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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 14.07.2004
Aktenzeichen: B 12 KR 25/04 B
Rechtsgebiete: SGB IV


Vorschriften:

SGB IV § 23a
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 25/04 B

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. Juli 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, die Richter Dr. Berchtold und Prof. Dr. Schlegel sowie die ehrenamtlichen Richter Schneidinger und Johannsen

beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 18. März 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Der Kläger beantragte bei der beklagten Krankenkasse (Einzugsstelle) unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6) die Erstattung der für ihn seit Januar 1997 auf Grund einmalig gezahlten Arbeitsentgelts entrichteten Gesamtsozialversicherungsbeiträge als zu Unrecht entrichtete Beiträge. Die Beklagte lehnte dies ab (Bescheid vom 18. April 2000 und Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 2000). Klage und Berufung des Klägers blieben ohne Erfolg (Gerichtsbescheid des Sozialgerichts <SG> vom 25. März 2003, Urteil des Landessozialgerichts <LSG> vom 18. März 2004). Die Beiträge seien iS des § 26 Abs 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) nicht zu Unrecht entrichtet worden. Der Kläger hat gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Beschwerde eingelegt und eine grundsätzliche Bedeutung der Sache geltend gemacht. Die Beschwerde legt dar, dass folgende Fragen klärungsbedürftig seien:

"1. Ergibt sich ein Anspruch auf Erstattung der aus einmalig gezahltem Arbeitsentgelt in der Vergangenheit erhobenen Beiträgen ein Anspruch für den Beitragszahler daraus, dass die im Anschluss an die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 11.01.1995 (BVerfGE 92, 53) erlassene gesetzliche Regelung des § 23a SGB IV erneut verfassungswidrig war, wie durch Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.04.2000 (BVerfGE 102, 127) feststeht, obwohl das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 11.01.1995 eine verfassungsgemäße Regelung vom Gesetzgeber abverlangt hat?

2. Ist aus der vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24.04.2000 (BVerfGE 102, 127) dem Gesetzgeber aufgegebenen Auflage, dass § 23a SGB IV bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens jedoch bis 20.06.2001 weiter angewendet werden kann, jedoch durch geeignete Regelungen sicherzustellen ist, dass einmalig gezahlte Arbeitsentgelte bei den Lohnersatzleistungen berücksichtigt werden, über deren Gewährung für die Zeit ab dem 1. Januar 1997 noch nicht bestandskräftig entschieden worden war, implizierend abzuleiten, dass auch für Verfahren, in denen ein Beitragszahler seinen Erstattungsanspruch gegenüber der Beklagten vor dem Erlass der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24.04.2000 geltend gemacht hat, Rechtssicherheit insoweit zuzubilligen ist, als in dieser Zwischenzeit ab dem 1. Januar 1997 über die Erstattungsansprüche der auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt erhobenen Sozialversicherungsbeiträge noch nicht bestandskräftig entschieden worden war?"

II

Die Beschwerde ist unbegründet.

Sie macht von den Revisionszulassungsgründen des § 160 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) allein den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache geltend (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Eine solche Bedeutung misst der Senat dem vorliegenden Verfahren nicht zu. Er hält vielmehr die von der Beschwerde aufgeworfenen Fragen durch die Entscheidungen des BVerfG zu den Einmalzahlungen für geklärt.

In seiner ersten Entscheidung vom 11. Januar 1995 (BVerfGE 92, 53, 73 f = SozR 3-2200 § 385 Nr 6) hat das BVerfG zwar eine Unvereinbarkeit der angegriffenen Vorschrift des § 385 Abs 1a Reichsversicherungsordnung (RVO) und deren inhaltsgleichen Nachfolgevorschriften mit Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) festgestellt, soweit einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld usw) zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne dass es bei der Berechnung von kurzfristigen Lohnersatzleistungen (beispielsweise Arbeitslosengeld, Krankengeld und Übergangsgeld) berücksichtigt wird. Das BVerfG hat im Interesse der Rechtssicherheit jedoch ausdrücklich die weitere Anwendung dieser Vorschriften für zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens jedoch bis zum 31. Dezember 1996 angeordnet und es dem Gesetzgeber freigestellt, ob er den Gleichheitsverstoß auf der Beitrags- oder auf der Leistungsseite beseitigt. Der Gesetzgeber hat hierauf das Gesetz zur sozialrechtlichen Behandlung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt vom 12. Dezember 1996 (BGBl I, 1859) erlassen und leistungsrechtliche Vorschriften geändert. Das BVerfG hat mit Beschluss vom 24. Mai 2000 (BVerfGE 102, 127 = SozR 3-2400 § 23a Nr 1) entschieden, dass die vom Gesetzgeber auf der Leistungsseite vorgenommenen Rechtsänderungen nicht mit Art 3 Abs 1 GG vereinbar sind, soweit danach einmalig gezahltes Arbeitsentgelt zu Sozialversicherungsbeiträgen herangezogen wird, ohne dass es bei der Berechnung sämtlicher beitragsfinanzierter Lohnersatzleistungen berücksichtigt wird (Nr 1 der Entscheidungsformel). Die beitragsrechtliche Vorschrift des § 23a SGB IV könne bis zu einer gesetzlichen Neuregelung, längstens bis zum 30. Juni 2001, weiter angewendet werden (Nr 2 der Entscheidungsformel). Der Gesetzgeber habe durch geeignete Regelungen sicherzustellen, dass einmalig gezahlte Arbeitsentgelte bei den Lohnersatzleistungen berücksichtigt werden, über deren Gewährung für die Zeit ab dem 1. Januar 1997 noch nicht bestandskräftig entschieden worden ist (Nr 3 der Entscheidungsformel). Damit stand mit der Entscheidung vom 24. Mai 2000 fest, dass die Korrektur der verfassungswidrigen Ungleichbehandlung auf der Leistungsseite vorzunehmen war und es, sofern der Gesetzgeber dem Auftrag nachkam, endgültig bei der Erhebung von Beiträgen auch auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt bleiben durfte.

Insgesamt liegen somit seit Inkrafttreten des § 385 Abs 1a RVO Vorschriften vor, die zwar zeitweise in ihrem Zusammenwirken mit leistungsrechtlichen Vorschriften zu einem Gleichheitsverstoß führten, die aber kraft ausdrücklichen Ausspruchs des BVerfG durchgehend als Rechtsgrundlage zur Erhebung solcher Beiträge angewendet werden durften. Die Ungleichbehandlung war von den hiervon betroffenen Versicherten hinzunehmen. Allein auf der leistungsrechtlichen Seite konnten sie auf Grund der später erlassenen Korrekturen unter bestimmten Umständen weitere Leistungen verlangen. Damit waren die Beiträge iS des § 26 SGB IV nicht zu Unrecht, sondern zu Recht entrichtet.

Von einer weiteren Begründung wird in entsprechender Anwendung von § 160a Abs 4 Satz 3 Halbsatz 2 SGG abgesehen. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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