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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 10.08.2000
Aktenzeichen: B 12 KR 21/98 R
Rechtsgebiete: SGB V, SGB VI, AFG
Vorschriften:
SGB V § 5 Abs 1 Nr 1 | |
SGB VI § 1 Satz 1 Nr 1 | |
AFG § 168 Abs 1 Satz 1 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Verkündet am 10. August 2000
in dem Rechtsstreit
Az: B 12 KR 21/98 R
Klägerin und Revisionsklägerin,
Prozeßbevollmächtigter:
gegen
AOK Schleswig-Holstein - Die Gesundheitskasse, Edisonstraße 70, 24145 Kiel,
Beklagte und Revisionsbeklagte,
beigeladen:
1.
2. Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Ruhrstraße 2, 10709 Berlin,
3. Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg.
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. August 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, die Richter Balzer und Dr. Schlegel sowie die ehrenamtlichen Richter Overländer und Dr. Klasen
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 23. Juni 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat dem Beigeladenen zu 1) die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten. Im übrigen sind außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Streitig ist, ob ein Mitarbeiter der A-GmbH, der Rechtsvorgängerin der Klägerin (im folgenden einheitlich: Klägerin), versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt war und die Klägerin für ihn Beiträge zu zahlen hat.
Die Klägerin bietet Online-Dialoge im Bildschirmtextsystem (Btx) der Deutschen Telekom an. Die Dialoge läßt sie von Mitarbeitern auf der Grundlage von "Honorarverträgen" führen. Sie bedient sich hierfür zahlreicher "Honorarkräfte", bei denen es sich um Schüler, Studenten, Angehörige verschiedener Berufe, Arbeitslose, Hausfrauen und Rentner handelt. Deren Aufgabe besteht nach kurzer Schulung im wesentlichen darin, mit den Kunden der Klägerin ("Anrufern") Bildschirmdialoge in Form eines Frage- und Antwortspiels zu führen. Die Btx-Dialoge sind sexuellen Inhalts. Sowohl die "Anrufer" als auch die Mitarbeiter der Klägerin bleiben dabei anonym. Die "Anrufer" entrichten ihr Entgelt für die Dialoge an die Deutsche Telekom, die es nach Einbehalt ihres Gebührenanteils an die Klägerin weiterleitet.
Auf der Grundlage eines entsprechenden "Honorarvertrages" arbeitete von Januar bis Juni 1993 auch der 1947 geborene Mitarbeiter, um den es hier geht, für die Klägerin. Diese stellte ihm in ihren Arbeitsräumen die erforderlichen Betriebsmittel (Computer, Software) zur Verfügung und stimmte mit ihm jeweils für mindestens eine Woche im voraus einen verbindlichen Terminplan über seine Einsatzzeiten ab. Der Mitarbeiter legte der Klägerin, wie vereinbart, einen Gewerbeschein vor und stellte ihr für seine Arbeit Rechnungen mit Mehrwertsteuer aus. Er erhielt von der Klägerin eine nach Zahl und Dauer seiner registrierten Dialoge bemessene Vergütung von 862,50 DM im Januar, 1.068,75 DM im Februar, 1.268,75 DM im März, 575,65 DM im April, 516,89 DM im Mai und 554,26 DM im Juni 1993.
Nach Anhörung der Klägerin und des Mitarbeiters stellte die beklagte Krankenkasse als Einzugsstelle mit Bescheid vom 9. Dezember 1994 fest, daß der Mitarbeiter in der Zeit von Januar bis Juni 1993 bei der Klägerin versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt gewesen sei. Die Klägerin habe die entsprechenden Gesamtsozialversicherungsbeiträge und die Umlage nach dem Lohnfortzahlungsgesetz (LFZG) in Höhe von 1.946,95 DM zu zahlen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. März 1995 zurück. Außerhalb des vorliegenden Verfahrens verlangt die Beklagte von der Klägerin 121.199,38 DM für andere Honorarkräfte.
Das Sozialgericht (SG) hat den Mitarbeiter (Beigeladener zu 1), die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA, Beigeladene zu 2) und die Bundesanstalt für Arbeit (BA, Beigeladene zu 3) beigeladen. Es hat den Beigeladenen zu 1) zu seiner Arbeit bei der Klägerin befragt und den ehemaligen Geschäftsführer der Klägerin als Zeugen vernommen. Mit Urteil vom 21. November 1996 hat es die Klage abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt und Ausdrucke von Dialogen vorgelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 23. Juni 1998 zurückgewiesen. Der Beigeladene zu 1) sei versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt gewesen. Der Inhalt der Dialoge stehe dem nicht entgegen. Es bestünden bereits Zweifel daran, daß seine Beschäftigung sittenwidrig iS des § 138 Abs 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) gewesen sei. Selbst in diesem Falle bestehe Versicherungs- und Beitragspflicht. Es sei kein Grund ersichtlich, sittenwidrige Beschäftigungsverhältnisse von vornherein vom Schutz der Sozialversicherung auszunehmen, zumal sie von der Rechtsordnung geduldet würden. Im Steuerrecht stehe die Sittenwidrigkeit einer Beschäftigung der Steuerpflicht der erzielten Einkünfte nicht entgegen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 5 Abs 1 Nr 1 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), des § 1 Satz 1 Nr 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) und des § 168 Abs 1 Satz 1 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Der Beigeladene zu 1) sei nicht abhängig beschäftigt, sondern freier Mitarbeiter gewesen. Selbst wenn ein Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe, sei dieses wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig gewesen.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des LSG vom 23. Juni 1998, das Urteil des SG vom 21. November 1996 sowie den Bescheid vom 9. Dezember 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. März 1995 aufzuheben.
Die Beklagte sowie die Beigeladenen zu 2) und 3) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das Urteil des LSG für zutreffend.
Der Beigeladene zu 1) hat sich nicht geäußert.
II
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat das klageabweisende Urteil des SG zu Recht bestätigt. Der angefochtene Bescheid über die Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) sowie über die Beitragsforderung ist rechtmäßig. Der Beigeladene zu 1) war von Januar bis Juni 1993 abhängig beschäftigt. Schuldner der Beitragsforderung, die sich ursprünglich gegen die A-GmbH richtete, ist seit deren Verschmelzung mit der Klägerin nur noch diese (vgl § 20 Abs 1 Nr 1 des Umwandlungsgesetzes). Gleiches gilt für die geforderte Umlage nach § 14 LFZG. Deren Erhebung folgt den für Krankenversicherungsbeiträge geltenden Regeln (vgl § 17 LFZG); Revisionsrügen hat die Klägerin insoweit nicht erhoben.
1. Im Jahre 1993, als der Beigeladene zu 1) Mitarbeiter der Klägerin war, unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, in der Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung der Versicherungs- und Beitragspflicht (§ 5 Abs 1 Nr 1 SGB V, § 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI; § 168 Abs 1 Satz 1 AFG). Daß die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1) durch Arbeitsvertrag oder der Natur der Sache nach auf weniger als 18 Stunden in der Woche beschränkt und daher nach dem AFG nicht beitragspflichtig war (vgl § 169a Abs 1 Satz 1, § 102 Abs 1 Satz 1 AFG aF), hat das LSG nicht festgestellt und ist auch von den Beteiligten nicht vorgebracht worden.
Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) in seiner bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung (aF, jetzt § 7 Abs 1 Satz 1 SGB IV). § 7 Abs 1 Satz 2, Abs 4 und die §§ 7a ff SGB IV idF des Gesetzes zur Förderung der Selbständigkeit vom 20. Dezember 1999 (BGBl I 2) sind erst am 1. Januar 1999 bzw 1. April 2000 in Kraft getreten (vgl dort Art 3 Abs 1) und finden auf die erste Jahreshälfte 1993, um die es hier geht, keine Anwendung. Nach § 7 Abs 1 SGB IV aF ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach der Begründung zum Entwurf eines SGB IV stellt die Vorschrift klar, daß eine Beschäftigung dann vorliegt, wenn eine Arbeit unselbständig, dh mit dem Weisungsrecht eines Arbeitgebers ausgeübt wird. Darüber hinaus bestimme sie, daß eine Beschäftigung stets dann anzunehmen sei, wenn nach arbeitsrechtlichen Grundsätzen ein Arbeitsverhältnis bestehe; dabei komme es nicht darauf an, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen worden sei oder ob es sich um ein sog faktisches Arbeitsverhältnis handele. Wie nach geltendem Recht (dh vor dem SGB IV) sei jedoch das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Beschäftigungsverhältnis nicht vollkommen identisch; eine Beschäftigung iS der Sozialversicherung könne auch bei arbeitnehmerähnlichen Tätigkeiten zB des § 7 Abs 2 oder § 12 Abs 2 SGB IV vorliegen (vgl BT-Drucks 7/4122, S 31 zu § 7). - Hierbei betrifft § 7 Abs 2 SGB IV die Berufsausbildung, § 12 Abs 2 SGB IV die Heimarbeiter.
2. Der Beigeladene zu 1) war iS des § 7 Abs 1 SGB IV aF abhängig beschäftigt.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine Beschäftigung voraus, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Weichen die Vereinbarungen von den tatsächlichen Verhältnissen ab, geben diese den Ausschlag (BSGE 45, 199, 200 ff = SozR 2200 § 1227 Nr 8; SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 31 f, jeweils mwN; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgrenzung BVerfG, Kammerbeschluß, SozR 3-2400 § 7 Nr 11).
b) Das LSG ist diesen Grundsätzen gefolgt und hat im wesentlichen festgestellt: Der Beigeladene zu 1) hat seine Arbeit in Räumen der Klägerin verrichtet. Das Btx-Dialogsystem ist ihm von der Klägerin zur Verfügung gestellt worden. Zwar hätte der Beigeladene zu 1) nach Erwerb entsprechender Hard- und Software auch zu Hause arbeiten können, jedoch hat er hiervon keinen Gebrauch gemacht. Für die Benutzung des Computers und der für die Btx-Dialoge entwickelten Software wurde ihm ein Nutzungsentgelt nicht abgezogen. Er war verpflichtet, seine Arbeitszeiten mit der Klägerin und ihren anderen Mitarbeitern abzusprechen. Der so aufgestellte Einsatzplan war für ihn verbindlich. Nach außen trat gegenüber den Kunden ("Anrufern") nur die Klägerin auf. Der Beigeladene zu 1) blieb ihnen gegenüber anonym. Seine Entlohnung war zwar umsatzabhängig, jedoch trat der Fall, daß er nichts verdiente, nicht ein. Das Entgelt konnte er auch bei Schlechtleistung erhalten.
Das BSG ist an diese Feststellungen gebunden, weil insofern zulässige und begründete Revisionsgründe nicht vorgebracht sind (vgl § 163 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>). Die Würdigung des Sachverhalts durch das LSG läßt Rechtsfehler nicht erkennen. Insbesondere hat das LSG zutreffend die Eingliederung des Beigeladenen zu 1) in den Betrieb der Klägerin, dh in die von ihr vorgegebene Ordnung angenommen, innerhalb derer mit Hilfe sächlicher oder sonstiger Mittel ein von der Klägerin als Unternehmerin bestimmter arbeitstechnischer Zweck verfolgt werden sollte (zu diesen Anforderungen vgl BSG SozR 3-2400 § 7 Nr 13 S 33 f mwN).
c) Das Vorbringen der Revision greift demgegenüber nicht durch.
Der Beigeladene zu 1) benutzte in Räumen der Klägerin deren Hard- und Software. Damit war er vollständig in die Organisation der Klägerin eingebunden, ohne die er seine Arbeit nicht hätte verrichten können und ohne die auch eine Überwachung seiner Arbeitsvorgänge nicht möglich gewesen wäre (zur Überwachung durch Datenschatten in entmaterialisierten Betrieben vgl Linnenkohl, BB 1998, 45, 48; Bieback, Sozialer Fortschritt 1999, 166, 171). Ob etwas anderes gelten könnte, wäre selbst dann fraglich, wenn Honorarkräfte in der eigenen Wohnung mit eigener Hardware gearbeitet, aber die Software der Klägerin benutzt hätten.
Entgegen der Ansicht der Revision war der Beigeladene zu 1) in der Gestaltung seiner Arbeitszeit nicht frei. Zwar konnte er selbst entscheiden, ob und in welchem Umfang er für die Klägerin arbeiten wollte. Er war nicht verpflichtet, über das von ihm übernommene Stundenpensum hinaus Arbeit in größerem Umfang und zu bestimmten Zeiten zu leisten. Er konnte seine Arbeit aber nur im zeitlichen Rahmen der einvernehmlich aufgestellten Einsatzpläne der Klägerin erbringen. Anhaltspunkte dafür, daß der Beigeladene zu 1) jeweils nur mit der Führung einzelner Dialoge beauftragt und eine zumindest zeitweise Eingliederung in den Betrieb der Klägerin nicht beabsichtigt war, sind nicht ersichtlich.
Der Revision kann auch nicht darin gefolgt werden, der Beigeladene zu 1) habe für die Klägerin als Subunternehmer gearbeitet. Der Beigeladene zu 1) war nach dem "Honorarvertrag" nicht berechtigt, außerhalb seiner Beschäftigung bei der Klägerin "Tätigkeiten im Bereich Bildschirmtext" zu verrichten, die mit Tätigkeitsbereichen der Klägerin in Konkurrenz standen. Er unterlag damit einem für Arbeitnehmer typischen Wettbewerbsverbot (zum Wettbewerbsverbot in bestehenden Arbeitsverhältnissen vgl Reinecke in Küttner, Personalbuch 2000, 7. Aufl 2000, Wettbewerb RdNr 1; Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 9. Aufl 2000, § 56 RdNrn 2 und 3, § 57 RdNrn 24 ff; zur Rechtslage bei Handelsvertretern vgl BAG AP Nr 6 zu § 92 HGB Bl 1024). Ebensowenig trug er ein unternehmerisches Risiko. Er trat nach außen nicht in Erscheinung und blieb für die Kunden der allein am Markt auftretenden Klägerin anonym. Auch hatte er kein eigenes Kapital einzusetzen, wie dies für Unternehmer typisch ist (vgl BSG SozR 2200 § 165 Nr 45 S 67; Nr 51 S 74 und Nr 63 S 87). Zwar wurde er nach Zahl und Dauer seiner Dialoge vergütet, jedoch schließt dies eine abhängige Beschäftigung nicht aus. Die umsatzorientierte Entlohnung kann nicht isoliert betrachtet werden. Der Beigeladene zu 1) hatte Abzüge für etwaige Schlechtleistung nicht hinzunehmen. Er hatte auch nicht zu befürchten, daß er zeitweise überhaupt nichts verdiente. Eine Gewerbeanmeldung des Beigeladenen zu 1) und die Ausstellung von Rechnungen an die Klägerin mit ausgewiesener Mehrwertsteuer hat das LSG für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit wegen des Fehlens eines Unternehmerrisikos zu Recht nicht genügen lassen.
3. Der Versicherungs- und Beitragspflicht des Beigeladenen zu 1) in seiner Beschäftigung bei der Klägerin steht nicht entgegen, daß er mit den Kunden der Klägerin Dialoge sexuellen Inhalts führte und der zwischen der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1) geschlossene und durchgeführte Vertrag deshalb möglicherweise wegen Sittenwidrigkeit nichtig war.
a) Gemäß § 138 Abs 1 BGB ist ein Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt, nichtig. Die Sittenwidrigkeit eines Rechtsgeschäfts kann sich daraus ergeben, daß es auf Betätigungen mit sexuellem Bezug gerichtet ist. Eine Vielfalt derartiger Betätigungen reicht von der Produktion, dem Vertrieb und der Vorführung pornographischer Filme und Schriften über Striptease-Tanz, geschäftsmäßigen Telefon- und Btx-Sex, Peep-Shows, der Vorführung des Geschlechtsverkehrs in Nachtlokalen bis hin zur gewerbsmäßigen Prostitution. Ermöglicht, begleitet und unterstützt werden solche Tätigkeiten durch zahlreiche Hilfsdienste und Beschaffungsgeschäfte, zB die Bewirtung der Gäste in entsprechenden Lokalen, die kaufmännische Führung der jeweiligen Betriebe, Miete oder Kauf der Betriebsräume sowie sonstiger Betriebsmittel und die Übertragung entsprechender Bilder und Texte.
Die Sittenwidrigkeit von Rechtsgeschäften, die auf Dienstleistungen mit sexuellem Bezug gerichtet sind, wird je nach den Umständen des Einzelfalles und der Schwere des Sittenverstoßes sowie hinsichtlich der Rechtsfolgen in der höchstrichterlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt. Als sittenwidrig wurden Verträge angesehen, die auf die Ausübung der gewerbsmäßigen Prostitution gerichtet sind (BGHZ 67, 119, 122 ff, zum Schadensersatzanspruch einer Prostituierten trotz Sittenwidrigkeit ihrer Betätigung) oder deren Gegenstand die Vorführung des Geschlechtsverkehrs auf der Bühne ist (BAG AP Nr 34 zu § 138 BGB = NJW 1976, 1958; BVerwG NJW 1982, 665 zur Versagung einer gewerberechtlichen Erlaubnis für derartige Veranstaltungen). Ebenso haben das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) Sittenwidrigkeit bei Peep-Shows (BVerwGE 64, 274, 276; 84, 314, 317 f) und der Bundesgerichtshof (BGH) bei vertragsmäßigem Telefonsex angenommen (BGH LM Nr 14 zu § 138 <Ce> BGB = NJW 1998, 2895, 2896). Hingegen wird die Tätigkeit einer Stripteasetänzerin nicht als sittenwidrig angesehen (BVerwGE 71, 29, 30; 84, 314, 320) und bei ihr vom Bundesarbeitsgericht (BAG) jedenfalls ein faktisches Arbeitsverhältnis angenommen (BAG AP Nr 18 zu § 611 BGB Faktisches Arbeitsverhältnis). Schließlich wird die Sittenwidrigkeit der Vorführung pornographischer Filme (BVerwGE 71, 34, 38 zur Versagung einer Gaststättenerlaubnis) oder des Vertriebs pornographischer Schriften ebenso verneint wie die Sittenwidrigkeit von Verträgen über Zulieferungs- und Hilfsleistungen für Betriebe mit sittenwidrigen Veranstaltungen (BGHZ 63, 365, 367 zur Wirksamkeit von Pachtverträgen über Bordelle unter Aufgabe früherer Rspr; BGH NJW-RR 1987, 999 zur Wirksamkeit eines Bierlieferungsvertrages mit einem Bordell).
b) Wird der Vertrag zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin an § 138 Abs 1 BGB gemessen, ist die Sittenwidrigkeit zweifelhaft. Zwar sollten die Kunden der Klägerin die Möglichkeit zu sexuellen Praktiken erhalten und auf Wunsch hierzu bis zur Selbstbefriedigung animiert werden. Die entsprechenden teils oder sogar überwiegend obszönen Dialoge mit den Anrufern wurden jedoch lediglich schriftlich über ein elektronisches Medium geführt. Körperliche, akustische oder visuelle Kontakte fanden nicht statt, ebensowenig wurde eine Person zur Schau gestellt. Die Dialoge blieben auf die Dialogpartner beschränkt und waren Dritten oder der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Allenfalls nutzte die Klägerin sie zu Abrechnungs- oder Kontrollzwecken, jedoch ohne Interesse an ihrem Inhalt. Beide Dialogpartner waren in der Gestaltung und Fortführung ihrer Texte frei. Auch die Mitarbeiter der Klägerin konnten die Dialoge abbrechen, was nach Feststellung des LSG gelegentlich auch geschehen ist. Die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1) hatte somit zwar sexuellen Bezug. Er wurde aber weder zum bloßen Objekt herabgewürdigt noch wurde sein Intimbereich zur Ware gemacht. Im Zivilrecht sind Btx-Dialoge sexuellen Inhalts nicht als sittenwidrig beurteilt worden (Oberlandesgericht <OLG> Köln VersR 1998, 725, 726 = NJW-RR 1998, 1277; zustimmend Schulze, JuS 1998, 636; desgl LG Aachen CR 1997, 153 anscheinend als Vorinstanz zu OLG Köln aaO). Ebenso hat das OLG Hamm im Urteil vom 23. November 1999 (26 U 139/99) bei einem Telefondienstvertrag entschieden, bei dem es gleichfalls an persönlichen Gesprächen fehlte, vielmehr Botschaften im Rahmen eines "Zapp-Karussells" auf virtuellen Mailboxen übermittelt wurden.
c) Der Senat läßt offen, ob der Vertrag zwischen dem Beigeladenen zu 1) und der Klägerin hiernach gegen die guten Sitten verstieß. Auch wenn das zutreffen sollte, war der Beigeladene zu 1) versicherungs- und beitragspflichtig beschäftigt.
§ 7 Abs 1 SGB IV aF beschreibt für die Sozialversicherung Beschäftigung als "die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Danach ist ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis jedenfalls anzunehmen, wenn ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen und die Beschäftigung ausgeübt wird. Jedoch kann Versicherungs- und Beitragspflicht auch eintreten, wenn das zugrundeliegende Rechtsgeschäft zivilrechtlich nichtig ist, aber gleichwohl nichtselbständige Arbeit für einen anderen geleistet wird. Wie sich aus der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 7 Abs 1 SGB IV ergibt (oben 1), unterscheidet diese Vorschrift zwischen dem Arbeits- und dem Beschäftigungsverhältnis. Es kommt für die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht darauf an, ob ein wirksamer Arbeitsvertrag geschlossen worden ist oder ob lediglich ein faktisches Arbeitsverhältnis vorliegt. Ein Beschäftigungsverhältnis iS des § 7 Abs 1 SGB IV aF liegt jedenfalls auch vor, wenn bei Nichtigkeit des Arbeitsvertrages ein faktisches Arbeitsverhältnis besteht.
d) Nach Arbeits- oder Dienstaufnahme besteht im Arbeitsrecht auch bei Fehlerhaftigkeit des Rechtsgeschäfts ein sog fehlerhaftes oder faktisches Arbeitsverhältnis, das grundsätzlich nicht rückwirkend beseitigt werden kann (Preis in Erfurter Komm, 1998, § 611 BGB RdNrn 170 ff; Schaub, aaO, § 35 RdNr 34; jeweils mwN). Soweit Arbeits- oder Dienstverträge etwa wegen Geschäftsunfähigkeit eines Vertragspartners (vgl § 105 Abs 1 BGB), Irrtumsanfechtung (§§ 119, 142 BGB) oder Formmangels (§ 125 Satz 1 BGB) nichtig, aber gleichwohl vollzogen worden sind, werden sie für die Vergangenheit arbeitsrechtlich wie fehlerfrei zustande gekommene behandelt (Bauer in Küttner, Personalbuch 2000, Faktisches Arbeitsverhältnis RdNrn 3 ff; Schaub, aaO, § 35 RdNrn 34 f; jeweils mwN). Gleiches gilt, wenn ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot (§ 134 BGB) oder die guten Sitten (§ 138 Abs 1 BGB) vorliegt, bei dem die Rechtsordnung den Leistungsaustausch nicht schlechthin mißbilligt. Die Nichtigkeit kann dann nicht rückwirkend geltend gemacht werden; eine wirksame Anfechtung wirkt regelmäßig nur für die Zukunft (BAGE 5, 159, 162 zur Anfechtung eines Arbeitsvertrages wegen verschwiegener Gefängnisstrafe). Der Arbeitnehmer hat gegen den Arbeitgeber für die Vergangenheit diejenigen Ansprüche, die er im Falle der Gültigkeit des Arbeitsvertrages hätte (BAG AP Nr 18 zu § 611 BGB <Faktisches Arbeitsverhältnis> zum Anspruch einer Stripteasetänzerin auf Gehalt; BAG AP Nr 2 zu § 138 BGB S 438 zum Vergütungsanspruch nach § 612 Abs 2 BGB, wenn das Arbeitsverhältnis wegen Vereinbarung eines Hungerlohnes nach § 138 BGB nichtig ist; BAGE 8, 47, 50 zum Vergütungsanspruch und Urlaubsanspruch bei einem gegen Vorschriften zur Höchstarbeitszeit verstoßenden zweiten Arbeitsverhältnis). Die Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses finden nur dann keine Anwendung, wenn dem Vertrag so schwere Rechtsmängel anhaften, daß die Anerkennung quasi-vertraglicher Ansprüche der Grundauffassung der geltenden Rechtsordnung widersprechen würde (vgl Schaub, aaO, § 36 RdNr 42). Letzteres hat das BAG zB für die Vorführung des Geschlechtsverkehrs auf der Bühne angenommen (BAG AP Nr 34 zu § 138 BGB = NJW 1976, 1958).
e) Diese Grundsätze zum faktischen Arbeitsverhältnis sind auf nichtige Dienstverträge Selbständiger übertragen worden, wenn diese einem abhängigen Dienstverhältnis weitgehend angenähert sind (BGHZ 53, 153, 159 zum Vergütungsanspruch eines selbständigen Handelsvertreters, der gesetzwidrige Werbung für seinen Auftraggeber betrieb). Darüber hinaus ist im Zivilrecht nach Maßgabe des § 817 Satz 2 BGB eine Rückforderung des Geleisteten ausgeschlossen, wenn beide Vertragsparteien gegen die guten Sitten verstoßen haben. Diese Vorschrift setzt damit die Rechtsfolge des § 134 und des § 138 Abs 1 BGB (Nichtigkeit) für erfüllte Verträge de facto außer Kraft (vgl Dauner, JZ 1980, 495, 497; Honsell, JZ 1975, 439, 440; Reuter/Martinek, Ungerechtfertigte Bereicherung, 1983, S 203 mwN). Ausnahmen hiervon werden lediglich zugelassen, wenn die Kondiktionssperre für zumindest einen der Vertragspartner zu nicht zumutbaren Ergebnissen führen würde (BGHZ 111, 308, 312 zum Wertersatzanspruch des vorleistenden Schwarzarbeiters; ähnlich bereits BGHZ 85, 39, 47 zu Bereicherungsansprüchen bei Schwarzarbeit; ferner Honsell, JZ 1975, 439, 440; Reuter/Martinek, aaO, S 207 ff). Auch dann wird jedoch trotz zivilrechtlicher Unwirksamkeit des Rechtsgeschäfts von der Pflicht des Bestellers zur Zahlung von Steuern und "Sozialabgaben" ausgegangen (BGHZ 111, 308, 313).
f) Schon im Zivilrecht kommt demnach im Ergebnis den von den Vertragsparteien geschaffenen tatsächlichen Verhältnissen häufig und auch bei Sittenwidrigkeit entscheidendes Gewicht zu, weil die vom Gesetz vorgesehene Nichtigkeitsfolge nicht interessengerecht wäre. Dieses trifft auch bei Beschäftigungsverhältnissen im Sozialrecht zu, die in erster Linie von den tatsächlichen Verhältnissen und nicht von Vereinbarungen abhängen (oben 2 a). Der Versicherungsschutz wurde daher schon in den Anfängen des Sozialversicherungsrechts bejaht, wenn die Arbeitsleistung aufgrund eines nicht rechtsgültigen Vertrages erbracht worden war (vgl Preußisches OVG vom 12. Juni 1893, OVGE 25, 345, 351; Reichsversicherungsamt <RVA> in AN 1927, 581, 582 Nr 3102 rechte Spalte, jeweils zu fehlenden Genehmigungen eines Vertrages; BSG SozR 3-4100 § 59 Nr 3 S 9 zur Berechnung des Regellohns, wenn das Beschäftigungsverhältnis gegen die Arbeitszeitverordnung verstößt; weitere Nachweise bei Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Stand 1989, Bd I/2 S 306h II; Seiter, VSSR 1976, 179, 185 f). Es besteht daher zumindest in Fällen, in denen das Arbeitsrecht von einem faktischen Arbeitsverhältnis ausgeht, kein Zweifel daran, daß die zivilrechtliche Fehlerhaftigkeit des Rechtsgeschäfts (Arbeitsvertrages) der Begründung eines versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nicht entgegensteht (vgl Eichenhofer, Sozialrecht, 2. Aufl 1995, § 12 RdNr 277; Gitter, VSSR 1977, 323, 324; ders Sozialrecht, 4. Aufl 1996, § 7 S 75 - anders jedoch bei Sittenwidrigkeit; Schulin/Igl, Sozialrecht, 6. Aufl 1999, § 7 RdNrn 132 f; Seewald in Kasseler Komm, Stand April 1999, § 7 SGB IV RdNrn 15 f; Seiter, VSSR 1976, 179, 186 f, 188; RVA AN 1928, 350 Nr 3291 zur Aufrechterhaltung des Versicherungsschutzes bei Verstoß gegen Arbeitszeitverordnung; BSGE 56, 287, 289 = SozR 4100 § 141n Nr 8 zur Beitragspflicht des illegalen Verleihers aufgrund faktischen Arbeitsverhältnisses, soweit er Lohn an Leiharbeitnehmer gezahlt hat).
g) Gründe dafür, daß dies bei Arbeiten aufgrund sittenwidriger Rechtsgeschäfte grundsätzlich anders sein soll, sind nicht ersichtlich. Der Annahme eines Arbeitsverhältnisses iS des § 7 Abs 1 SGB IV aF und damit eines (versicherungs- und beitragspflichtigen) Beschäftigungsverhältnisses steht jedenfalls bei dem vorliegenden Sachverhalt eine etwaige Sittenwidrigkeit nicht entgegen. Hiervon ist das SG Hamburg sogar für die Beschäftigung von Frauen in einer Peep-Show ausgegangen (Die Beiträge 1983, 118 ff). In der Literatur wird hingegen verbreitet die Ansicht vertreten, bei einem Rechtsgeschäft, das gegen die guten Sitten verstößt und daher zivilrechtlich nichtig ist, komme ein sozialversicherungsrechtliches Beschäftigungsverhältnis nicht zustande (vgl zB Brackmann, aaO, Bd I/2 S 308g; Bd II S 471l; Gitter, Sozialrecht, 4. Aufl 1996, § 7 S 75; Krejci, VSSR 1977, 301, 311, 315; Merten in GemeinschaftsKomm-SGB IV, 1992, § 7 RdNr 27; VerbandsKomm, Herausgeber: Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, § 7 SGB IV Anm 2.3, Stand Juli 1999; anderer Ansicht Schulin/Igl aaO § 7 RdNr 132). Der nicht näher begründeten herrschenden Ansicht folgt der Senat in ihrer Allgemeinheit nicht.
Werden aus nichtselbständiger Arbeit Einnahmen erzielt, sollen diese nach dem System des Sozialversicherungsrechts jedenfalls zum Teil kraft Gesetzes zur Eigenvorsorge verwendet werden. Der Einzelne erwirbt hierdurch Ansprüche aus der Versicherung, damit er bei Ausfall seiner Einnahmen aus der Erwerbstätigkeit nicht auf staatliche Hilfe angewiesen ist. Außerdem soll jeder, der durch unselbständige Arbeit Geld verdient, mit Beiträgen zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung beitragen (vgl zuletzt Urteil des Senats in SozR 3-4100 § 185a Nr 2; BVerfGE 79, 223, 236 f = SozR 2200 § 180 Nr 46 S 198 f; BVerfGE 92, 53, 70 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 20). Diesen Zielen wird nur hinreichend Rechnung getragen, wenn jedenfalls bei einer Tätigkeit der vorliegenden Art trotz etwaiger Sittenwidrigkeit eine versicherungs- und beitragspflichtige Beschäftigung vorliegt.
h) Sofern der Auffassung von der Ablehnung der Versicherungs- und Beitragspflicht die Vorstellung zugrunde liegen sollte, damit könne Sittenwidrigkeit eingedämmt werden, ist eher das Gegenteil der Fall. Die entsprechenden Wirtschaftszweige würden vielmehr gefördert, wenn sie von Beitragslasten frei blieben und ihnen auf dem Arbeitsmarkt hierdurch gegenüber beitragspflichtigen Unternehmen Wettbewerbsvorteile entstünden. Daß von dem damit einhergehenden Verlust an sozialrechtlichem Schutz eine nicht geringe Zahl von Beschäftigten betroffen wäre, ist angesichts einer Vielzahl von Unternehmen, die Dienste und Produkte mit sexuellem Bezug anbieten und hierfür werben, allgemein bekannt. Dabei geht die Ausweitung dieser Branche mit einer zunehmenden Nachfrage nach derartigen Dienstleistungen einher, wofür eine Lockerung der Sittenmaßstäbe in der Bevölkerung angeführt wird (vgl hierzu Behm, NJW 1990, 1822, 1826; Rother, AcP 172 <1972>, 498 ff). Werden solche Dienste staatlicherseits genehmigt oder zumindest geduldet, besteht kein Grund, sie jedenfalls bei Sachverhalten der vorliegenden Art von der Versicherungs- und Beitragspflicht auszunehmen.
i) Die einzelnen Bücher des SGB enthalten keine Vorschriften, die bei Sittenwidrigkeit des Arbeitsvertrages die Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses oder die Anordnung von Versicherungs- und Beitragspflicht ausdrücklich oder durch Bezugnahme auf § 138 Abs 1 BGB ausschließen. Der Zweck dieser Vorschrift verlangt nicht, sie im Rahmen des § 7 Abs 1 SGB IV aF entsprechend anzuwenden mit der Folge, daß sie einem versicherungs- und beitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnis allgemein entgegenstünde. § 138 Abs 1 BGB erkennt an, daß es keinen rechtlichen Zwang zu unsittlichen Handlungen geben darf (vgl die Vorlagen der Redaktoren für die Erste Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs eines BGB, herausgegeben von Werner Schubert, Allgemeiner Teil, Bd 2, Abschnitt II, 2. Titel, V § 27 S 140; Richardi in Münchener Handbuch zum Arbeitsrecht, Bd 1, 1992, § 44 RdNr 11). Ein solcher zukunftsgerichteter Zwang wird durch die Anerkennung der Versicherungs- und Beitragspflicht einer aus zivilrechtlicher Sicht etwa unsittlichen, jedoch durchgeführten Beschäftigung nicht ausgeübt. Die Vertragspartner werden hierdurch für die Zukunft nicht an einer Verpflichtung zu unsittlichen Handlungen festgehalten.
4. Der Senat braucht im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden, ob es Tätigkeiten gibt, die von der Rechtsordnung schlechthin mißbilligt werden und für die auch die Annahme einer Beschäftigung mit Versicherungs- und Beitragspflicht ausscheidet, oder ob diese Frage vollkommen wertneutral zu beurteilen ist. Im Steuerrecht ist die Steuerpflicht bei sittenwidrigen Rechtsgeschäften nicht eingeschränkt. § 40 Abgabenordnung (AO) stellt ausdrücklich klar, daß es für die Besteuerung unerheblich ist, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt. Diese Vorschrift gilt für alle Steuerarten und alle Ansprüche aus einem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs 1 AO; zur Verfassungsmäßigkeit des § 40 AO vgl BVerfG, Kammerbeschluß, DStRE 1997, 273 ff). Demgemäß führt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Betreiben von "Telefonsex" im Rahmen eines telefonischen Auftragsdienstes unter den Voraussetzungen des § 15 Abs 2 Einkommensteuergesetz (EStG) zu Einkünften aus Gewerbebetrieb (BFH, Urteil vom 23. Februar 2000 - X R 142/95; zur Behandlung von Einkünften aus "gewerblicher Unzucht" nach § 22 Nr 3 EStG vgl BFHE 97, 104; 80, 73; Fischer in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, Komm, 10. Aufl, Stand März 1990, § 40 AO RdNrn 50 f; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl, Stand Oktober 1996, § 40 RdNr 8; jeweils mwN). Ob es zur Begründung der Versicherungs- und Beitragspflicht bei einigen der hier nicht vorliegenden Sachverhalte (oben 3a) einer gesetzlichen Regelung bedürfte oder sie jedenfalls zur Klarstellung oder Abgrenzung zweckmäßig wäre, läßt der Senat offen.
Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte beim Beigeladenen zu 1) zu Recht Versicherungs- und Beitragspflicht festgestellt. Die Höhe der Forderung ist nicht angegriffen worden. Die Revision der Klägerin war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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