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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 19.12.2001
Aktenzeichen: B 11 AL 57/01 R
Rechtsgebiete: SchwbG, SGB I, SGB X


Vorschriften:

SchwbG § 2
SchwbG § 3
SchwbG § 38 Abs 2
SGB I § 35
SGB X § 45
SGB X § 76
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 11 AL 57/01 R

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat am 19. Dezember 2001 ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden Richter Sattler, die Richter Lüdtke und Dr. Leitherer, den ehrenamtlichen Richter Brüning und die ehrenamtliche Richterin Link

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 20. Juni 2001 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 19. Januar 2000 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu erstatten; im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist, ob der Kläger einem Schwerbehinderten gleichzustellen ist.

Der 1940 geborene Kläger ist seit April 1991 beim Beigeladenen in dessen Architekturbüro als Bauzeichner beschäftigt. Das Versorgungsamt hat beim Kläger verschiedene Behinderungen (ua Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden, Funktionseinschränkung der rechten Hand, vegetative Fehlsteuerung) mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30 festgestellt.

Den Antrag des Klägers vom 12. März 1997, ihn nach § 2 des Schwerbehindertengesetzes (SchwbG) Schwerbehinderten gleichzustellen, lehnte die Beklagte zunächst mit der Begründung ab, das vom Beigeladenen zum 30. April 1997 gekündigte Arbeitsverhältnis sei bereits gelöst (Bescheid vom 14. März 1997). Nach dem Widerspruch des Klägers nahm der Beigeladene die Kündigung zurück. Die Beklagte half sodann dem Widerspruch des Klägers ab und erkannte die Gleichstellung unbefristet ab 12. März 1997 mit der Begründung an, der Kläger sei bezogen auf seine ausgeübte berufliche Tätigkeit in seiner Wettbewerbsfähigkeit gegenüber Nichtbehinderten benachteiligt und auf den Schutz des SchwbG angewiesen (Bescheid vom 14. Juli 1997). Gegen diesen Bescheid erhob der Beigeladene Widerspruch und machte geltend, der Kläger sei infolge seiner Krankheit weder innerhalb des Betriebes noch auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in einer ungünstigen Konkurrenzsituation gegenüber Nichtbehinderten; seine Einsatzfähigkeit sei nicht infolge einer Erkrankung, sondern allein aus Gründen fachlicher Unterqualifizierung eingeschränkt.

Die Beklagte gab dem Widerspruch des Beigeladenen statt, hob den Bescheid vom 14. Juli 1997 auf und lehnte eine Gleichstellung ab (Widerspruchsbescheid vom 8. April 1998). Zur Begründung führte die Beklagte nun aus, eine ernsthafte behinderungsbedingte Arbeitsplatzgefährdung sei nicht gegeben.

Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und den Widerspruchsbescheid mit der Begründung aufgehoben, dem Beigeladenen stehe ein Widerspruchsrecht nicht zu (Urteil vom 19. Januar 2000). Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) nach Beiziehung medizinischer Unterlagen und Befragung des Klägers in der mündlichen Verhandlung das Urteil des SG geändert und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Juni 2001). Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Der Beigeladene sei als Arbeitgeber zur Erhebung des Widerspruchs gegen den Gleichstellungsbescheid befugt gewesen. Es gehe um die Gleichstellung bezogen auf einen konkreten, heute noch existierenden Arbeitsplatz. Das Bundessozialgericht (BSG) habe bereits betont, dass ein Klagerecht des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren nach § 2 SchwbG bestehe, da in diesem Verfahren die Verwaltung einen Interessenausgleich zwischen Antragsteller und Arbeitgeber herbeiführe, weshalb demjenigen, der in seinen Rechten beeinträchtigt werde, auch eine Anfechtungsmöglichkeit zugestanden werden müsse. Der Auffassung, im Gleichstellungsverfahren könne vorwiegend aus Datenschutzgesichtspunkten nichts anderes gelten als im Feststellungsverfahren, sei nicht zu folgen. Jedem Antragsteller müsse klar sein, dass er die konkrete Prüfung der Auswirkungen der Behinderung auf den Arbeitsplatz auch durch den Arbeitgeber zulassen müsse. Es sei keine chancengleiche Verteilung der prozessualen Rechte, wenn der Arbeitgeber einerseits zu beteiligen sei und ihm Mitwirkungspflichten auferlegt würden, er andererseits aber keine Rechte in Bezug auf Widerspruch oder Klage haben solle. - Die Ablehnung der Gleichstellung sei rechtmäßig. Der konkrete Arbeitsplatz als Bauzeichner sei - bezogen auf die Zeit ab Antragstellung am 12. März 1997 - infolge der Behinderung ohne die Gleichstellung nicht gefährdet. Dies folge aus den Angaben des Klägers selbst und den Ausführungen des behandelnden Arztes.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung der §§ 2, 3, 38 Abs 2 SchwbG, des § 35 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) und der §§ 45, 76 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X): Er sei einem Schwerbehinderten gleichzustellen, da er infolge der anerkannten Behinderung ohne die Gleichstellung seinen Arbeitsplatz nicht behalten könne. Entgegen der Auffassung des LSG kenne das Gesetz kein Widerspruchsrecht des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren nach § 2 SchwbG. Vielmehr sei es so, dass der Arbeitgeber im Antragsverfahren gehört werde; weitere Rechte seien dem Arbeitgeber nicht eingeräumt. Ein Widerspruchsrecht könne nur begründet sein, wenn rechtlich geschützte Interessen des Widerspruchsführenden in Bezug auf den angefochtenen Verwaltungsakt bestünden; es müsse sich hierbei um Rechte handeln, die der Verwaltungsakt auf Grund einer Zielrichtung oder Wirkung unmittelbar berühre. Eine solche Rechtsverletzung erfordere, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes gegen Rechtsvorschriften verstoßen werde, die gerade dem Schutz des Widerspruchsführers zu dienen bestimmt seien. Diese Voraussetzungen seien nicht erfüllt. Das Urteil des LSG stehe auch im Widerspruch zu Urteilen anderer Landessozialgerichte und zu Stimmen in der Literatur.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),

das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie teilt die Auffassung des LSG: Es habe, bezogen auf die Zeit ab Antragstellung (März 1997) bis zum letzten Tag der mündlichen Verhandlung, festgestellt, dass der Kläger der Gleichstellung zur Erhaltung seines Arbeitsplatzes nicht bedurft habe. Die Rechtsfrage der Zulässigkeit eines Widerspruchs des Arbeitgebers habe das LSG zutreffend beantwortet.

Der Beigeladene beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er trägt vor, da im Gleichstellungsverfahren durch die Verwaltung ein Interessenausgleich zwischen Antragsteller und Arbeitgeber herbeigeführt werden solle, müsse allen Beteiligten, die durch die Entscheidung in ihren Rechten beeinträchtigt werden könnten, auch eine Anfechtungsmöglichkeit zugestanden werden. Der Arbeitgeber sei in erheblichem Umfang in seinen Rechten betroffen. Die tatsächlichen Feststellungen zeigten, dass beim Kläger letztmals am 12. März 1997, jedoch nicht mehr zur Zeit des Erlasses des Bescheides vom 14. Juli 1997 die Voraussetzungen für eine Gleichstellung vorgelegen hätten.

Die Beteiligten haben sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

II

Die Revision des Klägers ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Keine Bedenken bestehen gegen die Zulässigkeit der erhobenen Anfechtungsklage, die sich nur gegen den Widerspruchsbescheid vom 8. April 1998 richtet. Allein durch diesen Bescheid ist der Kläger beschwert (vgl Meyer-Ladewig, SGG, 6. Aufl, § 54 Rz 4b und § 95 Rz 3).

Die Anfechtungsklage ist auch begründet. Denn die Beklagte war nicht berechtigt, die mit Bescheid vom 14. Juli 1997 ab 12. März 1997 ausgesprochene Gleichstellung aufzuheben und den Gleichstellungsantrag des Klägers abzulehnen. Die Anfechtung des Bescheids vom 14. Juli 1997 durch den Beigeladenen verlieh der Beklagten hierzu keine Rechtsmacht. Nach § 49 SGB X gelten zwar die die Aufhebung begünstigender von Anfang an rechtswidriger oder rechtswidrig gewordener Verwaltungsakte einschränkenden Vorschriften des § 45 Abs 1 bis 4, der §§ 47 und 48 SGB X nicht, wenn ein begünstigender Verwaltungsakt, der von einem Dritten angefochten worden ist, während des Vorverfahrens aufgehoben wird, soweit dadurch dem Widerspruch abgeholfen wird. Diese Vorschrift bezieht sich jedoch nur auf zulässige Widersprüche Dritter, dh Widersprüche von Personen, die hierzu befugt sind, weil der Verwaltungsakt sie unmittelbar in ihren Rechten und geschützten Interessen betrifft (Hauck/Haines, SGB X, Stand März 1999, § 49 Rz 5; Krause ua, GK-SGB X 1, § 49 Rz 4 und 14; von Wulffen, SGB X, 4. Aufl 2001, § 49 Rz 1 und 4; vgl Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl 2000, § 50 Rz 13, 16 und 19). Der Widerspruch des Beigeladenen war jedoch unzulässig, da er nicht geltend machen kann, durch die Gleichstellung des Klägers in eigenen Rechten verletzt zu sein, wie das SG zutreffend erkannt hat.

Eine Verletzung von Rechten des Beigeladenen ist allerdings nicht schon deshalb zu verneinen, weil der Gleichstellungsbescheid vom 14. Juli 1997 sich nur an den Kläger gerichtet hat. Denn maßgebend ist nicht, an wen die Behörde ihre Entscheidung gerichtet hat, sondern was die Entscheidung regelt. Der Beigeladene kann auch geltend machen, von der Gleichstellung betroffen zu werden. Denn der den Kläger begünstigende Bescheid, der die Gleichstellung gemäß § 2 SchwbG in der hier anwendbaren Fassung der Bekanntmachung vom 26. August 1986 (BGBl I, 1421, 1550) konstitutiv begründet (vgl Neumann/Pahlen, SchwbG, 9. Aufl 1999, § 2 Rz 38), bewirkt, dass der Kläger nunmehr verschiedenen Bestimmungen des SchwbG unterfällt, was mittelbar auch für die Beziehungen zu Arbeitgebern von Bedeutung ist. So genießt der Kläger als Gleichgestellter den Kündigungsschutz nach §§ 15 ff SchwbG und wird auf die Anzahl der vom Arbeitgeber nach §§ 5 ff SchwbG zu beschäftigenden Schwerbehinderten angerechnet; nicht anzuwenden auf Gleichgestellte sind lediglich die Regelungen zum Zusatzurlaub und zur unentgeltlichen Beförderung im öffentlichen Personenverkehr (§ 2 Abs 2 SchwbG, §§ 47, 59 ff SchwbG). Der Bescheid vom 14. Juli 1997 wirkt sich folglich auch auf den Beigeladenen als Arbeitgeber aus.

Um eine Anfechtungsbefugnis zu bejahen, muss ein Drittbetroffener allerdings nach der Rechtsprechung zu § 54 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und zu § 42 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) behaupten können, dass der angefochtene Verwaltungsakt in seine eigenen rechtlichen Interessen eingreift (BSGE 70, 99, 101 = SozR 3-1500 § 54 Nr 15; BSGE 86, 126, 130 = SozR 3-2500 § 85 Nr 37; BVerfGE 83, 182, 196 = SozR 3-1100 Art 19 Nr 2, jeweils mwN). Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht generell beantworten, sondern richtet sich nach dem jeweiligen Rechtsgebiet (vgl BSGE aaO; BVerwGE 27, 29, 31). Dabei ist im Einzelfall maßgebend, ob die Möglichkeit besteht, dass der angefochtene Verwaltungsakt gegen eine Rechtsnorm verstößt, die zumindest auch den Schutz individueller Interessen des Drittbetroffenen bezweckt (BSG SozR Nr 115 zu § 54 SGG; BSGE 67, 30, 31 f = SozR 3-2200 § 368n Nr 1; BSGE 68, 291, 293 = SozR 3-1500 § 54 Nr 7). Eine Anfechtungsbefugnis ist also gegeben, wenn der maßgeblichen Norm ein Rechtssatz zu entnehmen ist, der zumindest auch den Individualinteressen des Anfechtenden zu dienen bestimmt ist; nicht ausreichend ist dagegen eine Reflexwirkung in dem Sinne, dass sich aus einer im Interesse der Allgemeinheit oder im Interesse eines bestimmten Personenkreises erlassenen Norm zugleich auch eine Begünstigung einzelner Dritter ergibt (BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 40; SozR 3-2500 § 101 Nr 4; BVerwGE 111, 354, 357 = NJW 2001, 909 mwN).

Ausgehend von diesen Maßstäben ist - entgegen zahlreichen Literaturstimmen (Cramer, SchwbG, 5. Aufl 1998, § 2 Rz 24; Großmann ua, GK-SchwbG, 2. Aufl 2000, § 2 Rz 84 und 101; Neumann/Pahlen, SchwbG, 9. Aufl 1999, § 2 Rz 41; Weber/Palm, SchwbG, Stand Mai 2000, § 2 Anm 8; Wiegand, SchwbG, Stand Juni 2000, § 2 Rz 17) - eine Berechtigung des Arbeitgebers eines Minderbehinderten, dessen Gleichstellung anzufechten, und damit auch ein Anfechtungsrecht des Beigeladenen gegen den Bescheid vom 14. Juli 1997 zu verneinen. Denn die die Gleichstellung regelnde Norm des § 2 SchwbG ist nicht dazu bestimmt, zumindest auch den Individualinteressen der von einer Gleichstellung mittelbar betroffenen Arbeitgeber zu dienen. Bei den sich aus § 2 SchwbG für die Arbeitgeber ergebenden Konsequenzen handelt es sich vielmehr um Reflexwirkungen, die nach Sinn und Zweck der Norm nicht einer Anfechtung durch Arbeitgeber unterliegen.

Dies folgt insbesondere daraus, dass der Regelung des § 2 SchwbG in der hier anwendbaren Fassung arbeitsmarkt- und sozialpolitische Gesichtspunkte zugrunde liegen. Erwerbsgeminderte Personen, die den nach § 1 SchwbG erforderlichen GdB von wenigstens 50 nicht erreichen, deren GdB aber wenigstens 30 beträgt (so genannte Minderbehinderte), sollen in den Schutz des SchwbG einbezogen werden, wenn sie sich ohne Hilfe des SchwbG nicht auf dem Arbeitsmarkt behaupten können (vgl Neumann/Pahlen aaO Rz 1, 3, 4; Großmann ua aaO Rz 10, 33, 77; zu den ab 1. Juli 2001 geltenden Nachfolgeregelungen in §§ 2 Abs 3, 68 Abs 2 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch, die im Wesentlichen mit den Bestimmungen des SchwbG übereinstimmen, vgl Hauck/Noftz, SGB IX, § 2 Rz 34). Entscheidendes Kriterium ist somit die mangelnde Konkurrenzfähigkeit des Behinderten auf dem Arbeitsmarkt, und zwar auf dem Arbeitsmarkt insgesamt, nicht etwa nur bezogen auf einen bestimmten Arbeitsplatz (vgl BSGE 86, 10, 15 = SozR 3-3870 § 2 Nr 1). Darüber hinaus hat die Gleichstellung die Funktion, Ungerechtigkeiten und Härten zu beseitigen, die bei der starren Grenze des § 1 SchwbG auftreten müssen (vgl Neumann/Pahlen aaO Rz 1). § 2 SchwbG bezweckt also vorwiegend den Schutz Minderbehinderter und ist im Übrigen im Allgemeininteresse erlassen. Nicht ersichtlich ist dagegen, dass die Vorschrift auch dazu bestimmt sein könnte, den Interessen der Arbeitgeber zu dienen, etwa dem Interesse, nur solche Behinderte als Gleichgestellte zu beschäftigen, die die Voraussetzungen des § 2 SchwbG auch erfüllen.

Im Ergebnis nichts anderes folgt aus dem insbesondere zu §§ 1 und 3 SchwbG ergangenen Urteil des BSG vom 22. Oktober 1986, wonach der Arbeitgeber die versorgungsamtliche Feststellung des Schwerbehindertenstatus seines Arbeitnehmers nicht anfechten kann (BSGE 60, 284 = SozR 3870 § 3 Nr 23). Zwar hat das BSG in diesem Urteil eine Anfechtungsbefugnis des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren für möglich gehalten, ohne dass es für die Entscheidung des damals zu beurteilenden Falles darauf angekommen wäre (aaO S 287). Die insoweit angeführten Überlegungen, es handle sich bei der Entscheidung über die Gleichstellung um eine konstitutive Entscheidung in Bezug auf ein bestimmtes Arbeitsverhältnis, der Arbeitgeber sei im Widerspruchsverfahren zu hören (§ 43 Abs 2 SchwbG) und die Verwaltung führe auch im Gleichstellungsverfahren einen "Interessenausgleich" zwischen dem Schwerbehinderten und seinem Arbeitgeber herbei, vermögen jedoch nicht zu überzeugen.

Dass der Arbeitgeber nach § 43 Abs 2 SchwbG im Widerspruchsverfahren zu hören ist, besagt nicht zwingend, dass ihm damit im Vorfeld der Entscheidung über einen Gleichstellungsantrag eine verfahrensrechtliche Position zugebilligt werden soll, die auch eine Anfechtungsbefugnis begründet (zur Möglichkeit der Klagebefugnis auf Grund der Einräumung einer verfahrensrechtlichen Position vgl BSGE 88, 6, 11 ff = SozR 3-2500 § 103 Nr 6). Denn es ist zu beachten, dass ausschließlich der Behinderte berechtigt ist, die Gleichstellung zu beantragen (§ 2 Abs 1 SchwbG, vgl Neumann/Pahlen aaO § 2 Rz 28 mwN), dass ein Widerspruchsrecht des Arbeitgebers gesetzlich nicht und dass die Anhörung des Arbeitgebers erst im Widerspruchsverfahren vorgesehen ist. Da im Übrigen § 43 SchwbG verschiedene Fälle innerhalb der Aufgabenbereiche der Hauptfürsorgestelle (§ 31 SchwbG) und der Bundesanstalt für Arbeit (§ 33 SchwbG) betrifft, ist die Anhörung des Arbeitgebers im Gleichstellungsverfahren nur dazu bestimmt, der Widerspruchsbehörde die für ihre Entscheidung notwendigen Informationen zu verschaffen, nicht aber dem Arbeitgeber das Recht zur Erhebung eines Widerspruchs gegen einen den Behinderten begünstigenden Bescheid zu geben.

Auf die weiteren Ausführungen des BSG, die Verwaltung führe im Widerspruchsverfahren wegen der Gleichstellung ebenso wie im Verfahren betreffend den Antrag auf Zustimmung zur Kündigung eines Schwerbehinderten einen "Interessenausgleich" zwischen dem Schwerbehinderten und seinem Arbeitgeber herbei (BSGE 60, 284, 287 = SozR 3870 § 3 Nr 23), kann ein eigenständiges Recht des Arbeitgebers zur Anfechtung eines Gleichstellungsbescheides nicht gestützt werden. Zwischen dem Gleichstellungsverfahren und dem Verfahren nach §§ 17 ff SchwbG bestehen nämlich erhebliche Unterschiede; insbesondere ergeht die Entscheidung der Hauptfürsorgestelle im Zustimmungsverfahren allein auf Antrag des Arbeitgebers (§ 17 SchwbG), während das Gleichstellungsverfahren nur durch den Behinderten eingeleitet wird (§ 2 Abs 1 Satz 1 SchwbG). Auch gibt das Gesetz nichts dafür her, dass der bei der Entscheidung über einen Antrag auf Zustimmung zur Kündigung offensichtliche Ausgleich des Interessengegensatzes zwischen Arbeitgeber und zu kündigendem Schwerbehinderten bereits in das Gleichstellungsverfahren vorverlagert werden soll.

Die konstitutive Begründung der Gleichstellung durch den Bescheid des Arbeitsamtes mit Wirkung ab Antragstellung ist zwar für die Tatbestandswirkung der Gleichstellung von Bedeutung, rechtfertigt aber ebenfalls keine Klage- bzw Widerspruchsbefugnis des Arbeitgebers im Zeitpunkt ihres Ausspruchs. Der erst durch einen Bescheid des Arbeitsamts begründete Schwerbehindertenschutz entfaltet, ebenso wie der durch einen Bescheid des Versorgungsamtes deklaratorisch festgestellte Schwerbehindertenstatus, gegenüber jedermann Wirkung, dem gegenüber Behinderte ihre Rechte geltend machen können (vgl BSGE 60, 284, 285 = SozR 3870 § 3 Nr 23; BVerwGE 72, 8, 9 ff). Dass bestimmte Regelungen für Gleichgestellte nicht gelten (§ 2 Abs 2 SchwbG), kann insoweit keine Rolle spielen. Wenn das BSG die Anfechtungsbefugnis des Arbeitgebers im Verfahren zur Feststellung des Schwerbehindertenstatus ua mit der Erwägung verneint hat, ein Arbeitgeber könne ebensowenig die Begründung eines familienrechtlichen Verhältnisses, das sich arbeits- oder tarifvertraglich auf das Arbeitsverhältnis auswirke, anfechten (aaO S 286), so gilt die gleiche Erwägung auch für das Gleichstellungsverfahren. Dies trifft ebenso zu für die Ausführungen des BSG (aaO S 286) zum Recht des Behinderten, über die Offenbarung persönlicher Tatsachen wie gesundheitlicher Verhältnisse selbst bestimmen zu können (vgl §§ 35 SGB I, 76 SGB X), wenngleich diesem Gesichtspunkt unter Berücksichtigung des nach § 2 SchwbG zu prüfenden Kausalzusammenhangs zwischen der Behinderung und dem Behaltenkönnen des Arbeitsplatzes (vgl BSGE 86, 10, 13 = SozR 3-3870 § 2 Nr 1; Großmann aaO Rz 55) keine entscheidende Bedeutung zukommen dürfte.

Nicht zu folgen vermag der Senat schließlich der zurückliegenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses Gericht hat zum damaligen § 2 des Schwerbeschädigtengesetzes idF vom 14. August 1961, BGBl I, 1233, die Auffassung vertreten, dem Arbeitgeber eines Gleichgestellten stehe das Recht zu, Beschwerde einzulegen bzw Klage zu erheben (BVerwGE 42, 189, 190 = Buchholz 436.6 § 2 SchwbG Nr 5; BVerwG Buchholz 232 BBG § 32 Nr 22). Die Begründung, der Arbeitgeber sei durch einen Gleichstellungsbescheid deswegen beschwert, weil er dem Gleichgestellten Zusatzurlaub zu gewähren und bei einer Kündigung die Zustimmung der Hauptfürsorgestelle einzuholen habe, verkennt jedoch die bereits angeführte Rechtsprechung zu § 54 Abs 1 Satz 2 SGG bzw § 42 Abs 2 VwGO, wonach eine Anfechtungsbefugnis die Verletzung einer Norm voraussetzt, die dem Drittbetroffenen eine eigene schutzfähige Rechtsposition einräumt. Im Übrigen überzeugt diese Begründung schon deshalb nicht, weil der Arbeitgeber auch bei einem Schwerbehinderten mit einem GdB von 50 oder mehr, der einer Gleichstellung nicht bedarf, die Schutzbestimmungen des SchwbG zu beachten hat, und der Arbeitgeber die versorgungsamtliche Feststellung des Schwerbehindertenstatus - wie ausgeführt - gerade nicht anfechten kann (so zutreffend LSG Rheinland-Pfalz Breithaupt 2001, 155, 157). Es kann folglich nicht ausreichen, dass der Arbeitgeber durch die Auswirkungen der Gleichstellung faktisch in seinen Interessen berührt wird; anderenfalls müsste im Anwendungsbereich des SchwbG zahlreichen Dritten, die von einer Anerkennung als Schwerbehinderter bzw einer Gleichstellung betroffen sind, ebenfalls ein Anfechtungsrecht zugebilligt werden. Eine Pflicht zur Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (vgl § 2 des Gesetzes zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Juni 1968, BGBl I, 661) besteht nicht, da sich die genannten Entscheidungen auf eine im Vergleich zu § 2 SchwbG abweichende Gesetzesfassung beziehen und darüber hinaus inzwischen die Verwaltungsgerichte nicht mehr für die Entscheidung über die Gleichstellung zuständig sind (vgl §§ 2 Abs 1 Satz 1, 33 Abs 1 Nr 5 SchwbG, § 51 Abs 1 SGG).

Die Beklagte hätte daher den Widerspruch des Beigeladenen als unzulässig verwerfen müssen. Dass die Voraussetzungen vorlägen, die die Beklagte - unabhängig von § 49 SGB X - nach § 45 oder § 48 SGB X berechtigen, die Gleichstellung aufzuheben und den Antrag des Klägers abzulehnen, macht die Beklagte selbst nicht geltend. Der Kläger beruft sich somit zu Recht auf die Bestandskraft des ihm die Gleichstellung zubilligenden Bescheides vom 14. Juli 1997.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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