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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 08.12.1999
Aktenzeichen: B 12 KR 25/98 R
Rechtsgebiete: GG, AFG


Vorschriften:

GG Art 3 Abs 1
GG Art 6 Abs 1
AFG § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1
AFG § 112 Abs 5 Nr 3
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AFG ist verfassungsgemäß.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

Verkündet am 8. Dezember 1999

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 25/98 R

Klägerin und Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigte:

gegen

Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Beklagte und Revisionsbeklagte.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Dezember 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, den Richter Balzer und die Richterin Harbeck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Holzlöhner und Schneidinger

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 19. August 1997 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung.

Die 1955 geborene Klägerin war seit Januar 1981 als Geschäftsführerin in einer Tankstelle beschäftigt. 1983 heiratete sie deren Betreiber. Das Beschäftigungsverhältnis bestand bis zum 31. Januar 1994 fort. Das Gehalt betrug ab Januar 1991 4.300 DM brutto monatlich, ab Januar 1992 4.352 DM, ab Mai 1992 4.588 DM und ab Juli 1993 5.052 DM. Aus dem Bruttoentgelt wurden Beiträge zur beklagten Bundesanstalt für Arbeit (BA) gezahlt. Vom 1. Februar 1994 bis 30. April 1994 war die Klägerin arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld (Alg). Die Beklagte legte der Leistungsbemessung nach mehreren Bescheiden, denen die Klägerin jeweils widersprochen hatte, schließlich ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 890 DM zugrunde, das sie aus dem Gehalt von 3.850 DM für Angestellte in der Beschäftigungsgruppe IV des Tarifvertrags über Gehälter, Löhne, Ausbildungsvergütungen und Sozialzulagen zwischen dem Einzelhandelsverband Baden-Württemberg eV und der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen ab 1. April 1993 errechnete. Der entsprechende Bescheid wurde bindend. Bereits mit Schreiben vom 14. Juli 1994 hatte die Klägerin beantragt, ihr den Arbeitnehmeranteil der Beiträge in Höhe der Differenz zwischen dem nach einem Arbeitsentgelt von 5.052 DM gezahlten und dem nach dem Leistungsbemessungsentgelt zu zahlenden Betrag zu erstatten. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 28. März 1995 und Widerspruchsbescheid vom 26. Juli 1995 ab. Die Beiträge seien nicht zu Unrecht entrichtet worden.

Mit der Klage hat die Klägerin die Aufhebung der Bescheide und die Verurteilung der Beklagten zur Erstattung der Arbeitnehmerbeitragsanteile zur BA begehrt, die aus einem Entgelt über dem üblichen Gehalt einer Geschäftsführerin im Tankstellenbereich abgeführt worden sind. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. Dezember 1995). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil vom 19. August 1997). Sie habe keinen Erstattungsanspruch, weil die Beiträge nicht zu Unrecht entrichtet worden seien. Beitragspflichtig sei das aus dem Beschäftigungsverhältnis erzielte Arbeitsentgelt gewesen, das die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschritten habe. Gegen die Höhe der entrichteten Beiträge bestünden im Hinblick auf die für die Leistungsseite maßgebenden Bestimmung des § 112 Abs 5 Nr 3 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des Art 3 Abs 1 und des Art 6 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) iVm § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 und § 112 Abs 5 Nr 3 AFG. § 175 AFG müsse verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß im Falle der Beschäftigung beim Ehegatten beitragspflichtig lediglich das Entgelt sei, das gemäß § 112 Abs 5 Nr 3 AFG der Leistungsgewährung zugrunde zu legen sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

das Urteil des LSG vom 19. August 1997 und das Urteil des SG vom 7. Dezember 1995 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. März 1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Juli 1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die an die Bundesanstalt für Arbeit geleisteten Arbeitnehmeranteile zu erstatten, die aus einem Entgelt abgeführt wurden, welches über dem üblichen Gehalt einer Geschäftsführerin im Tankstellenbereich liegt.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Sie hat ergänzend geltend gemacht, das Arbeitsförderungsrecht werde nicht vom Äquivalenzprinzip zwischen Beitrag und Leistung beherrscht. Die Versicherungsleistungen orientierten sich vielmehr grundsätzlich an dem erzielbaren Arbeitsentgelt. Dem entspreche es, wenn nach einer Beschäftigung beim Ehegatten das Leistungsbemessungsentgelt höchstens auf das Arbeitsentgelt eines familienfremden Arbeitnehmers begrenzt werde. Der Revision könne auch nicht darin zugestimmt werden, daß bei einem Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten beitragsseits eine Manipulation nicht möglich sei. Im Rahmen eines Ehegattenbeschäftigungsverhältnisses könne das Arbeitsentgelt zB dadurch manipuliert werden, daß Unternehmergewinn fälschlich als Arbeitsentgelt deklariert werde. Entsprechendes werde im Steuerrecht vermutet; nach Abschnitt 69 Abs 3 Satz 1 Lohnsteuerrichtlinie 1993/1996 werde für ein steuerrechtlich anzuerkennendes Dienstverhältnis nur das als Arbeitslohn anerkannt, was dem Arbeitslohn eines fremden Arbeitnehmers entspreche. In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Vertreter der Beklagten erklärt, er behalte sich vor, im Falle der Verurteilung der BA sich teilweise auf Verjährung zu berufen.

II

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig.

Nach § 185a Abs 1 Satz 1 AFG sind zu Unrecht entrichtete Beiträge nach Maßgabe der Sätze 2 und 3 zu erstatten (seit 1. Januar 1998 § 26 Abs 2 iVm § 1 Abs 1 Satz 2 und 3 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung <SGB IV> idF des Art 4 des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997 <BGBl I 594> und § 351 Abs 1 des Sozialgesetzbuchs - Arbeitsförderung <SGB III>). Die Beklagte hat die Erstattung von Beiträgen nach dieser Vorschrift zu Recht abgelehnt. Sie war nach § 185a Abs 3 Nr 3 AFG für die Entscheidung hierüber zuständig, weil der geltend gemachte Erstattungsanspruch teilweise, nämlich für die Zeit vor 1990, verjährt ist (vgl § 185a Abs 1 Satz 2 AFG iVm § 27 Abs 2 Satz 1 SGB IV und die Gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge zur Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung vom 8. Oktober 1991 <ANBA 1992, 4> unter 3.3.3). Die Beiträge sind außerdem nicht zu Unrecht entrichtet worden.

Nach § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG (hier anzuwenden idF des Art 1 des Gesetzes zur Änderung des AFG und zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand vom 20. Dezember 1988 <BGBl I 2343>) ist Beitragsbemessungsgrundlage für beitragspflichtige Arbeitnehmer wie die Klägerin das Arbeitsentgelt aus einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten (monatlich 1990: 6.300 DM; 1991: 6.500 DM; 1992: 6.800 DM; 1993: 7.200 DM; 1994: 7.600 DM). Zum Arbeitsentgelt im Sinne dieser Bestimmung gehören nach § 173a AFG iVm § 14 Abs 1 SGB IV alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Die Monatsentgelte der Klägerin aus ihrer Beschäftigung bei ihrem Ehemann lagen in den Jahren 1991 bis Januar 1994 mit 4.300 DM bis 5.052 DM monatlich unter der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze und waren daher insgesamt beitragspflichtig. Das LSG hat die Bezüge im Jahr 1990 nicht ausdrücklich festgestellt. Nach dem von ihm sinngemäß zugrunde gelegten und mit der Revision nicht angegriffenen Sachverhalt hat das Arbeitsentgelt aber auch in diesem Jahr die Beitragsbemessungsgrenze nicht überschritten. Die Beiträge sind im übrigen nach § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG zutreffend entrichtet worden. Nach dieser Vorschrift ist für alle beitragspflichtigen Arbeitnehmer Beitragsbemessungsgrundlage das tatsächlich aus der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt. Das gilt auch für Arbeitnehmer wie die Klägerin, deren Geldleistungsansprüche bei späterer Arbeitslosigkeit, insbesondere das Alg, nach einem anderen Bemessungsentgelt berechnet werden.

Die Bemessung des Alg knüpft allerdings grundsätzlich ebenfalls an das zuletzt erzielte beitragspflichtige Entgelt an. Nach § 112 Abs 1 Satz 1 AFG ist Bemessungsgrundlage des Alg das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfaßt nach § 112 Abs 2 Satz 1 AFG (hier idF des Ersten Gesetzes zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms vom 21. Dezember 1993 <BGBl I 2353>) die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten sechs Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat. Diese Regelbemessung wird jedoch bei den Sondertatbeständen des § 112 Abs 5 und Abs 7 AFG durchbrochen. Nach diesen Vorschriften ist im Einzelfall anstelle des im Bemessungszeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts ein höheres (vgl Abs 5 Nrn 2, 4 und Abs 7 Alt 1) oder ein niedrigeres (vgl Abs 5 Nr 3, Abs 7 Alt 2) Bemessungsentgelt zugrunde zu legen. Hierzu gehört die Regelung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG (hier anzuwenden idF des 8. AFG-Änderungsgesetzes <8. AFG-ÄndG> vom 14. Dezember 1987 <BGBl I 2602>), nach der für die Zeit einer Beschäftigung bei dem Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie höchstens das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen ist, das familienfremde Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung gewöhnlich erhalten. Nach dieser Vorschrift ist hier im bindend gewordenen Leistungsbescheid das Arbeitsentgelt bestimmt worden, das bei der Klägerin der Alg-Bewilligung für die Zeit von Februar bis April 1994 zugrunde gelegt worden ist. § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG sieht für diesen Fall keine dem § 112 Abs 5 Nr 3 AFG entsprechende besondere Beitragsbemessungsgrundlage vor.

Der Senat vermag sich nicht davon zu überzeugen, daß § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG insoweit verfassungswidrig ist. Die Vorschrift ist weder verfassungskonform dahin auszulegen, daß für Zeiten der Beschäftigung beim Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie das Arbeitsentgelt iS des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG zugrunde zu legen ist, noch ist der Rechtsstreit nach Art 100 Abs 1 Satz 1 GG auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift im Hinblick auf § 112 Abs 5 Nr 3 AFG vorzulegen.

Eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes (Art 3 Abs 1 GG) liegt nicht vor. Bei ausschließlicher Betrachtung der Beitragsseite fehlt es schon an einer Ungleichbehandlung. Bei dem Personenkreis des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG ist der Beitragspflicht wie bei allen anderen beitragspflichtigen Arbeitnehmern das gesamte aus der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt zu unterwerfen. Diese Gleichbehandlung ist aus beitragsrechtlicher Sicht auch sachlich gerechtfertigt. Im Bereich der Sozialversicherung gilt das Solidaritätsprinzip, dh der Grundsatz des Ausgleichs zwischen wirtschaftlich stärkeren und schwächeren Versicherten (vgl BSG SozR 2200 § 385 Nr 7 S 24 mwN). Die Beitragsbelastung knüpft daher grundsätzlich an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten an; dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfGE 79, 223, 236/237 = SozR 2200 § 180 Nr 46 S 198/199; BVerfGE 92, 53, 70 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 20). In der Arbeitslosenversicherung richtet sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des beitragspflichtig Beschäftigten nach der Höhe seines Arbeitsverdienstes aus dem Beschäftigungsverhältnis. Das ist bei Personen wie der Klägerin ebenfalls gerechtfertigt.

§ 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG verletzt den allgemeinen Gleichheitssatz auch nicht insofern, als er die leistungsrechtliche Sonderbehandlung dieses Personenkreises unberücksichtigt läßt. Zwar führt die Regelung für Personen wie die Klägerin, deren Alg nach § 112 Abs 5 Nr 3 AFG bemessen wird, zu einer Äquivalenzabweichung im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG (vgl BVerfGE 92, 53, 71 = SozR 3-2200 § 385 Nr 6 S 21/22). Diese Personengruppe hat Beiträge nach einem höheren Arbeitsentgelt gezahlt, als der Leistungsbemessung zugrunde gelegt wird. Sie wird damit gegenüber denjenigen beitragspflichtigen Arbeitnehmern ungleich behandelt und benachteiligt, die Alg entsprechend ihrer Beitragsleistung erhalten. Für die Äquivalenzabweichung bei diesen Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung gibt es jedoch hinreichende sachliche Gründe.

Wie der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) bereits entschieden hat, ist die Vorschrift des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG leistungsrechtlich geboten und verfassungsrechtlich unbedenklich (BSGE 73, 263, 265 und 268 = SozR 3-4100 § 112 Nr 16 S 64 und 67). Der erkennende 12. Senat schließt sich dieser Auffassung an. Die Vorschrift soll einer bei Ehegatten und Verwandten gerader Linie nicht auszuschließenden Manipulation des für die Bemessung des Alg maßgebenden Arbeitsentgelts entgegenwirken; sachlich nicht gerechtfertigte Vereinbarungen des Arbeitsentgelts sollen nicht zu Lasten der Solidargemeinschaft gehen. Die Vorschrift trägt auch den verfassungsrechtlichen Bedenken gegen frühere Fassungen der Bestimmung Rechnung (vgl Vorlagebeschluß des BSG nach Art 100 Abs 1 GG vom 25. März 1987 - 7 RAr 12/86 - USK 8760 und zur Rechtsentwicklung BSGE 66, 168, 169 = SozR 3-2400 § 7 Nr 1 S 2/3). Sie schließt die Berücksichtigung des aus der Beschäftigung beim Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie erzielten Arbeitsentgelts nicht generell von der Leistungsbemessung aus. Entspricht das im Bemessungszeitraum tatsächlich erzielte dem gewöhnlichen Arbeitsentgelt aus einer gleichartigen Beschäftigung oder liegt es darunter, ist das tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt zugrunde zu legen (vgl Brand in Niesel, AFG, 2. Aufl 1997, RdNr 35 zu § 112; vgl jetzt § 134 Abs 2 Nr 1 SGB III), falls für die Leistungsbemessung nicht an § 112 Abs 7 AFG anzuknüpfen ist (vgl BSGE 73, 263, 268 = SozR 3-4100 § 112 Nr 16 S 67). Das "gewöhnliche", dh das auf dem Arbeitsmarkt erzielbare, "marktübliche" Entgelt (vgl BSG USK 8760 S 283; Gagel, AFG, Stand Januar 1996, RdNr 236 zu § 112) tritt nur dann an die Stelle des tatsächlich erzielten, wenn dieses das gewöhnliche Entgelt übersteigt. Gleichgerichtete Interessen und persönliche Verbindungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sind "einleuchtende Sachgründe" für eine an Ehe und Verwandtschaft anknüpfende abweichende Bemessung der Leistungen dieses Personenkreises (BSGE 73, 263, 268 = SozR 3-4100 § 112 Nr 16 S 67 mwN). Dies wird auch von der Revision nicht in Frage gestellt. Die Klägerin hat dementsprechend die Bemessung ihres Alg nach dem von der Beklagten als marktüblich ermittelten Entgelt, das unter dem im Bemessungszeitraum tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt liegt, nicht mehr angegriffen.

Es gibt auch hinreichende sachliche Gründe im Beitragsrecht, bei der Festlegung der Beitragsbemessungsgrundlage § 112 Abs 5 Nr 3 AFG nicht zu berücksichtigen.

Eine generelle Sonderregelung der Beitragsbemessungsgrundlage für Zeiten der Beschäftigung beim Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie (Beitragsbemessungsgrundlage ist das Arbeitsentgelt, höchstens jedoch das Arbeitsentgelt, das familienfremde Arbeitnehmer bei gleichartiger Beschäftigung gewöhnlich erhalten) würde die Beschäftigten mit einem über dem gewöhnlichen Entgelt liegenden Verdienst gegenüber allen anderen beitragspflichtigen Arbeitnehmern begünstigen. Sie wären mit niedrigeren, nicht nach ihrem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt bemessenen Beiträgen belastet. Diese Begünstigung wäre unverhältnismäßig und kaum zu rechtfertigen. Denn die Besonderheit ihres Beschäftigungsverhältnisses kann sich nur im Anwendungsbereich des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG und damit lediglich bei einem Teil der Leistungen nach dem AFG auswirken, nämlich den im Grundsatz nach dem bisher erzielten beitragspflichtigen Arbeitsentgelt bemessenen Geldleistungen (Alg, Arbeitslosenhilfe und Unterhaltsgeld). Sie ist auch dort nur von Bedeutung, soweit die Beschäftigung in den Bemessungszeitraum fällt. Hinzu kommt, daß die Beurteilung der Beitragshöhe mit erheblichen Unsicherheiten belastet wäre. Die Beiträge zur BA sind als Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrags grundsätzlich vom Arbeitgeber zu errechnen; er hat über den zu zahlenden Beitrag eine Beitragsberechnung zu erstellen und der Einzugsstelle einen Beitragsnachweis einzureichen (§§ 28 f SGB IV). Es wäre daher zunächst der Arbeitgeber, der festzustellen hätte, welches das gewöhnliche Arbeitsentgelt für einen familienfremden Arbeitnehmer in einer gleichartigen Beschäftigung ist und ob das tatsächlich gezahlte Entgelt dieses übersteigt und daher die Beiträge zur BA (und in Abweichung von den Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung) lediglich nach diesem gewöhnlichen Arbeitsentgelt zu zahlen sind. Da als gewöhnliches auch ein übertarifliches Arbeitsentgelt gilt, dürfte es vielfach erst nach Anhörung der zuständigen Fachverbände oder unter Verwertung der Erfahrungen des Arbeitsamtes zutreffend festzustellen oder nur zu schätzen sein (vgl Begründung zur letzten Änderung des § 112 Abs 5 Nr 3 durch das 8. AFG-ÄndG, BT-Drucks 11/1161 S 12 zu Nr 29 b) bb)). Da regelmäßig weder die Einzugsstelle noch die Beklagte an dem Verfahren der Beitragsberechnung und -zahlung beteiligt sind, dürfte ein nachträglicher Streit über die Beitragshöhe fast unvermeidlich sein. Schließlich ist der Gesetzgeber nicht verpflichtet, jeden Nachteil einer Regelung für bestimmte Personengruppen auszugleichen. Die Bestimmung der Beitragsbemessungsgrundlage für die Beiträge zur BA ist eine typisierende Regelung. Die im Hinblick auf § 112 Abs 5 Nr 3 AFG als benachteiligte Gruppe in Betracht kommenden Beschäftigten (Ehegatten, Verwandte in gerader Linie mit einem über dem marktüblichen liegenden Arbeitsentgelt) umfaßt nur einen kleinen Teil der Gruppe der beitragspflichtigen Arbeitnehmer. Die Benachteiligung wird außerdem häufig nur gering sein, nachdem das Gesetz der Leistungsbemessung ein von dem tatsächlich erzielten Arbeitsentgelt abweichendes Bemessungsentgelt nur dann zugrunde legt, wenn das erzielte Arbeitsentgelt das auf dem Arbeitsmarkt gewöhnlich erzielbare übersteigt. Die Vertragspartner eines Beschäftigungsverhältnisses zwischen Ehegatten oder Verwandten können zwar ein (berechtigtes) Interesse an der Vereinbarung einer höheren Vergütung haben, obwohl nach den Lohnsteuerrichtlinien 1996 vom 10. November 1995 (BStBl Sondernummer 3/1995) Abschnitt 69 Abs 3 Satz 1 steuerrechtlich die Vergütung nur in dem der Regelung des § 112 Abs 5 Nr 3 AFG entsprechenden Umfang als Arbeitslohn und damit auch als steuerlich absetzbare Betriebsausgabe des Arbeitgebers behandelt wird. Denn hierdurch können beispielsweise ein höheres Krankengeld oder höhere Renten bei Erwerbsminderung oder im Alter gesichert werden. Der Gesetzgeber ist jedoch von Verfassungs wegen nicht verpflichtet, diese Interessen durch eine unter Beachtung des Gleichbehandlungsgebots kaum zu rechtfertigende, schwer praktikable und nur für einen kleinen Personenkreis geltende Sonderregelung für die Beitragsbemessung zu fördern.

Einer nachträglichen Korrektur der Beitragsbemessungsgrundlage in den Fällen, in denen es zu einer Leistungsgewährung aufgrund des gewöhnlichen anstelle des tatsächlich erzielten Arbeitsentgelts gekommen ist, steht schon der Grundsatz entgegen, daß die Beurteilung von Versicherungsverhältnissen in der Regel nicht rückwirkend geändert werden soll. Sie würde hier zu dem mit dem Versicherungsprinzip unvereinbaren Ergebnis führen, daß sich die Beitragsbelastung für die Vergangenheit nach dem jeweils tatsächlich erst später verwirklichten Risiko richtet. Sie würde darüber hinaus diejenigen beim Ehegatten oder einem Verwandten gerader Linie Beschäftigten benachteiligen, bei denen Arbeitslosigkeit nicht eintritt oder diese Beschäftigung nicht in den Bemessungszeitraum fällt und bei denen es daher trotz eines ebenfalls über dem "Gewöhnlichen" liegenden Arbeitsentgelts bei der bisherigen Beitragsbemessung bleibt. Eine solche Benachteiligung gegenüber denjenigen, welche die Versicherung sogar auf Leistungen in Anspruch nehmen, wäre mit dem Solidaritätsprinzip nicht mehr zu rechtfertigen.

Die Vorschrift des § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG verletzt auch nicht Art 6 Abs 1 GG. Die Regelung greift nicht in Ehe und Familie ein; die Differenzierung liegt allein auf der Leistungsseite. Die Äquivalenzabweichung zwischen Beitrags- und Leistungsbemessung verletzt nicht das Gebot, Ehe und Familie durch staatliche Maßnahmen zu fördern. Denn dieses Gebot geht nicht soweit, jegliche die Ehe oder Familie treffende Belastung auszugleichen (BVerfGE 55, 114, 127; BVerfGE 75, 348, 360). Auch die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art 20 Abs 3 GG) abgeleiteten Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots werden nicht verletzt. Die Beitragsmehrbelastung von Ehegatten und Verwandten gerader Linie mit einem über dem marktüblichen liegenden Arbeitsentgelt steht noch in einem vernünftigen Verhältnis zu der mit der Regelung des § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG verfolgten beitragsrechtlichen Gleichbehandlung aller beitragspflichtigen Arbeitnehmer (vgl BVerfGE 76, 1, 50/51 = SozR 2200 § 555a Nr 3 S 14).

Da § 175 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und die Beiträge aus dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zu ihrem Ehemann zu Recht entrichtet worden sind, war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz.

Ende der Entscheidung

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