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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 12.02.1998
Aktenzeichen: B 10 LW 4/97 R
Rechtsgebiete: FELEG


Vorschriften:

FELEG § 1 Abs 1 FELEG
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 12. Februar 1998

in dem Rechtsstreit

Az: B 10 LW 4/97 R

Kläger und Revisionsbeklagter,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Landwirtschaftliche Alterskasse Niederbayern-Oberpfalz, Luitpoldstraße 29, 84023 Landshut,

vertreten durch den Gesamtverband der landwirtschaftlichen Alterskassen, Weißensteinstraße 70/72, 34131 Kassel,

Beklagte und Revisionsklägerin.

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Februar 1998 durch den Vorsitzenden Richter Wiester, die Richter Dr. Steinwedel und Schenk sowie die ehrenamtlichen Richter Heithecker und Weniger

für Recht erkannt:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. März 1997 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt die Produktionsaufgaberente wegen Vollendung des 55. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a Gesetz zur Förderung der Einstellung der landwirtschaftlichen Erwerbstätigkeit <FELEG>).

Der am 4. Februar 1937 geborene Kläger war von Dezember 1966 bis September 1990 als Landwirt tätig und hatte in diesem Zeitraum Beiträge an die Beklagte entrichtet.

Mit Vertrag vom 11. Oktober 1990 verpachtete der Kläger die von ihm bis dahin bewirtschafteten landwirtschaftlichen Flächen mit Wirkung bis 30. September 2000. Gleichermaßen am 11. Oktober 1990 beantragte er eine Produktionsaufgaberente für ehemalige landwirtschaftliche Unternehmer nach dem FELEG. Die Beklagte wies ihn mit Schreiben vom 28. Februar 1991 darauf hin, daß nach § 3 Abs 1 Satz 1 FELEG eine Verpachtung bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erforderlich sei. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 21. Juni 1991 lehnte sie wegen fehlender Berufsunfähigkeit, jedoch auch wegen der zu kurzen Dauer der Verpachtung den Antrag auf Produktionsaufgaberente ab. Während des Widerspruchsverfahrens wurde unter dem 5. August 1991 der Pachtvertrag bis zum 30. September 2002 verlängert; entsprechend führte die Beklagte im Widerspruchsbescheid vom 21. November 1991 aus, daß zwar die Voraussetzung der Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens mit Ablauf des 5. August 1991 erfüllt sei, Produktionsaufgaberente jedoch mangels Berufsunfähigkeit nach wie vor nicht zustehe. Während des Klageverfahrens hat der Kläger mit Schriftsatz vom 31. März 1993 beantragt, ihm Produktionsaufgaberente mit Wirkung ab 1. März 1992 zu gewähren: Zwar liege - wie mittlerweile geklärt sei - bei ihm Berufsunfähigkeit iS des § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG nicht vor; er habe jedoch am 3. Februar 1992 sein 55. Lebensjahr vollendet. Mit Schriftsatz vom 16. September 1994 hat die Beklagte ein derartiges "Hineinwachsen" in den Anspruch auf Produktionsaufgaberente abgelehnt: Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts <BSG> (Urteile vom 29. Juni 1993 und 30. März 1994 <4 RLw 6/92 und 4 RLw 5/92>) könne als Zeitpunkt der "Antragstellung" iS des § 1 Abs 1 FELEG frühestens der Beginn des Kalendermonats angesehen werden, in dem die Altersvoraussetzung - Vollendung des 55. Lebensjahres - erfüllt worden sei. Im Februar 1992 habe jedoch die "unmittelbar vor Antragstellung" abzugebende Existenzgrundlage bereits seit Oktober 1990 nicht mehr vorgelegen.

Das Sozialgericht (SG) Landhut hat mit Urteil vom 1. Dezember 1994 die angefochtenen Bescheide geändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. März 1992 Produktionsaufgaberente zu gewähren. Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 19. März 1997 die Berufung zurückgewiesen: Im Einklang mit der Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 29. Juni 1993 und 30. März 1994, SozR 3-5864 § 1 Nrn 2 und 3) setze die Wendung "unmittelbar vor Antragstellung" in § 1 FELEG einen engen kausalen und zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung voraus. Für die vorliegende Fallgestaltung könne jedoch nicht der Auffassung des BSG gefolgt werden, wonach mit dem Begriff "Antragstellung" in § 1 Abs 1 FELEG nicht der Zeitpunkt der tatsächlichen Antragstellung "als isolierte verfahrensrechtliche Handlung" gemeint sei, sondern ein fiktiver Zeitpunkt, nämlich der früheste Zeitpunkt, in dem der landwirtschaftliche Unternehmer zu Recht gegenüber der landwirtschaftlichen Alterskasse anzeigen könne, Anspruch auf Produktionsaufgaberente zu haben. Diese Auslegung würde eine Inanspruchnahme der vorzeitigen Produktionsaufgaberente iS des § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG in praktischer Hinsicht nahezu unmöglich machen. Denn das Vorliegen von Berufsunfähigkeit stehe in aller Regel nicht bereits bei Vollendung des 53. Lebensjahres rechtskräftig fest. Dem Antragsteller einer Produktionsaufgaberente bereits ab dem 53. Lebensjahr (bei Berufsunfähigkeit) solle keinesfalls der Anspruch auf eine Produktionsaufgaberente jedenfalls mit Vollendung des 55. Lebensjahres abgeschnitten werden. Zumindest in den Fällen, in denen ein Landwirt vorrangig eine Produktionsaufgaberente bereits ab dem vollendeten 53. Lebensjahr geltend macht, sei Zeitpunkt der Antragstellung iS des § 1 FELEG jedenfalls dann der der tatsächlichen Antragstellung, wenn der Antragsteller das Vorliegen einer Berufsunfähigkeit schlüssig darlege. Darüber hinaus wirke die Erfüllung der übrigen Tatbestandsvoraussetzungen gemäß § 1 FELEG fort und entfalle nicht rückwirkend, wenn sich nachträglich herausstelle, daß Berufsunfähigkeit nicht vorliege.

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt eine Verletzung des § 1 Abs 1 FELEG und beruft sich auf die bereits im LSG-Urteil herangezogene Rechtsprechung des BSG. Die hieraus folgende Auslegung des § 1 Abs 1 FELEG mache die Inanspruchnahme der Produktionsaufgaberente mit Vollendung des 53. Lebensjahres bei Berufsunfähigkeit nicht "nahezu unmöglich", da die Berufsunfähigkeit bereits vor der Stillegung oder strukturverbessernden Abgabe festgestellt werden könne. Ein solches Vorgehen sei auch im Hinblick darauf sinnvoll, daß der Betreffende damit ein vorschnelles Stillegen oder Abgeben, also die Aufgabe seiner Existenzgrundlage, vermeiden könne.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. März 1997, Az: L 16 Lw 5/95, und das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 1. Dezember 1994, Az: S 7 Lw 138/91, aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt, - unter näherer Darlegung die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Der Kläger hat - wie die Vorinstanzen zu Recht entschieden haben - einen Anspruch auf Produktionsaufgaberente wegen Vollendung des 55. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a FELEG) ab 1. März 1992. Er erfüllt neben jener Lebensaltersvoraussetzung insbesondere auch das Tatbestandsmerkmal, daß er bis "unmittelbar vor der Antragstellung" iS des § 1 Abs 1 Nr 3 iVm § 3 Abs 1 FELEG Flächen im geforderten zeitlichen Zusammenhang mit dieser Antragstellung abgegeben hat.

Mit den Vorinstanzen ist ein "Hineinwachsen" in den Anspruch auf Produktionsaufgaberente bei Vollendung des 55. Lebensjahres dann anzunehmen, wenn der Landwirt bei Stellung eines Antrags auf Produktionsaufgaberente bei Vollendung des 53. Lebensjahres und Berufsunfähigkeit (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst b FELEG) die hierfür geltenden Alters- und Leistungsvoraussetzungen erfüllt hatte, er jedoch nicht berufsunfähig war (1). Dem Anspruch des Klägers steht ferner nicht entgegen, daß er erst ca 10 Monate nach jener Antragstellung seine landwirtschaftlichen Flächen in voller Übereinstimmung mit § 3 Abs 1 Satz 1 FELEG verpachtet hat (2) und daß er einen ausdrücklichen Antrag auf Produktionsaufgaberente nach Vollendung des 55. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a FELEG) erst über ein Jahr nach Überschreiten dieser Altersrente gestellt hat (3).

(1) Der Senat läßt offen, ob er sich der Rechtsprechung des 4. Senats (Urteile vom 29. Juni 1993 und 30. März 1994, SozR 3-5864 § 1 Nrn 2 und 3) zur Produktionsaufgaberente bei Vollendung des 58. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 FELEG ursprünglicher Fassung vom 21. Februar 1989 <BGBl I 233>) bzw bei Vollendung des 55. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst a FELEG idF des Vierten Agrarsozialen Ergänzungsgesetzes <4. ASEG> vom 27. September 1990 <BGBl I 2110>) anschließt.

Diese Rechtsprechung beruhte auf der Annahme, daß das Wort "Antragstellung" in § 1 Abs 1 Satz 1 Nrn 2 bis 4 FELEG nicht die isolierte verfahrensrechtliche Handlung der Antragstellung im üblichen Sinn bedeuten konnte. Denn § 7 Abs 1 Satz 2 FELEG (idF vor dem Agrarsozialreformgesetz 1995 <ASRG 1995> vom 29. Juli 1994 <BGBl I 1890>) ordnete ua an, daß "§ 10 Abs 1 bis 6" des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) entsprechend gelte. Dieser Verweisung auch auf § 10 Abs 2 Satz 1 GAL entnahm der 4. Senat, daß ein Anspruch auf Produktionsaufgaberente auch dann bestehen konnte, wenn die (verfahrensrechtliche) Antragstellung nicht "unmittelbar nach" Erfüllung der materiell- rechtlichen Voraussetzungen für die Produktionsaufgaberente erfolgte, sondern auch zu einem (beliebigen) späteren Zeitpunkt. Da aber zu jenen materiell-rechtlichen Voraussetzungen die Beitragsentrichtung als Landwirt und Nutzung des landwirtschaftlichen Grundstücks bis "unmittelbar vor der Antragstellung" zählt, wäre - nach Meinung des 4. Senats - eigentlich jede spätere Antragstellung wegen jenes fehlenden zeitlichen Zusammenhangs von vornherein zum Scheitern verurteilt gewesen. Diesen Widerspruch hat der 4. Senat des BSG dadurch aufgelöst, daß er das Wort "Antragstellung" in § 1 Abs 1 Satz 1 FELEG idF vor dem ASRG 1995 als "Erfüllung der materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Produktionsaufgaberente" ausgelegt hat (zur hierzu geäußerten Kritik von Zindel, SGb 1994, 95, 96 siehe BSG 4. Senat vom 30. März 1994, SozR 3-5864 § 1 Nr 3 S 14 f).

Die geschilderten Grundlagen für jene Rechtsprechung - die im vorliegenden Fall noch Anwendung finden - bestehen jedenfalls seit dem 1. Januar 1995 nicht mehr. Mit Wirkung ab diesem Tage ist - im Rahmen des ASRG 1995 - das GAL durch das Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG) abgelöst worden. Zum gleichen Zeitpunkt wurde die Verweisung in § 7 Abs 1 FELEG neu dahingehend gefaßt, daß nicht mehr auf bestimmte Vorschriften (des GAL) verwiesen wird, sondern allgemein auf die entsprechende Geltung der Vorschriften des ALG "über Renten wegen Todes bei Verschollenheit, über Beginn, Änderung, Ruhen und Ende von Renten, ..., über Beginn und Abschluß des Verfahrens ..." (§ 7 Abs 1 Satz 1 FELEG nF). Diese Gesetzesfassung läßt der Entscheidung, inwieweit Regelungen des ALG auch in Verfahren über den Anspruch auf Produktionsaufgaberente nach dem FELEG anzuwenden sind, einen größeren Spielraum. Für die noch verbleibenden (vgl § 20 FELEG) Fälle unter Anwendung des neuen Rechts wird der Senat jedenfalls unabhängig von der bisherigen Rechtsprechung zu entscheiden haben, wie das Wort "Antragstellung" in § 1 Abs 1 FELEG zu verstehen ist und welche Anforderungen erfüllt sein müssen, damit die dort angesprochenen Umstände, wie erforderlich, "unmittelbar vor der Antragstellung" vorliegen. Dabei wird es darauf ankommen, einerseits Mißbräuchen vorzubeugen und Mitnahmeeffekte in solchen Fällen zu vermeiden, in denen die Flächenabgabe oder -stillegung unabhängig von der Verwirklichung der mit dem FELEG verfolgten Ziele (Marktentlastung bei Agrarprodukten, Verbesserung der Agrarstruktur; vgl BT-Drucks 11/2972, Vorblatt S 1, unter A. Zielsetzung) erfolgte; andererseits aber auch den Gesichtspunkten eines zügigen kompakten Verwaltungsverfahrens ohne Überspannung der Anforderungen an die Leistungsträger Rechnung zu tragen.

Übertrüge man aber die vom 4. Senat für die Rechtslage bis zum 31. Dezember 1994 aufgestellten Grundsätze ohne weitere Differenzierung auf den vorliegenden Fall, so stünde dem Kläger, der jedenfalls zuvor nicht berufsunfähig war, eine Produktionsaufgaberente wegen Vollendung des 55. Lebensjahres schon deswegen nicht zu, weil zu dem Zeitpunkt, als deren materiell-rechtliche Voraussetzungen erfüllt waren (zum 1. März 1992), sowohl die Einstellung der Beitragszahlung als Landwirt als auch die Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen durch den Kläger bereits über ein Jahr zurücklagen (Pachtvertrag vom 11. Oktober 1990).

Von den og Grundsätzen wäre jedoch auch bei Fortführung der Rechtsprechung des 4. Senats - iS der Vorinstanzen - für den Fall des "Hineinwachsens" in den Anspruch auf Produktionsaufgaberente nach § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a FELEG eine Ausnahme zu machen: Die Anspruchsvoraussetzungen für eine Produktionsaufgaberente ab Vollendung des 55. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a FELEG) sind auch dann erfüllt, wenn der Landwirt in einem Zeitpunkt vor Erreichen dieses Lebensalters sämtliche Voraussetzungen - mit Ausnahme des Vorliegens der Berufsunfähigkeit - für eine Produktionsaufgaberente ab Vollendung des 53. Lebensjahres (§ 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG) im Zusammenhang mit einem entsprechenden Antrag erfüllt hatte.

Nichts anderes gälte, wenn man als "Antragstellung" iS des § 1 Abs 1 FELEG - dem allgemeinen Wortsinn folgend - in der Tat (nur) die Verfahrenshandlung verstünde und den Konflikt mit § 10 Abs 2 Satz 1 GAL auf andere Weise auflöste.

In beiden Fällen rechtfertigt sich die vom LSG zugelassene Vorgehensweise aus folgenden Gesichtspunkten: Auch bei der Zulassung eines "Hineinwachsens" in den Anspruch auf Produktionsaufgaberente bei Vollendung des 55. Lebensjahres werden die Zwecke des FELEG erreicht, ältere Landwirte zu veranlassen, ihre aktuelle Berufstätigkeit vorzeitig aufzugeben, damit landwirtschaftliche Flächen stillgelegt oder strukturverbessernd abgegeben werden (hierzu BT-Drucks 11/2972 S 11 f). Sofern die oben genannten Voraussetzungen vorliegen, werden jedenfalls dann Mitnahmeeffekte vermieden, wenn - worauf hier nichts hindeutet - der Antrag nicht von vornherein rechtsmißbräuchlich gestellt war. In einem Fall wie dem des Klägers steht zudem nicht die Erfüllung von Tatbestandsmerkmalen in Frage, die einer "Wertung in der Laiensphäre" zugänglich sind (insbesondere Beitragszahlung / Stillegung oder Abgabe genutzter Flächen), sondern die komplexe juristisch-medizinische Problematik der Berufsunfähigkeit. Dann aber erscheint eine Beschränkung des Anspruchs auf Produktionsaufgaberente unangemessen. Das gilt jedenfalls für die Fälle, in denen der Antrag bereits zum frühesten Zeitpunkt der Anspruchsbegründung und damit vor Vollendung des 55. Lebensjahres gestellt wird. Wenn von den Tatbestandsmerkmalen des § 1 Abs 1 FELEG sowohl die Vollendung des 53. Lebensjahres sowie die Beendigung der Beitragszahlung und der eigenen Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen als auch deren FELEG-gemäße Stillegung oder Abgabe erfüllt sind, ist es nicht gerechtfertigt, den Anspruch auszuschließen, nur weil der Landwirt irrtümlicherweise angenommen hat, er sei berufsunfähig.

Zwar mag den Landwirten, wie die Revision aufzeigt, auch das bereits im Zusammenhang mit dem vorzeitigen Altersgeld nach dem GAL (dort: zur Anspruchsvoraussetzung der Erwerbsunfähigkeit) eingespielte Verfahren (vgl BayLSG vom 10. September 1987 - L 4 Lw 19/86, Breith 1988, 255 f; ferner Noell, Die Altershilfe für Landwirte, 10. Aufl 1983, S 302 f) eines Antrags auf Feststellung (hier:) der Berufsunfähigkeit zur Verfügung stehen, um erst nach dessen positivem Abschluß die - beitragspflichtige - Landwirtschaft aufzugeben; diskutiert werden könnte auch eine entsprechende Vorabklärung dadurch, daß der Landwirt einen Antrag auf Zusicherung (§ 34 SGB X) oder auf Feststellung eines bedingten Anspruchs (hierzu BSG vom 18. März 1982, SozR 2200 § 1246 Nr 89 S 281 f) stellt. Entsprechende Verfahren dürfen jedoch nicht die einzig sinnvolle Möglichkeit sein, eine Produktionsaufgaberente nach § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG zu erlangen. Es muß vielmehr dem Landwirt überlassen bleiben, ob er den Weg eines Vorabklärungsverfahrens vor Abgabe und Antragstellung wählt - mit dem Risiko, daß er (bei dessen längerer Dauer) uU auf Rentenleistungen verzichtet, die ihm bei rechtzeitiger Abgabe zugestanden hätten - oder die Möglichkeit, sogleich die Landwirtschaft aufzugeben und die Produktionsaufgaberente nach § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG zu beantragen. Auf der Grundlage der dargelegten Rechtsauffassung des Senats riskiert ein Landwirt mit einem derartigen Vorgehen auch nicht seine Existenz, wie die Revision befürchtet, da ihm jedenfalls nach Ablauf von höchstens zwei Jahren - mit Vollendung des 55. Lebensjahres - die Produktionsaufgaberente nach § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a FELEG zusteht.

Diese Auslegung des § 1 Abs 1 FELEG idF des 4. ASEG entspricht dem Wortsinn der Nrn 2 und 3 "unmittelbar vor der Antragstellung" und der Nr 4 "vor der Antragstellung", wenn man der dargelegten Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem objektiven Gesetzeszweck genügend Beachtung schenkt. Bereits die aufgezeigte Rechtsprechung des 4. Senats beruhte auf der Erkenntnis, daß eine allein auf den Gesetzeswortlaut abstellende Anwendung des Gesetzes (§ 1 Abs 1 iVm § 7 Abs 1 Satz 2 FELEG und § 10 Abs 2 Satz 1 GAL) nicht möglich war, da sie zu einem Widerspruch führte.

Zunächst ist dem FELEG zu entnehmen, daß es sich bei der Produktionsaufgaberente iS des § 1 Abs 1 nicht um zwei getrennte Leistungen je nach Vorliegen der Voraussetzungen des § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a oder 1 Buchst b handelt, sondern lediglich um ein und dieselbe Leistung, zu der es zwei Zugangsvarianten gibt.

Nach § 1 Abs 1 Nr 1 FELEG in der ursprünglichen Fassung war insoweit nur eine Variante (Vollendung des 58. Lebensjahres) vorgesehen. Diese Voraussetzung wurde durch das 4. ASEG in zwei Richtungen erweitert: zum einen durch eine generelle Vorverlegung des Zugangsalters auf das 55. Lebensjahr, zum anderen durch Herabsetzung der Altersgrenze bei Vorliegen von Berufsunfähigkeit auf das 53. Lebensjahr. Die übrigen Leistungsvoraussetzungen (§ 1 Abs 1 Nrn 2 - 4 FELEG) stimmen überein. Bei der Gewährung einer Produktionsaufgaberente wegen Berufsunfähigkeit bereits ab einem Zeitpunkt vor dem 55. Lebensjahr wird die Leistung auch über diese Altersgrenze hinaus unverändert weitergezahlt. Eine Umstellung erfolgt nicht. Dies alles macht deutlich, daß es sich hier nicht um unterschiedliche Leistungsarten handelt. Dementsprechend enthält der erstmalige Antrag auf die Produktionsaufgaberente, der sich zunächst nur auf § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG bezieht, hilfsweise auch das Begehren, die Leistung nach der Zugangsvariante Nr 1 Buchst a zu gewähren, falls die für einen Laien schwer abzuschätzende Voraussetzung der Berufsunfähigkeit nicht festgestellt werden könnte. Der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und dem objektiven Gesetzeszweck ist zu entnehmen, daß sich die Voraussetzungen in § 1 Abs 1 FELEG idF des 4. ASEG "unmittelbar vor der Antragstellung" (Nr 2 und Nr 3) und "vor der Antragstellung" (Nr 4) auf die erstmalige Antragstellung beziehen bzw auf den Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen der Nrn 2, 3 und 4 aaO erfüllt sind und in dem der Antragsteller guten Glaubens annehmen durfte, daß sämtliche Voraussetzungen für eine Produktionsaufgaberente zu erfüllen seien.

(2) Unschädlich ist weiterhin im Falle des Klägers, daß er im Zeitpunkt seiner Antragstellung auf Produktionsaufgaberente (im Oktober 1990) noch nicht - abgesehen von der Berufsunfähigkeit - in jeder Hinsicht sämtliche materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für den Anspruch auf eine Produktionsaufgaberente bei Vollendung des 53. Lebensjahres (und Berufsunfähigkeit: § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG) erfüllt hatte. Zu diesen Voraussetzungen zählt auch die Flächenabgabe iS des § 1 Abs 1 Nr 3 iVm § 3 Abs 1 Satz 1 FELEG. Diese setzt nicht lediglich die Abgabe an einen nach § 3 Abs 1 Satz 2 FELEG qualifizierten Übernehmer (hierzu zB BSG 4. Senat vom 30. März 1994, SozR 3-5864 § 1 Nr 3 S 18 ff) voraus, sondern - als Grundvoraussetzung - die Abgabe "bis zu dem Zeitpunkt, von dem an Altersgeld nach dem GAL beansprucht werden kann, mindestens aber für neun Jahre" (§ 3 Abs 1 Satz 1 FELEG idF bis zum ASRG 1995). Eine derartige Abgabe aber hat der Kläger nicht bereits im Oktober 1990 vorgenommen; damals hatte er seine landwirtschaftlichen Flächen zwar für über neun Jahre, jedoch nur bis zur Vollendung eines Lebensalters von ca. 63 1/2 Jahren verpachtet. Erst im August 1991 wurde die Pachtdauer, wie nach § 3 Abs 1 Satz 1 FELEG erforderlich, bis nach Vollendung seines 65. Lebensjahres verlängert.

Damit lag zwar - anders als es die vom 4. Senat begründete Rechtsprechung (Urteile vom 29. Juni 1993 und 30. März 1994, SozR 3-5864 § 1 Nrn 2 und 3) voraussetzt - die Voraussetzung der "Abgabe" iS des § 1 Abs 1 Nr 3 FELEG nicht bereits im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Beendigung der Nutzung der landwirtschaftlichen Flächen bzw mit der Beendigung der Beitragszahlung zur Beklagten vor, sondern erst ca 10 Monate später, wenn auch noch vor Beginn der dem Kläger zugesprochenen Produktionsaufgaberente bei Vollendung des 55. Lebensjahres. Ebensowenig war jene Voraussetzung "unmittelbar vor" der - verfahrensrechtlichen - Antragstellung erfüllt. Auch dies steht jedoch dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegen.

Der Senat erachtet für ausschlaggebend, daß auch insoweit der Zweck des FELEG nicht in Frage gestellt, sondern voll erfüllt wird: Auch durch die - wohl seitens des Klägers durch ein Mißverständnis der Formulierung des § 3 Abs 1 FELEG bedingte - Verpachtung für ca 10 Jahre im Oktober 1990 war gewährleistet, daß der Kläger sich endgültig aus der Bewirtschaftung seiner Landwirtschaft zurückzog und diese nicht etwa im Alter von 63 Jahren erneut betreiben würde. Dann aber reicht es, wenn er jedenfalls vor Erteilung des Widerspruchsbescheides (November 1991) und vor Beginn der Produktionsaufgaberente (März 1992) die Voraussetzungen nach § 3 Abs 1 FELEG erfüllt hatte.

Auch in dieser Hinsicht erscheint ein Mißbrauch ausgeschlossen. Durch die Wendung "unmittelbar vor" im Gesetzestext des § 1 Abs 1 FELEG sollen vorrangig solche Landwirte vom Leistungsbezug ausgeschlossen werden, die bereits "weit vor" und damit ohne Zusammenhang mit dem FELEG und den durch jenes Gesetz verfolgten Zielen aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sind, nicht hingegen diejenigen, die zwar im Hinblick auf die Leistungen des FELEG ihre Landwirtschaft aufgeben, irrtümlich als erfüllt angesehene Leistungsvoraussetzungen aber noch "nachbessern" müssen.

(3) Schließlich steht dem Kläger die Produktionsaufgaberente nach § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a FELEG - wie von den Vorinstanzen entschieden - auch bereits ab 1. März 1992, dem Beginn des Monats nach Vollendung seines 55. Lebensjahres, zu. Unerheblich ist, daß er erstmals im März/April 1993 (durch einen Schriftsatz im sozialgerichtlichen Verfahren) ausdrücklich diese Leistung unter Berufung auf die Erfüllung jener Altersgrenze beantragt hatte. Denn in dem im Oktober 1990 im Hinblick auf das soeben (am 1. Oktober 1990) in Kraft getretene neue Recht (Art 6 Abs 2 4. ASEG) gestellten Antrag auf Produktionsaufgaberente (bei Vollendung des 53. Lebensjahres und Berufsunfähigkeit - § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst b FELEG) war bereits - hilfsweise, wie oben ausgeführt - der Antrag auf die frühestens ab März 1992 zustehende Produktionsaufgaberente nach § 1 Abs 1 Nr 1 Buchst a FELEG (bei Vollendung des 55. Lebensjahres) mitenthalten.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.



Ende der Entscheidung

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