuerbescheide bekannt sein müssen, um über das Ruhen und die verfahrensrechtlichen Konsequenzen entscheiden zu können. Es ist jedoch Aufgabe der Alterskasse, den Gründen für ungewöhnlich erscheinende Abfolgen ihr eingereichter Einkommensteuerbescheide (auf den Einkommensteuerbescheid 1993 folgt zB der Einkommensteuerbescheid 1995) nachzugehen - wie sie es auch im vorliegenden Fall getan hat, als ihr der Einkommensteuerbescheid für 1996 vorlag, obwohl der Bescheid für 1995 bei ihr noch nicht eingegangen war. Eine Ruhenssanktion auch insoweit an die Nichtvorlage von Einkommensteuerbescheiden anzuknüpfen, als sie schon nach dem Veranlagungsjahr nicht mehr für die Berechnung des Beitragszuschusses einschlägig sein können, würde das Übermaßverbot (vgl das Senatsurteil vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R unter II 2 und 3, S 10 ff des Umdrucks) verletzen.
(3)
Hinsichtlich des hiernach noch streitigen Zeitraums von August 1997 bis Juli 1998 sind Gegenstand des Revisionsverfahrens nur die der Klägerin gegenüber ergangenen Bescheide. Im Gegensatz zur Rechtsmeinung des SG erweisen sich diese insoweit als nur teilweise rechtswidrig. Denn der Anspruch der Klägerin auf Beitragszuschuß hat jedenfalls insoweit geruht, als ihr diese Leistung auf der Grundlage des maßgeblichen Einkommensteuerbescheides für 1995 nicht zustand (a). Im übrigen sind die Bescheide jedoch aufzuheben, da eine Ermessensentscheidung der Beklagten darüber fehlt, ob der Klägerin der Beitragszuschuß insoweit zum Teil zu belassen ist (b).
(a) Im Fall der Klägerin sind die Voraussetzungen für eine Neufeststellung des Beitragszuschusses für den Zeitraum von August 1997 bis Juli 1998 jedenfalls erfüllt, als der bewilligte Beitragszuschuß nach dem verspätet vorgelegten Einkommensteuerbescheid für 1995 nicht zustand. Der vorliegende Fall ist dadurch gekennzeichnet, daß der hiernach zu errechnende Beitragszuschuß erheblich niedriger ausfällt als der im oa Zeitraum gezahlte, noch auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für 1994 bewilligte Zuschuß. Die sich aus den Steuerbescheiden ergebenden Einkünfte der Kläger hatten sich 1995 gegenüber 1994 etwa verdoppelt; dies ergibt sich aus den vom SG zur Ergänzung des Tatbestandes in Bezug genommenen Beklagtenakten (dort Bl 70, 75 f, 80). Soweit hierdurch eine Überzahlung eingetreten ist, hat die Klägerin den Beitragszuschuß auch zurückzuzahlen, ohne daß es auf ein Verschulden ankommt oder einer Ermessensausübung bedarf.
Soweit auch auf der Grundlage des Einkommensteuerbescheides für 1995 der Klägerin der Beitragszuschuß nach materiellem Recht tatsächlich zustand, sind jedoch die angefochtenen Bescheide aufzuheben, weil eine Ermessensentscheidung der Beklagten darüber fehlt, ob jener Teil des Beitragszuschusses voll oder nur teilweise ruht.
Der Klägerin ist ein schuldhaftes, zumindest fahrlässiges Verhalten - als Voraussetzung für das Ruhen nach § 34 Abs 4 Satz 1 Halbs 2 ALG (siehe hierzu Senatsurteil vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R, unter II 1) - vorzuwerfen. Wie jedenfalls aus ihrem Vortrag im Widerspruchsverfahren (auf das das SG-Urteil durch seine Verweisung auf den gesamten Akteninhalt Bezug nimmt) hervorgeht, waren sich die Kläger bei Erhalt des Einkommensteuerbescheides für 1995 vom 18. Juni 1997 über ihre Verpflichtung im klaren, diesen alsbald der Beklagten vorzulegen; sie haben ja auch vorgetragen, dies unverzüglich, noch im Juni 1997 getan zu haben. Indes ist nicht erwiesen, daß dies tatsächlich geschehen ist. Dies ergibt sich aus den für das BSG bindenden (§ 163, § 161 Abs 4 SGG) tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil. Hierin heißt es (S 8 f zur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand), die Kläger hätten nicht glaubhaft gemacht, den maßgeblichen Einkommensteuerbescheid wirklich rechtzeitig an die Beklagte abgesandt zu haben. Damit kann diese Behauptung erst recht nicht als bewiesen gelten. (Der Senat hat nicht zu entscheiden, ob der zu dieser Feststellung führenden Beweiswürdigung zuzustimmen ist; ebenso kann offenbleiben, ob der Beweis, der fragliche Einkommensteuerbescheid sei der Beklagten nicht vor August 1998 zugegangen, bereits durch deren Eingangsstempel <"03.08.1998"> auf einer <im Zusammenhang des Vorbringen der Kläger: weiteren> Kopie jenes Bescheides <Bl 78 - 80 Bekl-Akte> geführt werden kann, die am 31. Juli 1998 abgesandt wurde <so jedoch Bl 5 des SG-Urteils>).
Besondere Gesichtspunkte des Einzelfalles für die Ermessensausübung bei erneuter Bescheiderteilung sind nicht ersichtlich. Die vom SG in den Vordergrund seiner Argumentation gestellte "Doppelbelastung" eines beitragszahlenden Ehepaares vermag der Senat nicht zu sehen: Wer doppelt (für zwei Ehepartner) Beitragszuschuß bezieht, ist sachgerecht auch zur doppelten Rückzahlung heranzuziehen, soweit der Zuschuß (nach den Festsetzungen im zeitnächsten Einkommensteuerbescheid oder bei im übrigen rechtmäßigem Ruhen der Leistung) nicht zugestanden hat. Sollte der Klägerin erstmals ein Fristversäumnis vorzuwerfen sein, könnte damit erwogen werden, ihr den an sich zustehenden Teil des Beitragszuschusses zu vier Fünftel zu belassen, also nur in Höhe von einem Fünftel ruhen zu lassen und zurückzufordern (s hierzu Senatsurteil vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R unter II 4).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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