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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 15.12.1999
Aktenzeichen: B 11 AL 37/99 R
Rechtsgebiete: AFG, SGB III


Vorschriften:

AFG § 134
AFG § 134 Abs 3 Satz 1 Nr 1
AFG § 134 Abs 3
SGB III § 191
Krankengeld, das nicht Lohn sondern Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ersetzt, begründet keinen Anspruch auf Arbeitslosenhilfe.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Az: B 11 AL 37/99 R

Klägerin und Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 15. Dezember 1999 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Sattler, die Richter Voelzke und Dr. Leitherer, die ehrenamtliche Richterin Farlock und den ehrenamtlichen Richter Bungart

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. November 1998 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi).

Die Klägerin war bis Ende September 1989 als Sozialpädagogin beschäftigt und bezog anschließend Arbeitslosengeld (Alg), Mutterschaftsgeld, wieder Alg und ab Juli 1990 schließlich Anschluß-Alhi; diese Leistung erhielt sie zuletzt für den 30. Juni 1992. Am 1. Juli 1992 nahm sie eine Tätigkeit als selbständige Therapeutin auf; hierfür bewilligte die Beklagte ihr für 26 Wochen Überbrückungsgeld. Vom 22. Juni 1994 bis zum 19. Oktober 1995 bezog die Klägerin von der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK), bei der sie als freiwilliges Mitglied versichert war, Krankengeld (Krg) in Höhe von kalendertäglich 66,66 DM.

Am 16. Oktober 1995 meldete sich die Klägerin arbeitslos und beantragte Alhi. Sie machte geltend, sie habe ihre selbständige Tätigkeit wegen einer Hüfterkrankung aufgeben müssen. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab, da die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe und auch kein Ersatztatbestand gegeben sei (Bescheid vom 9. November 1995, Widerspruchsbescheid vom 21. März 1996). Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, der Klägerin Alhi nach den gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen (Urteil vom 27. Februar 1997). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 26. November 1998).

Zur Begründung seines Urteils hat das LSG ua ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Alhi, weil sie innerhalb der Vorfrist von einem Jahr weder 150 Tage beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei noch eine gleichgestellte Zeit zurückgelegt habe. Entgegen der Auffassung des SG seien auch die Voraussetzungen des § 134 Abs 3 Satz 1 Nr 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) nicht gegeben, weil die Klägerin innerhalb der Vorfrist nicht mindestens 240 Kalendertage wegen Krankheit Leistungen der Sozialversicherung zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts bezogen habe. Zwar sei das aufgrund einer freiwilligen Versicherung bezogene Krg an sich eine Leistung der Sozialversicherung. Sinn und Zweck des § 134 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG erforderten indes eine einschränkende Auslegung, da die Regelung lediglich das zeitweilig fehlende Leistungsvermögen für eine sonst ausgeübte beitragspflichtige Beschäftigung ausgleichen solle. Nur anstelle von Lohn tretendes Krg rechtfertige aber die Annahme, daß ohne die Einschränkung des Leistungsvermögens eine Beschäftigung ausgeübt worden wäre. Da die Klägerin bis zu dem Bezug von Krg knapp zwei Jahre selbständig tätig gewesen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, daß sie ohne den Bezug des Krg die "kleine Anwartschaft" erworben hätte. Die Klägerin könne den geltend gemachten Anspruch schließlich nicht mit der Begründung, die Beklagte habe sie aufgrund einer fehlerhaften Beratung in die selbständige Tätigkeit gedrängt, auf einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stützen; denn die tatsächlich ausgeübte selbständige Tätigkeit lasse sich nicht nachträglich beseitigen. Es sei nicht zulässig, die Klägerin durch eine Amtshandlung der Beklagten so zu stellen, als wäre sie nicht selbständig tätig gewesen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 134 AFG. Sie wiederholt ihre Auffassung, daß es sich bei dem bezogenen Krg um eine Sozialleistung iS des § 134 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG gehandelt habe. Angesichts des Gesetzeswortlauts sei es nicht zulässig, den Anspruch auf Alhi zusätzlich davon abhängig zu machen, ob ohne die Einschränkung des Leistungsvermögens eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt worden wäre. Daß eine einschränkende Auslegung des § 134 Abs 3 AFG nicht dem Willen des Gesetzgebers entspreche, bestätige § 191 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III).

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen

das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Ihr steht nach dem Auslaufen des Krg ab 20. Oktober 1995 Alhi nicht zu.

1. Anspruch auf Alhi hat nach § 134 Abs 1 AFG nur, wer ua innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen erfüllt sind (Vorfrist), Alg bezogen hat oder mindestens 150 Kalendertage in einer Beschäftigung gestanden oder eine Zeit zurückgelegt hat, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen können (vgl Nr 4). Keine dieser Anwartschaftsvoraussetzungen erfüllt die Klägerin.

a) Daß die Klägerin 1990 aufgrund des vorgehenden Alg-Bezuges die Anspruchsvoraussetzungen für (Anschluß-)Alhi erfüllt hatte, vermag einen Zahlungsanspruch auf Alhi ab 20. Oktober 1995 nicht mehr zu begründen. Denn nach § 135 Abs 1 Nr 2 AFG (in der bis zum 31. März 1996 geltenden Fassung) erlischt der Anspruch auf Alhi, dh die einmal erworbene Anspruchsberechtigung, wenn seit dem letzten Tag des Bezugs von Alhi ein Jahr vergangen ist. Da die Klägerin zuletzt für den 30. Juni 1992 Anschluß-Alhi bezogen hatte, war die 1990 erworbene Anspruchsberechtigung erloschen, als die Klägerin 1995 nach mehr als drei Jahren wieder Alhi beantragte.

Die Klägerin kann nicht verlangen, im Wege eines sog sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so behandelt zu werden, als habe sie die selbständige Tätigkeit nicht ausgeübt, sondern durch fortgesetzten Leistungsbezug diesen Alhi-Anspruch behalten. Hierbei kann dahinstehen, ob der Vorwurf, das Arbeitsamt habe pflichtwidrig gehandelt, indem es der Klägerin zu einer selbständigen Tätigkeit riet und deren Aufnahme durch Überbrückungsgeld förderte, stichhaltig ist, nachdem die Klägerin selbst ein Gutachten über die Tragfähigkeit ihrer Existenzgründung vorgelegt hatte. Denn jedenfalls stellt die Aufnahme und rund zweijährige Ausübung einer selbständigen Tätigkeit eine Begebenheit tatsächlicher Art dar, die nicht der Gestaltung durch Verwaltungshandeln der Beklagten zugänglich ist, und deshalb nicht im Wege eines Herstellungsanspruchs ungeschehen gemacht werden kann (vgl BSG SozR 3-4100 § 249e Nr 4). Insbesondere kann mit einem Herstellungsanspruch nicht das Ergebnis erzielt werden, daß der Anspruchsteller die Vorteile des tatsächlichen Geschehensablaufs (hier: Zahlung von Überbrückungsgeld, Erzielung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Bezug von beitragsfreiem Krg) behält und zusätzlich die Vorteile erzielt, die ihm der hypothetische Sachverhalt gebracht hätte (vgl BSG SozR 4100 § 112 Nr 51). Insoweit bringt die Revision im übrigen auch keine Einwendungen gegen das angefochtene Urteil vor.

b) Ein weiteres Mal hat die Klägerin die Anspruchsvoraussetzungen des § 134 Abs 1 AFG nicht erfüllt. Innerhalb eines Jahres vor dem 20. Oktober 1995, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt waren (Vorfrist), hat die Klägerin weder Alg bezogen noch in einer Beschäftigung gestanden noch eine Zeit zurückgelegt, die anstelle einer Beschäftigung zur Erfüllung der Anwartschaft dienen konnte. Insoweit kann sich die Klägerin nicht auf den Bezug von Krg berufen. Zwar können Zeiten des Bezuges von Krg zur Erfüllung der Anwartschaft dienen, wenn sie Zeiten einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gleichstehen. Das ist nach § 134 Abs 4 Satz 1, § 107 Nr 5 Buchst a AFG nur der Fall, wenn wegen des Leistungsbezuges nach § 186 AFG Beiträge zu zahlen waren. Daran fehlt es hier. Denn Zeiten des Bezuges von Krg sind nach § 186 Abs 1 Satz 1 AFG nur beitragspflichtig, wenn der Bezieher dieser Leistung unmittelbar vor deren Beginn in einer die Beitragspflicht nach dem AFG begründenden Beschäftigung gestanden oder eine laufende Lohnersatzleistung nach dem AFG bezogen hat. Keine dieser Voraussetzungen für eine Beitragspflicht war hier erfüllt, da die Klägerin unmittelbar vor dem Krg-Bezug angesichts ihrer etwa zwei Jahre zuvor aufgenommenen Tätigkeit als selbständige Therapeutin nicht zum Kreis der beitragspflichtigen Arbeitnehmer (§ 168 AFG) gehörte und auch keine Lohnersatzleistungen von der Beklagten bezogen hat.

2. Die Klägerin kann schließlich nicht geltend machen, daß nach § 134 Abs 3 Satz 1 Nr 1 AFG eine vorherige Beschäftigung zur Begründung des Anspruchs auf Alhi nicht erforderlich ist, wenn der Arbeitslose innerhalb der Vorfrist für mindestens 240 Kalendertage wegen Krankheit Leistungen der Sozialversicherung zur Bestreitung seines Lebensunterhalts bezogen hat und solche Leistungen nicht mehr bezieht, weil die für die Gewährung maßgebliche Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit nicht mehr vorliegt. Auch für diesen Tatbestand genügt der Krg-Bezug der Klägerin nicht.

Allerdings ist die gesetzliche Krankenversicherung, zu deren Trägern auch die Ersatzkassen gehören (§ 4 Abs 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch), ein Zweig der Sozialversicherung und die Sozialversicherung umfaßt nach § 2 Abs 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch auch aufgrund freiwilligen Beitritts versicherte Personen. "Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts" iS des § 134 Abs 3 AFG sind indes, wie der Senat schon entschieden hat, nur Barleistungen mit Lohnersatzcharakter (SozR 4100 § 134 Nr 34; SozR 3-4100 § 134 Nr 9), woran es hier fehlt. Zwar betrifft die Rechtsprechung des Senats Leistungen wegen einer Maßnahme zur Rehabilitation (§ 134 Abs 3 Nr 3 AFG). Das Tatbestandsmerkmal "Leistungen zur Bestreitung seines Lebensunterhalts" bezieht sich nach dem Gesetzeswortlaut jedoch auf alle in den Nrn 1 bis 3 des § 134 Abs 3 AFG genannten Leistungen und ist daher einheitlich auszulegen (Senat aaO). Für Leistungen der Sozialversicherung wegen Krankheit (Nr 1) gilt daher nichts anderes. Der Bezug von Barleistungen wie dem Krg vermag einen Anspruch auf Alhi daher nur zu begründen, wenn das Krg als Lohnersatzleistung gewährt worden ist. Da das nicht der Fall war, kann sich die Klägerin auf § 134 Abs 3 AFG nicht berufen. Auf die Frage, ob zu erwarten gewesen wäre, daß die Klägerin die Anwartschaft auf Alhi durch Beschäftigung erworben hätte, wenn sie nicht arbeitsunfähig gewesen wäre, kommt es nicht an.

Fehl geht daher der Einwand der Revision, das Gesetz sehe die Einschränkung nicht vor, die die Rechtsprechung gemacht habe. Es ist allgemein anerkannt, daß bei der Auslegung von Gesetzen nicht am buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften, sondern der Sinn einer Norm zu erforschen ist. Schon die Frage, ob der Wortlaut einer Vorschrift tatsächlich eindeutig ist, läßt sich ohne Auslegung nicht beantworten. Maßgeblich für das Verständnis einer Rechtsvorschrift ist der in ihrem Wortlaut zum Ausdruck gekommene objektivierte Wille des Gesetzgebers, dh die ratio legis oder der Sinn und Zweck der Vorschrift, so daß der teleologischen, am Gesetzeszweck orientierten Auslegung wesentliches Gewicht zukommt. Um den Sinn und Zweck einer Norm zu ermitteln, sind wiederum ihr Bedeutungszusammenhang und ihre Entstehungsgeschichte zu berücksichtigen (Senat SozR 3-4100 § 134 Nr 9 mwN). Grundsätzlich zulässig ist in den danach zu ziehenden Grenzen - und zwar auch von Verfassungs wegen (vgl BVerfG NJW 1997, 2230) - eine sog teleologische Reduktion, dh eine Auslegung, die zu einer Einschränkung des Anwendungsbereichs einer Norm gegenüber ihrem Wortlaut führt. Danach besteht keine Veranlassung, die bisherige Rechtsprechung des Senats aufzugeben.

§ 134 Abs 3 AFG hat den Zweck, dem Arbeitslosen, der zB durch eine längere ernsthafte Erkrankung an einer Beschäftigung von 150 Tagen in der Vorfrist (Anwartschaft nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG) gehindert war, nach Ausheilung Alhi zu verschaffen, indem die fehlende entlohnte Beschäftigung durch den Bezug bestimmter, nach Ausheilung wegfallender Leistungen eines öffentlichen Trägers zu Bestreitung des Lebensunterhalts ersetzt wird (vgl BSG SozR Nr 1 zu § 5 der 5. DVO zum AVAVG und SozR 4220 § 3 Nr 1, jeweils zu Vorläufervorschriften; BSG SozR 4100 § 134 Nr 32). Die Tatbestände des § 134 Abs 3 AFG, insbesondere die der Nrn 1 und 2, kennzeichnen sich dadurch, daß sie den Bezug von Leistungen zur Bestreitung des Lebensunterhalts voraussetzen, die typischerweise an beitragspflichtige Beschäftigungen anknüpfen und anstelle von erzielten Arbeitsentgelten treten. Der Grund dafür, daß zur Begründung eines Anspruchs auf Alhi in diesen Fällen der Bezug der Sozialleistung genügt, ist, daß zumindest bei pauschaler Betrachtung der Bezug die Annahme rechtfertigt, ohne die Behinderung wäre in der selben Zeit eine Arbeitnehmertätigkeit ausgeübt worden (vgl BSG SozR 4100 § 134 Nr 32 mwN). Diese Annahme ist indes generell nur gerechtfertigt, wenn die Sozialleistung Lohnersatzcharakter hat. Sozialleistungen, die an Stelle selbständiger Erwerbseinkünfte getreten sind, begründen den Anspruch auf Alhi daher nicht (aA Ebsen in Gagel, AFG, § 134 RdNr 170; HessLSG info also 1997, 151).

Daß § 134 Abs 3 AFG einen Anspruch auf Alhi begründen soll, wenn der Arbeitslose ohne die Leistungseinschränkungen innerhalb der einjährigen Vorfrist eine beitragspflichtige Beschäftigung von mindestens 150 Kalendertagen zurückgelegt hätte, bestätigt das Erfordernis, die die Beschäftigung ersetzende Leistung zur Bestreitung des Unterhalts an 240 Tagen innerhalb der Vorfrist bezogen zu haben. Denn da die Vorfrist ein Jahr beträgt, werden von vornherein nur solche Fälle erfaßt, in denen während mindestens rund acht Monate innerhalb der Vorfrist Leistungen wegen Einschränkungen des Leistungsvermögens bezogen wurden, so daß eine von § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG vorausgesetzte Beschäftigung von mindestens 150 Kalendertagen (rund fünf Monaten) in der gleichen Vorfrist typischerweise ausscheidet.

Einen im Gesetz objektivierten Ausdruck dieses Grundgedankens stellt auch die Regelung dar, nach der durch Zeiten des Bezuges von Sozialleistungen wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit die Anwartschaft nur erworben wird, wenn der Arbeitslose eine zur Erfüllung der Anwartschaft dienende zumutbare Beschäftigung nicht ausüben konnte (§ 134 Abs 3 Satz 1 2. Halbsatz AFG). Dies trägt dem Umstand Rechnung, daß bei Personen mit geminderter Erwerbsfähigkeit ein Leistungsbezug für sich allein nicht typischerweise die Möglichkeit der Erfüllung der Anwartschaft durch eine Beschäftigung ausschließt. In ihrer Erwerbsfähigkeit lediglich geminderte Personen können nämlich häufig gleichwohl eine vollwertige Leistung am Arbeitsplatz erbringen und bei Arbeitslosigkeit der Arbeitsvermittlung ohne nennenswerte Einschränkungen zur Verfügung stehen. Die genannte Regelung soll deshalb verhindern, daß Personen, die trotz ihrer Leistungsminderung dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen oder stehen könnten und damit wie Gesunde die Möglichkeit haben, die Anwartschaft durch Beschäftigung zu erwerben, sich auf § 134 Abs 3 AFG berufen können (Ebsen in Gagel, AFG, § 134 RdNr 181; vgl auch Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB III, K § 191 RdNr 152). Auch insoweit bestätigt daher bereits das Gesetz die Richtigkeit der Auffassung, daß nur solche Arbeitslose einen Anspruch auf Alhi nach § 134 Abs 3 AFG haben sollen, bei denen aufgrund der bezogenen Sozialleistung davon ausgegangen werden kann, daß sie "bei normalem Verlauf" die Anspruchsvoraussetzungen nach § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AFG erfüllt hätten.

Die Richtigkeit der Auffassung, daß der Bezug von Krg, das nicht Lohn, sondern Einkommen aus selbständiger Tätigkeit ersetzt, einen Anspruch auf Alhi nicht zu begründen vermag, bestätigt schließlich die Rechtsentwicklung. Eingefügt wurde § 134 Abs 3 AFG mit Wirkung ab 1. Januar 1982 durch das Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz (AFKG) vom 22. Dezember 1981 (BGBl I 1497). Mit diesem nicht auf Leistungserweiterungen, sondern auf Einsparungen gerichteten Gesetz (vgl BSG SozR 4100 § 134 Nr 34) sollte ursprünglich die nicht auf dem Vorbezug von Alg beruhende sog originäre Alhi insgesamt abgeschafft werden. Personen, die noch keinen Anspruch auf Alg erworben hatten oder die bisher nicht Arbeitnehmer waren, sollten generell vom Bezug von Alhi ausgeschlossen werden und nur noch die Vermittlungs- und Beratungsdienste der Beklagten in Anspruch nehmen können (BT-Drucks 9/799 S 45 f und 9/846 S 46 f, 62). Dieses Gesetzesvorhaben wurde allerdings so nicht umgesetzt. Die schließlich verabschiedete Fassung des AFKG beließ es bei der originären Alhi, schränkte indes die anspruchsbegründenden Tatbestände ein und übernahm diese, soweit sie in der Alhi-Verordnung vom 7. August 1974 (BGBl I 1929) geregelt waren, in das Gesetz. So wurde § 3 Alhi-Verordnung mit verändertem Wortlaut § 134 Abs 3 AFG und ua die Vorschrift des § 1 Nr 3 Alhi-Verordnung ersatzlos aufgehoben, nach der die im Geltungsbereich des AFG hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit als Selbständiger an die Stelle der fehlenden entlohnten Beschäftigung trat, wenn die selbständige Tätigkeit nicht nur vorübergehend aufgegeben war (Art 16 § 1 AFKG). Damit ist deutlich der objektivierte Wille des Gesetzgebers zum Ausdruck gekommen, Selbständige aus dem Kreis der Alhi-Berechtigten herauszunehmen. Sollte danach aber schon die Ausübung einer selbständigen Tätigkeit künftig kein anspruchsbegründender Tatbestand mehr sein, so rechtfertigt sich daraus der Schluß, daß Zeiten, in denen ein Selbständiger wegen Einschränkung seines Leistungsvermögens seine Tätigkeit nicht fortsetzen kann und Leistungen aus einer während der Selbständigkeit abgeschlossenen freiwilligen Versicherung bezieht, erst recht keinen Anspruch auf Alhi begründen. Ist schon die selbständige Erwerbstätigkeit als solche nicht anspruchsbegründend, wäre es systemwidrig, wenn dem Bezug von Sozialleistungen, die anstelle des Einkommens aus selbständiger Tätigkeit getreten sind, weitergehende Rechtswirkungen zukämen.

Der Auffassung des Senats läßt sich auch nicht mit Erfolg entgegenhalten, der Vorschrift bedürfe es nicht, wenn lediglich Krg mit Lohnersatzfunktion den Anspruch auf Alhi begründe, weil Zeiten, für die wegen des Bezuges von Krg Beiträge zu zahlen waren, schon nach § 107 Nr 5 Buchst a, § 134 Abs 1 Nr 4 Buchst b AFG die Anwartschaftszeit erfüllen. Diese Argumentation entbehrt bereits nach der Gesetzesentwicklung einer tragfähigen Grundlage. § 107 Nr 5 Buchst a AFG in der hier fraglichen Fassung sowie die Regelung in § 186 Abs 1 AFG, wonach ua für Zeiten des Krg-Bezuges unter bestimmten Voraussetzungen Beiträge zu zahlen sind, wurden nämlich erst durch das Haushaltsbegleitgesetz 1984 vom 22. Dezember 1983 (BGBl I 1532) eingefügt. Der Gesetzgeber verfolgte damit das Ziel, Lücken des Versicherungsschutzes beim Alg zu schließen. Nach den Gesetzesmaterialien wurde es als unbefriedigend empfunden, daß nach dem bis dahin geltenden Recht beispielsweise ein Berufsanfänger, der vor Erfüllung der Anwartschaft für den Anspruch auf Alg erkrankte und während dieser Zeit seinen Arbeitsplatz verlor, allein wegen seiner Erkrankung keinen Anspruch auf Alg erwarb (vgl BT-Drucks 10/335 S 84). Um solche Beeinträchtigungen des Arbeitslosenversicherungsschutzes zu vermeiden, sollten ua Zeiten eines ein Beschäftigungsverhältnis unterbrechenden Krg-Bezuges beitragspflichtig werden und dann in gleicher Weise wie Beschäftigungszeiten einen Anspruch auf Alg begründen (BT-Drucks aaO).

Zweck der Neuregelung war mithin, die Erfüllung der für einen Anspruch auf Alg erforderlichen Anwartschaftszeit (§ 100 Abs 1, § 104 AFG) zu erleichtern. Für die Auslegung der allein die Begründung eines Anspruchs auf Alhi betreffenden Regelung in § 134 Abs 3 AFG läßt sich daraus nichts gewinnen, zumal diese Regelung schon zwei Jahre vorher in Kraft getreten war und inhaltlich schon früher gegolten hatte. Es mag zwar sein, daß § 134 Abs 3 AFG im Hinblick darauf, daß die am 1. Januar 1984 in Kraft getretene Neuregelung in §§ 107, 186 AFG sich über § 134 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b und Abs 4 Satz 1 AFG auch auf die Erfüllung der sog kleinen Anwartschaft für den Anspruch auf Alhi auswirken kann, teilweise "überflüssig" geworden ist (vgl Ebsen in Gagel, AFG, § 134 RdNr 166), und daß es möglicherweise zweckmäßig gewesen wäre, zugleich den § 134 Abs 3 AFG abzuändern bzw anzupassen, soweit sich die Regelungsbereiche in dem Sinne überschneiden, daß sie bei bestimmten Fallkonstellationen zu identischen Ergebnissen für den Anspruch auf Alhi führen. Doch kann allein daraus, daß der Gesetzgeber eine solche Anpassung des § 134 Abs 3 AFG nicht für erforderlich gehalten hat, jedenfalls nicht entnommen werden, daß dieser Vorschrift etwa nach dem Inkrafttreten der Neuregelung in §§ 107, 186 AFG ein anderer, insbesondere weitergehender Regelungsgehalt als zuvor zukommen sollte.

Soweit die Revision schließlich meint, aus § 191 SGB III etwas für die Richtigkeit ihrer Auffassung herleiten zu können, kann auch dem nicht gefolgt werden. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Rechtsprechung zu § 134 Abs 3 AFG diese Regelung bis auf unwesentliche, redaktionell bedingte Umformulierungen inhaltlich unverändert in § 191 Abs 3 SGB III übernommen. Das spricht entgegen der Annahme der Klägerin gerade dafür, daß der Gesetzgeber die einschränkende Auslegung des § 134 Abs 3 AFG durch das Bundessozialgericht billigt. Denn nur wenn diese Auslegung im Widerspruch zu den Vorstellungen des Gesetzgebers stünde, hätte für diesen Anlaß bestanden, durch eine entsprechend abweichende Fassung des § 191 Abs 3 SGB III korrigierend einzugreifen und auf eine Klarstellung des Gewollten hinzuwirken.

3. Für Bezugszeiten ab 1. April 1996 ergibt sich schließlich aus den an diesem Tage in Kraft getretenen Änderungen der §§ 134, 135 AFG durch das Arbeitslosenhilfe-Reformgesetz (AlhiRG) vom 24. Juni 1996 (BGBl I 878) nichts anderes.

a) Auch nach der Änderung des § 135 AFG kann ein Zahlungsanspruch wegen Erlöschens der Anspruchsberechtigung nicht darauf gestützt werden, daß die Klägerin 1990 die Anspruchsvoraussetzungen für Anschluß-Alhi erfüllt hatte. Zwar verlängert sich aufgrund des neu angefügten Halbsatzes von § 135 Abs 1 AFG die Frist von einem Jahr nach dem letzten Tage des Bezuges von Alhi, nach dessen Ablauf der Anspruch erlischt, ua um Zeiten, in denen der Arbeitslose nach dem letzten Tage des Bezuges von Alhi selbständig gewesen ist, längstens jedoch um zwei Jahre. Die Anspruchsberechtigung erlischt damit günstigenfalls erst nach drei Jahren. Der zuletzt am 30. Juni 1992 bezogene Anspruch auf Alhi war daher auch nach Maßgabe des geänderten § 135 Abs 1 AFG erloschen, als die Klägerin im Oktober 1995 erneut Anspruch auf Alhi erhob. Es kann deshalb offenbleiben, ob die Neufassung des § 135 Abs 1 AFG überhaupt zur Anwendung kommt, wenn bei dem Inkrafttreten am 1. April 1996 die Anspruchsberechtigung schon erloschen war.

b) Nach dem neuen § 134 Abs 1 Satz 3 AFG verlängert sich zwar die einjährige Vorfrist des Satzes 1 ua um Zeiten der selbständigen Beschäftigung, längstens jedoch um zwei Jahre. Die Klägerin hat indes selbst in einer auf drei Jahre verlängerten Vorfrist vor dem 20. Oktober 1995 und erst recht vor dem 1. April 1996 weder Alg bezogen, 150 Kalendertage in einer beitragspflichtigen Beschäftigung gestanden oder eine sonstige Zeit zurückgelegt, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit dienen kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.



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