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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 18.03.1999
Aktenzeichen: B 12 KR 13/98 R
Rechtsgebiete: SGB V, LBG, GG


Vorschriften:

SGB V § 10
SGB V § 6 Abs 1 Nr 2
LBG § 85a
LBG § 86
GG Art 2 Abs 1
GG Art 20 Abs 1
GG Art 3 Abs 1
GG Art 6 Abs 1, 4
GG Art 33 Abs 5
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 18. März 1999

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 13/98 R

Kläger und Revisionskläger,

Prozeßbevollmächtigter:

gegen

Siemens-Betriebskrankenkasse, Putzbrunner Straße 93, 81739 München,

Beklagte und Revisionsbeklagte,

beigeladen:

Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigter:

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, den Richter Balzer und die Richterin Harbeck sowie die ehrenamtlichen Richter Jungwirth und Dr. Klasen

für Recht erkannt:

Die Revisionen des Klägers und der Beigeladenen gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. Januar 1998 werden zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist eine Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung.

Der Kläger ist Mitglied der beklagten Krankenkasse. Seine Ehefrau, die Beigeladene, ist Beamtin des Landes Nordrhein-Westfalen (NRW). Sie hat seit 1994 Erziehungsurlaub. Bis zum 31. Dezember 1995 hatte sie als Beamtin im Erziehungsurlaub nach Landesrecht einen Beihilfeanspruch gegen ihren Dienstherrn. Mit Wirkung vom 1. Januar 1996 wurde im Sechsten Gesetz zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 6. Juli 1993 (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land NRW S 468) die Beihilfeberechtigung für Beamte, die ohne Dienstbezüge aus familiären Gründen beurlaubt sind, und für Beamte im Erziehungsurlaub im Landesbeamtengesetz (LBG) neu und einheitlich geregelt. Für diese Beamten besteht nunmehr ein Anspruch auf Leistungen der Krankheitsfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelungen für Beamte mit Dienstbezügen. Dies gilt jedoch nach § 86 Abs 2 Satz 3 iVm § 85a Abs 5 Satz 2 LBG ua nicht, wenn der Beamte "Anspruch auf Familienhilfe nach § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch" (SGB V) hat.

Der Kläger beantragte im Oktober 1995, seine Ehefrau vom 1. Januar 1996 an als Familienversicherte aufzunehmen. Sie befinde sich als Beamtin im Erziehungsurlaub und habe keinen Beihilfeanspruch. Die Beklagte lehnte die Familienversicherung ab, weil sie weiterhin Anspruch auf Leistungen der Krankheitsfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelung für Beamte mit Dienstbezügen habe (Bescheid vom 22. November 1995). Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte zurück. Sie berief sich für den Vorrang des Beihilfeanspruchs auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Verhältnis von Familienversicherung und Beihilfe während des Erziehungsurlaubs in BSGE 72, 298 = SozR 3-2500 § 10 Nr 3 (Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1997).

Der Kläger hat Klage erhoben. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 27. Januar 1998). Die Beigeladene sei als Beamtin im Erziehungsurlaub versicherungsfrei nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V. Sie gelte nach der Rechtsprechung des BSG als versicherungsfrei, wenn der beamtenrechtliche Beihilfeanspruch im Erziehungsurlaub weiterbestehe. Einen solchen Anspruch habe die Beigeladene. Er werde durch die Änderungen des § 86 Abs 2 Satz 3 und des § 85a Abs 5 LBG zum 1. Januar 1996 nicht ausgeschlossen, weil die Beigeladene keinen "Anspruch auf Familienhilfe nach § 10 SGB V" habe.

Gegen dieses Urteil richten sich die Sprungrevisionen des Klägers und der Beigeladenen. Sie rügen eine Verletzung des § 10 und des § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V, der §§ 85a, 86 LBG sowie des Art 2 Abs 1 iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art 20 Abs 1, des Art 3 Abs 1, des Art 6 Abs 1, 4 und des Art 33 Abs 5 des Grundgesetzes (GG). Zu Unrecht habe das SG die Familienversicherung verneint. Die Beigeladene sei als Beamtin im Erziehungsurlaub nicht nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungsfrei. Eine entsprechende Anwendung dieser Vorschrift komme nicht in Betracht. Nach den vom 1. Januar 1996 an gültigen landesrechtlichen Vorschriften bestehe für Beamte im Erziehungsurlaub kein uneingeschränkter Beihilfeanspruch mehr; er sei nur noch subsidiär gegenüber der Familienversicherung. Die Rechtsprechung des BSG sei nach der Neuregelung im LBG nicht mehr anzuwenden. Wenn einerseits der Beigeladenen im Hinblick auf die genannten beihilferechtlichen Vorschriften kein Beihilfeanspruch zustehe, andererseits aber die Beklagte die Familienversicherung ablehne, verstoße dies gegen Art 33 Abs 5 GG. Die Beklagte habe inzident festgestellt, daß die Beigeladene nach den einschlägigen Beamtengesetzen Anspruch auf Beihilfe habe. Insoweit habe sie als unzuständige Behörde gehandelt. Art 3 Abs 1 GG sei verletzt, weil Beamte schlechter gestellt würden als sonstige Familienangehörige. Der Ausschluß von der Familienversicherung belaste die Beigeladene ungleich stärker als versicherungspflichtige Frauen, deren Versicherungsschutz während des Erziehungsurlaubs beitragsfrei erhalten bleibe.

Der Kläger und die Beigeladene beantragen,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. Januar 1998 und den Bescheid der Beklagten vom 22. November 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 aufzuheben sowie festzustellen, daß die Beigeladene seit dem 1. Januar 1996 bei der Beklagten familienversichert ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Die Beigeladene sei während des Erziehungsurlaubs nicht familienversichert, weil sie als Beamtin versicherungsfrei sei. Sie habe vielmehr gegen ihren Dienstherrn einen Anspruch auf Beihilfe. Dieser Anspruch solle zwar gemäß § 85a Abs 5 Satz 2 LBG ausgeschlossen sein, wenn der Beamte "Anspruch auf Familienhilfe nach § 10 SGB V" habe. Die beamtenrechtliche Regelung könne aber die beabsichtigte Wirkung nicht entfalten. Sie setze das Bestehen der Familienversicherung nach § 10 SGB V voraus. Die landesrechtliche Regelung widerspreche dem Willen des Bundesgesetzgebers, indem sie den durch das SGB V begrenzten Kreis der Familienversicherten zu Lasten der Beitragszahler erweitere. Der Bund habe von seiner Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung nach Art 74 Abs 1 Nr 12 GG Gebrauch gemacht. § 85a Abs 5 Satz 2 LBG verstoße außerdem gegen Art 3 Abs 1 und Art 6 Abs 2, 4 und 5 GG. Während des Erziehungsurlaubs sei die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gemindert, aber nicht entfallen; sie gebiete es, den Beamten im Beihilfesystem zu belassen.

II

Die Sprungrevisionen des Klägers und der Beigeladenen sind unbegründet. Das SG hat die Klage zutreffend abgewiesen. Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Die Beigeladene ist auch seit dem 1. Januar 1996 nicht als Ehegattin des Klägers familienversichert. Ihre Familienversicherung ist nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V ausgeschlossen, weil sie als Beamtin nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungsfrei ist.

Die von der Versicherung des Ehegatten (hier des Klägers) abgeleitete Familienversicherung eines Angehörigen (hier der Beigeladenen) ist gegenüber einer eigenen Sicherung des Angehörigen für den Fall der Krankheit grundsätzlich nachrangig (subsidiär). Das gilt nach Nr 2 des § 10 Abs 1 Satz 1 SGB V zunächst bei einer eigenen Versicherung des Angehörigen in der gesetzlichen Krankenversicherung. Nachrangigkeit der Familienversicherung besteht gemäß Nr 3 des § 10 Abs 1 Satz 1 iVm § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V jedoch auch, wenn der Angehörige als Beamter einem anderen Sicherungssystem zugehört. Der Beamtenstatus, der in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherungsfreiheit begründet, wird dadurch geprägt, daß bei Krankheit Anspruch auf Fortzahlung der Bezüge und auf Beihilfe besteht. Diese beamtenrechtliche Sicherung sieht das Gesetz als gleichwertig mit der Sicherung der versicherungspflichtig Beschäftigten in der gesetzlichen Krankenversicherung an, die bei Krankheit Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber und anschließend Krankengeld sowie medizinische Leistungen durch die Krankenkasse erhalten. Folgerichtig schließt jede der eigenen Sicherungsformen des Angehörigen (Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung oder beamtenrechtliche Sicherung) die Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 2 oder 3 SGB V aus.

Mit Urteil vom 29. Juni 1993 (BSGE 72, 298 = SozR 3-2500 § 10 Nr 3) hat der Senat entschieden, daß eine Beamtin auch dann iS des § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungsfrei und deswegen nach § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V nicht familienversichert ist, wenn sie während des Erziehungsurlaubs zwar keine Dienstbezüge erhält, aber beihilfeberechtigt ist. Maßgebend dafür war, daß der beamtenrechtliche Sicherungsstatus in einer dem Erziehungsurlaub entsprechenden Weise fortbesteht und er mit dem einer krankenversicherungspflichtigen Arbeitnehmerin im Erziehungsurlaub gleichwertig ist. Deshalb entspricht die Versicherungsfreiheit mit ihrem Vorrang gegenüber der Familienversicherung auch während des Erziehungsurlaubs dem Gesetz. Auf die Begründung des genannten Urteils wird Bezug genommen. Allerdings hatte die Beamtin, deren Familienversicherung dort verneint wurde, einen Anspruch auf Beihilfe, der im Verhältnis zur Familienversicherung nicht durch eine Subsidiaritätsklausel eingeschränkt war.

Nichts anderes gilt indes, wenn wie hier die nunmehr geltende landesbeamtenrechtliche Regelung sinngemäß die beihilfegleiche Krankheitsfürsorge für nachrangig (subsidiär) gegenüber der Familienversicherung ("Anspruch auf Familienhilfe nach § 10 SGB V") erklärt. Der Gesetzgeber geht sowohl in der Krankenversicherung für versicherungspflichtige Arbeitnehmer als grundsätzlich auch im Beihilferecht für Beamte davon aus, daß während des Erziehungsurlaubs dasselbe Sicherungssystem zuständig ist wie vorher während der Ausübung der entgeltlichen Beschäftigung oder des Dienstes mit Dienstbezügen. In der Krankenversicherung bleibt die Mitgliedschaft Versicherungspflichtiger während der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub erhalten (§ 192 Abs 1 Nr 2 SGB V). Die beamtenrechtliche Regelung stellt grundsätzlich ebenfalls sicher, daß Beamte während des Erziehungsurlaubs durch einen Anspruch auf Krankheitsfürsorge entsprechend den beihilferechtlichen Regelungen systemadäquat gesichert sind. Von einer solchen Entsprechung beider Sicherungssysteme ist bei der Anwendung des § 10 SGB V im Zweifel auszugehen. Damit ist es unvereinbar, bei der Anwendung der krankenversicherungsrechtlichen Regelung auf eine beamtenrechtliche Regelung Rücksicht zu nehmen, die den Nachrang der Familienversicherung gegenüber der eigenen beamtenrechtlichen Sicherung in einen Vorrang der Familienversicherung verkehren will. Eine solche Ansicht würde dazu führen, daß während des Erziehungsurlaubs die gesetzliche Krankenversicherung ihre Versicherungspflichtigen als Mitglieder behält, der Staat aber seine Beamten der beitragsfreien Familienversicherung im System der gesetzlichen Krankenversicherung überlassen könnte. Für eine solche systemwidrige Lösung bedürfte es einer deutlichen Regelung im SGB V.

Diese Auffassung des erkennenden 12. Senats ist mit dem Urteil des 4. Senats vom 23. Oktober 1996 (BSGE 79, 184 = SozR 3-2500 § 10 Nr 8) vereinbar. Der 4. Senat hat dort entschieden, daß eine Beamtin während eines (nach dem Erziehungsurlaub liegenden) weiteren Urlaubs aus familiären Gründen (seinerzeit: § 79a Abs 1 Nr 2 des Bundesbeamtengesetzes <BBG aF>; jetzt § 72a Abs 4 Nr 4 BBG idF des Gesetzes zur Reform des öffentlichen Dienstrechts vom 24. Februar 1997, BGBl I 322 <BBG nF>) nicht nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V versicherungsfrei und deshalb über ihren Ehegatten als Mitglied nach § 10 SGB V familienversichert ist. Dabei war allerdings für Beamte die Sicherung bei Krankheit in § 79a Abs 5 BBG aF (jetzt § 72a Abs 7 BBG nF) ebenso geregelt wie hier für die Beigeladene in § 86 Abs 2 Satz 3 iVm § 85a Abs 5 LBG: Es bestand während der Beurlaubung ohne Dienstbezüge Anspruch auf Leistungen der Krankheitsfürsorge in entsprechender Anwendung der Beihilferegelungen für Beamte mit Dienstbezügen, und dieser Anspruch war ausgeschlossen, wenn der Beamte "Anspruch auf Familienhilfe nach § 10 SGB V" hatte. Der 4. Senat hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Fürsorgepflicht des Dienstherrn sei während einer Zeit der Beurlaubung aus familiären Gründen wesentlich gemindert und daher nachrangig (BSGE 79, 184, 188 = SozR 3-2500 § 10 Nr 8 S 40/41). Dieses trifft für die Zeit einer Beurlaubung aus familiären Gründen zu. Auch in der Krankenversicherung bleibt bei Arbeitnehmern, die über den Erziehungsurlaub hinaus unbezahlten Urlaub aus familiären Gründen nehmen, die Pflichtmitgliedschaft nicht mehr nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V erhalten. Sie haben in der Regel lediglich das Recht, ihre bisherige Versicherung freiwillig fortzuführen, falls sie nicht familienversichert sind. Damit besteht die statusbedingte Zugehörigkeit zum bisherigen Sicherungssystem, die während des Erziehungsurlaubs noch gegeben war, während eines anschließenden Urlaubs aus familiären Gründen in der gesetzlichen Krankenversicherung und im Beamtenrecht nicht mehr. Für die hier maßgebende Zeit des Erziehungsurlaubs hat dagegen auch der 4. Senat darauf hingewiesen, daß in dieser Zeit der Beamte vorrangig im bisherigen System abzusichern ist. Für Bundesbeamte hat der Verordnungsgeber dementsprechend den Anspruch auf Beihilfe während des Erziehungsurlaubs in § 5 Abs 1 der Verordnung über Erziehungsurlaub für Bundesbeamte und Richter im Bundesdienst (jetzt idF der Bekanntmachung vom 25. April 1997, BGBl I, 983 <ErzUrlV>) im Verhältnis zur Familienversicherung nicht eingeschränkt.

Die Revisionen machen ohne Erfolg geltend, der Dienstherr habe gegenüber der Beigeladenen die Beihilfe durch Bescheid bindend abgelehnt. Das SG hat dieses nicht festgestellt. Eine Ablehnung der Beihilfe ergibt sich auch nicht aus den Mitteilungen des Dienstherrn an die Beigeladene vom 14. August 1995 und 9. November 1995. Darin wird lediglich darauf hingewiesen, daß die Beigeladene keinen Anspruch auf Krankheitsfürsorge entsprechend den Beihilfebestimmungen habe, wenn sie in die Familienversicherung ihres Ehemannes aufgenommen werde und von dort Krankheitsschutz erhalte bzw wenn sie "Anspruch auf Familienhilfe nach § 10 SGB V" habe. Eine Entscheidung darüber, ob ein Anspruch auf Beihilfe besteht, ist in diesen Schreiben nicht getroffen worden; sie ist auch nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits. Im übrigen scheint der Dienstherr der Beigeladenen in Übereinstimmung mit den Krankenkassen für die Dauer des Erziehungsurlaubs den Vorrang der beamtenrechtlichen Absicherung anzuerkennen (vgl den Runderlaß des Finanzministeriums des Landes NRW vom 8. Dezember 1995, Ministerialblatt für das Land NRW 1996, 213). Ob im übrigen eine Ablehnung der Beihilfe durch den Dienstherrn für die Entscheidung der Krankenkasse über das Bestehen der Familienversicherung Bedeutung hätte, war hier nicht zu entscheiden.

Der Einwand der Revisionen, die Beklagte habe kompetenzwidrig gehandelt, weil sie über einen Beihilfeanspruch der Beigeladenen und ihre Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V entschieden habe, obwohl eine solche Entscheidung nur dem Dienstherrn zustehe, greift nicht durch. Die Beklagte und die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben zu entscheiden, ob die Beigeladene nach § 10 SGB V familienversichert ist, und hierbei auch, ob Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs 1 Nr 2 SGB V besteht. Nach dem SGB V richtet sich auch, ob dieses Gesetz eine beamtenrechtliche Regelung hinnimmt, die einen Anspruch nur subsidiär gegenüber der Familienversicherung einräumen will. Ob eine Beschränkung des Beihilfeanspruchs bei einer möglichen Familienversicherung im SGB V selbst wirksam angeordnet werden könnte und ob eine entsprechende Regelung nicht für den Erziehungsurlaub verfassungsrechtlich bedenklich wäre (vgl hierzu das Urteil des 4. Senats in BSGE 79, 184, 189 = SozR 3-2500 § 10 Nr 8 S 42), kann offenbleiben.

Die Revisionen meinen auch zu Unrecht, die Familienversicherung müsse vorrangig sein, weil die Beigeladene während des Erziehungsurlaubs durch die Beihilfe nur unvollkommen gesichert sei und zu ihrem vollständigen Schutz eine private Restkostenversicherung benötige. Die landesrechtliche Regelung sieht allerdings keinen Anspruch auf Zahlung eines Zuschusses zu einem Krankenversicherungsbeitrag vor, wie er etwa für Bundesbeamte im Erziehungsurlaub unter bestimmten Voraussetzungen besteht (vgl § 5 Abs 2 ErzUrlV). Der Senat hat jedoch bereits entschieden, daß die Subsidiarität der Familienversicherung gegenüber dem Anspruch auf Beihilfe oder Krankheitsfürsorge in entsprechender Anwendung der beihilferechtlichen Vorschriften während des Erziehungsurlaubs auch dann besteht, wenn ein solcher Zuschuß im Beamtenrecht nicht vorgesehen ist (BSGE 72, 298, 300 = SozR 3-2500 § 10 Nr 3 S 10). An dieser Entscheidung hält der Senat fest.

Wenn hier die Beigeladene hinsichtlich der Sicherung bei Krankheit auf das System verwiesen wird, dem sie bisher angehörte, so macht sie das für den Fall der Krankheit nicht schutzlos; ihre hiermit begründeten verfassungsrechtlichen Bedenken greifen deshalb nicht durch. Wenn der Erhalt einer Pflichtmitgliedschaft nach § 192 Abs 1 Nr 2 SGB V während des Erziehungsurlaubs mangels beitragspflichtiger Einnahmen in der Krankenversicherung beitragsfrei erfolgt, so ist daraus die Forderung nach einer beitragsfreien Familienversicherung für einen weiterhin dem beamtenrechtlichen Sicherungssystem zugewiesenen Beamten nicht abzuleiten. Die Klägerin muß sich als Beamtin auf die Regeln ihres Sicherungssystems verweisen lassen, ebenso wie dies etwa für freiwillige Mitglieder der Krankenversicherung gilt. Angestellte, die wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht versicherungspflichtig, sondern freiwillig versichert sind, sind während des Erziehungsurlaubs nicht kraft Gesetzes beitragsfrei. Die Krankenkassen können von ihnen zur Aufrechterhaltung der freiwilligen Versicherung die ständige Beitragsentrichtung wie eine private Krankenversicherung verlangen (BSG SozR 3-2500 § 224 Nr 7).

Hiernach erwiesen sich die Sprungrevisionen als unbegründet und waren daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Ende der Entscheidung

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