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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 26.09.2001
Aktenzeichen: B 10 LW 29/00 R
Rechtsgebiete: ALG
Vorschriften:
ALG § 32 Abs 4 Satz 1 2. Halbsatz |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Az: B 10 LW 29/00 R
in dem Rechtsstreit
Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 26. September 2001 durch den Richter Dr. Kocher als Vorsitzenden, die Richter Dau und Masuch sowie die ehrenamtlichen Richter Kolb und Leite
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 31. August 2000 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Frage, ob die der Klägerin für die Monate Juli und August 1998 gemäß § 32 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) geleisteten Beitragszuschüsse geruht haben und daher von der Beklagten zurückgefordert werden durften.
Die am 23. Mai 1966 geborene Klägerin war vom 1. Mai 1995 bis zum 29. Oktober 1998 versicherungspflichtig nach dem ALG. Mit Bescheid vom 7. März 1997 bewilligte ihr die Beklagte aufgrund der von ihr vorgelegten Einkommensteuerbescheide des Finanzamtes Nordenham für die Jahre 1993 und 1994 einen laufenden Beitragszuschuß gemäß § 32 ALG ab 1. Mai 1995. Den Beitragszuschuß, der für das Jahr 1997 241,00 DM monatlich betragen hatte, erhöhte die Beklagte mit Bescheid vom 12. Januar 1998 auf 247,00 DM monatlich. Im Juni 1998 legte die Klägerin den Einkommensteuerbescheid für 1996 vom 16. März 1998 und im August 1998 den Einkommensteuerbescheid für 1995 vom 21. April 1997 vor. Daraufhin stellte die Beklagte mit streitbefangenem Bescheid vom 2. Oktober 1998 das Ruhen des Anspruchs auf Beitragszuschuß in der Zeit vom 1. Juni 1997 bis zum 31. August 1998 fest, hob ihre Bescheide vom 7. März 1997 und vom 12. Januar 1998 insoweit auf und stellte einen Anspruch auf Beitragszuschuß ab 1. September 1998 mit monatlich 257,00 sowie eine Überzahlung in Höhe von 3.653,00 DM fest; diesen Betrag forderte sie zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin insoweit Widerspruch, als das Ruhen des Anspruchs auf Beitragszuschuß auch für die Monate Juli und August 1998 festgestellt und daraus Rechtsfolgen hergeleitet worden waren. Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 1999 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat der Klage gegen den zuletzt genannten Bescheid idF des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 1999 stattgegeben und diese Bescheide insoweit aufgehoben, als das Ruhen des Anspruchs auf Beitragszuschuß auch für die Monate Juli und August 1998 angeordnet und insoweit überzahlte Leistungen zurückgefordert worden waren. Die Berufung der Beklagten zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen ist erfolglos geblieben. Mit Urteil vom 31. August 2000 hat das LSG das Rechtsmittel - unter Neufassung des vom SG formulierten Urteilstenors - zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das LSG im wesentlichen ausgeführt, das Ruhen des Anspruchs auf Beitragszuschuß habe bereits durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für 1996 am 29. Juni 1998 geendet. Denn aus diesem Bescheid sei die Höhe der ab Juli 1998 zu leistenden Beitragszuschüsse zu berechnen gewesen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, das Urteil des LSG verstoße gegen den eindeutigen Wortlaut des § 32 Abs 4 Satz 1 2. Halbsatz ALG. Darin sei das Ruhen des Zuschußanspruches für die Zeit vom Ablauf der Vorlagefrist bis zum Ende des Monats der Vorlage des bisher nicht vorgelegten Einkommensteuerbescheides vorgesehen. Der Gesetzgeber habe eine Verpflichtung zur Vorlage aller Einkommensteuerbescheide - unabhängig von ihrem konkreten Inhalt und ihren konkreten Rechtswirkungen - vorgeschrieben und habe mit der Regelung des § 34 Abs 3 Satz 2 und Abs 4 ALG den Verstoß gegen diese Verpflichtung empfindlich ahnden wollen. Die freie Auswahl unter den vorzulegenden Einkommensteuerbescheiden könne dem Zuschußberechtigten nicht zugestanden werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision der Beklagten hat keinen Erfolg. Gemäß § 32 Abs 1 ALG in der bis zum 31. Dezember 1999 geltenden Fassung des Agrarsozialreformgesetzes 1995 vom 29. Juli 1994 (ASRG 1995 - BGBl I, 1890) erhalten versicherungspflichtige Landwirte unter bestimmten Voraussetzungen einen Zuschuß zu ihrem Beitrag, wenn das nach Abs 2 ermittelte jährliche Einkommen 40.000,00 DM nicht übersteigt. Das jährliche Einkommen wird nach näherer Maßgabe des § 32 Abs 2 und Abs 3 ALG in der Regel aus dem sich auf das zeitnächste Veranlagungsjahr beziehenden Einkommensteuerbescheid ermittelt. Nach Abs 4 Satz 1 der letztgenannten Vorschrift ist der Einkommensteuerbescheid der landwirtschaftlichen Alterskasse spätestens zwei Kalendermonate nach seiner Ausfertigung vorzulegen; nach Ablauf dieser Frist ruht die Leistung vom Beginn des Monats, in dem der Bescheid fristgemäß hätte vorgelegt werden können, bis zum Ablauf des Monats, in dem der Bescheid vorgelegt wird. Gemäß § 34 Abs 4 ALG in der bis zum 31. Juli 2001 unverändert gebliebenen Fassung des ASRG 1995 ist der Verwaltungsakt (gemeint: über die Festsetzung des Beitragszuschusses) vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an aufzuheben, wenn sich die für Grund oder Höhe des Zuschusses zum Beitrag maßgebenden Verhältnisse geändert haben.
Nach dem Wortlaut dieser Vorschriften war die Beklagte befugt, aufgrund einer Änderung der Verhältnisse (Eintritt des Ruhens) ihre Bescheide vom 7. März 1997 und 12. Januar 1998 teilweise aufzuheben. Denn das Verstreichen der Zweimonatsfrist des § 32 Abs 4 Satz 1 1. Halbsatz ALG, die mit der Ausfertigung des Einkommensteuerbescheides für 1995 vom 21. April 1997 begonnen hatte, würde - bei Zugrundelegung des Gesetzeswortlauts - ab Juni 1997 (Beginn des Monats, in dem der Bescheid hätte fristgemäß vorgelegt werden können) das Ruhen des Anspruchs bis zum Ablauf desjenigen Monats bewirkt haben, in dem "der" Bescheid, dh der Einkommensteuerbescheid 1995, vorgelegt wurde. Das war erst im August 1998 der Fall.
Gleichwohl haben die Vorinstanzen die angefochtenen Bescheide der Beklagten zu Recht teilweise aufgehoben. Wie der Senat mit Urteil vom 6. Februar 2001 (B 10 LW 11/99 R - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen) entschieden hat, verlieren Steuerbescheide für weiter zurückliegende Veranlagungsjahre jegliche Bedeutung für die weitere Zuschußgewährung. Dies folgt aus der Regelung des § 32 Abs 3 Satz 4 Nr 1 ALG; hiernach sind maßgebend für die Feststellung des Einkommens nach § 32 Abs 3 Satz 3 Nr 1 - und damit auch für das Jahreseinkommen des § 32 Abs 3 Satz 1 und das jährliche Einkommen des § 32 Abs 2 ALG - die Einkünfte, die sich aus dem Einkommensteuerbescheid für das zeitnächste Veranlagungsjahr ergeben (sofern - wie hier - eine Veranlagung zur Einkommensteuer für eines der letzten vier Kalenderjahre erfolgt ist). Änderungen des Einkommens werden vom Ersten des auf die Vorlage des Bescheides folgenden Kalendermonats an berücksichtigt (§ 32 Abs 4 Satz 2 ALG). Daraus muß aber hergeleitet werden, daß ab der Vorlage eines Einkommensbescheides für ein zeitnäheres Veranlagungsjahr (hier: des Einkommensteuerbescheides für 1996 vom 16. März 1998, vorgelegt am 29. Juni 1998) sämtliche Einkommensteuerbescheide für die Vorjahre jegliche Relevanz im Verfahren über den Beitragszuschuß für spätere Zeiträume verlieren. Im übrigen verweist der Senat auf seine weiteren Ausführungen im angegebenen Urteil unter II (2).
Unter diesen Umständen ist es hier nicht von Belang, daß außerdem die Sanktionsregelung des § 32 Abs 4 Satz 1 2. Halbsatz ALG aF bei wortgetreuer Auslegung gegen die Verfassung verstößt und somit verfassungskonform auszulegen ist (vgl dazu Urteile des Senats vom 17. August 2000 - B 10 LW 8/00 R - BSGE 87, 76 = SozR 3-5868 § 32 Nr 4 - und B 10 LW 11/00 R sowie das am 9. August 2001 ergangene Urteil des Senats - B 10 LW 23/00 R).
Die Revision der Beklagten konnte somit keinen Erfolg haben.
Im Kostenpunkt beruht die Entscheidung auf § 193 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz.
Ende der Entscheidung
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