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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: B 12 KA 11/00 R
Rechtsgebiete: AVG, SGB VI


Vorschriften:

AVG § 7 Abs 2
SGB VI § 6 Abs 1 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 7. Dezember 2000

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 11/00 R

Kläger und Revisionsbeklagter,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

AOK Rheinland - Die Gesundheitskasse, Kasernenstraße 61, 40213 Düsseldorf,

Beklagte und Revisionsbeklagte,

beigeladen:

1.

Prozeßbevollmächtigte:

2. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,

Revisionsklägerin,

3. Baden-Württembergische Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte, Cortenstraße 63, 72074 Tübingen.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, die Richter Balzer und Dr. Schlegel sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Janzen und Teske

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beigeladenen zu 2) werden das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 21. September 1999 und das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 30. April 1998 geändert.

Die Klage wird abgewiesen, soweit in dem Bescheid der Beklagten vom 10. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1995 für die Zeit ab 1. September 1995 festgestellt worden ist, daß der Kläger bei der Beigeladenen zu 1) angestelltenversicherungspflichtig beschäftigt ist.

Im übrigen wird die Revision der Beigeladenen zu 2) zurückgewiesen.

Die Beigeladene zu 2) hat dem Kläger und der Beigeladenen zu 1) jeweils zwei Drittel ihrer außergerichtlichen Kosten des gesamten Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war.

Der 1959 geborene Kläger war seit dem 1. Juli 1989 als Arzt abhängig beschäftigt und nahm seit diesem Zeitpunkt als Pflichtmitglied an der Baden-Württembergischen Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte (im folgenden: Versorgungsanstalt) teil. Bereits zum 1. August 1989 nahm der Kläger eine Beschäftigung bei einem Industrieunternehmen auf und hat seit diesem Zeitpunkt den Beruf des Arztes nicht mehr ausgeübt. Seine Pflichtmitgliedschaft bei der Versorgungsanstalt endete wegen der Nichtausübung des Arztberufs mit Ablauf des 31. Juli 1989. Seitdem ist der Kläger als freiwilliges Mitglied geführt worden. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) befreite den Kläger auf seinen Antrag wegen seiner Pflichtmitgliedschaft bei der Versorgungsanstalt nach § 7 Abs 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) ab dem 1. Juli 1989 von der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung (Bescheid vom 22. August 1989). In diesem Bescheid heißt es ua: "Die Befreiung gilt für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung, soweit Versorgungsabgaben in gleicher Höhe geleistet werden, wie ohne die Befreiung Beiträge zur Rentenversicherung der Angestellten zu entrichten wären. Werden mehrere Beschäftigungen ausgeübt, so gilt die Befreiung nur für die Beschäftigung, auf der die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung beruht und nach deren Arbeitsentgelt die Versorgungsabgaben zu berechnen sind." Der Bescheid enthält außerdem die Hinweise, daß die BfA bei Wegfall der Voraussetzungen des § 7 Abs 2 AVG die Befreiung von der Versicherungspflicht nach § 48 Abs 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren (SGB X) zu widerrufen habe und der Kläger daher verpflichtet sei, der BfA die Umstände anzuzeigen, die zum Wegfall der Voraussetzungen für die Befreiung führten. Die Befreiung ende erst mit dem förmlichen Widerruf durch die BfA.

Der Kläger nahm am 1. August 1994 eine neue Beschäftigung als Unternehmensberater bei der AT. K. GmbH (im folgenden: Arbeitgeberin) auf. Er hatte die Versorgungsanstalt schon im Juni 1994 über den beabsichtigten Beschäftigungswechsel unterrichtet. Die Versorgungsanstalt gab der BfA mit Schreiben vom 28. September 1994 unter Hinweis auf die Befreiung davon Kenntnis, daß der Kläger seit dem 1. August 1994 als angestellter Berater in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis beschäftigt sei, für das er die ärztliche Approbation nicht benötige; im Falle des Widerrufs der Befreiung werde eine Durchschrift des Schreibens erbeten. Die BfA schrieb unter Hinweis auf die Anfrage der Versorgungsanstalt unter dem 19. April 1995 an den Kläger ua: Seine im Jahr 1989 ausgesprochene Befreiung habe auch nach der Rentenreform 1992 Bestand. Ab 1. Januar 1992 fänden jedoch die ergänzenden Regelungen des SGB VI Anwendung. Die Befreiung gelte danach weiterhin für die Dauer der Pflichtmitgliedschaft und einer daran anschließenden freiwilligen Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung. Sie erstrecke sich auch auf berufsfremde Beschäftigungen und Tätigkeiten, wenn diese vorübergehend anstelle oder neben der berufsgruppenspezifischen Beschäftigung ausgeübt würden. Auf Dauer angelegte berufsfremde Beschäftigungen könnten von der Befreiung in keinem Fall erfaßt werden. Eine Durchschrift dieses Schreibens übersandte die BfA der Versorgungsanstalt mit dem Zusatz: "Ein Widerruf der Befreiung kommt wegen der weiteren freiwilligen Teilnahme an Ihrem Versorgungswerk nicht in Betracht." - Im Juni/Juli 1995 bat die BfA die beklagte Krankenkasse (Einzugsstelle) um Prüfung der Beitragsabführung. Nach den ihr (der BfA) vorliegenden Unterlagen bestehe Versicherungspflicht in der Rentenversicherung. Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 10. August 1995 gegenüber dem Kläger fest, daß er wegen seiner Beschäftigung seit dem 1. August 1994 in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig sei. Eine Befreiung sei auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt. Beim Kläger habe die Befreiung vom 22. August 1989 hier keine Wirkung. Für die tatsächlich ausgeübte Beschäftigung benötige der Kläger keine ärztliche Approbation. Das Beschäftigungsverhältnis sei auch weder seiner Eigenart nach noch vertraglich im voraus zeitlich begrenzt. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 15. November 1995). Die Beschäftigung des Klägers bei der genannten Arbeitgeberin endete am 31. März 1996.

Nach Klagerhebung hat das Sozialgericht (SG) die Arbeitgeberin (Beigeladene zu 1) und die BfA (Beigeladene zu 2) beigeladen. Mit Urteil vom 30. April 1998 hat es den Bescheid vom 10. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1995 aufgehoben. Die BfA hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Versorgungsanstalt beigeladen (Beigeladene zu 3) und die Berufung mit Urteil vom 21. September 1999 zurückgewiesen. Die Beschäftigung des Klägers bei der beigeladenen Arbeitgeberin sei nicht versicherungspflichtig. Der Befreiungsbescheid vom 22. August 1989 habe den Kläger auch während der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Versorgungsanstalt von der Versicherungspflicht in dieser Beschäftigung befreit. Im Gegensatz zu der nunmehr geltenden Regelung in § 6 Abs 5 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) sei die Befreiung nach § 7 Abs 2 AVG nicht auf die jeweilige Beschäftigung beschränkt gewesen. § 231 Satz 1 SGB VI gelte für die Befreiung nach § 7 Abs 2 AVG nicht. Die Wirkung des Befreiungsbescheides habe nur durch seine Aufhebung mit einem weiteren Bescheid beendet werden können.

Die BfA hat Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 7 Abs 2 AVG und des § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VI. Sie macht geltend, daß auch ohne Aufhebung eines Befreiungsbescheides bei Aufnahme einer berufsfremden versicherungspflichtigen Beschäftigung in dieser Beschäftigung Versicherungspflicht eintrete. Dies habe der 5. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bestätigt (BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12). Der erkennende 12. Senat, der in mehreren Entscheidungen einen "Widerruf" der Befreiung für rechtmäßig erklärt habe (BSGE 80, 215 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 und USK 9733), habe nicht zu entscheiden gehabt, ob die Befreiungen für die jeweils tatsächlich ausgeübte Beschäftigung ohne Aufhebungsbescheide noch wirksam gewesen seien. Hier könne sie (die BfA) die Befreiung nicht aufheben, denn der Kläger sei weiter Angehöriger seiner Berufsgruppe und Pflichtmitglied in der Ärztekammer. Die ausgesprochene Befreiung von der Rentenversicherungspflicht werde wieder wirksam, wenn der Kläger erneut als Arzt tätig werden sollte.

Die BfA beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 21. September 1999 und des Urteils des SG vom 30. April 1998 die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die ausgesprochene Befreiung habe nicht auf die Tätigkeit, sondern auf die Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung und die Tatsache der Entrichtung von Versorgungsabgaben in ausreichender Höhe abgestellt. Die von der BfA angeführte Entscheidung des BSG zur Versicherungspflicht in einer berufsfremden Beschäftigung betreffe die Vormerkung von Kindererziehungszeiten und habe ein für die damalige Klägerin günstiges Ergebnis gehabt. Die Befreiung könne nur durch eine klare Entscheidung der BfA beendet werden.

Die Beklagte, die Arbeitgeberin und die Versorgungsanstalt haben sich im Revisionsverfahren nicht geäußert.

II

Die Revision der BfA ist zum Teil begründet. Das LSG hat die Berufung der BfA gegen das der Klage stattgebende Urteil des SG zum Teil zu Unrecht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid vom 10. August 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. November 1995 ist vom SG zu Unrecht aufgehoben worden, soweit die Beklagte die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für die Zeit seit dem 1. September 1995 festgestellt hat. Im übrigen ist die Revision der BfA unbegründet. Denn soweit die Beklagte die Versicherungspflicht auch für die Zeit vom 1. August 1994 bis zum 31. August 1995 festgestellt hat, haben die Vorinstanzen den Bescheid im Ergebnis zu Recht aufgehoben.

Die Beklagte war als Einzugsstelle nach § 28h Abs 2 und § 28i Abs 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) für die Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht des Klägers in seiner Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) zuständig. Diese Zuständigkeit der Einzugsstelle besteht auch, wenn wie hier als Vorfrage darüber zu entscheiden ist, ob sich eine von der BfA ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht auf eine bestimmte Beschäftigung erstreckt.

Die Beklagte hat zutreffend entschieden, daß der Kläger in seiner Beschäftigung als Angestellter bei der beigeladenen Arbeitgeberin nach § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI in der Rentenversicherung versicherungspflichtig war. Die von der BfA im Bescheid vom 22. August 1989 ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht erstreckte sich nicht auf diese Beschäftigung und hinderte daher den Eintritt von Versicherungspflicht nicht.

Rechtsgrundlage für diese Befreiung war § 7 Abs 2 AVG in der am 1. Juli 1979 in Kraft getretenen Fassung des Art 3 Nr 2 Buchst b des Gesetzes zur Einführung eines Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 (BGBl I 797). Unter den näheren Voraussetzungen des § 7 Abs 2 AVG wurden Personen auf ihren Antrag von der Versicherungspflicht befreit, die aufgrund einer durch Gesetz angeordneten oder auf Gesetz beruhenden Verpflichtung Mitglieder einer öffentlich-rechtlichen Versicherungs- oder Versorgungseinrichtung ihrer Berufsgruppe waren. Die Befreiung im Bescheid vom 22. August 1989 war nach dieser Vorschrift ausgesprochen worden, weil der Kläger seit dem 1. Juli 1989 als Arzt beschäftigt und weil er seit diesem Zeitpunkt nach § 7 des Baden-Württembergischen Gesetzes über die Versorgungsanstalt für Ärzte, Zahnärzte und Tierärzte idF der Bekanntmachung vom 28. Juli 1961 (GBl für Baden-Württemberg S 299) zur Teilnahme an der Versorgungsanstalt verpflichtet war.

Die Befreiung erstreckte sich zunächst auf die nur im Juli 1989 ausgeübte Beschäftigung als Arzt. Bereits für die ab 1. August 1989 ausgeübte weitere Beschäftigung lagen die Voraussetzungen für eine Befreiung mangels Pflichtteilnahme an der beigeladenen Versorgungsanstalt nicht mehr vor. Ob sich die ausgesprochene Befreiung ungeachtet der Aufgabe des Arztberufs auch auf diese Beschäftigung erstreckte, ist hier nicht zu entscheiden. Jedenfalls erstreckte sie sich nicht auf die im August 1994 aufgenommene neue Beschäftigung, um die es hier geht. Dies ergibt sich für die Zeit nach der Aufhebung des § 7 Abs 2 AVG durch Art 83 Nr 1 und Art 85 Nr 1 des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG 1992) vom 18. Dezember 1989 (BGBl I 2261) zum 1. Januar 1992 und dem gleichzeitigen Inkrafttreten des SGB VI aus § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI und § 231 Satz 1 SGB VI (seit dem 1. Januar 1996: § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI; vgl Art 1 Nr 37 Buchst a des Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 <BGBl I 1824>; im folgenden: § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI).

Das früher in § 7 Abs 2 AVG enthaltene Befreiungsrecht ist nunmehr in § 6 Abs 1 SGB VI geregelt. Für Befreiungen, die nach dieser Vorschrift ausgesprochen worden sind, schreibt § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI ausdrücklich vor, daß die Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit beschränkt ist. Für Personen, die am 31. Dezember 1991 von der Versicherungspflicht befreit waren, ordnet § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI in gleicher Weise an, daß diese in der jeweiligen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit befreit bleiben. Die Beschränkung der Befreiung auf die jeweilige Beschäftigung oder Tätigkeit bedeutet, daß die befreiten Personen in Beschäftigungen, auf die sich die Befreiung nicht erstreckt, nach Maßgabe der Vorschriften des SGB VI, hier des § 1 Satz 1 Nr 1, versicherungspflichtig sind. Die Versicherungspflicht in diesen Beschäftigungen tritt dabei kraft Gesetzes ein. Der Befreiungsbescheid braucht insoweit auch bei Befreiungen, die vor dem 1. Januar 1992 nach § 7 Abs 2 AVG ausgesprochen worden sind, nicht aufgehoben zu werden. Dies hat der 5. Senat des BSG bereits entschieden (BSGE 83, 74 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12). Der erkennende 12. Senat schließt sich dem an.

Gegen diese Rechtsfolge kann für Befreiungen nach § 7 Abs 2 AVG nicht mit Erfolg eingewandt werden, in § 7 AVG sei eine dem § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI entsprechende Beschränkung nicht enthalten gewesen und dementsprechend in den Befreiungsbescheid vom 22. August 1989 auch nicht aufgenommen worden. Jedenfalls seit dem 1. Januar 1992 ist durch § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI und § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI klargestellt, daß die Befreiungen nur für die Beschäftigungen gelten, für die sie ausgesprochen worden sind oder werden und dies für bereits erteilte Befreiungen und für noch zu erteilende Befreiungen gilt, ohne daß es einer Änderung der bereits ausgesprochenen Befreiungen bedarf. Der Senat vermag dem LSG, das diese Beschränkung hier nicht gelten lassen will, nicht zu folgen. Einerseits will es § 6 Abs 5 Satz 1 SGB VI nicht anwenden, weil die Befreiung nach § 7 Abs 2 AVG ausgesprochen worden sei. Andererseits soll auch § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI nicht gelten, weil es sich bei dieser Vorschrift um eine Ergänzung für Sonderfälle handele, die Befreiungen betreffe, die nach dem neuen Recht nicht mehr vorkämen und das neue Recht in § 6 SGB VI eine § 7 Abs 2 AVG entsprechende Vorschrift habe. Die Nichtanwendung des § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI setzt danach aber voraus, daß das bisherige Befreiungsrecht des § 7 Abs 2 AVG nunmehr in § 6 SGB VI geregelt ist. Dann gelten aber für den Umfang und die Beschränkung der bereits erteilten Befreiungen alle Regelungen des § 6 SGB VI. Wenn und soweit § 6 SGB VI auf die bereits vor dem 1. Januar 1992 erteilten Befreiungen nach § 7 Abs 2 AVG aber nicht angewandt wird, gilt für diese Befreiungen § 231 Abs 1 Satz 1 SGB VI. Beide Vorschriften zusammen stellen sicher, daß die vor 1992 nach § 7 Abs 2 AVG und die seit dem 1. Januar 1992 nach § 6 Abs 1 Satz 1 SGB VI ausgesprochenen Befreiungen hinsichtlich ihres Geltungsbereichs einheitlich behandelt werden.

Die Befreiung galt hier auch nicht nach § 6 Abs 5 Satz 2 SGB VI für die Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 1). Nach dieser Vorschrift erstrecken sich Befreiungen auch auf andere Beschäftigungen, wenn diese infolge ihrer Eigenart oder vertraglich im voraus zeitlich begrenzt sind. Dies traf für die 1994 aufgenommene Beschäftigung des Klägers nicht zu.

Die Befreiung galt schließlich nicht wegen der in dem Bescheid vom 22. August 1989 enthaltenen Hinweise zur Dauer der Befreiung für die vom Kläger seit August 1994 ausgeübte Beschäftigung. Diese Hinweise über die Fortdauer der Befreiung für die an eine Pflichtmitgliedschaft anschließende freiwillige Mitgliedschaft in der Versorgungseinrichtung haben den gesetzlichen Umfang der Befreiung nicht erweitert (vgl BSGE 80, 215, 221 = SozR 3-2940 § 7 Nr 4 S 17 und BSGE 83, 74, 77 = SozR 3-2600 § 56 Nr 12 S 57).

Die Änderungen des § 6 Abs 1 SGB VI durch Art 1 Nr 3 Buchst a und b des Gesetzes zur Änderung des SGB VI und anderer Gesetze vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1824) haben die Rechtslage nicht zugunsten des Klägers geändert. Sie haben lediglich die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung verschärft.

Der Kläger wurde danach wegen der Aufnahme der Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) am 1. August 1994 dem Grunde nach in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig. Einer Aufhebung der Befreiungsentscheidung durch die BfA bedurfte es dazu nicht.

Das Vorbringen des Klägers, eine Befreiung müsse aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit von der BfA widerrufen werden, bevor in einer Beschäftigung Versicherungspflicht eintreten könne, greift nicht durch. Es gibt gegenüber den §§ 6 und 231 SGB VI keine höherrangige Rechtsvorschrift, die die Aufhebung der Befreiung durch die BfA zur Voraussetzung für den Eintritt der Versicherungspflicht macht. Es ist auch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht geboten, den Eintritt von Versicherungspflicht in der Beschäftigung des Klägers bei der Beigeladenen zu 1) von der Aufhebung des Befreiungsbescheides durch die BfA abhängig zu machen. Die Rechtslage wurde hier durch die Entscheidung der Einzugsstelle vom 10. August 1995 über das Bestehen von Versicherungspflicht ebenso geklärt, wie durch eine Entscheidung der BfA zur Wirkung oder Aufhebung der Befreiung. Jedenfalls für die Zeit seit dem 1. September 1995, also nach der Entscheidung der Beklagten, kann der Kläger sich schließlich nicht mit Erfolg darauf berufen, er habe wegen der Ausführungen im Befreiungsbescheid und wegen des Verhaltens der BfA in den Jahren 1994 und 1995 darauf vertrauen können, daß die Befreiung so lange für alle Beschäftigungen gelte, wie sie nicht von der BfA ausdrücklich aufgehoben worden sei. Die BfA hat in ihrem Schreiben an den Kläger vom 19. April 1995 zwar ihre bereits im Befreiungsbescheid enthaltende Aussage wiederholt, daß die Befreiung für eine Pflichtmitgliedschaft und eine daran anschließende freiwillige Mitgliedschaft bei der Versorgungsanstalt gelte. Die BfA hat jedoch keine ausdrückliche Entscheidung in bezug auf die Wirkung der Befreiung für die vom Kläger tatsächlich ausgeübte Beschäftigung getroffen. Sie hat lediglich die allgemeine Aussage gemacht, die Befreiung gelte nicht für auf Dauer angelegte berufsfremde Tätigkeiten. Eine verbindliche Auskunft oder Entscheidung dahin, über die Wirkung der Befreiung für die vom Kläger ausgeübte Beschäftigung werde allein die BfA entscheiden, ist darin nicht zu sehen und konnte vom Kläger auch nicht gesehen werden.

Es verstößt jedoch gegen Treu und Glauben, daß die Beklagte auch schon für die Zeit von August 1994 bis August 1995 die Versicherungspflicht festgestellt hat. Die Beklagte muß sich bei ihrer Entscheidung das Verhalten der BfA zurechnen lassen. Bei dieser hatte die Versorgungsanstalt bereits im September 1994 angefragt, ob die Befreiung wegen der im August 1994 aufgenommenen Beschäftigung widerrufen werde. Aus dieser Anfrage war für die BfA erkennbar, daß auch und in erster Linie eine Antwort auf die Frage erbeten wurde, ob sich die Befreiung auch auf die nunmehr ausgeübte Beschäftigung bei der beigeladenen Arbeitgeberin erstrecke. Nach der Antwort der BfA vom 19. April 1995 konnten der Kläger und die Versorgungsanstalt den Eindruck haben, ohne eine erneute Entscheidung über den Umfang der Befreiung trete keine Versicherungspflicht ein. Wenn die Beklagte den Hinweis wiederholte, die Befreiung werde für die Dauer einer freiwilligen Versicherung bei der Versorgungsanstalt nicht widerrufen, konnte dies auch als Aussage über die Geltung der Befreiung für die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung verstanden werden. Für den Kläger wurde dieser Eindruck zwar durch die Aussage relativiert, auf Dauer angelegte berufsfremde Beschäftigungen könnten von der Befreiung in keinem Fall erfaßt werden. Die durch dieses Schreiben insgesamt hervorgerufene oder unterhaltene Unklarheit geht zu Lasten der Beklagten und der BfA, solange sie nicht durch eine eindeutige Entscheidung über das Bestehen von Versicherungspflicht für die Zukunft beseitigt wurde. Dies ist erst durch den Bescheid der Beklagten vom 10. August 1995 geschehen, der somit nur zukunftsgerichtet, dh für die Zeit ab 1. September 1995, Wirkung entfalten konnte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 des Sozialgerichtsgesetzes. Die Beklagte hat über die Versicherungspflicht in der vom Kläger in der Zeit von August 1994 bis März 1996 ausgeübten Beschäftigung bei der Beigeladenen zu 1) entschieden. In der Sache sind der Kläger und die Beigeladene zu 1) damit zu etwa zwei Dritteln erfolgreich. Da die Aufhebung auf dem Verhalten der BfA vor Erlaß des Verwaltungsaktes beruht und allein die BfA Berufung und Revision eingelegt hat, war es angemessen, die zu erstattenden außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1) allein der BfA aufzuerlegen.



Ende der Entscheidung

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