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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 03.06.2004
Aktenzeichen: B 11 AL 70/03 R
Rechtsgebiete: SGB III


Vorschriften:

SGB III § 117 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 3. Juni 2004

Az: B 11 AL 70/03 R

Der 11. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Juni 2004 durch den Vorsitzenden Richter Balzer, die Richter Dr. Voelzke und Dr. Leitherer sowie den ehrenamtlichen Richter Bungart und die ehrenamtliche Richterin Ende

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. September 2003 - L 12 AL 224/03 - aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Streitig ist ein Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg).

Die Klägerin, die nach eigenen Angaben davor keine andere Beschäftigung ausgeübt hatte, war seit 1. November 2000 in der Filiale einer Restaurantkette beschäftigt. Am 11. Oktober 2001 kündigte der Arbeitgeber mit dem Vorwurf einer Straftat das Arbeitsverhältnis zum selben Tag fristlos. Am 25. Oktober 2001 meldete sich die Klägerin beim Arbeitsamt (ArbA) arbeitslos und beantragte Alg. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2001 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Alg ab, weil die Klägerin innerhalb von drei Jahren vor dem 25. Oktober 2001 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und deshalb die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Ein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe (Alhi) bestehe ebenfalls nicht.

Am 9. Januar 2002 schlossen die Klägerin und der Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, wonach das Arbeitsverhältnis auf Grund arbeitgeberseitiger betriebsbedingter Kündigung unter Wahrung der geltenden tariflichen Kündigungsfrist mit Ablauf des 31. Oktober 2001 geendet habe.

Den daraufhin wegen der Ablehnung von Alg erhobenen Widerspruch wies die Beklagte zurück; auch falls das Arbeitsverhältnis bis einschließlich 31. Oktober 2001 bestanden habe, bleibe es bei einer Rahmenfrist vom 25. Oktober 1998 bis 24. Oktober 2001, in der die Klägerin die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe (Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2002).

Auf die Klage hat das Sozialgericht Freiburg (SG) den Bescheid vom 20. Dezember 2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Januar 2002 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, der Klägerin Alg dem Grunde nach ab 1. November 2001 zu gewähren (Gerichtsbescheid vom 12. Dezember 2002).

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) den Gerichtsbescheid des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 24. September 2003). Zur Begründung hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Alg ab 1. November 2001, weil sie die Anwartschaftszeit nicht erfüllt habe. Die Beklagte sei zutreffend von einer Rahmenfrist vom 25. Oktober 1998 bis 24. Oktober 2001 ausgegangen, weil sich die Klägerin am 25. Oktober 2001 arbeitslos gemeldet habe und zu diesem Zeitpunkt arbeitslos gewesen sei. Zur Beschäftigungslosigkeit habe unabhängig vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses bereits die fristlose Kündigung zum 11. Oktober 2001 und die damit verbundene Freistellung der Klägerin von Arbeitsleistungen geführt. Die Tatbestandsvoraussetzung der Beschäftigungssuche sei ebenfalls ab dem 25. Oktober 2001 erfüllt gewesen, denn die Klägerin habe bei ihrer Arbeitslosmeldung zum Ausdruck gebracht, dass sie alle Möglichkeiten nutzen wolle, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden. Mit Ausnahme der Anwartschaftszeit seien daher alle Voraussetzungen für die Entstehung des Stammrechts auf Alg am 25. Oktober 2001 erfüllt gewesen. Eine nachträgliche Korrektur der Rahmenfrist wegen der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses durch Urteil oder Vergleich scheide mangels besonderer gesetzlicher Bestimmung aus. Die Klägerin könne auch nicht durch einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch so gestellt werden, als sei die Arbeitslosmeldung erst am 1. November 2001 erfolgt.

Dagegen richtet sich die vom LSG zugelassene Revision, mit der die Klägerin ihr Klagebegehren weiterverfolgt. Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend: Weder die fristlose Kündigung noch die Arbeitslosmeldung hätten zur Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses geführt. Dieses habe vielmehr entsprechend der in dem Vergleich vom 9. Januar 2002 getroffenen Vereinbarung bis zum 31. Oktober 2001 bestanden, sodass sie erst ab 1. November 2001 arbeitslos gewesen sei. Deshalb sei mit dem Ausscheiden aus dem Beschäftigungsverhältnis auch die Anwartschaftszeit erfüllt gewesen, da die Rahmenfrist am 31. Oktober 2001 begonnen habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 24. September 2003 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Dezember 2002 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision der Klägerin ist insoweit begründet, als das Urteil des LSG aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Die Feststellungen reichen für eine abschließende Entscheidung nicht aus.

1. Das LSG hat zu Unrecht angenommen, die Klägerin habe die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt. Anspruch auf Alg haben Arbeitnehmer, die (1.) arbeitslos sind, (2.) sich beim ArbA arbeitslos gemeldet und (3.) die Anwartschaftszeit erfüllt haben (§ 117 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch <SGB III> idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 <AFRG>, BGBl I Seite 594). Arbeitslos ist ein Arbeitnehmer, der vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht (Beschäftigungslosigkeit) und eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigung sucht (Beschäftigungssuche; § 118 Abs 1 SGB III idF des 1. SGB III-Änderungsgesetzes vom 16. Dezember 1997 <1. SGB III-ÄndG>, BGBl I Seite 2970). Eine Arbeitslosmeldung liegt vor, wenn sich der Arbeitslose persönlich beim zuständigen ArbA arbeitslos gemeldet hat (§ 122 Abs 1 Satz 1 SGB III idF des AFRG). Die Anwartschaftszeit hat erfüllt, wer in der Rahmenfrist (ua) mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat (§ 123 Satz 1 Nr 1 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG). Die genannten Voraussetzungen sind auf Grund der für den Senat bindenden Feststellungen des LSG ab 1. November 2001 erfüllt.

1.1 Die Klägerin ist, wie das LSG zutreffend angenommen hat, bereits mit ihrer Freistellung durch den Arbeitgeber ab dem 12. Oktober 2001 beschäftigungslos gewesen.

Wann im leistungsrechtlichen Sinne Beschäftigungslosigkeit vorliegt, ergibt sich aus § 118 Abs 1 Nr 1 SGB III. Diese Vorschrift knüpft nicht an den rechtlichen Bestand eines Arbeitsverhältnisses an, sondern an die tatsächlichen Verhältnisse. Beschäftigungslosigkeit ist deshalb mit der tatsächlichen Nichtbeschäftigung des Versicherten unabhängig vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses im Sinne des Arbeitsrechts gegeben (Senatsurteil vom 25. April 2002, B 11 AL 65/01 R = BSGE 89, 243 = SozR 3-4300 § 144 Nr 8), wie an der anderenfalls überflüssigen Ruhensvorschrift für Ansprüche auf Alg während des Bezugs von Arbeitsentgelt (§ 143 Abs 1 SGB III idF des AFRG) sowie an der Gewährung von Alg während des Ruhenszeitraums im Falle der Nichterfüllung aktueller Ansprüche auf Arbeitsentgelt (sog Gleichwohlgewährung, § 143 Abs 3 Satz 1 SGB III idF des AFRG) deutlich wird. Vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht ein Arbeitnehmer - mit anderen Worten - schon dann, wenn das bisherige Beschäftigungsverhältnis sein tatsächliches Ende gefunden hat und eine neue Beschäftigung noch nicht wieder aufgenommen worden ist (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19 und Nr 20). Ein Beschäftigungsverhältnis im leistungsrechtlichen Sinne ist daher trotz eines rechtlich noch bestehenden Arbeitsverhältnisses und unabhängig von der Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers bereits dann nicht mehr gegeben, wenn die Arbeitsleistung tatsächlich nicht mehr erbracht wird, weil der Arbeitgeber auf seine Verfügungsbefugnis verzichtet hat (Senatsurteil vom 5. Februar 1998, B 11 AL 55/97 R = AuB 1998, 186 = DBlR Nr 4486a zu § 101 Arbeitsförderungsgesetz <AFG>) oder das Arbeitsverhältnis auf Grund einer von ihm ausgesprochenen Kündigung als beendet ansieht und weitere Dienste des Arbeitnehmers nicht annimmt (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19 und Nr 20 mwN).

Ist ein Arbeitnehmer nach einer Kündigung des Arbeitgebers faktisch ohne Beschäftigung, stehen seiner leistungsrechtlichen "Arbeitslosigkeit" auch weder die Erhebung einer Kündigungsschutzklage noch ein etwaiger Erfolg dieser Klage oder Vereinbarungen im Kündigungsschutzprozess über einen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über das tatsächliche Ende der Beschäftigung hinaus oder (Nach-)Zahlungen von Arbeitsentgelt entgegen (BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 17 mwN).

Danach ist das LSG zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin zum Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 25. Oktober 2001 beschäftigungslos war. Entscheidend dafür ist nicht die Arbeitslosmeldung, sondern vielmehr der Umstand, dass der Arbeitgeber bereits seit der fristlosen Kündigung am 11. Oktober 2001 die Arbeitsleistungen der Klägerin nicht mehr angenommen hat, sodass die Klägerin seither faktisch ohne Beschäftigung war. Dass sie diesen Sachverhalt durch ihre Erklärungen anlässlich der Arbeitslosmeldung gegenüber dem ArbA auch selbst zum Ausdruck gebracht hat, ist nicht konstitutiv für das Tatbestandsmerkmal der Beschäftigungslosigkeit iS des § 118 Abs 1 Nr 1 SGB III.

Es begegnet auch keinen Bedenken, dass das LSG die Beschäftigungssuche als weitere Tatbestandsvoraussetzung der Arbeitslosigkeit (§§ 118 Abs 1 Nr 2, 119 SGB III idF des 1. SGB III-ÄndG) bejaht hat. Denn es hat festgestellt, dass die Klägerin bei ihrer Arbeitslosmeldung am 25. Oktober 2001 zum Ausdruck gebracht hat, dass sie alle Möglichkeiten nutzen wolle, um ihre Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und dass sie sich den Vermittlungsbemühungen des ArbA zur Verfügung gestellt habe. Zu Recht ist das LSG davon ausgegangen, dass die von der Klägerin erhobene Kündigungsschutzklage allein ihre Verfügbarkeit nicht ausschloss (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 20).

1.2 Lag danach seit dem 25. Oktober 2001 die Arbeitslosigkeit im leistungsrechtlichen Sinne als eine der Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg (§ 117 Abs 1 Nr 1 SGB III) vor, so ist darüber hinaus eine weitere Anspruchsvoraussetzung dadurch verwirklicht worden, dass sich die Klägerin am 25. Oktober 2001 persönlich beim ArbA arbeitslos gemeldet hat (§§ 117 Abs 1 Nr 2, 122 Abs 1 Satz 1 SGB III idF des AFRG). Mit Rücksicht auf die anhaltende Arbeitslosigkeit der Klägerin wirkte diese Arbeitslosmeldung fort (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 22), sodass es keiner erneuten Meldung am 1. November 2001 bedurfte. Unter welchen Voraussetzungen die Wirkung der Arbeitslosmeldung erlischt, ergibt sich aus § 122 Abs 2 SGB III, dessen Voraussetzungen hier nicht gegeben sind. Die Klägerin hat die Wirkung der Arbeitslosmeldung auch nicht dadurch beschränkt, dass sie einen bestimmten Zeitraum der Arbeitslosigkeit angegeben hat (vgl BSG SozR 3-4300 § 122 Nr 1).

1.3 Die Klägerin hat auch die Anwartschaftszeit erfüllt, denn sie hat innerhalb der vom 1. November 1998 bis zum 31. Oktober 2001 liegenden Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Nach § 124 Abs 1 SGB III beträgt die Rahmenfrist drei Jahre und beginnt mit dem Tag vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alg. Zwar hatte die Klägerin im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung am 25. Oktober 2001 noch nicht die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg erfüllt, denn zu diesem Zeitpunkt hatte sie noch nicht zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Sie konnte sich allerdings zu diesem Zeitpunkt im Hinblick auf die Beendigung des leistungsrechtlichen Beschäftigungsverhältnisses schon arbeitslos melden. Meldet sich der Versicherte arbeitslos, bevor die Anwartschaftszeit erfüllt ist, beginnt jedoch keine Rahmenfrist. Die Rahmenfrist beginnt vielmehr erst dann, wenn auch die Anwartschaftszeit als Voraussetzung für den Anspruch auf Alg erfüllt ist.

Dementsprechend hat der 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) unter der Geltung des AFG angenommen, dass durch eine während des Kündigungsschutzprozesses zurückgelegte Beschäftigungszeit die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg erfüllt werden kann, auch wenn der Betreffende während dieses Zeitraums arbeitslos war und Alhi bezogen hat (BSG SozR 4100 § 117 Nr 22; vgl auch schon Reichsversicherungsamt, AN 1929, 354 <Nr 3531>). Diese Entscheidung ist auf die vorliegende Fallgestaltung zu übertragen. Dieser Annahme steht § 124 Abs 2 SGB III, wonach die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, bis zur erstmaligen Erfüllung der Anwartschaftszeit nicht entgegen, weil es keine "vorangegangene" Rahmenfrist gibt. Die vom LSG herangezogene Rechtsprechung des BSG, wonach eine nachträgliche "Korrektur" der für einen Leistungsfall maßgeblichen Rahmenfrist nicht erfolgen kann, wenn auf eine Kündigungsschutzklage hin durch Urteil oder durch Vergleich das Ende des Arbeitsverhältnisses auf einen nach dem faktischen Ende der Beschäftigung liegenden Zeitpunkt festgelegt worden ist (BSG SozR 4100 § 117 Nr 19 und Nr 20; BSG SozR 3-4100 § 117 Nr 17), ist hier nicht einschlägig. Denn dabei ging es jeweils um Sachverhalte, bei denen in der nach dem faktischen Ende der Beschäftigung maßgeblichen Rahmenfrist die Anwartschaftszeit erfüllt war, sodass es zu einer Gleichwohlgewährung von Alg gekommen war und dementsprechend auch die Regelung zum Tragen kam, wonach die Rahmenfrist nicht in eine vorangegangene Rahmenfrist hineinreicht, in der der Arbeitslose eine Anwartschaftszeit erfüllt hatte (§ 124 Abs 2 SGB III idF des AFRG, früher: § 104 Abs 3 AFG).

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass im Zeitraum ab Freistellung der Klägerin kein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis iS des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III bestanden habe. Für die Versicherungspflicht kommt es nicht ohne weiteres auf das tatsächliche Ende der Beschäftigung an, sondern ggf auf den Ausgang eines Kündigungsschutzprozesses (BSGE 52, 152 = SozR 2100 § 25 Nr 3 = SozR 2200 § 405 Nr 10; vgl auch Schlegel in Küttner, Personalbuch 2004, Annahmeverzug RdNr 27 f). Versicherungspflicht kann deshalb sogar während eines Zeitraums bestehen, in dem der Arbeitnehmer leistungsrechtlich als arbeitslos gilt und Alg erhält (BSGE 59, 183 = SozR 4100 § 168 Nr 19). Diese an der Schutzfunktion der Versicherungspflicht (vgl BSGE 52, 152, 156) orientierte Auslegung des Begriffs des Beschäftigungsverhältnisses im beitragsrechtlichen Sinn für die Behandlung von Zeiträumen, in denen der Arbeitnehmer trotz fortbestehenden Arbeitsverhältnisses tatsächlich nicht beschäftigt wird, findet auch im Rahmen des § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III Anwendung. Hinweise für ein außerhalb der Dispositionsbefugnis der Arbeitsvertragsparteien im Kündigungsschutzverfahren liegendes missbräuchliches Verhalten, das in Ausnahmefällen eine andere Beurteilung rechtfertigen könnte, liegen hier nicht vor.

Allerdings hatte es der 7. Senat des BSG für erforderlich gehalten, dass die zwischenzeitliche Erfüllung der Anwartschaftszeit durch einen neuen Antrag geltend zu machen sei (vgl BSG SozR 4100 § 117 Nr 22). An diesem Erfordernis kann jedoch infolge der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderungen nicht mehr festgehalten werden, denn nach § 323 Abs 1 Satz 2 SGB III gelten Alg und Alhi mit der persönlichen Arbeitslosmeldung im Sinne einer Fiktion der Antragstellung als beantragt. Die der Antragstellung nunmehr nur noch zukommende verfahrensrechtliche Bedeutung (Leitherer in Hennig, SGB III, § 323 Rz 32; Radüge in Hauck/Noftz, SGB III, § 323 Rz 23) führt dazu, sie auch bei der Bestimmung der Rahmenfrist nach § 124 Abs 1 SGB III nicht mehr zu den "sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld" zu rechnen.

2. Der Senat vermag indes nicht zu entscheiden, ob der Anspruch auf Alg wegen des Eintritts einer Sperrzeit geruht hat. Feststellungen hierzu hat das LSG, von seinem Rechtsstandpunkt zu Recht, nicht getroffen.

Nach § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III tritt eine Sperrzeit von zwölf Wochen ua ein, wenn der Arbeitslose durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat und er dadurch vorsätzlich oder grobfahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat, ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Unerheblich für die Beurteilung dieser Voraussetzungen ist, dass die Klägerin und ihr Arbeitgeber im Kündigungsschutzprozess einen Vergleich des Inhalts geschlossen haben, das Arbeitsverhältnis sei durch eine betriebsbedingte Kündigung beendet worden. Eine bloße Umbenennung des Kündigungsgrundes hat allein keinen Einfluss darauf, ob das Ende des Beschäftigungsverhältnisses durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten herbeigeführt worden ist (Urteil des BSG vom 25. März 1987 - 7 RAr 95/85; BSG SozR 3-4100 § 119a Nr 1).

Dem Eintritt einer Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe steht auch nicht entgegen, dass der fragliche Verstoß der Klägerin gegen die aus dem Versicherungsverhältnis folgende Obliegenheit der Erfüllung der Anwartschaftszeit zeitlich vorgelagert war. Die Erfüllung der Anwartschaftszeit gehört nicht zu den ungeschriebenen Voraussetzungen der Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe. Vielmehr entspricht es dem Zweck der Sperrzeit, die Versichertengemeinschaft typisierend gegen Risikofälle zu schützen, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (stRspr: BSGE 47, 101, 104 = SozR 4100 § 119 Nr 5; BSGE 49, 197, 199 = SozR 4100 § 119 Nr 11; BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 15), Verhaltensweisen unabhängig davon in den Sperrzeittatbestand einzubeziehen, ob sämtliche Voraussetzungen des Anspruchs auf Alg bereits aktuell vorliegen. Denn es kann - wie der vorliegende Sachverhalt zeigt - gleichwohl nicht ausgeschlossen werden, dass ein späterer Leistungsbezug ursächlich auf das sperrzeitbewehrte Verhalten des Versicherten zurückzuführen ist. Der Beginn der Sperrzeit bestimmt sich auch in einem derartigen Fall nach der Grundregel des § 144 Abs 2 Satz 1 SGB III.

Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

Ende der Entscheidung

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