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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 31.01.2006
Aktenzeichen: B 11a AL 11/05 R
Rechtsgebiete: SGB III, SGB X


Vorschriften:

SGB III § 137 Abs 4 S 1
SGB III § 330 Abs 1
SGB X § 44 Abs 1 S 1

Entscheidung wurde am 25.04.2006 korrigiert: die Rechtsgebiete, die Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Wurde der Arbeitslose bei persönlicher Mitteilung des Lohnsteuerklassenwechsels nicht ordnungsgemäß beraten, richtet sich sein Herstellungsanspruch nach seit jeher anerkannten Grundsätzen; ein Anwendungsfall des § 330 Abs 1 SGB 3 liegt nicht vor.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 31. Januar 2006

Az: B 11a AL 11/05 R

Der 11a. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 31. Januar 2006 durch die Vizepräsidentin Dr. Wetzel-Steinwedel, die Richter Dr. Voelzke und Dr. Leitherer sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Govorusic und Haase

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 2004 aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt ab 1. Mai 1999 höheres Arbeitslosengeld (Alg) nach der Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) statt nach der Leistungsgruppe A (Steuerklasse IV).

Der verheiratete Kläger meldete sich ab dem 1. April 1999 arbeitslos und beantragte Alg. Zu Beginn des Jahres 1999 war auf seiner Steuerkarte die Steuerklasse III eingetragen. Die Beklagte gewährte dem Kläger ab dem 1. April 1999 Alg in Höhe von 94,39 DM täglich bzw 660,73 DM wöchentlich (Leistungsgruppe C, erhöhter Leistungssatz). Am 27. April 1999 ließ der Kläger beim Finanzamt seine Steuerklasse mit Wirkung vom 1. Mai 1999 in IV ändern. Noch am selben Tage suchte er das Arbeitsamt auf und teilte die Steuerklassenänderung mit. Nach seinen Angaben fand hierbei keine Beratung über die Auswirkungen des Steuerklassenwechsels statt. Die Beklagte setzte die Leistungshöhe mit Bescheid vom 30. April 1999 ab 1. Mai 1999 auf 78,56 DM täglich bzw 549,92 DM wöchentlich herab. Der Kläger erhielt vom 2. Dezember 1999 bis 16. Februar 2000 Krankengeld, vom 17. Februar bis 20. Februar 2000 Alg und vom 21. Februar bis 31. Juli 2000 Unterhaltsgeld. Am 1. August 2000 endete der Leistungsbezug wegen Arbeitsaufnahme.

Mit Schreiben vom 10. Juli 2000 beantragte der Kläger wegen der unterbliebenen Beratung über die Folgen des Lohnsteuerklassenwechsels höheres Alg rückwirkend ab 1. Mai 1999. Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 30. April 1999 nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch - (SGB X) ab, da dieser Bescheid nicht rechtswidrig gewesen sei (Bescheid vom 18. August 2000; Widerspruchsbescheid vom 6. Dezember 2000).

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. August 2003). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 22. Dezember 2004). Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beklagte habe es zu Recht abgelehnt, den Bescheid vom 30. April 1999 zurückzunehmen, denn dieser sei nicht rechtswidrig. Auf der Lohnsteuerkarte des Klägers sei ab 1. Mai 1999 die Steuerklasse IV eingetragen gewesen. Er sei deshalb gemäß § 137 Abs 2 Nr 1 Sozialgesetzbuch - Drittes Buch - (SGB III) der Leistungsgruppe A zuzuordnen. Die Entscheidung könne auch nicht im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geändert werden. Der Senat gehe davon aus, dass der Fall des Klägers von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Notwendigkeit einer gesonderten Beratung über die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels erfasst werden könne, brauche dies aber nicht zu entscheiden. Einer für den Kläger positiven Entscheidung stehe in jedem Fall § 330 Abs 1 SGB III entgegen. Der zur Überprüfung gestellte Bescheid datiere vom 30. April 1999. Im Jahr 1999 habe der Verwaltungsakt der ständigen Arbeitspraxis der Beklagten entsprochen. Diese Sichtweise sei erstmals mit dem Urteil vom 29. August 2002 - B 11 AL 87/01 R - SozR 3-4300 § 137 Nr 3 - in Zweifel gezogen und mit dem Urteil vom 1. April 2004 - B 7 AL 52/03 R - SozR 3-4300 § 137 Nr 1 - endgültig aufgegeben worden. Von einer Änderung der Rechtsprechung iS des § 330 Abs 1 SGB III könne man somit frühestens ab August 2002 sprechen, von einer ständigen Rechtsprechung wohl erst ab April 2004. Da hier aber die Zeit vom 1. Mai bis 1. Dezember 1999 im Streit stehe und der Kläger seit August 2000 keine Leistungen mehr bezogen habe, scheitere eine Aufhebung nach § 44 SGB X jedenfalls an § 330 Abs 1 SGB III.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung der §§ 137, 330 SGB III, § 44 SGB X. Das LSG habe den geltend gemachten Herstellungsanspruch zu Unrecht an einer stringenten Auslegung des § 330 Abs 1 SGB III scheitern lassen. Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch sei gerade dazu bestimmt, auch bestandskräftige Verwaltungsentscheidungen erneut einer rechtlichen Prüfung zu unterziehen. Das angefochtene Urteil interpretiere den Begriff des Entstehens der ständigen Rechtsprechung zu eng.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 7. August 2003 und das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22. Dezember 2004 sowie den Bescheid vom 18. August 2000 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 6. Dezember 2000 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 30. April 1999 zu verurteilen, rückwirkend ab 1. Mai 1999 Arbeitslosengeld unter Berücksichtigung der Leistungsgruppe C zu gewähren.

Die Beklage beantragt,

die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, der Änderungsbescheid vom 30. April 1999 sei rechtmäßig gewesen. Sie sei auch nicht auf Grund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verpflichtet, den Kläger so zu stellen, als habe er den Lohnsteuerklassenwechsel nicht vorgenommen. Der sich aus § 330 Abs 1 SGB III iVm § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ergebende Rechtsgedanke der Einschränkung der Pflicht der Beklagten zur vollumfänglichen rückwirkenden Klaglosstellung sei analog auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu übertragen. Erst mit der Verkündung des Urteils vom 1. April 2004 - B 7 AL 52/03 R - sei eine geänderte Rechtsprechung entstanden.

II

Die Revision des Klägers ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Zurückverweisung begründet.

Zu entscheiden ist über eine vom Kläger erhobene Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), die auf Rücknahme des bindend gewordenen Bescheides vom 30. April 1999 und Zahlung von Alg in Höhe des Differenzbetrages zwischen der Leistungsgruppe C (Steuerklasse III) und der Leistungsgruppe A (Steuerklasse IV) ab 1. Mai 1999 gerichtet ist. In der Sache hat die Revision des Klägers iS der Zurückverweisung Erfolg. Denn die bisher vom LSG getroffenen Feststellungen erlauben keine abschließende Entscheidung darüber, ob der Kläger höheres Alg auf der Grundlage des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs verlangen konnte und die Beklagte deshalb verpflichtet ist, den Ausgangsbescheid vom 30. April 1999 nach § 44 Abs 1 SGB X zurückzunehmen.

1. Das LSG hat allerdings zu Recht ausgeführt, dass die Beklagte - ausgehend von der auf die Lohnsteuerkarte ab 1. Mai 1999 eingetragenen Lohnsteuerklasse IV - das materielle Leistungsrecht richtig angewandt hat.

Das Alg beträgt nach § 129 Nr 1 SGB III für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des Einkommensteuerrechts haben, 67 % des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt). Das Leistungsentgelt wird nach Maßgabe des § 136 SGB III unter Berücksichtigung der bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallenden Entgeltabzüge ermittelt. Die nach Leistungsgruppen differenzierten Leistungssätze berücksichtigen den nach der allgemeinen Lohnsteuertabelle maßgebenden Lohnsteuerabzug.

Welche Steuerklasse für die Zuordnung zu den Leistungsgruppen maßgebend ist, ergibt sich aus § 137 SGB III in der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Fassung (nunmehr: § 133 SGB III). Nach dem Grundsatz des § 137 Abs 3 SGB III richtet sich die Zuordnung nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Kalenderjahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Maßgebend für die Alg-Bewilligung ab 1. April 1999 war danach die am 1. Januar 1999 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers eingetragene Lohnsteuerklasse III. Für den Steuerklassenwechsel bei Ehegatten gilt § 137 Abs 4 SGB III. Nach Satz 1 Nr 2 dieser Vorschrift werden bei einem Lohnsteuerklassenwechsel von Ehegatten die neu eingetragenen Steuerklassen von dem Tage an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn sich auf Grund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Alg ergibt, das geringer als das Alg ist, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe. Dies führt im vorliegenden Fall dazu, dass materiell-rechtlich ab 1. Mai 1999 Alg nicht mehr nach der Leistungsgruppe C (Lohnsteuerklasse III), sondern nach der (ungünstigeren) Leistungsgruppe A (Lohnsteuerklasse IV) zu gewähren war. Die Anpassung an die ab 1. Mai 1999 geänderten Verhältnisse hat die Beklagte mit dem Bescheid vom 30. April 1999 gemäß § 48 Abs 1 SGB X vorgenommen.

2. Diese Leistungskorrektur könnte jedoch entgegen der Rechtsansicht des LSG nach § 44 SGB X zurückzunehmen sein, (vgl BSG SozR 3-4100 § 101 Nr 10 S 39 f zur Anwendbarkeit des § 44 Abs 1 SGB X bei einem auf § 48 Abs 1 SGB X gestützten Bescheid), wenn dem Kläger ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch infolge einer Verletzung von Beratungs- und Hinweispflichten zur Seite stand. Die Sonderregelung in § 330 Abs 1 SGB III steht einer solchen Überprüfung nicht entgegen. Hierbei kann der Senat im Ergebnis dahinstehen lassen, ob § 330 Abs 1 SGB III in den Fällen der Überprüfung einer nicht begünstigenden bestandskräftigen Verwaltungsentscheidung wegen des Vorliegens der Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs unmittelbar heranzuziehen ist, oder - wovon die Beklagte ausgeht - die Regelung "analog auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch zu übertragen ist". Gegen die letztgenannte Auffassung spricht allerdings die Rechtsprechung des BSG (SozR 1300 § 44 Nr 17 und 18), wonach ein Sozialleistungsträger auch dann das Recht unrichtig iS des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X anwendet, wenn der belastende Verwaltungsakt allein deshalb rechtswidrig war, weil er gegen Richterrecht - hier das Institut des Herstellungsanspruchs - verstoßen hat (ebenso Wiesner in von Wulffen, SGB X, 5. Aufl, § 44 RdNr 10 und Waschull in Lehr- und Praxiskomm, SGB X, § 44 RdNr 56). Unabhängig von dieser Frage kann ein Anspruch des Klägers auf höheres Alg nach der Leistungsgruppe C entgegen der Ansicht des LSG jedenfalls nicht allein mit der Erwägung verneint werden, ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch sei nach § 330 Abs 1 SGB III ausgeschlossen. Denn diese Vorschrift ist hier nicht einschlägig.

§ 330 Abs 1 SGB III schränkt seinem Wortlaut nach den Anwendungsbereich des § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X für den Fall ein, dass der Verwaltungsakt auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt oder in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist. Entgegen § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein derartiger Verwaltungsakt im Arbeitsförderungsrecht nur mit Wirkung für die Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts oder nach dem Entstehen der ständigen Rechtsprechung zurückzunehmen. Der Senat kann offen lassen, ob er der vom LSG befürworteten Erstreckung des § 330 Abs 1 SGB III auf die Fälle des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs folgen würde. Denn es fehlt hier bereits an der Grundvoraussetzung dieser Norm, nämlich einer Rechtswidrigkeit des ursprünglichen Verwaltungsaktes infolge einer nachträglichen Änderung der Rechtsprechung.

Allerdings haben beide für das Arbeitsförderungsrecht zuständigen Senate des BSG mit Rücksicht auf die verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Normenkonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III und die unzureichende Normklarheit des Regelungskonzepts dieser Vorschrift angenommen, dass die Beklagte eine besondere Hinweis- und Beratungspflicht treffe (BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1; BSG SozR 4-4300 § 137 Nr 2). Nach dieser Rechtsprechung kann die Beklagte den verfassungsrechtlichen Bedenken dadurch begegnen, dass sie verheiratete Arbeitslose bei der Antragstellung bzw anlässlich einer konkreten Nachfrage deutlich und gesondert vom Merkblatt auf die leistungsrechtlichen Gefahren eines Lohnsteuerklassenwechsels für den arbeitsförderungsrechtlichen Anspruch und die Notwendigkeit einer Beratung hinweist. Die Verletzung dieser besonderen Hinweis- und Beratungspflichten kann einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch auslösen (BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 RdNr 30 ff; BSG SozR 4-4300 § 137 Nr 2 RdNr 9).

Es ist bereits zweifelhaft, ob das BSG mit der vorgenannten Rechtsprechung iS des § 330 Abs 1 SGB III "eine Rechtsnorm" in ständiger Rechtsprechung anders als die Beklagte ausgelegt hat. Denn diese Rechtsprechung beruht weniger auf einer (neuen) Auslegung der Rechtsnorm des § 137 Abs 4 SGB III, sondern vielmehr auf den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Regelungskonzept, aus denen das BSG eine bereits bei Stellung des Antrags auf Alg einsetzende (ungeregelte) besondere Hinweis- und Beratungspflicht als Nebenpflicht aus dem Sozialrechtsverhältnis hergeleitet hat.

Eine entsprechende Anwendung des § 330 Abs 1 SGB III scheitert jedoch jedenfalls daran, dass ein dem Kläger möglicherweise zustehender, auf höheres Alg gerichteter sozialrechtlicher Herstellungsanspruch unabhängig von der Begründung dieser besonderen Hinweis- und Beratungspflichten durch die Rechtsprechung des BSG besteht. Die fragliche Rechtsprechung (vgl nur BSGE 92, 267 = SozR 4-4300 § 137 Nr 1 RdNr 30 ff; BSG SozR 4-4300 § 137 Nr 2 RdNr 9) betraf Aufhebungs- und Erstattungsfälle, in denen die Kläger dem Arbeitsamt (ArbA) die Änderung der Lohnsteuerklasse nicht mitgeteilt hatten, sodass es zu einer Überzahlung von Alg gekommen war. Das BSG hatte insoweit eine besondere Beratungspflicht bereits bei Stellung des Leistungsantrags angenommen. Ist diese verletzt, besteht ein Herstellungsanspruch auch dann, wenn der Arbeitslose aus Anlass des Steuerklassenwechsels keinen Kontakt zum ArbA aufgenommen hatte.

Von dieser Konstellation weicht der vorliegende Sachverhalt entscheidungserheblich ab, denn der Kläger dieses Verfahrens hatte das ArbA vor dessen Wirksamwerden über den von ihm vorgenommenen Lohnsteuerklassenwechsel informiert. Bei der Vorlage der geänderten Lohnsteuerkarte am 27. April 1999 musste für den Mitarbeiter des ArbA ohne weiteres erkennbar sein, dass der Kläger eine für ihn voraussichtlich im Ergebnis wirtschaftlich nachteilige Handlung vorgenommen hatte. Die Erforderlichkeit eines entsprechenden Hinweises folgt hier also bereits allein aus der seit jeher von Rechtsprechung (vgl nur BSG SozR 1200 § 14 Nr 25; SozR 3-4100 § 110 Nr 2) und Literatur (Seewald in KassKomm § 14 SGB I Rz 19; Mönch-Kalina in juris-PK-SGB I § 14 Rz 33) anerkannten Nebenpflicht der Behörden, den Leistungsempfänger bei einem konkreten Anlass auf offenkundige wirtschaftlich günstige Gestaltungsmöglichkeiten hinzuweisen. Für den nahe liegenden Hinweis, dass der wegen der Arbeitsaufnahme der Ehefrau vorgenommene Lohnsteuerklassenwechsel voraussichtlich nur vordergründig vorteilhaft war, bedurfte es dementsprechend der Rechtsprechung des BSG zu den "besonderen Beratungs- und Hinweispflichten" der Bundesagentur für Arbeit nicht. Ein derartiger Hinweis war auch von verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das Regelungskonzept des § 137 Abs 4 Satz 1 SGB III unabhängig (s zu einer entsprechenden Fallgestaltung bereits BSG, Urteil vom 1. April 2004 - B 7 AL 36/03 R, veröffentlicht in juris).

3. Das LSG hat - von seinem Rechtsstandpunkt aus zutreffend - die Voraussetzungen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs nicht abschließend geprüft. Zwar liegt es nach dem Vortrag des Klägers und dem tatsächlichen Geschehensablauf nahe, dass die Beklagte ihre Beratungspflichten hinsichtlich der leistungsrechtlichen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels verletzt hat, weil sie den Kläger - wie dieser behauptet - bei der Abgabe der geänderten Lohnsteuerkarte nicht auf die wirtschaftlich nachteiligen Folgen eines Lohnsteuerklassenwechsels hingewiesen hat. Jedoch hat das LSG dies nicht festgestellt. Ebenfalls keine Feststellungen hat das LSG zur Ursächlichkeit einer möglichen Pflichtverletzung der Beklagten und dem Umstand, dass der Kläger den Lohnsteuerklassenwechsel nicht rückgängig gemacht hat, getroffen (zum Anspruch auf erneute Änderung der Steuerklasse s BSG, Urteil vom 1. April 2004 - B 7 AL 36/03 R, veröffentlicht in juris). Zweifel daran, dass die Eheleute bei richtiger Beratung wieder zu der vorherigen Lohnsteuerklasse zurückgekehrt wären, könnten sich daraus ergeben, das sie auch im Jahr 2000 zunächst an den Lohnsteuerklassen festgehalten haben.

Das LSG wird demgemäß die tatsächlichen Voraussetzungen für einen Herstellungsanspruch zu prüfen haben.

Dem LSG obliegt auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens.

Ende der Entscheidung

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