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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 16.10.2003
Aktenzeichen: B 11 AL 1/03 R
Rechtsgebiete: AFG


Vorschriften:

AFG § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4
AFG § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 16. Oktober 2003

Az: B 11 AL 1/03 R

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2003 durch den Vorsitzenden Richter Balzer, die Richter Lüdtke und Dr. Leitherer sowie den ehrenamtlichen Richter Brüning und die ehrenamtliche Richterin Link

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. November 2002 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Rechtsstreit betrifft die Erstattung von Arbeitslosengeld (Alg) nebst Beiträgen zur Sozialversicherung gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Der am 6. Oktober 1938 geborene B. war seit 1963 bei der Klägerin beschäftigt, zuletzt als Verkaufs- und Vertriebsleiter. Mit Schreiben vom 26. März 1997 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis des B. unter Einhaltung der vereinbarten Kündigungsfrist von einem Jahr zum 31. März 1998, wogegen B. Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht (ArbG) E erhob. Hintergrund der Kündigung war ein Schreiben des B. an den Geschäftsführer der Klägerin, in dem B. geäußert hatte, die Zukunft der Klägerin liege in einer Fusion mit anderen Firmen, da der Sohn des Geschäftsführers für eine Führungsaufgabe ungeeignet sei.

Mit Urteil vom 27. Januar 1998 stellte das ArbG fest, dass die Kündigung vom 26. März 1997 unwirksam ist; gleichzeitig löste es auf den Hilfsantrag der Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1998 auf und verurteilte die Klägerin zur Zahlung einer Abfindung von 300.000 DM. Nachdem sowohl die Klägerin als auch B. gegen das Urteil des ArbG Berufung eingelegt hatten, schlossen sie am 9. April 1998 vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis auf Veranlassung der Klägerin mit dem 31. März 1998 endete und die Klägerin sich verpflichtete, als Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes einen Abfindungsbetrag von 358.000 DM zu zahlen.

Die Beklagte bewilligte B. Alg für die Zeit ab 1. April 1998 für längstens 971 Tage in Höhe von zunächst 676,89 DM wöchentlich. Im Dezember 1999 forderte die Beklagte von der Klägerin Erstattung des an B. gezahlten Alg zuzüglich Beiträge für die Zeit vom 1. April 1998 bis 30. Juni 1999. Nach Klageerhebung erweiterte die Beklagte zunächst die Erstattungsforderung; nach Mitteilung des Rentenversicherungsträgers, B. habe ab 1. November 1998 Rente beziehen können, erließ die Beklagte jedoch einen Änderungsbescheid vom 20. September 2000, mit dem sie ihre Erstattungsforderung auf das B. für die Zeit vom 1. April 1998 bis 31. Oktober 1998 gewährte Alg zuzüglich Beiträge in der Gesamthöhe von 35.751,26 DM beschränkte.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 13. März 2002 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Die Grundvoraussetzungen des § 128 AFG seien erfüllt. Anhaltspunkte dafür, dass B. für die Zeit vor dem 1. November 1998 Anspruch auf eine anderweitige Sozialleistung gehabt haben könnte, bestünden nach den im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskünften nicht. Das Arbeitsverhältnis sei nicht durch sozial gerechtfertigte Kündigung, sondern durch den vor dem LAG geschlossenen Vergleich beendet worden. Über seinen Wortlaut hinaus könne § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG nicht auf Fälle einer einvernehmlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses erstreckt werden; dies entspreche der Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Die Kündigung sei auch nicht sozial gerechtfertigt gewesen. Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers nach § 9 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) auf Grund der Position des B. als leitender Angestellter könne nicht einer Kündigung aus wichtigem Grund nach § 626 Abs 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gleichgestellt werden.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung gegen das Urteil des SG zurückgewiesen (Urteil vom 29. November 2002). In den Entscheidungsgründen hat das LSG weitgehend gemäß § 153 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die Gründe des SG-Urteils Bezug genommen. Ergänzend hat es ua ausgeführt, dass die vorliegend geschlossene Aufhebungsvereinbarung nicht als bloßer Abwicklungsvertrag nach einer zuvor ausgesprochenen Arbeitgeberkündigung angesehen werden könne.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzungen des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 und Nr 5 AFG. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen sei die Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers iS der §§ 9 Abs 1 Satz 2, 14 Abs 2 KSchG einer Kündigung aus wichtigem Grund iS des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG gleichzustellen. B. sei leitender Angestellter der Klägerin gewesen; das Vertrauensverhältnis zwischen ihr und B. sei auf Grund dessen Verhaltens gestört gewesen. Das BVerfG knüpfe an die besondere Verantwortung des Arbeitgebers für den Eintritt der Arbeitslosigkeit. Wenn das Arbeitsrecht über die Normen des KSchG dem Arbeitgeber ausdrücklich ermögliche, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen Unzumutbarkeit zu verweigern, könne von einer besonderen Verantwortung für die Arbeitslosigkeit des betroffenen Arbeitnehmers keine Rede sein. Die dem Arbeitgeber über das KSchG ausdrücklich eingeräumte Möglichkeit, sich gegen die Weiterbeschäftigung eines leitenden Angestellten zu entscheiden, würde ihres Inhalts entleert, wenn man dem Arbeitgeber eine Verpflichtung nach § 128 AFG auferlege. Eine einengende Interpretation des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG führe zu einem Wertungswiderspruch zwischen Arbeits- und Sozialrecht. Angesichts der Forderung des BVerfG zur verfassungskonformen Auslegung könne der Gedanke, es liege eine abschließende Regelung vor, nicht durchgreifen; es handle sich vielmehr um eine planwidrige Regelungslücke. Gerügt werde auch ein Verstoß gegen § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG. Das LSG gehe davon aus, dass der Abschluss des Vergleichs vor dem LAG die zuvor ausgesprochene Kündigung gegenstandslos gemacht habe. Die Klägerin habe jedoch keine ausdrückliche Rücknahme der Kündigung in dem geschlossenen Vergleich erklärt; der Wortlaut der Ziffer 1 des Vergleichs enthalte keinerlei Hinweis darauf, dass sich die Klägerin von ihrer Kündigung habe lösen wollen. Mit dem Vergleich habe die Klägerin die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vielmehr auf eine weitere rechtliche Grundlage gestellt, um weiteren Streit mit B. zu vermeiden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Urteile des Sozialgerichts Itzehoe vom 13. März 2002 und des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. November 2002 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2000 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision ist unbegründet. Der allein noch angefochtene Bescheid vom 20. September 2000, mit dem die Beklagte die Erstattung des für die Zeit von April 1998 bis Oktober 1998 an B. gezahlten Alg zuzüglich Beiträge gefordert hat und der gemäß § 96 SGG zum Gegenstand des Rechtsstreits geworden ist, ist nicht rechtswidrig.

Die Erstattungspflicht der Klägerin für das dem Arbeitnehmer B. im streitgegenständlichen Zeitraum in der Gesamthöhe von 35.751,26 DM gezahlte Alg einschließlich Beiträge folgt aus § 128 AFG, der im vorliegenden Fall gemäß § 431 Sozialgesetzbuch Arbeitsförderung (SGB III) iVm § 242x Abs 6 AFG idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594, weiter anzuwenden war. Das LSG ist zutreffend vom Vorliegen der Voraussetzungen des § 128 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 AFG - die denen des § 147a Abs 1 Satz 1 und Abs 4 SGB III entsprechen - ausgegangen. Danach erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt für Arbeit (BA) vierteljährlich das Alg - unter Einschluss der hierauf entfallenden Beiträge - für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage. Der am 6. Oktober 1938 geborene B. hat bei der Klägerin von 1963 bis Ende März 1998 durchgehend in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden. Die Erstattungsforderung bezieht sich auf das B. ab 1. April 1998 gewährte Alg bzw die hierauf entfallenden Beiträge und damit ausschließlich auf die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen. Auch die Höchstdauer von 624 Tagen, für die eine Erstattung längstens in Betracht kommt, ist nicht überschritten.

Nicht zu beanstanden ist, dass LSG und SG ein Eingreifen der Befreiungstatbestände des § 128 Abs 1 Satz 2 AFG, wonach die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 56. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet worden ist oder der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs 1 Satz 1 Nr 2 bis 4 AFG genannten Leistungen oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt, verneint haben. Anlass zu besonderen Ermittlungen über etwaige Einschränkungen der gesundheitlichen Leistungsfähigkeit des B. bestand nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht (vgl BSGE 87, 132, 138 = SozR 3-4100 § 128 Nr 10).

Rechtsfehlerfrei hat das LSG angenommen, dass sich die Klägerin nicht mit Erfolg auf den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG - vgl nunmehr § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB III - berufen kann, wonach die Erstattungspflicht nicht eintritt, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat. Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ist das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch Aufhebungsvertrag beendet worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfüllt ein Aufhebungsvertrag den Befreiungstatbestand des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 4 AFG nicht (BSGE 81, 259, 264 f = SozR 3-4100 § 128 Nr 5; BSGE 84, 75, 78 = SozR 3-4100 § 128 Nr 6; SozR 3-4100 § 128 Nr 15).

Der von der Revision erhobene Einwand, die Klägerin habe nach dem Wortlaut des Vergleichs keine Rücknahme der Kündigung erklärt, sondern die Beendigung des Arbeitsverhältnisses nur auf eine weitere rechtliche Grundlage gestellt, greift nicht durch. Das LSG hat nicht festgestellt, dass die Klägerin als Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat, sondern angenommen, das Arbeitsverhältnis sei durch den vor dem LAG geschlossenen Vergleich konstitutiv beendet worden. Ob dies zutrifft, ist nach dem Inhalt rechtsgeschäftlicher Erklärungen zu beantworten, deren Feststellung in den Aufgabenbereich der Tatsachengerichte fällt. Die Überprüfung des Revisionsgerichts beschränkt sich darauf, ob die Feststellung des Inhalts rechtsgeschäftlicher Willenserklärungen durch das Tatsachengericht anerkannte Auslegungsgrundsätze verletzt (BSGE 77, 49, 50 f = SozR 3-4100 § 119 Nr 9 mwN). Das LSG hat begründet, weshalb es von einer Ersetzung der Kündigung durch die vor dem LAG geschlossene Vereinbarung ausgegangen ist. Es hat insbesondere darauf hingewiesen, dass vor Abschluss des Vergleichs eine der Kündigungsschutzklage stattgebende erstinstanzliche Entscheidung vorlag und dass mit der Regelung der Auflösung gegen Zahlung einer Abfindung zum einen den Unwägbarkeiten bei Fortführung des Kündigungsschutzrechtsstreits und zum anderen dem von der Klägerin hilfsweise gestellten Auflösungsantrag gemäß §§ 9, 14 KSchG Rechnung getragen werden sollte. Diese Ausführungen des LSG lassen eine Verletzung anerkannter Auslegungsgrundsätze nicht erkennen. Der übereinstimmende Wille der Parteien des Aufhebungsvertrags, diese Vereinbarung zum alleinigen Rechtsgrund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zu machen, ist damit nach den gesamten vom LSG herangezogenen Umständen von diesem rechtsfehlerfrei festgestellt. Die von der Revision anscheinend vertretene Rechtsansicht, ein Aufhebungsvertrag könne eine bereits ausgesprochene Kündigung nur dann gegenstandslos machen, wenn die Kündigung ausdrücklich zurückgenommen werde, ist unzutreffend.

Zu Recht hat das LSG auch angenommen, die Klägerin habe nicht dargelegt und nachgewiesen, dass sie bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG bzw § 147a Abs 1 Satz 2 Nr 5 SGB III). Die Klägerin hat B. gegenüber nur eine ordentliche, die maßgebliche Kündigungsfrist beachtende Kündigung ausgesprochen. Sie trägt nicht vor, sie sei zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist nach den Grundsätzen des § 626 BGB oder zur Kündigung aus wichtigem Grund "mit sozialer Auslauffrist" nach den vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten Grundsätzen berechtigt gewesen (vgl dazu Urteil des Senats vom 21. September 2000, B 11 AL 5/00 R, DBlR 4660 § 128 AFG, mit Hinweisen ua auf BAGE 88, 10 = AP Nr 143 zu § 626 BGB sowie Groeger NZA 1999, 850, 851 ff).

Soweit die Revision geltend macht, § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG sei erweiternd dahin auszulegen, dass die Berechtigung zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses auf Antrag des Arbeitgebers gemäß § 9 Abs 1 Satz 2 iVm § 14 Abs 2 Satz 2 KSchG der Berechtigung zur Kündigung aus wichtigem Grund gleichstehe, folgt ihr der Senat nicht. Die behauptete Gleichsetzung ist nicht gerechtfertigt, da Voraussetzung eines erfolgreichen Antrages des Arbeitgebers auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach § 9 Abs 1 Satz 2 KSchG iVm § 14 Abs 2 Satz 2 KSchG ist, dass die Kündigungsschutzklage des Arbeitnehmers deswegen Erfolg hat, weil die Kündigung sozialwidrig ist (Ascheid in Erfurter Kommentar, § 9 KSchG RdNr 18 und § 14 KSchG RdNr 17, mwN; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 10. Aufl, § 141 RdNr 2). Eine Auflösung des Arbeitsverhältnisses nach Maßgabe der genannten Vorschriften des KSchG können also nur Arbeitgeber erreichen, denen kein Recht zur ordentlichen Kündigung, also erst recht keine Berechtigung zur außerordentlichen Kündigung zusteht. § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG erfordert dagegen ein Recht zur außerordentlichen Kündigung.

Gegen die von der Revision vertretene Auffassung spricht außerdem, dass der Arbeitgeber bei einem Antrag, das Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten aufzulösen, nach § 14 Abs 2 Satz 2 KSchG davon befreit ist, dem Gericht Auflösungstatsachen zu unterbreiten. Dies bedeutet, dass das ArbG keinerlei Prüfungskompetenz hinsichtlich der Berechtigung eines vom Arbeitgeber in zulässiger Weise gestellten Auflösungsantrages hat, dh, das Gericht hat dem Antrag auch dann stattzugeben, wenn nach seiner Überzeugung keinerlei Störung des Vertrauensverhältnisses vorliegt (KR-Rost, 6. Aufl, § 14 KSchG RdNr 38). Eine Erstreckung des Befreiungstatbestandes des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG auf den Fall des Rechts zur Auflösung nach §§ 9, 14 KSchG hätte demnach zur Folge, dass Arbeitgeber auch bei offensichtlich unbegründeten Kündigungen und beim Fehlen von Auflösungsgründen eine Erstattungspflicht nach § 128 AFG vermeiden könnten.

Eine erweiternde Auslegung des § 128 Abs 1 Satz 2 Nr 5 AFG ist auch im Hinblick auf die unterschiedlichen Zielsetzungen der genannten Vorschriften des KSchG einerseits und des § 128 AFG andererseits nicht geboten. Mit den §§ 9 und 14 KSchG soll dem Arbeitgeber eines leitenden Angestellten bei einer nicht sozial gerechtfertigten Kündigung noch die Möglichkeit gegeben werden, eine Auflösung zu erzwingen, ohne dass er seinen Antrag begründen muss (v. Hoyningen-Huene/Linck, KSchG, 13. Aufl, § 14 RdNr 30); eine Auflösung kann der Arbeitgeber aber nur gegen Zahlung einer Abfindung erreichen. § 128 AFG zielt demgegenüber darauf ab, die Arbeitgeber zu veranlassen, ihre älteren, langjährig beschäftigten Arbeitnehmer nicht in die Arbeitslosigkeit mit anschließender Frühverrentung zu entlassen (BVerfGE 81, 156, 189 = SozR 3-4100 § 128 Nr 1). Im Rahmen dieser verhaltenssteuernden Funktion des § 128 AFG erscheint es sachgerecht, wenn das Gesetz von der Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung nur ausgeht, wenn dem Arbeitgeber ein Recht zur Kündigung aus wichtigem Grund zusteht. Steht dem Arbeitgeber ein solches Recht nicht zu und löst er dennoch das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auf, kann angenommen werden, dass er die Arbeitslosigkeit des Arbeitnehmers in einer Weise herbeigeführt hat, die es rechtfertigt, ihm die sozialen Folgekosten aufzubürden (BVerfGE aaO S 200). Da schon die §§ 9, 14 KSchG von einer Verantwortung des Arbeitgebers auch für das Arbeitsverhältnis eines leitenden Angestellten ausgehen, besteht kein Grund, den Arbeitgeber bei diesen Angestellten von seiner Verpflichtung gegenüber der Allgemeinheit zu entlasten. Dass die geltende Gesetzesfassung den Ausführungen des BVerfG zur "weiten Auslegung" von Ausnahmeregelungen, die sich auf den wichtigen Grund zur fristlosen Kündigung beziehen (BVerfGE aaO), Rechnung trägt, hat das BSG bereits entschieden (ua in SozR 3-4100 § 128 Nr 11 S 97).

Weitere Gesichtspunkte, die für einen Ausschluss oder eine Beschränkung der Erstattungspflicht der Klägerin sprechen könnten, sind unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG nicht zu erkennen. Zu prüfen ist allenfalls, ob von der BA an B. infolge des Eintritts einer Sperrzeit (§ 119 AFG bzw § 144 SGB III) weniger Alg zu zahlen gewesen wäre. Insoweit ist den Feststellungen des LSG zum Kündigungsgrund und zum Ablauf des arbeitsgerichtlichen Verfahrens zu entnehmen, dass B. nicht vorgehalten werden kann, er habe durch arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des BSG zum wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses bei Androhung einer sozial gerechtfertigten Kündigung (ua BSGE 89, 243, 245 f = SozR 3-4300 § 144 Nr 8) ist im Übrigen anzunehmen, dass sich B. auf einen wichtigen Grund berufen kann. Denn nach dem Urteil des ArbG und dem Inhalt des vor dem LAG geschlossenen Vergleichs ist davon auszugehen, dass sich B. gegen die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses arbeitsrechtlich nicht wehren konnte, dh das Arbeitsverhältnis wäre durch arbeitsgerichtliches Auflösungsurteil ebenfalls zum 31. März 1998 beendet worden, wenn B. den Vergleich vom 9. April 1998 nicht abgeschlossen hätte. Einwendungen gegen die Höhe der Erstattungsforderung sind weder erhoben worden noch ist ersichtlich, dass diese in der Höhe sachlich falsch festgesetzt worden sein könnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.



Ende der Entscheidung

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