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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 28.11.2007
Aktenzeichen: B 11a/7a AL 62/06 R
Rechtsgebiete: SGB III, SGG
Vorschriften:
SGB III §§ 190 ff | |
SGB III § 428 | |
SGG § 96 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: B 11a/7a AL 62/06 R
Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat am 28. November 2007 ohne mündliche Verhandlung durch die Vizepräsidentin Dr. Wetzel-Steinwedel, die Richter Dr. Voelzke und Dr. Leitherer sowie den ehrenamtlichen Richter Alsbach und die ehrenamtliche Richterin Govorusic für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Februar 2006 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt die Weiterzahlung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) über den 31. Dezember 2004 hinaus.
Der im Oktober 1945 geborene Kläger bezog bis 24. November 2003 Arbeitslosengeld (Alg), danach Alhi. Am 31. Oktober 2003 hatte er eine Erklärung zur Inanspruchnahme von Alg bzw Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) unterzeichnet.
Nachdem sich der Kläger im Jahre 2004 kurzfristig aus dem Alhi-Bezug abgemeldet hatte, beantragte er am 25. November 2004 die Wiederbewilligung. Die Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 2. Dezember 2004 Alhi für die Zeit vom 25. November bis 31. Dezember 2004 in Höhe von 30,19 € täglich (211,33 € wöchentlich). In der Begründung des Bescheids wurde darauf hingewiesen, dass die Alhi zum 31. Dezember 2004 abgeschafft und durch das Arbeitslosengeld II (Alg II) ersetzt werde.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2005, gerichtet an die Agentur für Arbeit Freiburg und die Arbeitsgemeinschaft der Stadt Freiburg (ARGE) stellte der Kläger ua den Antrag, ihm Leistungen in Höhe der bisherigen Alhi ab 1. Januar 2005 bis zum Beginn der gesetzlichen Rentenzahlungen zu gewähren; außerdem beantragte er vorsorglich, ihm wegen des Bescheids vom 2. Dezember 2004 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, damit er gegebenenfalls Widerspruch einlegen könne. Mit Widerspruchsbescheid vom 30. März 2005 verwarf die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2004 wegen Fristversäumnis als unzulässig.
Durch Bescheid der ARGE vom 23. Februar 2005 wurden dem Kläger für die Zeit ab 1. Januar 2005 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe von monatlich 542,28 € bewilligt.
Das Sozialgericht (SG) hat die auf Weiterzahlung von Alhi gerichtete Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 26. September 2005). Es hat angenommen, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2004 sei nicht verspätet gewesen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid zurückgewiesen (Urteil vom 21. Februar 2006). In den Entscheidungsgründen hat es ua ausgeführt: Streitgegenstand sei der geltend gemachte Anspruch auf Alhi bzw auf Zahlung der Differenz zwischen der bisherigen Alhi und dem Alg II. Hierauf bestehe jedoch kein Anspruch, da die bisherigen gesetzlichen Regelungen mit Ablauf des 31. Dezember 2004 aufgehoben seien. Ein Anspruch auf Beibehaltung der Leistungen, jedenfalls was deren Höhe betreffe, lasse sich weder Art 20 Grundgesetz (GG) noch den in Art 1 bis 19 GG geregelten Grundrechten entnehmen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) sei der Gesetzgeber befugt, in das Leistungsgefüge des Sozialrechts ordnend einzugreifen. Der Vortrag des Klägers, durch das von ihm erteilte Einverständnis mit dem Bezug von Alg/Alhi unter den Bedingungen des § 428 SGB III sei ein öffentlich-rechtlicher Vertrag mit der Beklagten zustande gekommen, überzeuge nicht. Vertrauensschutzerwägungen könnten den geltend gemachten Anspruch ebenfalls nicht begründen.
Mit der vom Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Revision macht der Kläger geltend, das Urteil des LSG beruhe insbesondere auf Verletzungen der Art 14 und 20 GG. Die Beendigung des im Rahmen des Verfahrens nach § 428 SGB III bis zum Rentenbeginn in Aussicht gestellten Alhi-Bezugs mit Verweis auf die erheblich niedrigeren Leistungen nach dem SGB II stelle sich als unverhältnismäßiger Eingriff in sein Eigentumsrecht dar. Das BSG habe bislang nur für die sog originäre Alhi den Eigentumsschutz verneint; das BVerfG habe die Frage ausdrücklich offen gelassen. Bei der Verhältnismäßigkeits- und Vertrauensschutzprüfung sei nicht nur die schlagartige und massive Herabsetzung der Monatsbezüge auf 50 bis 60 % der bisherigen Leistung, sondern auch die nicht vorhersehbare Verkürzung des Altersrentenanspruchs um ca 40 bis 50 € monatlich zu bedenken. Darüber hinaus sei das Konzept des SGB II ersichtlich nicht auf die betreffende Gruppe von Arbeitslosen zugeschnitten; denn die von § 428 SGB III erfasst Gruppe könne gerade nicht durch entsprechende vorrangige Mittelverwendung wieder in eine Erwerbstätigkeit gebracht werden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG und den Gerichtsbescheid des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Dezember 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. März 2005 aufzuheben bzw abzuändern und die Beklagte zur Gewährung von Alhi über den 31. Dezember 2004 hinaus, hilfsweise zur Zahlung der Differenz zwischen der Alhi und dem gezahlten Alg II, zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz <SGG>).
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger die Zahlung von Alhi bzw der Differenz zwischen Alhi und Alg II über den 31. Dezember 2004 hinaus nicht beanspruchen kann.
1. Nicht zu beanstanden ist, dass das LSG entsprechend dem insoweit eindeutigen Antrag des Klägers von einer ausschließlich gegen die Beklagte gerichteten Klage ausgegangen ist und demzufolge den von der ARGE erlassenen Bescheid vom 23. Februar 2005 unbeachtet gelassen hat. Denn im Verfahren gegen die Beklagte kommt eine Einbeziehung späterer SGB II-Bescheide über § 96 SGG nicht in Betracht (vgl ua Urteile des BSG vom 21. März 2007, B 11a AL 43/06 R, RdNr 12 und vom 10. Mai 2007, B 7a AL 48/06 R, RdNr 9). Keine Bedenken bestehen auch dagegen, dass das LSG - wie sich aus dem Gesamtzusammenhang seiner Feststellungen unter Einschluss der in Bezug genommenen Ausführungen des SG ergibt - von einem sinngemäß und auch rechtzeitig erhobenen Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 2. Dezember 2004 und dem Abschluss des Vorverfahrens durch einen den Widerspruch sinngemäß als unbegründet zurückweisenden Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 30. März 2005 ausgegangen ist.
2. Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, kann dem Kläger ab 1. Januar 2005 Alhi nicht mehr gezahlt werden, weil die entsprechenden Vorschriften nicht mehr gelten. Das Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 (BGBl I 2954) hat die §§ 190 ff SGB III mit Wirkung ab 1. Januar 2005 aufgehoben (Art 61 Abs 1 des Gesetzes). Ab diesem Zeitpunkt wird also nach der Entscheidung des Gesetzgebers Alhi nicht mehr gewährt.
3. Dem Vorbringen der Revision, die Abschaffung der Alhi mit Wirkung ab 1. Januar 2005 sei verfassungswidrig, folgt der Senat nicht.
Der Kläger kann sich insoweit nicht auf die Eigentumsgarantie des Art 14 Abs 1 GG berufen. Denn die Alhi ist keine beitragsfinanzierte Leistung, sondern eine aus Steuermitteln finanzierte Fürsorgeleistung (vgl ua BSGE 85, 123, 130 = SozR 3-4100 § 136 Nr 11; Urteil des Senats vom 21. März 2007, B 11a AL 43/06 R, RdNr 15 mwN). Selbst wenn im Übrigen der Anspruch auf Alhi dem Eigentumsschutz unterläge, wäre ein Verstoß gegen Art 14 Abs 1 GG zu verneinen, da der Gesetzgeber mit den Vorschriften zur Abschaffung der Alhi und zur Einführung des SGB II seine Befugnis zur Inhalts- und Schrankenbestimmung des Eigentums nicht überschritten hätte. Insoweit ergäbe sich bei diesem Prüfungsmaßstab nichts anderes, als wenn die angegriffenen Regelungen am Maßstab des Rechtsstaatsprinzips des Art 20 Abs 3 GG geprüft werden (vgl BVerfG SozR 3-4100 § 242q Nr 2 S 10, 12 sowie BVerfG SozR 4-2600 § 237a Nr 1 RdNr 24 ff). Hiervon geht auch der 7a. Senat des BSG ua in seinem Urteil vom 10. Mai 2007, B 7a AL 48/06 R, aus.
Der Senat vermag nicht zu erkennen, dass mit der Abschaffung der Alhi und der Einführung des SGB II bzw des Alg II eine Verletzung des aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verbunden war. Nach der Überzeugung des Senats hat der Gesetzgeber auch nicht die Anforderungen des rechtsstaatlichen Vertrauensschutzprinzips verletzt. Ein Anspruch des Klägers auf Leistungen in Höhe der bisherigen Alhi folgt auch nicht aus Art 1 Abs 1 GG iVm dem insbesondere auf Art 20 Abs 1 GG beruhenden Sozialstaatsprinzip. Dies ist im Einzelnen bereits in der aktuellen Rechtsprechung des BSG näher ausgeführt worden (ua Urteile vom 23. November 2006, B 11b AS 1/06 R - SozR 4-4200 § 20 Nr 3 RdNr 41 ff, vom 21. März 2007, B 11a AL 43/06 R, RdNr 16 ff, und vom 29. März 2007, B 7b AS 4/06 R, RdNr 11; ebenso Urteil vom 10. Mai 2007, B 7a AL 48/06 R). Der erkennende Senat nimmt hierauf Bezug und hält hieran nach erneuter Prüfung fest.
4. Eine Verfassungswidrigkeit der Abschaffung der Alhi ergibt sich auch im vorliegenden Fall nicht aus der Tatsache, dass der Kläger im Oktober 2003 eine Erklärung nach § 428 SGB III abgegeben hat. Die insoweit von der Revision vorgetragenen Bedenken bzw die Forderung nach einem besonderen Vertrauensschutz für Betroffene wie den Kläger teilt der Senat nicht. Auch unter den Umständen des vorliegenden Falles gilt das, was ua in den Urteilen des 11b. Senats vom 23. November 2006 (B 11b AS 9/06 R - SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 33 ff und B 11b AS 25/06 R, RdNr 30 ff) und im Urteil des erkennenden 11a. Senats vom 21. März 2007 (B 11a AL 43/06 R, RdNr 19 ff) näher ausgeführt worden ist. Dieser Rechtsprechung hat sich auch der 7b. Senat des BSG ua in seinem Urteil vom 29. März 2007 (B 7b AS 4/06 R, RdNr 12 ff) angeschlossen. Auf die Ausführungen in den vorgenannten Urteilen wird zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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