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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.10.2004
Aktenzeichen: B 11 AL 43/03 R
Rechtsgebiete: SGB IV, SGB X


Vorschriften:

SGB IV § 25
SGB X § 52
SGB X § 31
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 7. Oktober 2004

Az: B 11 AL 43/03 R

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Oktober 2004 durch den Richter Dr. Voelzke - als Vorsitzender -, die Richter Dr. Leitherer und Dr. Spellbrink sowie die ehrenamtlichen Richter Hanel und Siller

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 29. April 2003 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt (noch) die Feststellung, dass eine auf die Beklagte übergegangene Forderung auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen zur Sozialversicherung verjährt ist.

Im November 1976 wurde ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen des Klägers - damals Inhaber von zwei Baustoff-Firmen - durch das zuständige Amtsgericht mangels Masse abgelehnt. Die Beklagte zahlte daraufhin an Arbeitnehmer der Firmen Konkursausfallgeld (Kaug) in Höhe von insgesamt 9.323,56 DM und entrichtete für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgehenden drei Monate noch offene Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von 16.805,04 DM.

Mit zwei Schreiben vom 28. Januar 1977 wies die Beklagte den Kläger auf den Anspruchsübergang gemäß § 141m Arbeitsförderungsgesetz (AFG) hin und forderte ihn zur Zahlung auf. In den Schreiben heißt es ua:

"... an ehemalige Arbeitnehmer der Firma ... und an Einzugsstellen zahlte ich auf Grund von Anträgen

Konkursausfallgeld in Höhe von ....

Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung in Höhe von ...

Insgesamt ...

Mit der Stellung der Anträge sind die Ansprüche auf Arbeitsentgelt, die den Anspruch auf Konkursausfallgeld begründen, bzw die Ansprüche der Einzugsstellen auf Entrichtung der Pflichtbeiträge auf die Bundesanstalt für Arbeit übergegangen (§ 141m Abs 1 AFG). Die gegen Sie bestehende Forderung in Höhe von ... bitte ich bis zum ... auf eines der unten angegebenen Konten zu überweisen. Sollten Sie die Forderung nicht in einer Summe begleichen können, erbitte ich innerhalb der gesetzten Frist Ihre Zahlungsvorschläge (Aufstellung über im Einzelnen gezahlte Beträge siehe umseitig) ... "

Auf 1978 und 1979 gestellte Stundungsanträge des Klägers hin bewilligte die Beklagte die ratenfreie Stundung der Gesamtforderung zunächst bis 31. August 1979 und sodann bis 31. August 1980.

Im März 1982 erwirkte die Beklagte wegen der Arbeitsentgeltansprüche (9.323,56 DM) zuzüglich Zinsen beim zuständigen Arbeitsgericht einen Mahn- und nachfolgend einen Vollstreckungsbescheid. Zur Vollstreckung der Beiträge in Höhe von insgesamt 16.805,04 DM richtete die Beklagte im November 1980 ein Vollstreckungs- und Einziehungsersuchen an die Stadt L. , die am 19. Januar 1982 ein Zahlungsverbot mit Überweisungsverfügung gegenüber dem Arbeitgeber des Klägers erließ. In den folgenden Jahren erteilte die Beklagte der Vollstreckungsstelle des Hauptzollamts H. mehrere Vollstreckungsaufträge, woraufhin 1984 und 1990 weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen ergingen und mehrfach - zuletzt am 7. September 1993 - Pfändungsversuche beim Kläger unternommen wurden. Alle Vollstreckungsmaßnahmen blieben insbesondere wegen vorrangiger Abtretungen ergebnislos.

Mit Bescheid vom 14. Oktober 1997 bewilligte die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld (Alg) für 971 Tage in Höhe von zunächst 759 DM wöchentlich, wovon jedoch - nach Mitteilung über eine Abtretung - ab November 1997 wöchentlich 61,80 DM und ab Januar 1998 67,80 DM an die Commerzbank W. ausgezahlt wurden. Ab Juli 1998 stellte die Beklagte die Zahlungen an die Commerzbank ein und erließ gegenüber dem Kläger einen Bescheid vom 23. Juli 1998, mit dem sie gegen den Alg-Anspruch die Aufrechung mit einer Forderung in Höhe von 26.334,70 DM - täglich 44,37 DM - erklärte. Der Widerspruch des Klägers, mit dem dieser ua geltend machte, der ihm verbleibende Betrag liege unterhalb der Pfändungsfreigrenze und die Aufrechnung sei rechtswidrig, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 7. September 1998). Mit Änderungsbescheid vom 28. Oktober 1998 ermäßigte die Beklagte den täglichen Aufrechnungsbetrag auf 22,00 DM und zahlte einen Teilbetrag wieder an den Kläger aus. Insgesamt behielt die Beklagte vom Alg des Klägers, das dieser bis einschließlich 30. April 2000 bezog, 15.440,42 DM ein. Seit 1. Mai 2000 bezieht der Kläger Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA).

Gegen den Bescheid vom 23. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 7. September 1998 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht (SG) erhoben. Während des Klageverfahrens hat der Kläger erklärt, die der Aufrechnung zu Grunde liegende Forderung werde in Höhe von 9.323,56 DM zuzüglich Zinsen entsprechend der titulierten Forderung über die Arbeitsentgeltansprüche nicht bestritten; darüber hinaus von der Beklagten geltend gemachte Forderungen seien aber verjährt. Das SG hat die genannten Bescheide aufgehoben, "soweit eine Forderung über den Betrag von 9.323,56 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 10.03.1982 festgestellt wird", und die Beklagte zur Erstattung des über diesen Betrag hinausgehenden und bereits durch Aufrechnung einbehaltenen Betrages verurteilt (Urteil vom 8. Dezember 2000).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG geändert und festgestellt, dass die Sozialversicherungsbeitragsforderung der Beklagten gegen den Kläger in Höhe von 16.805,04 DM verjährt ist (Urteil vom 29. April 2003). In den Entscheidungsgründen hat das LSG ua ausgeführt: Die Berufung der Beklagten sei nicht begründet; der Tenor des erstinstanzlichen Urteils sei klarzustellen. Der Kläger habe seinen zunächst unbeschränkten Widerspruch gegen die Aufrechnung im Klageverfahren teilweise, nämlich entsprechend der Forderung gemäß Vollstreckungsbescheid, zurückgenommen; insoweit seien die angefochtenen Bescheide bestandskräftig. Im Zeitpunkt der Entscheidung des SG habe festgestanden, dass eine darüber hinausgehende Aufrechnung von der Beklagten nicht begehrt werde, weil bereits die unstreitige Forderung durch die Aufrechnung bis zum Ende des Alg-Bezuges nicht getilgt worden sei; die Zinsen von 6.273,40 DM für die Zeit vom 10. März 1982 bis 30. Juli 1999 und die Hauptforderung von 9.323,56 DM, insgesamt also 15.596,96 DM, überstiegen bereits den einbehaltenen Betrag von 15.440,42 DM. Der Kläger habe somit die Anfechtungsklage vollständig zurückgenommen, weshalb das Urteil des SG gegenstandslos sei, soweit es über die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung entschieden habe. Sachdienlicher Antrag des Klägers sei ein Feststellungsbegehren. Ein Feststellungsinteresse sei gegeben, da die Beklagte bereits ein Verrechnungsersuchen an die BfA für die Zeit ab Mai 2000 gestellt habe. Die Klage sei begründet, da der Anspruch auf die im Kaug-Zeitraum nicht gezahlten Beiträge verjährt sei. Die vierjährige Verjährungsfrist des § 25 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) sei abgelaufen. Es gelte nicht die dreißigjährige Verjährungsfrist, weil weder die Beklagte noch die Einzugsstelle einen Verwaltungsakt iS des § 52 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) zur Durchsetzung des Anspruchs erlassen habe. Nach § 28 Reichsversicherungsordnung (RVO) sei für die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens kein förmlicher Vollstreckungstitel erforderlich gewesen. Einen solchen Titel stellten auch nicht die Zahlungsaufforderungen vom 28. Januar 1977 dar, die schon ihrem äußeren Anschein nach keine Verwaltungsakte seien. Ob die Vollstreckungsanordnungen einen Verwaltungsakt darstellten, sei unerheblich; jedenfalls habe sie die Beklagte nicht zur Durchsetzung des Anspruchs auf die Pflichtbeiträge erlassen. Zwar sei die Verjährung durch die Stundungsanträge des Klägers (§ 208 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>) und die Vollstreckungshandlungen bis September 1993 wiederholt unterbrochen worden; bei Erklärung der Aufrechnung im Jahre 1998 - mehr als vier Jahre nach der letzten Vollstreckungshandlung - sei jedoch der Anspruch auf die Sozialversicherungsbeiträge verjährt gewesen.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte Verletzungen der §§ 25 SGB IV, 52 SGB X iVm 31 SGB X. Der Anspruch auf die im Kaug-Zeitraum gezahlten Pflichtbeiträge sei nicht verjährt. Das LSG habe verkannt, dass eine Beitragsforderung gemäß § 25 SGB IV iVm Art II § 15 SGB IV bei vorsätzlicher Vorenthaltung erst in 30 Jahren verjähre; hinsichtlich des Vorsatzes seien vom LSG noch Feststellungen zu treffen. Unabhängig davon erhöhe sich die Verjährungsfrist nach § 52 SGB X iVm § 218 BGB auf 30 Jahre. Ein unanfechtbarer Verwaltungsakt zur Durchsetzung eines Anspruchs gemäß § 52 SGB X liege vor. Das Schreiben vom 28. Januar 1977 erfülle sämtliche Voraussetzungen eines Verwaltungsaktes. Mangels Anfechtung sei der Verwaltungsakt unanfechtbar geworden. Eine Unterbrechung der Verjährung sei auch mit den Stundungen aus den Jahren 1978 und 1979 eingetreten; diese hätten zur Folge, dass sich die Verjährungsfrist mit Wirkung vom 1. Januar 1981 auf 30 Jahre verlängere und somit bis zum heutigen Tag nicht abgelaufen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29. April 2003 abzuändern, das Urteil des SG Hannover vom 8. Dezember 2000 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Der vorliegende Sachverhalt biete keinerlei Anhaltspunkte für ein vorsätzliches Vorenthalten von Beiträgen. Bei dem Schreiben vom 28. Januar 1977 handle es sich um eine schlichte Mitteilung eines Anspruchsübergangs mit einer Zahlungsaufforderung, folglich um keine Regelung iS des § 31 SGB X.

II

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des Urteils des LSG und der Zurückverweisung begründet.

1. Nicht zu beanstanden ist, dass das LSG von der vollständigen Rücknahme der zunächst erhobenen Anfechtungsklage und von der Zulässigkeit der Feststellungsklage ausgegangen ist. Die titulierte und vom Kläger anerkannte Forderung der Beklagten in Höhe von 9.323,56 DM zuzüglich Zinsen von mehr als 6.270 DM übersteigt den insgesamt von der Beklagten vom Alg des Klägers einbehaltenen Betrag (15.440,42 DM). Der Kläger hat deshalb sein ursprüngliches Begehren auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide (Aufrechnung gegen den Alg-Anspruch) nicht aufrechterhalten, sinngemäß die Anfechtungsklage zurückgenommen und gleichzeitig die Feststellung begehrt, dass die Forderung der Beklagten auf Zahlung von Beiträgen in Höhe von 16.805,04 DM verjährt ist. Für die Feststellungsklage iS des § 55 Abs 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ist ein Feststellungsinteresse des Klägers zu bejahen. Dieses ergibt sich insbesondere aus dem Verhalten der Beklagten (vgl BSGE 68, 128, 130 = SozR 3-3200 § 81 Nr 1), die weiterhin das Bestehen eines unverjährten Anspruchs auf Zahlung von Beiträgen behauptet und insoweit bereits ein Verrechnungsersuchen an die dem Kläger Rente zahlende BfA gerichtet hat.

2. Ob die Feststellungsklage begründet ist, kann auf der Grundlage der vom LSG bislang getroffenen tatsächlichen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden.

a) Der Anspruch auf Entrichtung von Pflichtbeiträgen für einen im Jahre 1976 liegenden Zeitraum ist gemäß § 141n Abs 1 Satz 3 AFG iVm § 141m Abs 1 AFG - jeweils idF des Gesetzes vom 17. Juli 1974, BGBl I 1481 - auf die Beklagte übergegangen. Für Beitragsansprüche galt vor Inkrafttreten des SGB IV am 1. Juli 1977 nach § 29 RVO eine zweijährige Verjährungsfrist; da der 1976 entstandene Anspruch bis zum Inkrafttreten des SGB IV noch nicht verjährt war, ist die Frage der Verjährung jedoch im vorliegenden Fall gemäß Art II § 15 SGB IV anhand des § 25 SGB IV zu beurteilen (vgl BSGE 70, 261, 264 = SozR 3-2400 § 25 Nr 4). Nach § 25 Abs 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind, bei vorsätzlicher Vorenthaltung jedoch erst in 30 Jahren; nach § 25 Abs 2 SGB IV - in der vor 2002 geltenden alten Fassung (aF) - gelten für die Hemmung und die Unterbrechung sowie die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des BGB. Seit 1. Januar 1981 ist zusätzlich die Vorschrift des § 52 SGB X aF zu beachten, die auf dem wortgleichen § 53 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) beruht (vgl BT-Drucks 8/2034 S 52).

b) Die Auffassung des LSG, in den Schreiben der Beklagten vom 28. Januar 1977 sei jeweils kein Verwaltungsakt zur Durchsetzung des Anspruchs iS des § 52 SGB X aF zu sehen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. In diesen Schreiben hat die Beklagte auf den Anspruchsübergang nach § 141m AFG hingewiesen und zur Zahlung aufgefordert. Gegen das Vorliegen einer Regelung durch Verwaltungsakt sprechen - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - insbesondere die Hinweise in den Schreiben auf den Anspruchsübergang bei Verbindung der Komplexe Kaug und Beiträge sowie das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung. Den Schreiben vom 28. Januar 1977 ist ihrem Wortlaut nach nur zu entnehmen, der Kläger solle einerseits bestimmte Beträge für Kaug und andererseits weitere Beträge für Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung begleichen; die Schreiben lassen dagegen nicht eindeutig erkennen, dass die Beklagte jedenfalls hinsichtlich der Pflichtbeiträge eine verbindliche Entscheidung treffen wollte. Gegen eine Regelungsabsicht der Beklagten spricht auch, dass nach dem damals noch geltenden § 25 Abs 2 Satz 2 SGB IV - erst gestrichen durch Gesetz vom 4. November 1982, BGBl I 1450 - die Verjährung "auch durch schriftliche Zahlungsaufforderung des Versicherungsträgers" unterbrochen wurde.

c) Dagegen ist dem LSG nicht zu folgen, soweit es ausgeführt hat, es sei unerheblich, ob die Vollstreckungsanordnungen einen Verwaltungsakt darstellten, da die Beklagte sie jedenfalls nicht zur Durchsetzung des Anspruchs auf die Pflichtbeiträge erlassen habe. Das LSG hat nicht beachtet, dass die grundsätzlich vierjährige Verjährungsfrist des § 25 SGB IV, nachdem sie zunächst durch die 1978 und 1979 gestellten Stundungsanträge des Klägers unterbrochen worden ist (§ 25 Abs 2 Satz 1 SGB IV aF iVm § 208 BGB aF), auch im Jahre 1982 durch eine von der Beklagten eingeleitete Vollstreckungsmaßnahme und damit einen Verwaltungsakt iS des § 52 SGB X aF unterbrochen worden sein kann.

Nach den Feststellungen des LSG hat die Beklagte im November 1980 ein Vollstreckungs- und Einziehungsersuchen an die Stadt L. gerichtet und letztere hat im Januar 1982 gegenüber dem damaligen Arbeitgeber des Klägers ein Zahlungsverbot mit Überweisungsverfügung erlassen. Im Zusammenhang damit ist den vorliegenden Akten, auf deren Inhalt das LSG im Tatbestand seines Urteils Bezug genommen hat, zu entnehmen, dass dem Arbeitgeber als Drittschuldner ein Pfändungsbeschluss mit ausdrücklichem Hinweis auf die Beitragsforderung von 16.805,04 DM (entsprechend der Bezeichnung der Forderung in den Schreiben vom 28. Januar 1977) zugestellt worden ist. Ob auch der Kläger diesen Pfändungsbeschluss erhalten hat, kann den Feststellungen des LSG einschließlich der beigezogenen Akten dagegen nicht eindeutig entnommen werden.

Hätte allerdings der Kläger im Zusammenhang mit der 1982 durchgeführten Vollstreckung ebenfalls einen Pfändungsbeschluss mit eindeutiger Bekanntgabe der beizutreibenden Forderung erhalten - vgl § 66 Abs 1 Satz 1 SGB X, § 5 Abs 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz (VwVG) iVm §§ 260, 309 Abgabenordnung - so wäre darin auch ein so genannter "Leistungsbescheid" enthalten, der als Verwaltungsakt anzusehen ist (vgl § 66 Abs 1 Satz 1 SGB X iVm § 3 Abs 2 Buchst a VwVG; Engelhardt/App, VwVG und Verwaltungszustellungsgesetz, § 3 VwVG RdNr 1; zum Vorliegen eines Verwaltungsakts bei einem Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vgl auch BSGE 3, 204, 206 sowie BSGE 64, 289, 291 = SozR 1300 § 44 Nr 36). Dieser Verwaltungsakt hätte, soweit er vom Kläger in der Folgezeit nicht angefochten worden ist, gemäß § 52 Abs 2 SGB X aF iVm § 218 BGB aF zu einer dreißigjährigen Verjährungsfrist geführt. Das LSG wird deshalb zu ermitteln haben, ob der Kläger im Zusammenhang mit der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen im Jahre 1982 oder später einen Leistungsbescheid erhalten hat.

Der Auffassung des LSG, es sei unerheblich, ob Vollstreckungsanordnungen einen Verwaltungsakt darstellten, da die Beklagte ihre Anordnungen jedenfalls nicht zur Durchsetzung des Anspruchs auf Pflichtbeiträge erlassen habe, ist nicht zu folgen. Liegt ein Leistungsbescheid mit eindeutiger Bezeichnung der zu Grunde liegenden Forderung vor, wird damit gegenüber dem Kläger klargestellt, dass aus einer bestimmten Forderung vollstreckt werden soll. Zur Durchsetzung des Anspruchs erlassen iS des § 52 Abs 1 Satz 1 SGB X bzw des § 53 Abs 1 Satz 1 VwVfG sind auch Verwaltungsakte im Vollstreckungsverfahren, und zwar auch, soweit es sich nur um feststellende Verwaltungsakte über den Bestand des Anspruchs handelt (von Wulffen/Engelmann, SGB X, 4. Auflage, § 52 RdNr 9; Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Auflage, § 53 RdNr 29 mwN). Der Kläger hätte deshalb bei Erhalt eines Leistungsbescheids einen Rechtsbehelf einlegen müssen, um die Unanfechtbarkeit dieser Regelung zu verhindern, zumal er einige Zeit zuvor noch mit seinen Stundungsanträgen die Berechtigung der Forderung der Beklagten sinngemäß anerkannt hatte.

3. Sollte sich nicht mehr ermitteln lassen, ob der Kläger im Zusammenhang mit Vollstreckungsmaßnahmen einen als Verwaltungsakt anzusehenden Leistungsbescheid erhalten hat, wäre vom LSG weiter zu prüfen, ob es sich bei dem streitgegenständlichen Beitragsanspruch der Beklagten um einen Anspruch auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge iS des § 25 Abs 1 SGB IV handelt, da auch dann eine dreißigjährige Verjährungsfrist gelten würde.

4. Das LSG wird auch über die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden haben.

Ende der Entscheidung

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