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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: B 10 LW 19/99 B
Rechtsgebiete: SGG


Vorschriften:

SGG § 160a
SGG § 160 Abs 2 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluß

in dem Rechtsstreit

Az: B 10 LW 19/99 B

Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Landwirtschaftliche Alterskasse Hessen, Luisenstraße 12, 34119 Kassel,

vertreten durch den Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, Weißensteinstraße 70/72, 34131 Kassel,

Beklagte und Beschwerdegegnerin.

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat am 7. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Wiester, die Richter Dr. Steinwedel und Schenk sowie die ehrenamtlichen Richter Rückert und Weniger

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 28. Mai 1999 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Klägerin ist die Ehefrau eines ab 1. Januar 1995 von der Versicherungspflicht befreiten Nebenerwerbslandwirts, der eine Fläche von 13,63 ha bewirtschaftet. Als Beamtin im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit hatte sie zur Betreuung ihrer in den Jahren 1988 und 1991 geborenen Töchter bis zum 31. März 1996 Erziehungsurlaub genommen. Sie wandte sich bisher vergeblich gegen die Feststellung der Versicherungs- und Beitragspflicht zur Landwirtschaftliche Alterskasse nach § 1 Abs 3 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) hinsichtlich des Zeitraums vom 1. Januar 1995 bis 31. März 1996 (Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 1995 idF des Bescheides vom 22. April 1996 über die Befreiung von der Versicherungspflicht sowie des Widerspruchsbescheides vom 20. Juni 1996, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> Kassel vom 17. März 1997, Urteil des Hessischen Landessozialgerichts <LSG> vom 28. Mai 1999).

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG stützt die Klägerin auf die grundsätzliche Bedeutung ihrer Rechtssache (§ 160a iVm § 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG>): Entscheidungserheblich und klärungsbedürftig sei die Rechtsfrage, "ob die Fiktion, die Klägerin sei Landwirt, auch für die Ehefrau eines Nebenerwerbslandwirts gilt, welche im Betrieb nicht mitarbeitet, hauptberuflich Beamtin auf Lebenszeit ist und nach Geburt des zweiten Kindes die Kindererziehungszeit um 19 Monate überschreitet, um in dem Jahr, in welchem das ältere der beiden Kinder das achte und das jüngere der beiden Kinder das fünfte Lebensjahr vollendete, wieder ihrem Beruf als Beamtin nachzugehen". Hinsichtlich dieser generalisierbaren Konstellation liege noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor. Der Dienstherr habe sie nach Maßgabe des Schutzauftrags gemäß Art 6 Grundgesetz (GG) während des Erziehungsurlaubs von einer Arbeitsverpflichtung freigestellt. Während der Zeit der Betreuung zweier Kinder unter 10 Jahren habe sie statt dessen einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihrem Ehemann, denn es bestehe gegenüber dem Ehegatten keinerlei Verpflichtung zu einer Erwerbstätigkeit. Damit sei aber nicht zu vereinbaren, daß sie ab 1. Januar 1995 als "Landwirt" gelte, damit gezwungenermaßen einen zweiten Beruf ausübe, und für einen kurzen Zeitraum Beiträge nach dem ALG zu erbringen habe, obwohl sie durch die außerlandwirtschaftliche Altersversorgung ihres Ehemannes sowie ihren Status als Beamtin auf Lebenszeit abgesichert sei. Im übrigen liege eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung darin, daß nur für die Berufsgruppe der Landwirte die Fiktion des § 1 Abs 3 ALG gelte.

Die Beschwerde ist jedenfalls unbegründet.

Soweit die Klägerin die Rechtsfrage aufwirft, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG vereinbar sei, daß § 1 Abs 3 ALG nur die Ehegatten von Landwirten unabhängig von einer tatsächlichen Mitarbeit in der Landwirtschaft und anderweitiger Inanspruchnahme (zB durch Kindererziehung) in die Pflichtversicherung nach dem ALG einbezieht, liegt eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nach den Entscheidungen des Senats vom 12. Februar 1998 (BSGE 81, 294 ff = SozR 3-5861 § 1 Nr 1) und 25. November 1998 (BSGE 83, 145 ff = SozR 3-5861 § 1 Nr 2) nicht mehr vor.

Soweit die Klägerin auf ihren Status im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit verweist und generell für diese Berufsgruppe eine höchstrichterliche Entscheidung darüber herbeiführen möchte, ob die Pflichtversicherung nach § 1 Abs 3 ALG während des unbezahlten Erziehungsurlaubs gegen die Verfassung verstößt, ist diese Problematik nicht klärungsbedürftig. Im Lichte der oben angeführten Rechtsprechung des Senats ergibt sich die Antwort unmittelbar aus dem Gesetz: Der Status als Beamter im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit spielt nach § 1 Abs 1 und 2 ALG für die Begründung der Versicherungspflicht als Landwirt keine Rolle. Im Gegensatz zur gesetzlichen Rentenversicherung sind Beamte nicht kraft Gesetzes versicherungsfrei (vgl den abgeschlossenen Katalog des § 2 ALG), können sich allerdings auf Antrag wie jeder Arbeitnehmer für die Dauer des Bezugs anderweitigen Einkommens - dh der Dienstbezüge - von mehr als einem Siebtel der Bezugsgröße von der Versicherungspflicht befreien lassen (vgl § 3 Abs 1 Nr 1 ALG). Für die sogenannten "Fiktivlandwirte" nach § 1 Abs 3 ALG gilt nichts anderes. Sie werden versicherungspflichtig ohne Rücksicht auf ihren rechtlichen Status und sie können sich ggf auf Antrag während des Bezugs von Dienst- oder Versorgungsbezügen von der Versicherungspflicht befreien lassen. Daß der Klägerin von ihrem Dienstherrn unbezahlter Erziehungsurlaub über jene Zeiten hinaus gewährt wurde, die in der gesetzlichen Rentenversicherung als Erziehungszeiten angerechnet werden, ist keine Besonderheit des Beamtenrechts. Entsprechende Vereinbarungen gibt es auch in der Privatwirtschaft. Das Recht des Landwirts und des "Fiktivlandwirts" nach § 1 Abs 3 ALG, gemäß § 3 Abs 1 Nr 2 ALG wegen der Erziehung eines Kindes auf Antrag von der Versicherungspflicht nach dem ALG befreit zu werden, ist auf den Zeitraum beschränkt, für den Versicherungspflicht wegen Kindererziehung in der gesetzlichen Rentenversicherung besteht. Nichts anderes gilt für Beamte. Dies ist vom Gesetzgeber mit der Einschränkung "oder nur deshalb nicht versicherungspflichtig sind, weil sie nach § 56 Abs 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) von der Anrechnung von Kindererziehungszeiten ausgeschlossen sind" zum Ausdruck gebracht worden. Denn nach § 56 Abs 4 Nr 2 SGB VI sind Elternteile von der Anrechnung von Versicherungszeiten wegen Kindererziehung ausgeschlossen, wenn sie während der Erziehungszeit zu den in § 5 Abs 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehören, wozu auch Beamte auf Lebenszeit zählen (vgl § 5 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI). Aus dem Gesetz selbst ergibt sich somit, daß der beamtenrechtliche Status der Klägerin hinsichtlich der Begründung und der Befreiung von der Versicherungspflicht nach dem ALG keine Besonderheit darstellt und deshalb kein Anlaß besteht, die angeführte Rechtsprechung des Senats zu ergänzen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf der entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.



Ende der Entscheidung

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