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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 17.07.2003
Aktenzeichen: B 10 LW 23/01 R
Rechtsgebiete: ALG
Vorschriften:
ALG § 32 | |
ALG § 32 Abs 6 Satz 7 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: B 10 LW 23/01 R
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 17. Juli 2003 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Loytved, die Richter Dau und Masuch sowwie die ehrenamtlichen Richter Behrens und Dr. Klasen für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 18. Oktober 2001 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander auch für das Revisionsverfahren keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist, ob dem Kläger für die Zeit ab 1. Mai 1999 Beitragszuschuss zur Alterssicherung der Landwirte zusteht.
Der Kläger ist nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) versicherungspflichtiger Landwirt. Das landwirtschaftliche Unternehmen wurde bis Mitte 1997 von seinem Vater und ihm als Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts betrieben, an der er zu 20 % beteiligt war. Seither ist er Alleinunternehmer, der seinen Gewinn - anders als bis zum 30. Juni 1997 - nach § 4 Abs 1 oder Abs 3 Einkommensteuergesetz (EStG) ermittelt.
Die Beklagte lehnte es ab, dem Kläger zu seinen Beiträgen an die landwirtschaftliche Alterskasse ab 1. Mai 1999 Zuschüsse zu gewähren. Sein jährliches Einkommen belaufe sich auf rund 47.770,00 DM und übersteige damit den anspruchsausschließenden Grenzbetrag von 40.000,00 DM. Das maßgebliche Jahreseinkommen ergebe sich mit 20.591,00 DM für das zweite Halbjahr 1997 aus dem zeitnächsten Einkommensteuerbescheid 1997 vom 10. Mai 1999. Für das erste Halbjahr 1997, für das der Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft (LuF) noch nach § 13a EStG ermittelt worden sei, kämen als Hälfte des zum 1. Juli 1998 ermittelten korrigierten Wirtschaftswertes 27.179,50 DM hinzu. Da der Kläger zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anspruch auf Beitragszuschuss geprüft werde (hier: 1. Mai 1999), das Unternehmen als Einzelunternehmer bewirtschaftet habe, erfolge keine prozentuale Aufteilung nach der im ersten Halbjahr 1997 bestehenden Beteiligung zu 20 % (Bescheid vom 29. Juni 1999, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 1999).
Das vom Kläger angerufene Sozialgericht (SG) Oldenburg hat die Beklagte verurteilt, ihm ab Mai 1999 Beitragszuschuss zu gewähren (Urteil vom 21. März 2001). Mitunternehmern sei das aus dem Wirtschaftswert ermittelte Arbeitseinkommen nach § 32 Abs 6 Satz 7 ALG nur entsprechend ihrer Gewinnbeteiligung zuzuordnen, dem Kläger mithin für das erste Halbjahr 1997 nur mit 5.435,90 DM (20 % von 27.179,50 DM). Das so ermittelte Einkommen von 26.026,00 DM unterschreite den Grenzbetrag.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) diese Entscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 18. Oktober 2001). Das nach dem korrigierten Wirtschaftswert ermittelte Halbjahreseinkommen sei in voller Höhe, nicht nur zu 20 % zu berücksichtigen. Denn der Kläger sei sowohl im Anspruchszeitraum (ab 1. Mai 1999) als auch zu dem hier für den Wirtschaftswert maßgeblichen Stichtag (1. Juli 1998) Alleinunternehmer gewesen.
Der Kläger macht mit der Revision geltend: Das Berufungsgericht habe § 32 ALG verletzt. Nach dieser Vorschrift seien der Zuschussberechnung nicht die gegenwärtigen, sondern die Einkommensverhältnisse aus der Vergangenheit zu Grunde zu legen, weil sich ein aktuelles Einkommen nicht sicher ermitteln lasse. Anders verhalte es sich nur bei den ohne weiteres für die Gegenwart zu beantwortenden Fragen nach Familienstand und Versicherungspflicht. Im vorliegenden Fall gehe es um ein - historisches - Einkommen aus dem Kalenderjahr 1997. Dafür seien die damaligen Beteiligungsverhältnisse maßgebend. Im Übrigen ordne § 32 Abs 6 Satz 7 ALG ausdrücklich an, Mitunternehmern das Arbeitseinkommen entsprechend ihrer Gewinnbeteiligung zuzurechnen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 18. Oktober 2001 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Oldenburg vom 21. März 2001 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie verteidigt das Berufungsurteil und trägt dazu vor: Habe ein Landwirt im Jahr des zeitnächsten Einkommenssteuerbescheides (hier: 1997) die Gewinnermittlungsart von § 13a nach § 4 Abs 1 oder Abs 3 EStG gewechselt, so sei zunächst zeitanteilig der nach § 4 Abs 1 oder Abs 3 EStG festgestellte Gewinn aus LuF zu berücksichtigen und dann an Stelle des auf § 13a EStG beruhenden Anteils das Arbeitseinkommen nach § 32 Abs 6 ALG. Nach Satz 5 dieser Vorschrift sei der noch fehlende Einkommensteil nach den betrieblichen Verhältnissen des "vergangenen" Kalenderjahres zu bestimmen, für das Zuschussjahr 1999 also nach den am 1. Juli 1998 herrschenden wirtschaftlichen Verhältnissen. Zu diesen Verhältnissen rechne auch die Beteiligungsquote am Unternehmen der Landwirtschaft.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet. Das LSG hat die erstinstanzliche Entscheidung zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der einen Beitragszuschuss ablehnende Bescheid der Beklagten vom 29. Juni 1999 ist in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 1999 rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat ab 1. Mai 1999 keinen Anspruch auf Zuschuss zu seinem Beitrag zur landwirtschaftlichen Alterskasse, weil sein jährliches Einkommen die in § 32 Abs 1 ALG (in der hier anzuwendenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung vom 15. Dezember 1995 <BGBl I 1814>) gezogene Grenze überstiegen hat.
Nach dieser Vorschrift erhalten versicherungspflichtige Landwirte mit einem Jahreseinkommen über 40.000,00 DM keinen Beitragszuschuss. Die mit der Statuierung von Einkommensgrenzen allgemein verbundenen Probleme (Definition des Einkommens, Referenzperiode und Einkommensermittlung) löst das ALG in § 32 Abs 3, indem es grundsätzlich an das Einkommenssteuerrecht anknüpft und nicht auf das laufende, zeitgleich mit dem Beitragszuschuss erzielte, aktuelle, sondern auf ein historisches Einkommen abstellt. Das Gesetz enthält dazu im Wesentlichen folgende Regelung: Hat für eines der letzten vier Kalenderjahre vor dem Kalenderjahr, für das der Anspruch auf Beitragszuschuss zu prüfen ist, eine Veranlagung zur Einkommenssteuer stattgefunden, so ist die dort (verbindlich) festgestellte Summe der positiven Einkünfte zu Grunde zu legen; sind mehrere Kalenderjahre veranlagt, gelten die Einkünfte im zeitnächsten Jahr. Fehlt eine Veranlagung für eines der letzten vier Kalenderjahre, so hat die Alterskasse die Summe der positiven Einkünfte des vorvergangenen Jahres selbstständig nach steuerrechtlichen Grundsätzen zu ermitteln und ihrer Entscheidung zu Grunde zu legen.
Diese allgemeinen Grundsätze gelten für die Einkünfte aus LuF nur dann, wenn der Gewinn - von Buch führenden Betrieben - nach § 4 Abs 1 oder Abs 3 EStG ermittelt wird. Eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen gemäß § 13a EStG gibt dagegen den tatsächlich erzielten Gewinn nicht hinreichend wieder und wird deshalb vom Gesetz bei der Berechnung des Beitragszuschusses als untauglich verworfen. Der Gewinn aus LuF ist in solchen Fällen - zwar ebenfalls fiktiv aber realitätsgerechter als nach § 13a EStG - auf Grund des "korrigierten Wirtschaftswertes" zu ermitteln (§ 32 Abs 5 Satz 1, Abs 6 ALG).
Nach diesem System der Einkommensermittlung hat die Beklagte für das gesuchte Jahreseinkommen zu Recht zunächst an den Einkommenssteuerbescheid 1997 angeknüpft und von den dort festgestellten Einkünften aus LuF nur 20.591,00 DM für das zweite Halbjahr 1997 übernommen, weil der Gewinn des ersten Halbjahres 1997 gemäß § 13a EStG nach Durchschnittssätzen ermittelt worden war. Insoweit ist die Beklagte der beiläufig geäußerten, gleichwohl ausführlich begründeten Auffassung des Senats im Urteil vom 8. Oktober 1998 - B 10 LW 1/97 R - (SozR 3-5868 § 32 Nr 1) gefolgt. Diese Vorgehensweise hält der Senat aus den dort dargelegten Gründen auch im vorliegenden Fall für zutreffend.
Ebenso entspricht es - wie in der vorgenannten Entscheidung bereits dargelegt - dem gesetzgeberischen Konzept, dass die Beklagte den Gewinn aus LuF im Übrigen nach dem korrigierten Wirtschaftswert berechnet hat (vgl § 32 Abs 6 ALG; zur Hierarchie der Berechnungsmethoden s auch BSG SozR 3-5868 § 32 Nr 11). Der noch fehlende hälftige Anteil des der Beitragsberechnung zu Grunde zu legenden Jahreseinkommens ergibt sich mithin aus dem Wirtschaftswert zum 1. Juli 1998 als dem (bezogen auf das Anspruchsjahr 1999) "vergangenen" Kalenderjahr (§ 32 Abs 6 Satz 5 ALG) multipliziert mit dem aktuellen Beziehungswert. Aus der Hälfte des so ermittelten Jahreswertes von 54.359,00 DM, also 27.179,50 DM, und dem Halbjahresgewinn aus dem Einkommenssteuerbescheid 1997 (20.591,00 DM) errechnet sich ein für 1999 anspruchsausschließendes Jahreseinkommen des Klägers von (gerundet) 47.770,00 DM.
Der Kläger macht gegen dieses Ergebnis ohne Erfolg geltend, ihm sei lediglich ein Fünftel des (hälftigen) korrigierten Wirtschaftswertes zuzurechnen. Er war zwar in der ersten Jahreshälfte 1997 nur mit dieser Quote am landwirtschaftlichen Unternehmen beteiligt. Die Anknüpfung an die sich aus dem (zeitnächsten) Einkommenssteuerbescheid 1997 ergebenden Einkünfte hat die Verhältnisse im Veranlagungsjahr aber nicht als maßgebliche Berechnungsgrundlage festgeschrieben. Soweit die Feststellungen dieses Einkommenssteuerbescheides für das Recht des Beitragszuschusses unverbindlich sind, also hinsichtlich des gemäß § 13a EStG nach Durchschnittssätzen festgestellten Gewinns für das erste Halbjahr 1997, ist das Arbeitseinkommen eines halben Jahres eigenständig nach dem korrigierten Wirtschaftswert zu ermitteln. Das erfolgt stets zeitnah nach dem Wirtschaftswert am 1. Juli des (bezogen auf das Anspruchsjahr) "vergangenen Kalenderjahres" (vgl § 32 Abs 6 Satz 5 ALG), korrigiert durch den aktuellen Beziehungswert. Auf diese Weise werden für das gesuchte Jahreseinkommen zwar Teileinkommen verschiedener Kalenderjahre addiert. Das ist aber notwendige Folge einer Geltung unterschiedlicher Prinzipien bei der Einkommensermittlung: Genauigkeit durch Übernahme - auch älterer - von der Finanzverwaltung festgestellter Werte einerseits und Aktualität bei genereller Schätzung nach dem korrigierten Wirtschaftswert andererseits. An anderer Stelle geht das Gesetz selbst von einer Kombination verschiedener Berechnungsmethoden mit jeweils anderen zeitlichen Anknüpfungen aus. Hat die Alterskasse nach § 32 Abs 3 Satz 4 Nr 2 ALG vorzugehen, so sind von ihr die im "vorvergangenen" Kalenderjahr erzielten außerlandwirtschaftlichen Einkünfte nach steuerlichen Vorschriften zu ermitteln und mit den nach dem Wirtschaftswert des "vergangenen" Kalenderjahres geschätzten Einkünften aus LuF für die Zuschussberechnung zu einem - aus zwei Kalenderjahren stammenden - Jahreseinkommen zusammenzufassen (vgl § 32 Abs 6 Satz 1 und 5 ALG).
Der Senat kann es - wie schon das LSG - offen lassen, zu welchem Zeitpunkt Mitunternehmerschaft vorliegen muss, um die Rechtsfolge des § 32 Abs 6 Satz 7 ALG auszulösen: Zurechnung des so ermittelten Arbeitseinkommens nur nach der Beteiligungsquote. Denn sowohl im "vergangenen" Kalenderjahr (1998) als auch im Anspruchsjahr (1999) war der Kläger Alleinunternehmer.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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