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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 25.08.2004
Aktenzeichen: B 12 KR 36/03 R
Rechtsgebiete: SGB IV


Vorschriften:

SGB IV § 16
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 25. August 2004

Az: B 12 KR 36/03 R

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 25. August 2004 durch den Richter Dr. Berchtold als Vorsitzenden, die Richter Prof. Dr. Schlegel und Dr. Bernsdorff sowie die ehrenamtlichen Richter Teske und Dr. Klasen

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 26. August 2003 aufgehoben und die Sache an das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen zurückverwiesen.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten über die Familienversicherung des Sohnes der Klägerin.

Die Klägerin ist Pflichtmitglied der beklagten Krankenkasse. Ihr Ehemann ist Beamter und nicht Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse, sondern privat krankenversichert. Das 1991 geborene gemeinsame Kind Marius, das selbst keine Einkünfte hat, war über die Klägerin familienversichert. Im Dezember 1998 überprüfte die Beklagte die Voraussetzungen der Familienversicherung durch Übersendung eines Fragebogens, den die Klägerin am 3. Dezember 1998 zurückschickte. Eine erneute Überprüfung erfolgte im Oktober 2001. Die Klägerin legte hierzu Gehaltsabrechnungen ihres Ehemannes und Einkommensbescheide für 1999 und 2000 vor. Diese wiesen lediglich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus, und zwar bei der Klägerin in Höhe von 60.008 DM (1999) und 62.110 DM (2000), bei ihrem Ehemann in Höhe von 80.446 DM (1999) und 81.334 DM (2000). Abzüglich des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von jeweils 2.000 DM in diesen Jahren ergaben sich für die Klägerin ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 58.008 DM (1999) und 60.110 DM (2000), bei ihrem Ehemann von 78.446 DM (1999) und 79.334 DM (2000). Die Beklagte stellte hierauf gegenüber der Klägerin fest, dass die Familienversicherung ihres Kindes zum 3. Dezember 1998 (Eingang des Fragebogens) beendet werde, weil ihr Ehemann und Vater des Kindes nicht Mitglied einer Krankenkasse sei, sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze (1998: 6.300 DM; 1999: 6.375 DM; 2000: 6.450 DM und 2001: 6.525 DM) übersteige und dieses auch höher sei als das Gesamteinkommen der Klägerin (Bescheid vom 26. November 2001, Widerspruchsbescheid vom 1. März 2002).

Die Klägerin hat Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte anerkannt, dass 1998 die Voraussetzungen der Familienversicherung noch vorlagen; die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. Sie hat zuletzt beantragt, den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides aufzuheben und festzustellen, dass ihr Kind Marius von Januar 1999 bis Dezember 2001 familienversichert war. Das Gesamteinkommen ihres Ehemannes liege unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze. Die Beklagte habe dieses unzutreffend ermittelt. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage mit Urteil vom 26. August 2003 abgewiesen. Bei der Ermittlung des Gesamteinkommens seien ein Altersentlastungsbetrag, Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen, Kinderfreibeträge und der Haushaltsfreibetrag nicht von den Bruttoeinnahmen abzuziehen.

Die Klägerin hat die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt und eine Verletzung des § 16 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) gerügt. Zur Ermittlung des Gesamteinkommens seien vom Bruttolohn nicht nur Werbungskosten und der Sparer-Freibetrag, sondern auch außergewöhnliche Belastungen, Kinderfreibeträge und der Haushaltsfreibetrag abzuziehen. Es sei nicht einzusehen, dass zwar der Sparer-Freibetrag, nicht aber Kinderfreibeträge abzugsfähig seien. Anderenfalls würden entgegen dem verfassungsrechtlich verankerten staatspolitischen Ziel der Familienförderung Familien mit Kindern gegenüber "Besserverdienenden" benachteiligt, welche die wirtschaftliche Kraft haben, Kapital durch Anlage zu binden und dieses nicht für den Familienunterhalt einsetzen müssen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des SG vom 26. August 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. November 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2002 aufzuheben und festzustellen, dass ihr Kind Marius auch vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2001 familienversichert war.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des SG für zutreffend.

Die Beiladung des Sohnes der Klägerin während des Revisionsverfahrens ist gescheitert. Die vom Senat angeforderte Zustimmung der Erziehungsberechtigten ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen.

II

Die Revision der Klägerin erweist sich iS der Aufhebung und Zurückverweisung als begründet.

1. Das Urteil des SG ist insofern verfahrensfehlerhaft zu Stande gekommen, als dieses die notwendige Beiladung des Sohnes der Klägerin unterlassen hat. Stammversicherte wie die Klägerin sind durch die Feststellung oder Ablehnung der Familienversicherung ihrer Angehörigen unmittelbar in eigenen Rechten berührt und haben daher die Befugnis, ihr Bestehen feststellen zu lassen. Der Familienangehörige, um dessen eigene Versicherung nach § 10 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) der Rechtsstreit geführt wird, ist nach § 75 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Rechtsstreit notwendig beizuladen (BSG in BSGE 72, 292, 294 = SozR 3-2500 § 10 Nr 2 S 4). Der Senat konnte dies im Rahmen des Revisionsverfahrens mangels Zustimmung der Erziehungsberechtigten nicht mehr nachholen (§ 168 Satz 2 Regelung 2 SGG) und hat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Sache an das im Fall der Berufung zuständige Landessozialgericht zurückzuverweisen (§ 170 Abs 4 SGG).

2. Das Berufungsgericht wird Folgendes zu beachten haben: Der Bescheid der Beklagten wird zuletzt noch mit der Klage angegriffen, soweit er die Zeit vom 1. Januar 1999 bis 31. Dezember 2001 betrifft. Insofern ist er auch rechtmäßig. Die Familienversicherung des Sohnes der Klägerin beruhte auf deren Mitgliedschaft bei der Beklagten (§ 10 Abs 1 Satz 1 SGB V) und endete zum 1. Januar 1999. Danach war er nicht mehr familienversichert.

a) Der Sohn der Klägerin erfüllt zwar die persönlichen Voraussetzungen des § 10 Abs 1 Satz 1 Nr 1 bis 5, Abs 2 SGB V für die Familienversicherung. Diese ist jedoch nach § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V ausgeschlossen. Danach sind Kinder nicht familienversichert, wenn der mit den Kindern verwandte Ehegatte des Mitglieds nicht Mitglied einer Krankenkasse ist und sein Gesamteinkommen regelmäßig im Monat ein Zwölftel der Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteigt und regelmäßig höher als das Gesamteinkommen des Mitglieds ist. Dies trifft hier zu. Die Klägerin ist Mitglied der beklagten inländischen gesetzlichen Krankenkasse, während ihr Ehemann, der Vater des Kindes, nicht Mitglied einer solchen Kasse ist. Das vom SG festgestellte Gesamteinkommen des Vaters war regelmäßig im Monat höher als ein Zwölftel der von 1999 bis 2001 geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen und auch höher als das Gesamteinkommen seiner Ehefrau, der Klägerin. - Die Jahresarbeitsentgeltgrenzen betrugen in den noch streitigen Jahren 1999 jährlich 76.500 DM (monatlich 6.375 DM), 2000 jährlich 77.400 DM (monatlich 6.450 DM) und 2001 jährlich 78.300 DM (monatlich 6.525 DM). Das Gesamteinkommen des Ehemannes der Klägerin lag jeweils über diesen Beträgen. Es betrug nach den Feststellungen des SG 78.446 DM im Jahr 1999, 79.334 DM im Jahr 2000 und 80.685 DM im Jahr 2001. Es lag zudem über dem Gesamteinkommen der Klägerin, das nach den Feststellungen des SG 58.008 DM im Jahr 1999, 60.110 DM im Jahr 2000 und 63.721 DM im Jahr 2001 betrug.

b) Entgegen der Ansicht der Revision sind bei der Ermittlung des Gesamteinkommens iS von § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V iVm § 16 SGB IV von den Einkünften des Ehemannes der Klägerin außergewöhnliche Belastungen, Kinderfreibeträge und der Haushaltsfreibetrag nicht abzuziehen.

Unter dem Gesamteinkommen iS des § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V ist das Gesamteinkommen des § 16 SGB IV zu verstehen. Danach ist das Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts (Halbsatz 1). Es umfasst insbesondere das Arbeitsentgelt und das Arbeitseinkommen (Halbsatz 2). Nach § 2 Abs 1 Einkommensteuergesetz (EStG) unterliegen sieben Einkunftsarten der Einkommensteuer, ua Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Nr 4) und Einkünfte aus Kapitalvermögen (Nr 5). Einkünfte sind nach § 2 Abs 2 EStG bei Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit der Gewinn, bei den übrigen Einkunftsarten der Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten iS von §§ 8 bis 9a EStG. Auf diesen Begriff der Einkünfte iS des § 2 Abs 2 EStG wird in § 16 Halbsatz 1 SGB IV Bezug genommen. Zur Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts und damit zum Gesamteinkommen zählen somit ua die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit, bei deren Ermittlung Werbungskosten (§§ 8 bis 9a EStG) abzuziehen sind, sowie die Einkünfte aus Kapitalvermögen, bei deren Ermittlung der Sparer-Freibetrag abzuziehen ist (§ 2 Abs 1 Satz 1 Nr 5, § 20 Abs 4 EStG; vgl BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19 S 78 sowie BSGE 91, 83, 85 = SozR 4-2500 § 10 Nr 2). Das gilt auch, soweit das Gesamteinkommen für den Ausschluss aus der Familienversicherung nach § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V Bedeutung hat (vgl BSGE 91, 83, 85 = SozR 4-2500 § 10 Nr 2 zum Zugang zur Familienversicherung).

Das SG hat die Summe der Einkünfte iS des Einkommensteuerrechts und damit das Gesamteinkommen iS des § 16 SGB IV anhand der Einkommensteuerbescheide der Jahre 1999 bis 2001 ohne Rechtsfehler ermittelt. Diese weisen im streitigen Zeitraum lediglich Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus, und zwar bei der Klägerin in Höhe von 60.008 DM (1999), 62.110 DM (2000) und 65.721 DM (2001) bei ihrem Ehemann in Höhe von 80.446 DM (1999), 81.334 DM (2000) und 82.685 DM (2001). Abzüglich des Arbeitnehmer-Pauschbetrages von jeweils 2.000 DM in diesen Jahren ergaben sich für die Klägerin als Summe der Einkünfte 58.008 DM (1999), 60.110 DM (2000) und 63.721 DM (2001), bei ihrem Ehemann von 78.446 DM (1999), 79.334 DM (2000) und 80.685 DM (2001). Diese Beiträge entsprachen rechnerisch zugleich dem steuerlichen "Gesamtbetrag der Einkünfte" iS des § 2 Abs 3 EStG, weil bei der Klägerin und ihrem Ehemann von der Summe der Einkünfte Altersentlastungsbeträge, Entlastungsbeträge für allein Erziehende und Abzüge nach § 13 Abs 3 EStG nicht abzuziehen waren.

c) Das SG hat es zu Recht abgelehnt, zur Ermittlung des Gesamteinkommens von den Einkünften der Klägerin oder ihres Ehemannes Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen (§ 33 EStG), Kinderfreibeträge (§ 32 Abs 6 EStG) und Haushaltsfreibeträge (früher § 32 Abs 7 EStG) abzuziehen. Denn zur Bestimmung des Gesamteinkommens nehmen § 16 SGB IV und § 10 Abs 3 SGB V nicht auf das zu versteuernde Einkommen iS des § 2 Abs 5 Satz 1 EStG, nicht auf das Einkommen iS des § 2 Abs 4 EStG und auch nicht auf den Gesamtbetrag der Einkünfte iS des § 2 Abs 3 EStG Bezug. Anknüpfungspunkt ist vielmehr die Summe der Einkünfte vor Abzug der in § 2 Abs 3 bis 5 EStG genannten Abzugsposten. Diese Abzugsposten sind nur für den Gesamtbetrag der Einkünfte, das Einkommen und das zu versteuernde Einkommen bedeutsam. Der Gesamtbetrag der Einkünfte ergibt sich, wenn von der Summe der Einkünfte iS des § 2 Abs 2 EStG (entspricht dem Gesamteinkommen) der Altersentlastungsbetrag, der Entlastungsbetrag für Alleinerziehende oder Abzüge nach § 13 Abs 3 EStG abgezogen werden (§ 2 Abs 3 EStG). Das Einkommen des Steuerpflichtigen ergibt sich, wenn vom Gesamtbetrag der Einkünfte weiter Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden (§ 2 Abs 4 EStG). Wird das Einkommen schließlich um Kinderfreibeträge nach § 32 Abs 6 EStG oder sonstige vom Einkommen abzuziehende Beträge vermindert, erhält man das zu versteuernde Einkommen (§ 2 Abs 5 Satz 1 EStG).

3.a) Der Ausschluss von der Familienversicherung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, insbesondere nicht gegen Art 3 Abs 1 oder Art 6 Abs 1 Grundgesetz (GG). Dies hat das BSG wiederholt zu § 10 Abs 3 SGB V und dem bis zum In-Kraft-Treten des SGB V geltenden § 205 Abs 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) entschieden (BSGE 70, 13, 18 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6; SozR 3-2500 § 240 Nr 7; Urteile vom 25. Januar 2001 in SozR 3-2500 § 10 Nr 20, 21 mwN) und gilt nach den letztgenannten Entscheidungen auch, wenn mehrere Kinder von dem Ausschluss betroffen sind. Verfassungsbeschwerden gegen die frühere Regelung des § 205 Abs 1 Satz 2 RVO sind ebenso erfolglos geblieben (BVerfG SozR 2200 § 205 Nr 18) wie gegen § 10 Abs 3 SGB V (vgl BVerfGE 107, 205 = SozR 4-2500 § 10 Nr 1). Auf die Gründe der genannten Entscheidungen wird Bezug genommen.

b) Auch die Nichtabzugsfähigkeit von Kinderfreibeträgen, Haushaltsfreibeträgen, Sonderausgaben und außergewöhnlichen Belastungen bei der Ermittlung des Gesamteinkommens ist mit dem GG vereinbar.

Sinn und Zweck des § 10 Abs 3 SGB V ist die Systemabgrenzung zwischen gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Er löst die Frage, welchem Elternteil die Kinder versicherungsrechtlich zuzuordnen sind, wenn nur ein Elternteil gesetzlich versichert ist. Die Vorschrift lässt dabei den Ausschluss aus der Familienversicherung zunächst nur dann eintreten, wenn das Gesamteinkommen des nicht gesetzlich versicherten Elternteils die Jahresarbeitsentgeltgrenze (§ 6 Abs 1 Nr 1 SGB V) überschreitet und dieser damit nicht mehr dem Personenkreis zugehört, für den die gesetzliche Krankenversicherung grundsätzlich besteht. Der Ausschluss hängt weiter davon ab, dass das Einkommen des privat versicherten Elternteils gleichzeitig höher ist als das Einkommen des gesetzlich Versicherten. Insofern geht das Gesetz in einer typisierenden Betrachtung davon aus, dass der höher verdienende Elternteil den Barunterhalt der Kinder und damit auch dessen Krankenversicherung sicherzustellen hat (vgl insgesamt Urteil des Senats in SozR 3-2500 § 10 Nr 21). Der Zweck der Systemabgrenzung und des Schutzes der Solidargemeinschaft gebietet keine weiter gehende Differenzierung bei der Festlegung des Gesamteinkommens.

Die Bezugnahme auf die Summe der Einkünfte iS des Steuerrechts in § 16 SGB IV vermeidet eine starre Anknüpfung an absolute Bruttoeinnahmen, indem sie zB bei Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit den Abzug von Werbungskosten zulässt. Das Gesetz verfährt insofern beim Zugang zur Familienversicherung trotz eigenen (Gesamt-)Einkommens oder beim Ausschluss aus der Familienversicherung nach § 10 Abs 3 Halbsatz 1 SGB V wegen des hohen (Gesamt-)Einkommens eines nicht gesetzlich versicherten Elternteils flexibler als zB bei der Begründung von Versicherungs- und Beitragspflicht auf Grund abhängiger Beschäftigung, wo auf das Bruttoarbeitsentgelt abgestellt wird. Es stellt auf diese Weise - teilweise typisierend und pauschalierend - sicher, dass zur Erzielung von Einkünften getätigter Aufwand zunächst in Abzug gebracht wird und beschränkt damit den Ausschluss aus der Familienversicherung nach Maßgabe eines begrenzten Netto-Prinzips.

Eine noch weitergehende Berücksichtigung das Gesamteinkommen mindernder Aufwendungen und Ausgaben hält der Senat dagegen nicht für verfassungsrechtlich geboten (vgl BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 21 S 102 zur Nichtberücksichtigung der Zahl der Kinder bzw der Freibeträge beim Ausschluss aus der Familienversicherung). Soweit steuerrechtlich bereits bei der Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach Abzug der Werbungskosten ein Sparer-Freibetrag berücksichtigt wird, hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 22. Mai 2003 (BSGE 91, 83, 87 = SozR 4-2500 § 10 Nr 2) auf gewisse Ungereimtheiten der geltenden Regelung hingewiesen. Er hat ausgeführt, dass teilweise keine Übereinstimmung zwischen dem Zugang zur Familienversicherung und dem Beitragsrecht besteht, dass durch die Berücksichtigung des Sparer-Freibetrages bei Einkünften aus Kapitalvermögen der Zugang zur Familienversicherung erleichtert wird, und dies in abgeschwächter Form auch gilt, seit der Sparer-Freibetrag herabgesetzt worden ist (ab 2000); er hat aber auch darauf hingewiesen, dass die Rechtsprechung diese Ungereimtheiten nicht auflösen kann (vgl BSGE 91, 83, 87 f = SozR 4-2500 § 10 Nr 2). Sie rühren auch vorliegend daher, dass das Sozialversicherungsrecht in § 16 SGB IV zur Bestimmung des Gesamteinkommens auf die Regelungen des Steuerrechts Bezug nimmt, erscheinen jedoch im Rahmen der Familienversicherung als einem klassischen Phänomen der Massenverwaltung jedenfalls aus Gründen der Praktikabilität vertretbar.

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einen Verstoß des § 10 Abs 3 SGB V gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG selbst dort verneint, wo Ehen und nichteheliche Lebensgemeinschaften in Bezug auf den Ausschluss von Kindern aus der Familienversicherung unterschiedlich behandelt werden. Es hat darauf hingewiesen, dass punktuelle gesetzliche Benachteiligungen hinzunehmen sind, wenn die allgemeine Tendenz des Gesetzes auf Ausgleich familiärer Belastungen abzielt, dabei Eheleute teilweise begünstigt und teilweise benachteiligt, die gesetzliche Regelung im Ganzen betrachtet aber keine Schlechterstellung von Eheleuten bewirkt (BVerfG SozR 4-2500 § 10 Nr 1 S 6). Erst recht liegt kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 iVm Art 6 Abs 1 GG vor, soweit aus den oben genannten Gründen nicht sämtliche steuerlich relevanten Freibeträge auch bei der Bestimmung des Gesamteinkommens berücksichtigt werden.

4. Die Beklagte war mangels eines anders lautenden Verwaltungsaktes über das Bestehen der Familienversicherung nicht gehindert, rückwirkend festzustellen, dass ab einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt nach dem Gesetz eine Familienversicherung nicht (mehr) bestanden hat (BSGE 49, 247 = SozR 2200 § 205 Nr 33; BSG SozR 2200 § 205 Nr 41, 45 und 52; BSGE 62, 90 = SozR 2200 § 205 Nr 63 - jeweils zu § 205 RVO; BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 19). Das BSG hat unter diesen Umständen Bescheide über die rückwirkende Feststellung, dass keine Familienversicherung nach § 10 SGB V mehr bestanden habe, nicht beanstandet (BSG SozR 3-2500 § 10 Nr 4, 6 und 19). Das SG hat schließlich auch keine außergewöhnlichen Umstände festgestellt, die gerade im vorliegenden Fall einen besonderen Schutz des Vertrauens der Klägerin gegen die Feststellung des Wegfalls der Familienversicherung auch für zurückliegende Zeiträume geboten erscheinen lassen könnten.

Die Kostenentscheidung bleibt der Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.



Ende der Entscheidung

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