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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: B 12 KR 5/07 R
Rechtsgebiete: SGB VI


Vorschriften:

SGB VI § 1 Satz 4
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss

Verkündet am 27. Februar 2008

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 5/07 R

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Balzer, die Richter Dr. Berchtold und Dr. Bernsdorff sowie die ehrenamtlichen Richter Stein und Stahl beschlossen:

Tenor:

1. Der Rechtsstreit wird ausgesetzt.

2. Dem Europäischen Gerichtshof wird gemäß Art 234 EGVertr folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Sind die Vorschriften des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl 2002 L 114/6), insbesondere dessen Art 1, 5, 7 und 16 sowie Anhang I Art 12, 17, 18 und 19 dahin auszulegen, dass sie es nicht zulassen, dass das in Deutschland beschäftigte Verwaltungsratsmitglied einer Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts in der deutschen Rentenversicherung versicherungspflichtig ist, obwohl in Deutschland beschäftigte Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft deutschen Rechts in der deutschen Rentenversicherung versicherungsfrei sind.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in seiner Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrates einer schweizerischen Aktiengesellschaft (AG) der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegt.

Der Kläger ist deutscher Staatsangehöriger und seit dem 26.9.1996 Leiter der Zweigniederlassung Hamburg und der beigeladenen G AG (im Folgenden: G AG; Beigeladene zu 3.). Ihm ist hierfür gemeinsam mit einem anderen Mitarbeiter Prokura erteilt. Die G AG ist eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Recht (AGsR) mit Sitz in Z /Schweiz. Seit dem 29.12.2003 ist der Kläger als Mitglied des Verwaltungsrates der Grimme AG mit der Befugnis zur Kollektivunterschrift im Handelsregister des Kantons Zug eingetragen.

Im Juni 2003 beantragte der Kläger bei der beklagten Krankenkasse die versicherungsrechtliche Beurteilung seiner Tätigkeit bei der Zweigniederlassung Hamburg. Er wies auf seinen Anstellungsvertrag als Prokurist und Leiter der Zweigniederlassung hin sowie darauf, dass er ein Grundgehalt erhalte, welches im Falle der Arbeitsunfähigkeit auf die Dauer von sechs Wochen weitergezahlt werde. Ferner erhalte er eine von der Ertragslage des Unternehmens abhängige Gewinnbeteiligung.

Mit Bescheid vom 7.8.2003 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger seit dem 26.9.1996 hinsichtlich seiner Tätigkeit für die Zweigniederlassung Hamburg der G AG in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe und deshalb der Versicherungspflicht ua in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliege. Den Widerspruch, den der Kläger auch damit begründet hatte, als Mitglied des Verwaltungsrates einer AGsR wie das Vorstandsmitglied einer AG deutschen Rechts (AGdR) behandelt werden zu müssen und deshalb in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungsfrei zu sein, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 8.9.2004 zurück. Die seit dem 29.12.2003 bestehende Verwaltungsratsmitgliedschaft bei der G AG führe nicht dazu, dass der Kläger wie ein Mitglied des Vorstandes einer AGdR der gesetzlichen Rentenversicherungspflicht nicht unterliege.

Der Kläger hat Klage erhoben und beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 7.8.2003 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 8.9.2004 dahingehend abzuändern, dass er aufgrund seiner Tätigkeit als Prokurist und Leiter der Zweigniederlassung Hamburg der beigeladenen G AG seit dem 29.12.2003 nicht der Versicherungspflicht ua in der Rentenversicherung unterliegt. Mit Urteil vom 1.11.2005 hat das Sozialgericht Hamburg (SG) der Klage stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit mit diesen festgestellt worden ist, der Kläger sei auch ab dem 29.12.2003 ua in der gesetzlichen Renten- und der Arbeitslosenversicherung versicherungspflichtig. Das Landessozialgericht Hamburg (LSG) hat die Berufung des beigeladenen Rentenversicherungsträgers (Beigeladene zu 1.) mit Urteil vom 11.10.2006 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: In gleicher Weise wie Vorstandsmitglieder einer AGdR unterlägen auch Verwaltungsratsmitglieder einer AGsR wie der Kläger nicht der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung. Bereits zu der Vorgängervorschrift des § 1 Satz 4 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) habe das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass diese trotz ihres Ausnahmecharakters einer analogen Anwendung nicht schlechthin entzogen sei. Dabei habe das BSG die Erstreckung auf andere Sachverhalte nicht von der Größe des jeweiligen Unternehmens, sondern von der Vergleichbarkeit der Rechtsformen abhängig gemacht mit der Folge, dass es für die versicherungsrechtliche Beurteilung ausschließlich auf den Status als Vorstandsmitglied oder einen gleich zu behandelnden Status ankomme. Hieran gemessen sei die Gleichbehandlung des Klägers mit Vorstandsmitgliedern einer AGdR geboten. Denn ein Vergleich der Regelungen des deutschen und des schweizerischen Aktienrechts zeige, dass die wirtschaftliche Bedeutung der AGsR nicht hinter derjenigen einer AGdR zurückstehe. Das ergebe sich aus den Vorschriften über das Mindestkapital. Im Übrigen entspreche die organschaftliche Stellung des Verwaltungsrates weitgehend derjenigen eines Vorstandes nach deutschem Aktienrecht.

Die Beigeladene zu 1. hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und rügt sinngemäß eine Verletzung von § 1 Satz 4 SGB VI. Die Ausführungen des LSG zur analogen Anwendung der genannten Vorschrift seien nicht zutreffend. Möglichkeiten und Grenzen einer Analogie habe das BSG stets mit der Typisierungsbefugnis des Gesetzgebers gerechtfertigt. Es habe den mit der Typisierung verfolgten Zweck darin gesehen, die Anwendung dieser Ausnahmevorschrift für den Rechtsanwender einfacher, sicherer und gleichmäßiger zu gestalten. Aus diesem Grunde habe es eine Anwendung über den Wortlaut hinaus bisher allein in einem Fall rechtlicher Gleichstellung mit Vorstandsmitgliedern einer AGdR, nämlich bei den Vorstandsmitgliedern "großer" Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit (VVaG), für zulässig gehalten. Der mit der Typisierung verfolgte Zweck, dem Rechtsanwender einfach festzustellende, ohne Weiteres überprüfbare Abgrenzungsmerkmale für die Beurteilung der Versicherungspflicht zu verschaffen, würde mit einer analogen Anwendung der Ausnahmevorschrift auf ausländische AGen gefährdet. Das sich stetig wandelnde ausländische Gesellschaftsrecht könne von dem Rechtsanwender bei typisierender Betrachtung nicht nachvollzogen werden.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 11.10.2006 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 1.11.2005 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 7.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.9.2004 abzuweisen, soweit mit diesen Entscheidungen über die Versicherungspflicht des Klägers in der gesetzlichen Rentenversicherung entschieden worden ist.

Der Kläger und die Beigeladene zu 3. beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Den Kläger versicherungsrechtlich wie das Vorstandsmitglied einer AGdR zu behandeln, sei mit dem Typisierungszweck vereinbar. Soweit es auf die Rechtsform der Gesellschaft als AG ankomme, sei diese ohne Weiteres aus dem Handelsregister ersichtlich. Gleiches gelte für die Mitgliedschaft im Vorstand bzw Verwaltungsrat.

Die Beklagte und die beigeladene Bundesagentur für Arbeit (Beigeladene zu 2.) haben keinen Antrag gestellt.

II

Der Senat setzt das Verfahren aus, um eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) über die Auslegung von Bestimmungen des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit (ABl 2002 L 114/6; im Folgenden: Freizügigkeitsabkommen) einzuholen (Art 234 Abs 1 Buchst b des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft <EGVtr>). Es unterliegt der Auslegung durch den EuGH (vgl insoweit die Schlussanträge des Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo Colomer vom 6.6.2006 in der Rechtssache C-339/05 "Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols gegen Land Tirol", RdNr 28 ff, unter Hinweis auf das Urteil des EuGH vom 30.9.1987, 12/86 "Demirel", EuGHE I 1987, 3747, 3750 RdNr 6 ff; im Schrifttum: Imhof, Das Freizügigkeitsabkommen EG-Schweiz und seine Auslegungsmethode, ZESAR 2007, 155, 159; Weigell, Geltung der Niederlassungsfreiheit auch im Verhältnis zur Schweiz, IStR 2006, 190, 194; Beul, Auswirkungen des Freizügigkeitsabkommens mit der Schweiz, steueranwaltsmagazin 2006, 125, 128; Kahil-Wolff/Mosters, Das Abkommen über die Freizügigkeit EG-Schweiz, EuZW 2001, 5, 10). Der Senat hält die Beantwortung der zur Vorabentscheidung vorgelegten Frage zur Auslegung des Abkommensrechts im Hinblick auf den Ausgangsrechtsstreit für entscheidungserheblich (Art 234 Abs 2 EGVtr). Würde die vorgelegte Frage bejaht, wären die Entscheidungen der Vorinstanzen im Ergebnis zu bestätigen und wäre die Revision des beigeladenen Rentenversicherungsträgers zurückzuweisen. Würde die Frage verneint, hätte die Revision Erfolg. Die Vorinstanzen hätten zu Unrecht entschieden, dass der Kläger in der gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) wie ein Mitglied des Vorstandes einer AGdR versicherungsfrei ist. Ihre Urteile wären aufzuheben und die Klage wäre abzuweisen.

1. Nachdem die Beigeladene zu 1. ihr Revisionsbegehren in der mündlichen Verhandlung beschränkt hat, ist Gegenstand des Ausgangsrechtsstreits der gegenüber dem Kläger ergangene Bescheid vom 7.8.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8.9.2004 nur noch insoweit, als darin festgestellt wird, dass er in seiner Tätigkeit für die beigeladene G AG, auch nachdem er Mitglied ihres Verwaltungsrates geworden ist, seit dem 29.12.2003 der Versicherungspflicht in der GRV unterliegt.

2. Maßgebend für die Beurteilung, ob der Kläger der Versicherungspflicht in der GRV unterliegt, ist das deutsche Sozialversicherungsrecht. Es kommt zur Anwendung, weil der Beschäftigungsort des Klägers in Deutschland liegt und seine Beschäftigung dort nicht im Voraus zeitlich begrenzt ist (vgl §§ 3 Nr 1, 5 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung <SGB IV>). Bei isolierter Anwendung des deutschen Sozialversicherungsrechts ist der Kläger in der GRV versicherungspflichtig. Er ist in seiner Tätigkeit für die beigeladene G AG abhängig beschäftigt, auch soweit er Mitglied ihres Verwaltungsrates ist (dazu a). Von der daran anknüpfenden Versicherungspflicht ist er nicht wie ein Mitglied des Vorstandes einer AGdR ausnahmsweise ausgenommen (dazu b). Diese dem vorlegenden Senat obliegende Beurteilung der innerstaatlichen Rechtslage beruht auf Folgendem:

a) In der GRV unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, nach § 1 Satz 1 Nr 1 Halbsatz 1 SGB VI der Versicherungspflicht. Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.

Im vorliegenden Verfahren ist das Berufungsgericht in seinem Urteil rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger in seiner Tätigkeit für die beigeladene G AG, auch nachdem er Mitglied ihres Verwaltungsrates geworden ist, in einem Beschäftigungsverhältnis steht. Zwar hat das LSG in den Gründen seiner Entscheidung zu Beginn ausgeführt, der Kläger zähle im Hinblick auf seine Stellung als Mitglied einer AGsR zu den nicht der Versicherungspflicht unterliegenden Personen "ungeachtet der Frage", ob dieser im Übrigen in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zur beigeladenen G AG iS des § 7 SGB IV stehe. Indessen ist das LSG an anderen Stellen seines Urteils vom Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses des Klägers ausgegangen und hat hierzu unter Bezugnahme auf dessen Anstellungsvertrag als Prokurist und Zweigniederlassungsleiter, Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechts zum Status von Verwaltungsratsmitgliedern, das Urteil des SG und den Inhalt der Beklagtenakte die nötigen Feststellungen getroffen. Soweit das LSG in deren Würdigung daher zunächst allgemein dargelegt hat, der Kläger sei im Sozialversicherungsrecht wie das Vorstandsmitglied einer AGdR zu behandeln, und später im Besonderen festgestellt hat, die Stellung des Verwaltungsrates bzw dessen Status entspreche "im Übrigen" (weitgehend) derjenigen bzw demjenigen des Vorstandes einer AGdR, hat es sinngemäß an die Rechtsprechung des BSG angeknüpft, wonach Vorstandsmitglieder einer AGdR grundsätzlich abhängig beschäftigt sind, auch wenn sie die Gesellschaft in eigener Verantwortung zu leiten haben und gegenüber der Belegschaft Arbeitgeberfunktionen wahrnehmen (vgl BSG, Urteil vom 31.5.1989, 4 RA 22/88, BSGE 65, 113, 116 f = SozR 2200 § 1248 Nr 48 S 125; ferner Urteil vom 19.6.2001, B 12 KR 44/00 R, SozR 3-2400 § 7 Nr 18 S 66 f). Diese Rechtsprechung zum Beschäftigungsverhältnis hat es auf Mitglieder des Verwaltungsrates einer AGsR übertragen. Das ist nicht zu beanstanden, weil für Mitglieder von Organen ausländischer Kapitalgesellschaften insoweit nichts anderes gelten kann als für Organmitglieder deutscher Kapitalgesellschaften, und wird auch vom Kläger und der Beigeladenen zu 3. nicht (mehr) für unzutreffend gehalten.

b) Der Kläger ist nach innerstaatlichem Recht in seiner Beschäftigung für die beigeladene G AG ab 29.12.2003 nicht wegen der Berufung zum Verwaltungsratsmitglied wie ein Mitglied des Vorstandes einer AGdR von der Rentenversicherungspflicht ausgenommen. Die für dieses geltende Ausnahmebestimmung des § 1 Satz 4 SGB VI ist auf ihn weder unmittelbar noch entsprechend anwendbar.

Nach § 1 Satz 4 SGB VI in den bis zum 31.12.2003 und ab 1.1.2004 geltenden Fassungen, die hier beide anzuwenden sind, sind Mitglieder des Vorstandes einer AG nicht versicherungspflichtig bzw in dem Unternehmen, dem sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt (vgl zur Entstehungsgeschichte ausführlich Urteile des Senats vom heutigen Tage, B 12 KR 23/06 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen, und vom 9.8.2006, B 12 KR 3/06 R, BSGE 97, 32 = SozR 4-2600 § 229 Nr 1, jeweils RdNr 16 ff). Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien hat der Senat in seiner früheren Rechtsprechung eine entsprechende Anwendung dieses Ausnahmetatbestandes auf Vorstandsmitglieder anderer juristischer Personen abgelehnt. Er hat dabei auf die für die Ordnung von Massenerscheinungen anerkannte Typisierungsbefugnis des deutschen Gesetzgebers verwiesen und dargelegt, dass § 1 Satz 4 SGB VI allein an das formale Merkmal der Zugehörigkeit zum Vorstand einer AG anknüpfe bzw die Ausnahme von der Rentenversicherungspflicht allein von der Rechtsform der Gesellschaft abhängig mache, der die Vorstandsmitglieder vorständen. Bei der Anknüpfung an die Rechtsform der AG sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass diese bei typisierender Betrachtung zu den "großen" Gesellschaften gehöre und ihre Vorstandsmitglieder unter den für sie gegebenen wirtschaftlichen Verhältnissen in der Lage seien, sich außerhalb der Sozialversicherung gegen die Risiken des Arbeitslebens selbst zu schützen. Eine Möglichkeit zur entsprechenden Anwendung der typisierenden Regelung hat der Senat in der Vergangenheit allein bei Vorstandsmitgliedern "großer" VVaG gesehen. Er hat den Ausnahmetatbestand über seinen Wortlaut hinaus auf diese Personengruppe analog angewandt, weil Vorschriften des deutschen Aktiengesetzes über eine Verweisung im deutschen Versicherungsaufsichtsgesetz für den Vorstand eines VVaG entsprechend gelten und dessen Mitglieder Vorstandsmitgliedern einer AG deshalb rechtlich gleichgestellt (vgl zur bisherigen Rechtsprechung des BSG im einzelnen Urteil vom heutigen Tage, B 12 KR 23/06 R, aaO).

Das BSG hat den für Vorstandsmitglieder von AGen als abhängig Beschäftigte geltenden Ausnahmetatbestand in der GRV im Hinblick auf das dem Gesetzesrecht übergeordnete deutsche Verfassungsrecht geprüft. Es hat die darin zum Ausdruck kommende verallgemeinernde Betrachtungsweise am Maßstab der für Typisierungen entwickelten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bisher für unbedenklich gehalten.

In Anwendung des § 1 Satz 4 SGB VI und der hierzu von der Rechtsprechung des BSG entwickelten Grundsätze gehört der Kläger nicht zu dem von dieser Vorschrift erfassten Personenkreis. Zu den "Mitgliedern des Vorstandes einer AG" gehören nur solche einer bestehenden (vgl BSGE 97,32 = SozR 4-2600 § 229 Nr 1, jeweils RdNr 21 ff) AGdR. Hierzu gehört der Kläger in unmittelbarer Anwendung der genannten Ausnahmevorschrift als Mitglied des Verwaltungsrates einer AGsR nicht. Diese ist auf ihn auch nicht entsprechend anzuwenden, weil er nicht wie Vorstandsmitglieder eines "großen" VVaG Vorstandsmitgliedern einer AGdR rechtlich, dh durch eine Verweisung auf Vorschriften des deutschen Aktiengesetzes, gleichgestellt ist. Nur aus diesem Grund ist eine entsprechende Anwendung auf den hier vorliegenden Sachverhalt ausgeschlossen. Demgegenüber vermag die von der Revision vertretene Auffassung nicht zu überzeugen, wonach es den "Normzweck" des § 1 Satz 4 SGB VI gefährden würde, wenn deutsche Sozialversicherungsträger und deutsche Gerichte bei einer Prüfung dieser Ausnahmebestimmung das "weltweite und sich in stetigem Wandel befindliche" ausländische Gesellschaftsrecht beachten müssten. Eine solche Konsequenz lässt sich der Rechtsprechung des BSG zur Rechtfertigung der Typisierung nicht entnehmen.

Soweit die Vorinstanzen unter Hinweis auf die Vorschriften des schweizerischen Obligationenrechts über das Mindestkapital und die Stellung des Verwaltungsrates eine tatsächliche Vergleichbarkeit der AGsR mit der AGdR annehmen und die ausländische (Gesellschafts)Rechtsform der AGsR auf die inländische (Gesellschafts)Rechtsform der AGdR übertragen, ist eine solche "Substitution" der Tatbestandserfüllung nicht zulässig. Eine einschlägige gesetzliche Äquivalenzregel, deren es für eine solche Tatbestandsgleichstellung bedürfte, enthält das deutsche Sozialrecht nicht. Eine solche lässt sich auch nicht dem übrigen innerstaatlichen Recht entnehmen. So folgt ein Gebot zur tatbestandlichen Gleichstellung der beigeladenen G AG mit einer AGdR im Sozialrecht nicht etwa daraus, dass deren Zweigniederlassung wie diejenige einer AGdR in das deutsche Handelsregister einzutragen und eingetragen ist. Soweit über §§ 13d bis f des Handelsgesetzbuchs inländische Zweigniederlassungen von AGen mit Sitz im Ausland und damit auch einer AGsR in das deutsche Registerrecht einbezogen werden, enthält dieses keine gesetzliche Äquivalenzregel, die im hier vorliegenden sozialrechtlichen Kontext anwendbar wäre. Wenn im Einzelfall Zweigniederlassungen von AGen aus Drittstaaten wie der Schweiz mangels entsprechender Vorgaben aus dem EG-Recht (vgl insoweit Art 7 Abs 1 der Elften Richtlinie 89/666/EWG des Rates vom 21.12.1989 über die Offenlegung von Zweigniederlassungen, die in einem Mitgliedstaat von Gesellschaften bestimmter Rechtsformen errichtet wurden, die dem Recht eines anderen Staates unterliegen <ABl 1989 L 395/36>; "Zweigniederlassungsrichtlinie") registerrechtlich wie diejenigen einer AGdR behandelt werden, so beruht das (allein) auf einer Rechtsfortbildung im deutschen Internationalen Privatrecht und ist deshalb nicht übertragbar. Auch eine Tatbestandsgleichstellung im Wege richterlicher Rechtsfortbildung ist nicht zulässig, weil § 1 Satz 4 SGB VI nach seinem Regelungszweck und im Hinblick auf die dort gewählte Regelungsmethode der Typisierung eine Erstreckung auf Sachverhalte wie den Vorliegenden zur Schließung einer Regelungslücke nicht erfordert. Nach innerstaatlichem Sozialrecht maßgeblich ist und bleibt danach einzig, dass der Kläger kein Mitglied des Vorstandes einer AGdR ist und damit den formalen gesetzlichen Tatbestand des § 1 Satz 4 SGB VI nicht erfüllt.

c) Der Kläger kann sich für eine tatbestandliche Gleichstellung auch nicht mit Erfolg auf einschlägiges, unmittelbar zu beachtendes internationales Recht (ohne das Freizügigkeitsabkommen) berufen. Eine für den vorliegenden Rechtsstreit relevante Äquivalenzregel aus bilateralen oder multilateralen Verträgen mit der Schweiz besteht nicht. Sie ergibt sich ungeachtet der Frage, ob und inwieweit es sich hierbei (noch) um geltendes Recht handelt (vgl Art 20 des Freizügigkeitsabkommens in Verbindung mit dessen Anhang II Abschnitt A Nr 1 Buchst i), insbesondere nicht aus dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Schweizerischen Eidgenossenschaft über Soziale Sicherheit vom 25.2.1964 (BGBl II 1965, 1293; im Folgenden: Sozialversicherungsabkommen). So ordnen Art 4 und Art 4a des Sozialversicherungsabkommens als allgemeine Gleichstellungsvorschriften lediglich eine Gleichstellung der Staatsangehörigen bzw der Staatsgebiete bei Anwendung der Rechtsvorschriften der Vertragsstaaten an, nicht aber anderer Rechtserscheinungen, an welche Rechtsfolgen geknüpft werden können. Eine entsprechende Äquivalenzregel ergibt sich auch nicht aus dem Abschnitt II des Sozialversicherungsabkommens über Rentenversicherungen.

3. Die Revision der Beigeladenen zu 1. wäre bei dieser rechtlichen Ausgangslage nur dann zurückzuweisen, wenn die Nichtanwendung der Ausnahmebestimmung des § 1 Satz 4 SGB VI auf Personen wie den Kläger Vorschriften des zwischen der EG, ihren Mitgliedstaaten und der Schweiz geschlossenen, am 1.6.2002 in Kraft getretenen Freizügigkeitsabkommens verletzte. Die Bestimmungen des Abkommens entfalten unmittelbare Wirkung (vgl insoweit Art 11, der das Recht gewährt, diese behördlich oder gerichtlich durchzusetzen).

a) Das Freizügigkeitsabkommen stellt eines von insgesamt sieben am 21.6.1999 unterzeichneten sektoriellen Abkommen dar, die geschlossen wurden, nachdem die Schweiz im Jahre 1992 einen Beitritt zum Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vom 2.5.1992 (ABl 1994 L 1/1) abgelehnt hatte. Es handelt sich um ein Liberalisierungsabkommen mit der Besonderheit, dass ihm angesichts der begrenzten Zuständigkeiten der EG in diesem Bereich auch die Mitgliedstaaten selbst beitreten mussten ("gemischtes Abkommen"). Nach Abschluss einer zweiten Verhandlungsrunde wurde das Freizügigkeitsabkommen aufgrund eines Zusatzprotokolls vom 27.2.2006 (ABl 2006 L 89/28) mit Wirkung vom 1.4.2006 auf die zehn neuen Mitgliedstaaten erstreckt.

In den Erwägungsgründen des Freizügigkeitsabkommen heißt es, dass die Vertragsparteien übereingekommen sind, das Freizügigkeitsabkommen abzuschließen "in der Überzeugung, dass die Freizügigkeit der Personen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei wesentlicher Bestandteil einer harmonischen Entwicklung ihrer Beziehungen ist, entschlossen, diese Freizügigkeit zwischen ihnen auf der Grundlage der in der Europäischen Gemeinschaft geltenden Bestimmungen zu verwirklichen". Es schreibt in Art 1 als Ziele zu Gunsten der Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EG und der Schweiz ua vor, die "a) Einräumung eines Rechts auf Einreise, Aufenthalt ... und Niederlassung als Selbständiger sowie des Rechts auf Verbleib im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien" und die "b) Erleichterung der Erbringung von Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der Vertragsparteien, insbesondere Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen". Darüber hinaus weist Art 2 des Freizügigkeitsabkommens dem Grundsatz der Nichtdiskriminierung eine zentrale Bedeutung zu. Hiernach dürfen "die Staatsangehörigen einer Vertragspartei, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei aufhalten, ... bei der Anwendung dieses Abkommens gemäß den Anhängen I, II und III nicht aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit diskriminiert" werden.

Die für "Dienstleistungserbringer" geltende Bestimmung des Art 5 hat ua folgenden Wortlaut:

"(1) Unbeschadet besonderer Abkommen über die Erbringung von Dienstleistungen zwischen den Vertragsparteien (...) wird einem Dienstleistungserbringer einschließlich Gesellschaften gemäß Anhang I das Recht eingeräumt, Dienstleistungen im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei zu erbringen, deren tatsächliche Dauer 90 Arbeitstage im Kalenderjahr nicht überschreitet.

(2) Einem Dienstleistungserbringer wird das Einreise- und Aufenthaltsrecht im Hoheitsgebiet der anderen Vertragspartei eingeräumt, sofern

a) er gemäß Absatz 1 oder aufgrund eines in Absatz 1 genannten Abkommens zur Erbringung einer Dienstleistung berechtigt ist oder,

b) falls die Voraussetzungen unter Buchstabe a nicht erfüllt sind, ihm von den zuständigen Behörden der betreffenden Vertragspartei eine Erlaubnis zur Erbringung einer Dienstleistung erteilt wurde.

..."

Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht bestimmt Art 16 des Freizügigkeitsabkommens:

"(1) Zur Erreichung der Ziele dieses Abkommens treffen die Vertragsparteien alle erforderlichen Maßnahmen, damit in ihren Beziehungen gleichwertige Rechte und Pflichten wie in den Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaft, auf die Bezug genommen wird, Anwendung finden.

(2) Soweit für die Anwendung dieses Abkommens Begriffe des Gemeinschaftsrechts herangezogen werden, wird hierfür die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vor dem Zeitpunkt der Unterzeichnung berücksichtigt.

..."

Hinsichtlich der Erbringung von Dienstleistungen gemäß Art 5 des Freizügigkeitsabkommens untersagt Art 17 des Anhangs I die "a) Beschränkung grenzüberschreitender Dienstleistungen im Hoheitsgebiet einer Vertragspartei, deren Dauer 90 tatsächliche Arbeitstage pro Kalenderjahr nicht überschreitet" und die "b) Beschränkung der Einreise und des Aufenthalts in den Fällen nach Artikel 5 Absatz 2 dieses Abkommens für folgende Personen: ...". Nach Art 18 des Anhangs I beansprucht dies auch Geltung "für die Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft oder nach schweizerischem Recht gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Gebiet einer Vertragspartei haben".

Die Bestimmungen des Freizügigkeitsabkommens werden durch die "Gemeinsame Erklärung über die Durchführung des Abkommens" in der Schlussakte ergänzt, wonach die Vertragsparteien "die erforderlichen Vorkehrungen für die Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei gemäß dem zwischen ihnen geschlossenen Abkommen" treffen.

b) Ob die streitgegenständliche deutsche Regelung - § 1 Satz 4 SGB VI - mit dem Freizügigkeitsabkommen vereinbar ist, ist durch die bisherige Rechtsprechung des EuGH nicht geklärt. Zwar sind zu Fragen der Anwendung und Auslegung von Vorschriften des Freizügigkeitsabkommens beim EuGH mittlerweile Vorabentscheidungsersuchen mitgliedstaatlicher Gerichte eingegangen (Vorabentscheidungsersuchen des Landesgerichts Innsbruck vom 22.6.2005, C-339/05 "Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols gegen Land Tirol", ABl 2005 C-281/9; ferner Vorabentscheidungsersuchen des Bundesgerichtshofs vom 14.1.2008, C-13/08 "Landwirtschaftssache mit den Beteiligten: Erich Stamm, Anneliese Hauser und dem Regierungspräsidium Freiburg", ABl 2008 C 92/12). Über diese ist jedoch noch nicht entschieden (vgl insoweit lediglich die Schlussanträge des Generalanwalts Damaso Ruiz-Jarabo Colomer vom 6.6.2006 in der Rechtssache C-339/05 "Zentralbetriebsrat der Landeskrankenhäuser Tirols gegen Land Tirol").

Die Nichtanwendung der Ausnahmebestimmung des § 1 Satz 4 SGB VI auf den Kläger könnte ein der beigeladenen G AG im Freizügigkeitsabkommen gewährtes Recht auf freie Niederlassung oder deren Recht auf freien Dienstleistungsverkehr verletzen. Diese Rechte könnten dann auch mittelbar den Kläger begünstigen. Demgegenüber kommt eine Verletzung des im Freizügigkeitsabkommen dem Kläger selbst - in seiner Eigenschaft als Arbeitnehmer -garantierten Rechts auf Gleichbehandlung im Bereich der sozialen Sicherheit nicht in Betracht (vgl Art 8 Buchst a; Anhang II Art 1 Abschnitt A iVm Art 3 Abs 1 EWGV 1408/71). Er ist von den Auswirkungen der Differenzierung in § 1 Satz 4 SGB VI nur hinsichtlich seines Versichertenstatus in der GRV und zudem als in Deutschland Wohnhafter und nicht nur zeitlich begrenzt Beschäftigter deutscher Staatsangehörigkeit betroffen. Aus dem letztgenannten Grund wird auch gegen die allgemeinen Gleichstellungsvorschriften des Sozialversicherungsabkommens (vgl Art 8 Buchst a Freizügigkeitsabkommen; Anhang II Art 1 Abschnitt A Freizügigkeitsabkommen iVm Art 4 und Art 4a Sozialversicherungsabkommen; dazu bereits unter 3.) nicht verstoßen.

aa) Die dem EuGH vorgelegte Frage dient zunächst der Klärung, ob das Freizügigkeitsabkommen ein Niederlassungsrecht nur natürlichen Personen garantiert oder auch Gesellschaften, die nach dem Recht eines Mitgliedstaats der EG oder nach schweizerischem Recht gegründet wurden und ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung im Gebiet einer der Vertragsparteien haben. Das Recht auf Niederlassung als Selbstständiger wird im Freizügigkeitsabkommen (vgl Art 1 Buchst a, Anhang I Art 12 Abs 1) nur im Zusammenhang mit Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten der EG und der Schweiz als Rechtsträgern erwähnt, so wie im Übrigen nahezu alle Rechte aus dem Freizügigkeitsabkommen lediglich Staatsangehörigen und damit natürlichen Personen zugestanden sind. Eine generelle Norm, die wie Art 48 EGVtr den personellen Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit über natürliche Personen hinaus auf Gesellschaften erstreckt, fehlt. Hinzu kommt, dass Gesellschaften ausdrücklich nur in den Schutzbereich des Rechts auf Erbringung von Dienstleistungen im Gebiet einer anderen Vertragspartei einbezogen sind (vgl Art 5 Abs 1, Anhang I Art 18), nicht aber in den Schutzbereich des Rechts auf Niederlassung. Eine am Wortlaut und systematischen Zusammenhang orientierte Auslegung könnte dazu führen, dass das Freizügigkeitsabkommen das Recht auf Niederlassung oder einzelne Gewährleistungsinhalte dieses Rechts nur natürlichen Personen reserviert und insoweit - für Gesellschaften - hinter den Grundfreiheiten des Gemeinschaftsrechts zurückbleibt (so etwa Imhof, aaO, 157, 163; Weigell, aaO, 193, 195). Andererseits könnte im Hinblick auf die Erwägungsgründe des Freizügigkeitsabkommens, die lediglich auf "Personen" Bezug nehmen, ohne hierbei zwischen natürlichen und juristischen Personen zu differenzieren, und die Verwirklichung der "Personen"-Freizügigkeit auf der Grundlage des gemeinschaftlichen Besitzstands (acquis communautaire) vorgeben, und im Hinblick auf die Gemeinsame Erklärung über die Durchführung des Abkommens in der Schlussakte, wonach für die Anwendung des gemeinschaftlichen Besitzstands auf die Staatsangehörigen der anderen Vertragspartei die erforderlichen Vorkehrungen getroffen werden sollen, eine integrationsfreundliche Auslegung mit dem Ziel der Schaffung einer parallelen Rechtslage veranlasst sein. Für diese Auslegung könnte auch Art 16 Abs 1 des Freizügigkeitsabkommens mit seiner Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht unterstützend herangezogen werden. Unter Berücksichtigung des damit zum Ausdruck kommenden allgemeinen Willens der Vertragsparteien wäre das Recht auf Niederlassung dann auch Gesellschaften eröffnet, weil es den Staatsangehörigen der Vertragsstaaten im Ergebnis überlassen bleiben muss, ob sie als natürliche Personen oder durch gesellschaftsrechtliche Zusammenschlüsse am grenzüberschreitenden Wirtschaftsverkehr teilnehmen wollen (so etwa Beul, aaO, 129).

Die Vorlagefrage soll ferner Aufschluss darüber geben, ob ein im Freizügigkeitsabkommen garantiertes Recht auf Niederlassung von Gesellschaften, wäre es diesen eingeräumt, den gleichen Gewährleistungsinhalt hat wie die im Gemeinschaftsrecht eröffnete Niederlassungsfreiheit (vgl Art 43, 48 EGVtr). Hierfür könnte sprechen, dass das Freizügigkeitsabkommen in mehreren Einzelbestimmungen (vgl etwa Art 3 iVm Anhang I Art 1, Art 2 und Art 12; ferner Art 7) sowohl primäre Rechte aus Art 43 EGVtr als auch hieran anknüpfende Begleitrechte regelt. Indessen ist beispielsweise zweifelhaft, ob dem aus Art 43, 48 EGVtr unmittelbar folgenden Verbot der Diskriminierung von Gesellschaften mit Anknüpfung an ihren Sitz das in Art 2 des Freizügigkeitsabkommens enthaltene Gebot der Nichtdiskriminierung oder das Gebot der Inländergleichbehandlung in Anhang I Art 15 entspricht und das Niederlassungsrecht des Freizügigkeitsabkommens damit ähnlich umfassend vor Beschränkungen geschützt ist wie dasjenige des Gemeinschaftsrechts (bejahend wohl Weigell, aaO, 192).

bb) Die Vorlage an den EuGH dient sodann der Klärung, ob in der Nichtanwendung des § 1 Satz 4 SGB VI auf den Kläger mit der Folge seiner Versicherungspflicht in der GRV eine Diskriminierung der beigeladenen G AG im Anwendungsbereich eines - solchermaßen angenommenen - Niederlassungsrechts des Freizügigkeitsabkommens liegt. Weil Art 16 Abs 2 Satz 1 des Freizügigkeitsabkommens zu einer Auslegung von gemeinschaftsrechtlichen Begriffen unter Berücksichtigung der bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Freizügigkeitsabkommens am 21.6.1999 ergangenen einschlägigen Rechtsprechung des EuGH verpflichtet ("vertraglich vereinbarte Auslegungsregel"), ist dessen freizügigkeitsspezifische Rechtsprechung zu Annahme und Rechtfertigung von Diskriminierungen im Bereich der Grundfreiheiten zu beachten.

In ständiger Rechtsprechung nimmt der EuGH eine Beschränkung von Grundfreiheiten allgemein bereits an, wenn nationale Maßnahmen die Ausübung der Grundfreiheiten behindern oder weniger attraktiv machen (vgl stellvertretend Urteil vom 30.11.1995, C-55/94 "Gebhard", EuGHE I 1995, 4186, 4197 f RdNr 37). Indessen ist für den Bereich der sozialen Sicherheit zu berücksichtigen, dass es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, die Sozialversicherungspflicht selbst zu regeln. So betont der EuGH in ständiger Rechtsprechung, dass das Gemeinschaftsrecht die Befugnis der Mitgliedstaaten unberührt lässt, ihre Systeme der sozialen Sicherheit auszugestalten (vgl Urteil vom 17.6.1997, C-70/95 "Sodemare SA", EuGHE I 1997, 3422, 3433 RdNr 27; Urteil vom 17.2.1993, C-159/91 und C-160/91 "Poucet" und "Pistre", EuGHE I 1993, 664, 667 RdNr 6; Urteil vom 7.2.1984, 238/82 "Duphar", EuGHE I 1984, 523, 540 f RdNr 16). Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Entscheidung des nationalen Parlamentsgesetzgebers über die Einbeziehung und Nichteinbeziehung bestimmter Personengruppen in die Systeme der sozialen Sicherheit. Die Existenz nationaler Sozialrechtsordnungen bleibt insoweit unberührt, deren Unterschiede bleiben bestehen (stRspr; vgl EuGH, Urteil vom 15.1.1986, C-41/84 "Pinna", EuGHE I 1986, 17, 25 RdNr 20 f). Soweit es gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen ermangelt, geht der EuGH außerdem stets davon aus, dass dem nationalem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Nachteile, die in Ermangelung gemeinschaftsrechtlicher Vereinheitlichungs- oder Harmonisierungsmaßnahmen, insbesondere auf dem Gebiet der sozialen Sicherheit, entstehen, sind deshalb hinzunehmen, soweit sie unterschiedslos angewendet werden, geeignet sind, das angestrebte Ziel zu erreichen, und dem Grundsatz der Erforderlichkeit genügen (vgl etwa Urteil vom 14.7.1994, C-379/92 "Peralta" EuGHE I 1994, 3487, 3499 RdNr 34, für die Niederlassungsfreiheit unter ausdrücklicher Bezugnahme auch auf Sozialabgaben).

Allerdings hat der EuGH in der Rechtssache "Segers" zu den früheren Art 52 und 58 EWGVtr, die den jetzigen Art 43 und 48 EGVtr entsprechen, mit dem - nach Art 16 Abs 2 Satz 1 des Freizügigkeitsabkommens ebenfalls zu beachtenden - Urteil vom 10.7.1986 (79/85, EuGHE I 1986, 2382, 2388 RdNr 15) entschieden, dass es eine Verletzung der nach diesen Vorschriften gewährleisteten Niederlassungsfreiheit ist, wenn der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht, die allein und ausschließlich in den Niederlanden tätig ist, in Bezug auf seine Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung in den Niederlanden anders behandelt wird als der Geschäftsführer einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach niederländischem Recht. Er hat dies damit begründet, dass das Erfordernis, eine nach dem Recht eines Mitgliedstaats gegründete Gesellschaft den inländischen Gesellschaften gleichzustellen, das Recht des Personals dieser Gesellschaft auf Anschluss an ein bestimmtes System der sozialen Sicherheit impliziere. Eine Diskriminierung des Personals in Bezug auf den sozialen Schutz schränke die Freiheit der Gesellschaften eines anderen Mitgliedstaates, sich ... niederzulassen, mittelbar ein.

In Anwendung dieser Rechtsprechung hat der Senat im Fall eines Mitglieds des Board of Directors einer irischen private limited company und Hauptbevollmächtigten ihrer Zweigniederlassung in Deutschland mit Urteil vom heutigen Tage (B 12 KR 23/06 R, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR vorgesehen) entschieden, dass eine entsprechende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit (vgl Art 43, 48 EGVtr) der private limited company von dieser hinzunehmen ist. Der Senat hat seine Auffassung damit begründet, dass aus dem Urteil des EuGH in der Rechtssache "Segers" nur das Gebot zu entnehmen sei, dass die Beschäftigten aller mitgliedstaatlichen Kapitalgesellschaften in Bezug auf die Versicherungspflicht oder auch Versicherungsfreiheit grundsätzlich gleich behandelt werden müssen, daraus jedoch nicht folge, dass alle Organmitglieder nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeter, gemeinschaftsangehöriger Gesellschaften, die in Deutschland ihren Beschäftigungsort haben, gleichermaßen wie Mitglieder des Vorstandes einer deutschen AG in der GRV versicherungsfrei sind. Er hat ausgeführt, dass im Anwendungsbereich der Niederlassungsfreiheit nur Organmitglieder solcher mitgliedstaatlicher Kapitalgesellschaften von der Versicherungspflicht in der GRV freigestellt sind, die einer deutschen AG vergleichbar sind. Der Senat hat in diesem Zusammenhang schließlich dargelegt, dass der deutsche Sozialgesetzgeber im Lichte der Niederlassungsfreiheit für die Abgrenzung zwischen versicherungspflichtigen und versicherungsfreien Beschäftigten auf die Rechtsform der sie beschäftigenden Unternehmen abstellen dürfe und Personen wie der dortige Kläger im Hinblick auf die Anwendung des § 1 Satz 4 SGB VI und des § 27 Abs 1 Nr 5 des Dritten Buches Sozialgesetzbuch - Arbeitsförderung - anders als Vorstandsmitglieder einer AGdR behandelt werden dürften, weil diese Differenzierungen solchen im sekundären europäischen Gesellschaftsrecht, insbesondere in den gesellschaftsrechtlichen Richtlinien und in der Verordnung des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der Europäischen Gesellschaft (ABl 2001 L 294/1) entsprächen und die dahinter stehenden Wertungen des europäischen Gesetzgebers für die Bestimmung des versicherungspflichtigen Personenkreises im Bereich der sozialen Sicherheit offenkundig übernommen werden könnten.

Zwar rechtfertigen die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Inhalts des schweizerischen Obligationenrechts und seine in dessen Würdigung gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen, an die der Senat gebunden ist (vgl § 162 des Sozialgerichtsgesetzes), die Annahme, dass die AGsR einer AGdR nach ihrer Form und Bedeutung vergleichbar ist. In dem mit der Schweiz bestehenden Abkommensrecht finden sich entsprechende Abgrenzungen aus gesellschaftsrechtlicher Sicht, die nach der Rechtsform von Gesellschaften differenzieren und eine Zuordnung von Rechtsformen schweizerischer Kapitalgesellschaften zu Rechtsformen von Kapitalgesellschaften in den Mitgliedstaaten vornehmen, namentlich die Parallelform(en) schweizerischen Rechts zur deutschen AG bestimmen, jedoch nicht. Der Senat hat insbesondere Zweifel daran, ob das am 10.10.1989 unterzeichnete Abkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Schweizerischen Eidgenossenschaft betreffend die Direktversicherung mit Ausnahme der Lebensversicherung (ABl 1991 L 205/3) in diesem Zusammenhang heranzuziehen ist. Zwar haben die Vertragsparteien hierin im Rahmen koordinierender Bestimmungen für die Aufnahme oder Ausübung der selbstständigen Tätigkeit der Direktversicherung in Anhang Nr 3 zu Art 9 die AGsR mit der AGdR, dem deutschen VVaG und öffentlich-rechtlichen Wettbewerbsversicherungsunternehmen gleichgesetzt. Insoweit stellen die Vertragsparteien nämlich für die behördliche Zulassung von Versicherungsunternehmen in den Vertragsstaaten die Voraussetzung auf, dass diese eine der in Anhang Nr 3 genannten (Gesellschafts)Rechtsformen annehmen (vgl dort Art 9, Art 10 Abs 1). Für die Beurteilung der vorliegenden Frage dürfte sich aus diesem Abkommen jedoch nichts ergeben. Unabhängig davon, welche Aussagekraft einer solchen Zusammenfassung von (Gesellschafts)Rechtsformen im Rahmen vertraglich vereinbarten Versicherungsaufsichtsrechts zukommen kann, wird darin schon keine Gleichstellung der AGsR nur mit der AGdR und dem deutschen "großen" VVaG angeordnet. Aus der Sicht des Versicherungsaufsichtsrechts ist danach Vergleichbarkeit (lediglich) mit allen in Deutschland zu Tätigkeiten der Direktversicherung zugelassenen Rechtsformen bestimmt.

cc) Ist Gesellschaften wie der Beigeladenen zu 3. ein Recht auf freie Niederlassung im Freizügigkeitsabkommen nicht gewährt, so bedarf es einer Antwort auf die Frage, ob das auch Gesellschaften eröffnete (vgl Art 5 Abs 1, Anhang I Art 18) Recht auf Erbringung von Dienstleistungen im Gebiet einer Vertragspartei der (aktiven) Dienstleistungsfreiheit im Gemeinschaftsrecht (vgl Art 49, 50 EGVtr iVm § 48 EGVtr) entspricht.

Die Zielbestimmung des Freizügigkeitsabkommens, die die Liberalisierung kurzzeitiger Dienstleistungen hervorhebt (vgl Art 1 Buchst b), und die Vorschriften über Dienstleistungserbringer (vgl Art 5 Abs 1, Abs 2 Buchst a; Anhang I Art 17 Buchst a), die ein Recht zur Erbringung von Dienstleistungen (lediglich) für die "Dauer von 90 tatsächlichen Arbeitstagen pro Kalenderjahr" einräumen, legen nach Auffassung des Senats zunächst eine Auslegung nahe, wonach das Recht auf freien (aktiven) Dienstleistungsverkehr im Verhältnis zur Schweiz zeitlich stärker eingeschränkt ist als innerhalb der EG. Indessen ist in Art 5 Abs 2 Buchst b des Freizügigkeitsabkommens auch ein Recht zur längeren Erbringung von Dienstleistungen erfasst, wenn von der zuständigen Behörde der betreffenden Vertragspartei eine "Erlaubnis zur Erbringung einer Dienstleistung" erteilt wird. Insoweit könnte das Freizügigkeitsabkommen längerfristige Dienstleistungen nach Maßgabe einer Einzelfallprüfung gestatten. Für diesen Fall wäre ua klärungsbedürftig, welche Gestalt die geforderte Behördenerlaubnis annehmen muss, ob etwa die (bloße) Eintragung der Zweigniederlassung einer Gesellschaft in das Handelsregister des Vertragsstaates wie im vorliegenden Fall ausreichend ist. Fraglich ist nach Ansicht des Senats weiter, ob das im Freizügigkeitsabkommen garantierte Recht auf Erbringung von Dienstleistungen im Gebiet der anderen Vertragspartei auch sonst den gleichen Gewährleistungsinhalt hat wie die im Gemeinschaftsrecht verankerte Dienstleistungsfreiheit (vgl Art 49, 50 EGVtr iVm Art 48 EGVtr). So lässt sich beispielsweise aus Art 5 Abs 2 für das Recht auf Dienstleistungserbringung und aus Art 5 Abs 3 für das Recht auf Empfang von Dienstleistungen schließen, dass die Dienstleistungsfreiheit im Sinne des Freizügigkeitsabkommens nur deren aufenthaltsrechtliche Aspekte erfasst (so etwa Kahil-Wolff/Mosters, aaO, 8; auch Weigell, aaO, 194). Denn beide Vorschriften gewähren ausdrücklich nur das Einreise- und Aufenthaltsrecht. Bezweifelt werden muss darüber hinaus, dass Art 7 Buchst a sowie Anhang I Art 17 und 19 des Freizügigkeitsabkommens für das Recht auf Dienstleistungserbringung ein ähnlich umfassendes Beschränkungsverbot bzw ein ähnliches Verbot unmittelbarer und mittelbarer Diskriminierung statuieren wie Art 49, 50 Abs 3 EGVtr für den innergemeinschaftlichen Dienstleistungsverkehr (so aber Imhof, aaO, 158, 217, 221 f). Zu klären ist schließlich, wie der sachliche Anwendungsbereich des Rechts auf Erbringung von Dienstleistungen abzugrenzen ist, wenn ein paralleles Recht auf Niederlassung nicht gewährt ist. Hierzu bedarf es jedenfalls einer Auseinandersetzung (vgl Art 16 Abs 2 Satz 1 des Freizügigkeitsabkommens) mit dem Urteil des EuGH vom 4.12.1986 in der Rechtssache "Kommission/Bundesrepublik Deutschland" (205/84, EuGHE I 1986, 3793, 3801 RdNr 20 f). Danach kann sich ein Unternehmen, das in einem anderen Mitgliedstaat über eine (dauerhafte) Zweigniederlassung verfügt, wegen seiner Präsenz in diesem Mitgliedstaat für seine grenzüberschreitende Dienstleistungserbringung nicht auf Art 49, 50 EGVtr berufen.

Ist Gesellschaften wie der Beigeladenen zu 3. ein Recht zur Erbringung von Dienstleistungen umfassend eröffnet, so ist zweifelhaft, ob die Nichtanwendung des § 1 Satz 4 SGB VI zu einer Diskriminierung der Gesellschaft führt. Hier stellen sich die unter bb) aufgeführten Fragen in gleicher Weise, nur mit dem Unterschied, dass Prüfungsmaßstab nicht das Niederlassungsrecht, sondern das im Freizügigkeitsabkommen garantierte Recht zur Dienstleistungserbringung ist.

Ende der Entscheidung

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