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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 21.01.1999
Aktenzeichen: B 11 AL 53/98 R
Rechtsgebiete: AFG


Vorschriften:

AFG § 104
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT BESCHLUSS

in dem Rechtsstreit

Az: B 11 AL 53/98 R

Kläger und Revisionsbeklagter,

gegen

Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Beklagte und Revisionsklägerin.

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 21. Januar 1999 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Sattler, die Richter Lüdtke und Voelzke sowie den ehrenamtlichen Richter Brüning und die ehrenamtliche Richterin Pakmor

beschlossen:

Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Art 177 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft folgende Frage zur Entscheidung vorgelegt:

Sind die Art 6 und 7 der EWGV 1408/71 so auszulegen, daß sie wegen des Grundsatzes der Freizügigkeit der Arbeitnehmer der Weitergeltung eines für den Versicherten günstigeren zwischenstaatlichen Abkommens auf dem Gebiet der Arbeitslosenversicherung nicht entgegenstehen, obwohl infolge der Rahmenfrist ein Anspruch auf Leistungen der Arbeitslosenversicherung aus der Zeit vor dem Inkrafttreten der Verordnung nicht mehr hergeleitet werden kann?

Gründe:

I

Der Kläger begehrt Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 4. März 1996 bis 31. Juli 1996.

Der 1952 geborene Kläger ist deutscher Staatsangehöriger. Er lebte seit 1986 in Österreich und übte dort zuletzt vom 18. Juli 1991 bis 15. Juni 1993, vom 1. bis 20. Dezember 1993 und vom 1. Februar 1994 bis 31. Januar 1996 eine nach österreichischem Recht zur Arbeitslosenversicherung beitragspflichtige Beschäftigung aus. Am 4. März 1996 meldete sich der Kläger beim Arbeitsamt (ArbA) Trier arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Das Arbeitsamt lehnte den Antrag ab, da der Kläger die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Widerspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger Alg für die Zeit vom 4. März 1996 bis 31. Juli 1996 zu gewähren (Urteil vom 29. Juli 1997). Es hat ausgeführt, daß an sich die seit 1. Januar 1994 in Österreich zurückgelegten Beschäftigungszeiten des Klägers nicht zu berücksichtigen seien, weil seit diesem Zeitpunkt gemäß Art 6 der Verordnung (EWG) Nr 1408/71 (EWGV 1408/71) diese Verordnung - abgesehen von hier nicht einschlägigen Ausnahmen - an die Stelle des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über die Arbeitslosenversicherung vom 19. Juli 1978 (BGBl II 1979 S 790) getreten sei. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung von Beschäftigungs- oder Versicherungszeiten nach Art 67 Abs 3 oder 71 der EWGV 1408/71 seien nicht gegeben. Die seit dem 1. Januar 1994 in Österreich zurückgelegten Beschäftigungszeiten seien dennoch nach Art 7 des deutsch-österreichischen Abkommens zu berücksichtigen, weil Art 48 Abs 2 und Art 51 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGVtr) nicht zuließen, daß Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlören, weil in das nationale Recht eingeführte Abkommen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufgrund des Inkrafttretens der EWGV 1408/71 unanwendbar geworden seien.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 104 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und des Art 67 Abs 1 und 3 in Verbindung mit Art 3, 6 und 7 EWGV 1408/71. Der Rechtsstreit werfe die Rechtsfrage auf, ob die von deutschen Staatsbürgern in Österreich zurückgelegten Beschäftigungszeiten - wegen der Vorschriften der Art 48 Abs 2 und Art 51 des EGVtr - zeitlich unbeschränkt nach Art 7 des deutsch-österreichischen Abkommens, dh ohne Rücksicht auf die von Art 67 Abs 3 EWGV 1408/71 geforderte vorherige Inlandsbeschäftigung, als die Anwartschaftszeit begründend für einen Alg-Anspruch berücksichtigt werden müssen, obwohl die Art 6 und 7 Abs 2 Buchst c EWGV 1408/71 die Fortgeltung des deutsch-österreichischen Abkommens ausschließen würden. Bei seiner Auffassung berufe sich das LSG auf das zu Art 48 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGVtr) ergangene "Rönfeld"-Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 7. Februar 1991. Das LSG habe das "Rönfeld"-Urteil unzutreffend gewürdigt, weil es nur den Leitsatz herangezogen habe. Bei erschöpfender Würdigung des Urteils ergebe sich, daß es nur Zeiten betreffe, die zurückgelegt worden seien, bevor in dem betreffenden Staat bilaterales Abkommensrecht durch das EG-Recht abgelöst worden sei. Zudem sei die Entscheidung zum Rentenrecht ergangen. In dem vom LSG nicht beachteten Urteil vom 9. November 1995 ("Thévenon") habe der EuGH die besonderen Umstände, die den Gerichtshof veranlaßt hatten, im Urteil vom 7. Februar 1991 eine Ausnahme von der in Art 6 EWGV 1408/71 vorgesehenen Regel zuzulassen, mit eingehender Begründung verneint. Das LSG habe ferner nicht erkannt, daß die Beklagte dem aus dem "Rönfeld"-Urteil hergeleiteten Anliegen, dem Arbeitnehmer Vergünstigungen des Abkommensrechts zu erhalten, bereits im Ansatz entsprochen habe, wenn auch nach den Grundsätzen der Arbeitslosenversicherung. Die Beklagte habe bei dem Inkrafttreten der EWGV 1408/71 im Verhältnis zwischen Deutschland und Österreich durch Verwaltungsregelung vorgesehen, daß die in Österreich von Deutschen bis zum Inkrafttreten des EG-Rechts zurückgelegten Beschäftigungszeiten weiterhin zu den Bedingungen des Abkommens zu berücksichtigen seien, soweit sie von der Rahmenfrist des § 104 AFG umfaßt würden. Nur die Lage der Rahmenfrist habe verhindert, daß der Kläger die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Eine unbegrenzte Fortgeltung von Art 7 des deutsch-österreichischen Abkommens komme in Konflikt mit dem Diskriminierungsverbot des Art 6 EGVtr. Während Deutsche fortdauernd nach dem deutsch-österreichischem Abkommen zu begünstigen seien, seien die Angehörigen aller anderen Mitgliedstaaten von dieser Vergünstigung ausgeschlossen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Juli 1997 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Trier vom 22. Oktober 1996 zurückzuweisen.

Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

II

Das Verfahren ist auszusetzen.

Der Senat sieht sich an einer Entscheidung des Rechtsstreits dadurch gehindert, daß die Beantwortung der aus dem Entscheidungssatz ersichtlichen Frage nicht ohne vernünftige Auslegungszweifel möglich ist und legt sie deshalb dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

1. Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß der Kläger nach dem 1996 geltenden AFG keinen Anspruch auf Alg erworben hat.

Nach § 100 Abs 1 AFG hat Anspruch auf Alg, wer arbeitslos ist, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht, die Anwartschaftszeit erfüllt, sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat. Das LSG hat unangegriffen und damit für den Senat bindend festgestellt (§ 163 Sozialgerichtsgesetz), daß der Kläger sich am 4. März 1996 arbeitslos gemeldet und Alg beantragt hat und daß er während der Zeit vom 4. März 1996 bis zum 31. Juli 1996 arbeitslos war und der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand.

Der Kläger hat jedoch die nach nationalem Recht für einen Anspruch auf Alg zusätzlich erforderliche Anwartschaftszeit nicht erfüllt. Die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg von 156 Tagen hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist 360 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung (§ 168 AFG) gestanden hat (§ 104 Abs 1 Satz 1, § 106 Abs 1 Satz 1 AFG). Die Rahmenfrist beträgt drei Jahre (§ 104 Abs 3 Halbsatz 1 AFG) und geht dem ersten Tag der Arbeitslosigkeit unmittelbar voraus, an dem sonstigen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt sind (§ 104 Abs 2 AFG). Vorliegend lief die Rahmenfrist vom 4. März 1993 bis zum 3. März 1996. Während dieser Zeit stand der Kläger im Hinblick auf das in § 3 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) niedergelegte Territorialitätsprinzip nicht in einem der Beitragspflicht zur deutschen Arbeitslosenversicherung unterliegendem Beschäftigungsverhältnis nach § 168 AFG. Ein Fall der Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrechts (§ 4 SGB IV) ist nicht gegeben. Von der dem nationalen Verordnungsgeber eingeräumten Möglichkeit, die Anrechnung ausländischer Beschäftigungszeiten (§ 108 AFG) oder ausländischer Versicherungszeiten (§ 109 AFG) vorzusehen, hatte dieser keinen Gebrauch gemacht.

2. Die Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg kann auch unter Einbeziehung des Art 67 EWGV 1408/71 über die Zusammenrechnung der Versicherungs- und Beschäftigungszeiten nicht bejaht werden. Denn eine Zusammenrechnung von in den unterschiedlichen Mitgliedstaaten zurückgelegten Versicherungs- und Beschäftigungszeiten kann nach Art 67 Abs 3 EWGV 1408/71 nur erfolgen, wenn die betreffende Person unmittelbar zuvor die fraglichen Zeiten nach den Rechtsvorschriften zurückgelegt hat, nach denen die Leistungen beantragt werden. Soweit also zur Begründung der anwartschaftsbezogenen Voraussetzungen für den Erwerb eines Leistungsanspruchs auf Art 67 EWGV 1408/71 zurückgegriffen wird, ist der Leistungsanspruch gegen den Träger des Mitgliedstaats zu richten, in dem der Versicherte arbeitslos geworden ist, dh wo er seine letzte Beschäftigung ausgeübt hat. Der Kläger, der zuletzt einer Beschäftigung in Österreich nachgegangen ist, konnte sich deshalb bei der Geltendmachung eines Leistungsanspruchs gegenüber der Beklagten nicht auf Art 67 EWGV 1408/71 stützen.

Die Voraussetzungen für eine Mitnahme des Leistungsanspruchs (Art 69 EWGV 1408/71) für einen Zeitraum von höchstens drei Monaten sind, da sich der Kläger nicht für einen Zeitraum von mindestens vier Wochen bei der Arbeitsverwaltung Österreichs arbeitslos gemeldet und dieser zur Verfügung gestanden hat, ebenfalls nicht erfüllt. Schließlich kann der Kläger auch nicht die in Art 71 EWGV 1408/71 beschriebenen Rechte der echten bzw unechten Grenzgänger in Anspruch nehmen, da er dem vorgenannten Personenkreis nicht angehört.

3. Die Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nach dem AFG könnte sich jedoch - wie das LSG bereits zutreffend ausgeführt hat - aus Art 7 Abs 1 Satz 1 des deutsch-österreichischen Abkommens über Arbeitslosenversicherung ergeben.

Diese Bestimmung hat folgenden Wortlaut:

"Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung, die nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates zurückgelegt worden sind, werden bei der Beurteilung, ob die Anwartschaftszeit erfüllt ist, und bei der Feststetzung der Anspruchsdauer (Bezugsdauer) berücksichtigt, sofern der Antragsteller die Staatsangehörigkeit des Vertragsstaates besitzt, in dem der Anspruch geltend gemacht wird, und sich im Gebiet dieses Vertragsstaates gewöhnlich aufhält."

Der Kläger erfüllt die in der Vorschrift aufgeführten Voraussetzungen für eine Berücksichtigung der in Österreich zurückgelegten Zeiten einer beitragspflichtigen Beschäftigung bei der Geltendmachung eines Anspruches auf Alg in Deutschland. Bei Berücksichtigung dieser Zeiten ergäbe sich - wie das LSG ebenfalls zutreffend ausgeführt hat - die Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg (§ 104 AFG).

Fraglich ist allerdings, ob Art 7 Abs 1 Satz 1 des Abkommens für den Kläger noch Anwendung findet. Die EWGV 1408/71 ist in Österreich im Verhältnis zu Deutschland aufgrund des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum am 1. Januar 1994 in Kraft getreten. Nach Art 6 EWGV 1408/71 tritt die Verordnung im Rahmen ihres persönlichen und sachlichen Geltungsbereichs ua an die Stelle von Abkommen über soziale Sicherheit, die ausschließlich zwischen zwei oder mehreren Mitgliedstaaten in Kraft sind. Die in den Art 7, 8 und 46 Abs 4 EWGV 1408/71 zugelassenen Ausnahmen sind nicht einschlägig. Aus Art 7 Abs 2 Buchst c EWGV 1408/71 iVm dem Anhang III Nr 35 Buchst h ergibt sich, daß lediglich die weitere Anwendbarkeit von Art 1 Abs 5 und Art 8 des deutsch-österreichischen Abkommens über Arbeitslosenversicherung ausdrücklich angeordnet ist.

Eine Weitergeltung von Art 7 des deutsch-österreichischen Abkommens könnte sich zugunsten des Klägers jedoch ausnahmsweise aus dem Grundsatz der Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art 48, 51 EGVtr; Art 28 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum) ergeben. Denn der EuGH hat im Urteil vom 7. Februar 1991 - C-227/91 - (Rönfeld, EuGHE I 1991, 323 = SozR 6030 Art 48 Nr 3) ausgesprochen, daß die Art 48 Abs 2 und 51 des Vertrages es nicht zulassen, daß Arbeitnehmer Vergünstigungen der sozialen Sicherheit verlieren, weil in das nationale Recht eingeführte Abkommen zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten aufgrund des Inkrafttretens der EWGV 1408/71 unanwendbar geworden sind. Im Urteil vom 9. November 1995 - C-475/93 - (Thévenon, EuGHE I 1995, 3813 = SozR 3-6030 Art 48 Nr 9) ist in Abgrenzung hierzu klargestellt, daß der vorgenannte Grundsatz nicht für Arbeitnehmer gilt, die ihr Recht auf Freizügigkeit erst nach dem Inkrafttreten der EWGV 1408/71 ausgeübt haben. Eine Weitergeltung des Abkommensrechts kommt hiernach nicht in Betracht, wenn ein Versicherter bis zum Inkrafttreten der EWGV 1408/71 nur in einem der Abkommensstaaten Versicherungszeiten zurückgelegt hat, auch wenn die Anwendung des bilateralen Abkommens über soziale Sicherheit für ihn günstiger wäre. Schließlich hat der EuGH in einer weiteren Entscheidung vom 9. Oktober 1997 - C-31/96, C-32/96 und C-33/96 - (Naranjo Arjona ua, EuGHE I 1997, 5501) seine Rechtsprechung dahin präzisiert, daß Vorschriften des zwischenstaatlichen Abkommens, soweit die Voraussetzungen für ihre Weitergeltung vorliegen, auch auf Versicherungszeiten anzuwenden sind, die nach dem Inkrafttreten der EWGV 1408/71 zurückgelegt wurden.

Der Kläger dieses Verfahrens hätte bereits vor dem Inkrafttreten der EWGV 1408/71 aufgrund der in Österreich zurückgelegten Beitragszeiten einen Anspruch auf Alg in Deutschland geltend machen können, so daß möglicherweise die Grundsätze über die Weitergeltung des bilateralen Abkommens über soziale Sicherheit zu seinen Gunsten Anwendung finden. Trotz der diesbezüglichen Rechtsprechung des EuGH hält der Senat die von ihm aufgeworfene Rechtsfrage jedoch deshalb für weiterhin klärungsbedürftig, weil sämtliche Entscheidungen des EuGH zur Berücksichtigung von Versicherungs- und Beitragszeiten in Systemen der Rentenversicherung ergangen sind, sich jedoch aufgrund der Besonderheiten der Arbeitslosenversicherungssysteme eine abweichende Auffassung ergeben könnte.

Anders als die Systeme der Altersversorgung innerhalb der Gemeinschaft, die sich - unabhängig von den Einzelheiten ihres Finanzierungs- und Leistungssystems - traditionell an den während des gesamten Versicherungslebens zurückgelegten Versicherungs- bzw Beitragszeiten orientieren (vgl die Übersicht über die Rentenversicherungen bei Jaeger, ZRP 1998, 56 ff), knüpft die deutsche Arbeitslosenversicherung an eine Anwartschaftszeit an, die innerhalb der sich täglich verschiebenden Rahmenfrist verwirklicht sein muß. Ebenso wie die deutsche Arbeitslosenversicherung enthalten auch die übrigen mitgliedstaatlichen Arbeitsförderungsrechte Regelungen über Anwartschaftszeiten, die durch die Zurücklegung von Versicherungs- bzw Beschäftigungszeiten innerhalb einer bestimmtem Vorfrist ("Rahmenfrist") gekennzeichnet sind (vgl den Überblick bei Warnecke, Koordinierendes Arbeitsförderungsrecht und Freizügigkeit, 1995, S 29 ff). Diese Struktur der Arbeitslosenversicherung und die relativ kurze Dauer der Anwartschaftszeit hat zur Konsequenz, daß der Versicherte allein durch den Zeitablauf bereits erworbene Anwartschaften auf Versicherungsleistungen wieder verlieren kann und länger zurückliegende Zeiten für die Beurteilung der Anspruchsvoraussetzungen irrelevant sind.

Dementsprechend enthalten Übergangsvorschriften des deutschen Arbeitslosenversicherungsrechts bei Leistungskürzungen aus Vertrauensschutzgründen Regelungen, die darauf abstellen, ob unter Geltung des ausgelaufenen Rechts noch genügend Beitragszeiten zurückgelegt worden sind, um einen Anspruch auf Alg zu begründen (vgl etwa § 427 Abs 7 Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - iVm § 242x Abs 3 AFG). Derartige Überlegungen des Vertrauensschutzes hat auch die Beklagte im anhängigen Verfahren angestellt, da sie geprüft hat, ob der Kläger die Anwartschaftszeit noch durch in Österreich zurückgelegte Zeiten, die vor dem 1. Januar 1994 liegen, zurückgelegt hat. Lediglich im Hinblick darauf, daß die Rahmenfrist im Falle des Klägers Zeiträume seit dem 4. März 1993 umfaßt, konnte er die Anwartschaftszeit aufgrund der in Österreich zurückgelegten Beschäftigungszeiten nicht mehr erfüllen.

Hingegen müßte unter Zugrundelegung der genannten Rechtsprechung des EuGH dem Versicherten nicht nur entsprechend dem Vorgehen der Beklagten Bestandsschutz bezüglich bestimmter Versicherungszeiten zugebilligt werden, sondern bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen von der zeitlich unbeschränkten Weitergeltung des zwischenstaatlichen Abkommensrechts ausgegangen werden. Zudem wäre zu bedenken, daß zur Beurteilung der Frage, ob das Abkommensrecht noch Anwendung findet, ggf auf weit zurückliegende Versicherungszeiten zurückgegriffen werden müßte, obwohl diesen Versicherungszeiten ansonsten in der Arbeitslosenversicherung keine Bedeutung zukommt.

Ende der Entscheidung

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