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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 21.09.2005
Aktenzeichen: B 12 KR 6/04 R
Rechtsgebiete: SGB V, RSAV


Vorschriften:

SGB V § 266 Abs 1 S 1
SGB V § 266 Abs 6 S 5
SGB V § 266 Abs 6 S 7
SGB V § 267 Abs 1
SGB V F. 21.12.1992 § 267 Abs 3 S 1
SGB V F. 21.12.1992 § 267 Abs 3 S 2
SGB V F. 21.12.1992 § 267 Abs 3 S 3
SGB V § 267 Abs 3 S 1
SGB V § 267 Abs 3 S 2
SGB V § 267 Abs 3 S 3
SGB V § 267 Abs 3 S 4
RSAV § 25 Abs 1 S 1
RSAV § 25 Abs 1 S 2
RSAV § 25 Abs 1 S 3

Entscheidung wurde am 29.11.2005 korrigiert: die Rechtsgebiete, Vorschriften und der Verfahrensgang wurden geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Zur Rechtmäßigkeit des vorläufigen Risikostrukturausgleichs 1994.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 21. September 2005

Az: B 12 KR 6/04 R

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 21. September 2005 durch den Richter Dr. Berchtold als Vorsitzenden, den Richter Dr. Bernsdorff und die Richterin Hüttmann-Stoll sowie die ehrenamtlichen Richter Johannsen und Stahl

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Februar 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten zuletzt noch über den vorläufigen Risikostrukturausgleich (RSA) für das Kalenderjahr 1994.

Das beklagte Bundesversicherungsamt (BVA) setzte mit Bescheid vom 4. Dezember 1995 für den Bereich West und mit Bescheid vom 5. Dezember 1995 für den Bereich Ost über die "Berechnung des vorläufigen Jahresausgleichs nach § 25 der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) für das Kalenderjahr 1994" (im Folgenden: vorläufiger RSA für 1994) Ausgleichsbeträge in Höhe von 296.629.632,75 DM (West) und 25.894.599,85 DM (Ost) fest. Zugleich forderte es die Klägerin, die sich mit Wirkung vom 1. Januar 2000 unter Weiterführung ihres bisherigen Namens mit der Gärtnerkrankenkasse zusammengeschlossen hat, zur Zahlung auf. Die Klägerin hat gegen beide Bescheide Klage erhoben.

Während des sozialgerichtlichen Verfahrens setzte das BVA zu Lasten der Klägerin mit zwei Bescheiden vom 4. Dezember 1996 zur endgültigen "Berechnung des Jahresausgleichs nach § 25 der Risikostrukturausgleichsverordnung (RSAV) für das Kalenderjahr 1994" einen Ausgleichsbetrag von 31.660.930,01 DM für den Bereich West und von 15.715.949,19 DM für den Bereich Ost fest. Die Klägerin hat auch gegen diese Bescheide Klage erhoben. Im Verfahren zu den Bescheiden vom 4./5. Dezember 1995 hat die Klägerin nach Ergehen der Bescheide vom 4. Dezember 1996 noch beantragt, festzustellen, dass die Bescheide rechtswidrig sind. Diese Klage wurde mit Urteil vom 9. Juli 1999 als unbegründet abgewiesen. Die Klägerin hat Berufung eingelegt. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 4. Februar 2004 die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und bezüglich des vorläufigen RSA für 1994 die Revision zugelassen. Es hat insofern im Wesentlichen ausgeführt: Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei unzulässig, weil ein berechtigtes Interesse der Klägerin auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Bescheide vom 4. und 5. Dezember 1995 nicht bestehe. Auf eine Wiederholungsgefahr könne sich die Klägerin schon deshalb nicht berufen, weil ihr gegen die endgültige Durchführung des RSA 1994 Rechtsmittel zustünden, von denen sie auch Gebrauch gemacht habe. Ebenso begründe auch die beabsichtigte Amtshaftungsklage kein berechtigtes Interesse auf Feststellung, weil ein Prozess wegen Amtspflichtverletzung mangels eines für einen Schaden kausalen Verschuldens der Beklagten bzw eines ihrer Bediensteten offensichtlich aussichtslos sei.

Die Klägerin hat Revision eingelegt. Sie rügt einen Verstoß gegen § 131 Abs 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sei ein Amtshaftungsanspruch gegeben. Die Beamten der Beklagten hätten gegenüber der Klägerin ihre Amtspflicht zu gesetzmäßigem Verhalten verletzt. Der vorläufige Jahresausgleich 1994 sei nicht von § 25 Abs 2 RSAV aF gedeckt. Die für die Durchführung des vorläufigen RSA 1994 erforderliche Datenerhebung nach § 267 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) sei im Sinne von § 25 Abs 2 RSAV aF nicht zustande gekommen. Für diesen Fall habe aber die RSAV keinen vorläufigen Jahresausgleich auf der Grundlage von Schätzwerten vorgesehen. Die Beklagte hätte deshalb den Jahresausgleich ein Jahr später durchführen müssen. Die Rechtslage habe durch die rückwirkende Änderung des § 25 Abs 2 RSAV zum 1.1.1995 durch die 1. RSAV-ÄndVO vom 17. Juli 1996 keine Änderung erfahren. Diese Verordnungsregelung sei unwirksam, weil sie von der gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt sei und ein Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot vorliege.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 4. Februar 2004 und das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. Juli 1999 aufzuheben und festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 4. und 5. Dezember 1995 rechtswidrig waren.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Entscheidung des LSG verstoße nicht gegen § 131 Abs 1 Satz 3 SGG. Eine Amtshaftungsklage sei offensichtlich aussichtslos. Es lägen weder eine Amtspflichtverletzung von Bediensteten der Beklagten noch ein entsprechendes Verschulden vor. Die Bescheide der Beklagten vom 4. und 5. Dezember 1995 über den vorläufigen Jahresausgleich für 1994 seien rechtmäßig gewesen. § 25 Abs 1 Satz 1 RSAV habe ohne Verstoß gegen die Ermächtigungsgrundlage für 1994 von Anfang an keine Vollerhebung der relevanten Daten vorausgesetzt. Anlass für eine Verschiebung des RSA habe daher nicht bestanden.

II

Die zulässige Revision der Klägerin erweist sich als sachlich unbegründet. Zutreffend hat das LSG ihre Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 9. Juli 1999 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage gegen die Bescheide der Beklagten vom 4. bzw 5. Dezember 1995 bereits als unzulässig abzuweisen war.

Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht gemäß § 131 Abs 1 Satz 3 SGG auf Antrag durch Urteil aus, dass der Verwaltungsakt rechtswidrig ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat. Der erkennende Senat ist als Revisionsgericht unabhängig von der entsprechenden Rüge der Klägerin gesetzlicher Richter, die Zulässigkeit der (geänderten) Klage von Amts wegen unmittelbar selbst zu prüfen (vgl Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 27. August 1998, B 9 SB 13/97 R, VersorgVerw 1999, 47 = juris Nr KSRE006261509, und Urteil des erkennenden Senats vom 15. August 1991, 12 RK 39/90, SozR 3-1500 § 73 Nr 2). Die Fortsetzungsfeststellungsklage ist - wie auch das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - unzulässig. Zwar kann von der (ausnahmsweisen) Zulässigkeit der ursprünglichen Anfechtungsklagen gegen die Verwaltungsakte vom 4. und 5. Dezember 1995 ausgegangen werden. Einzelne Kassen können die ihnen im Rahmen des RSA erteilten Bescheide jedenfalls insofern mit der Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 SGG) angreifen, als geltend gemacht wird, der RSA sei insgesamt rechtswidrig, leide an Mängeln, die seine Wiederholung erforderlich machen (vgl Urteil des Senats vom 24. Januar 2003, B 12 KR 19/01 R, BSGE 90, 232, 240 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 31), oder - wie hier - er hätte statt 1994 erstmals 1995 durchgeführt werden dürfen. Auch ist ein erledigendes Ereignis eingetreten, weil diese Regelungen durch den Erlass der Bescheide über den endgültigen RSA für 1994 rückwirkend und vollständig ersetzt worden sind (Urteile des Senats vom 24. Januar 2003, B 12 KR 18/02 R, SozR 4-2500 § 266 Nr 2 RdNr 8 und B 12 KR 19/02 R, USK 2003-22 = juris Nr KSRE074191517), und bestand ein klärungsfähiges Rechtsverhältnis. Indes fehlte es am Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht als dem insofern maßgeblichen Zeitpunkt (Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 8. Auflage, § 131 RdNr 10; s auch Bundesverwaltungsgericht <BVerwG> Urteil vom 27. März 1998, 4 C 14/96, BVerwGE 106, 295) an dem erforderlichen berechtigten Interesse.

Ein derartiges Interesse ergibt sich für den vorliegenden Sachverhalt zunächst nicht aus dem Gesichtspunkt der von der Klägerin ursprünglich geltend gemachten Wiederholungsgefahr. Der Erlass eines weiteren Bescheides, der für das Kalenderjahr 1994 ein zweites Mal die Durchführung eines vorläufigen RSA zum Inhalt haben könnte, ist nach Erlass der (mittlerweile bestandskräftigen) Bescheide zum endgültigen RSA 1994 ausgeschlossen. Für weitere Kalenderjahre ist der Erlass nur vorläufiger Bescheide von vorne herein nicht vorgesehen.

Da eine Amtshaftungsklage schon wegen des Fehlens einer Amtspflichtverletzung offensichtlich unbegründet ist, ergibt sich ein berechtigtes Interesse vorliegend auch nicht aus diesem Gesichtspunkt. Der Aufgabenkreis der Beklagten und ihrer Bediensteten im Bundesversicherungsamt bei der Durchführung des RSA war jedenfalls zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht durch die Urteile des erkennenden Senats zum RSA vom 24. Januar 2003 grundsätzlich geklärt. Dies gilt - obwohl dort zwar bereits ebenfalls ausführlich besprochen, aber noch nicht tragend entschieden - auch für die besonderen Verhältnisse bei der erstmaligen Durchführung des RSA für das Kalenderjahr 1994. Auf Gesichtspunkte des Verschuldens und der (rechtlichen) Kausalität für den behaupteten Schaden der Klägerin kommt es damit nicht mehr an. Der Senat hat auch insofern eine eigene und abschließende Prüfungskompetenz, ohne dass hierdurch die Gefahr der Vorwegnahme einer Entscheidung des im Verfahren der Amtshaftungsklage zuständigen ordentlichen Gerichts begründet würde. Nach der Rechtsprechung liegt ein berechtigtes Interesse nämlich bereits dann vor, wenn die verwaltungsgerichtliche Entscheidung für ein zivilgerichtliches Amtshaftungsverfahren erheblich sein kann. Andererseits muss ein derartiges Mindestmaß an Beziehung zwischen Feststellungsinteresse und Amtshaftungsprozess gewahrt bleiben, will man nicht zu einem rein theoretischen Interesse ohne praktische Folgerungen gelangen (s bereits BSG, Urteil vom 21. Oktober 1958, 6 RKa 22/55, BSGE 8, 178, 183f). Hierzu gilt im einzelnen folgendes.

Die in den Bescheiden der Beklagten vom 4. und 5. Dezember 1995 verlautbarten Verwaltungsakte zum vorläufigen RSA für das Kalenderjahr 1994 waren rechtmäßig. Weder begegnen die rechtlichen Grundlagen, auf die sie sich stützen, Bedenken (vgl zuletzt Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juli 2005, 2 BvF 2/01), noch hat die Beklagte geltendes Recht fehlerhaft angewandt. Insbesondere durfte der vorläufige RSA für das Kalenderjahr 1994 trotz des Fehlens einer vollständigen Datenerhebung durchgeführt werden.

Das BVerfG hatte mit Beschluss vom 8. Februar 1994, 1 BvR 1237/85 (BVerfGE 89, 365 = SozR 3-2200 § 385 Nr 4 S 3) die Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil des Senats vom 22. Mai 1985, 12 RK 15/83 (BSGE 58, 134, 139 = SozR 2200 § 385 Nr 14 S 60), in dem dieser die - damals erheblichen - Beitragssatzunterschiede in der gesetzlichen Krankenversicherung als mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar angesehen, jedoch bereits angedeutet hatte, dass sie künftig ausgleichsbedürftig werden könnten, zurückgewiesen. Allerdings sei die Ungleichbehandlung der Versicherten verschiedener Krankenkassen durch unterschiedlich hohe Beitragssätze schon in der Vergangenheit bedenklich gewesen. Beitragssatzunterschiede seien, solange sich der einzelne dieser Belastung nicht durch die Wahl einer anderen Kasse entziehen könne, nicht mehr gerechtfertigt, wenn sie ein unangemessenes Ausmaß erreichten. Gleichwohl sei Art 3 Abs 1 GG nicht verletzt, weil dem Gesetzgeber genügend Zeit für eine Korrektur eingeräumt werden müsse und er bereits hinreichend Schritte unternommen habe, die Unterschiede zu verringern. Die Einführung des umfassenden RSA unter den Kassen durch das Gesundheitsstrukturgesetz (GSG) vom 21. Dezember 1992 (BGBl I 2266) lasse eine weitere Verringerung der Beitragssatzunterschiede erwarten. Außerdem sei damit zu rechnen, dass das verfassungsrechtliche Problem der Beitragssatzunterschiede durch die Einführung der Wahlmöglichkeit zwischen verschiedenen Kassen ab 1. Januar 1996 zusätzlich entschärft werde.

Der damit verfassungsrechtlich gebotenen Vermeidung einer ungleichen Beitragsbelastung der Versicherten durch die genannten Maßnahmen sollte nach Auffassung des Gesetzgebers zur Wahrung größtmöglicher Chancengleichheit unter den Kassen durch einen RSA zum Ausgleich der finanziellen Auswirkungen einer unterschiedlichen Verteilung bestimmter Versicherungsrisiken der Boden bereitet werden. Aufgrund des untrennbaren Funktionszusammenhanges zwischen "Wettbewerb" und RSA war es dabei unabweisbar, beide durch einen Übergangszeitraum zu trennen und den RSA zeitlich vor der später vorgesehenen Zulassung der Kassenwahlfreiheit einzuführen (vgl BVerfG, Beschluss vom 9. Juni 2004, 2 BvR 1248/03 ua SozR 4-2500 § 266 Nr 7; vgl hierzu auch BT-Drucks 12/3608 S 74). Von Verfassungs wegen können die Interessen der rechts-, aber nicht grundrechtsfähigen Kassen dabei keinen Vorrang vor der Grundrechtsverwirklichung der Versicherten beanspruchen; dies haben schon im Blick auf Art 1 Abs 3 GG zutreffend auch die Beklagte und deren Bedienstete beachtet. Die zeitgerechte Bereitstellung ihrem Betrag nach feststehender Mittel für die ausgleichsberechtigten Kassen war daher gegenüber der fehlerfreien Durchführung des RSA höherrangig. Der RSA würde im Gegenteil a priori undurchführbar, hinge er von der Vollständigkeit und Fehlerfreiheit seiner Datengrundlage ab. Die Unmöglichkeit einer Beschaffung ausreichender Datengrundlagen bereits in den Anfangsjahren war im Gesetzgebungsverfahren bekannt (Protokoll der 39. Sitzung des 15. Ausschusses vom 24. September 1992). Wenn das Gesetz gleichwohl die Durchführung des RSA bereits für 1994 anordnet, liegt hierin keine Selbstwidersprüchlichkeit, vielmehr stellt es die Rechtzeitigkeit des - damals noch getrennt nach Ost und West sowie gesondert neben dem Finanzausgleich in der Krankenversicherung der Rentner durchgeführten (vgl Urteil des Senats vom 24. Januar 2003, B 12 KR 19/01 R, SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 16) - RSA "bewusst" über seine Richtigkeit und Vollständigkeit.

Das SGB V drückt dies konkret durch den Grundsatz der jährlichen Festsetzung endgültiger Ausgleichsbeträge bis zum Ende desjenigen Jahres, das dem Jahr folgt, für das der Ausgleich durchgeführt werden soll (vgl insbesondere § 266 Abs 1 Satz 1, Abs 6 Satz 5, § 267 Abs 1 SGB V), bei Verschiebung der Fehlerbeseitigung auf künftige Ausgleichsverfahren (§ 266 Abs 6 Satz 7 SGB V) aus. Dieser Grundsatz reduziert im Rahmen seines Anwendungsbereichs die Anforderungen an das Vorliegen nach § 267 Abs 3 SGB V (vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der dortigen normativen Bestimmung der Datengrundlage zuletzt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juli 2005, 2 BvF 2/01, S 120 ff des Umbruchs) erhobener Daten als Voraussetzung für die Durchführung des RSA. Die Krankenkassen erheben nach § 267 Abs 1 Nr 1 SGB V für jedes Geschäftsjahr die Leistungsausgaben, die in § 4 RSAV abgegrenzt sind. Sie erfassen diese Ausgaben gemäß § 267 Abs 3 Satz 1, 2 SGB V idF des GSG (vgl heute § 267 Abs 3 Sätze 1 bis 3 SGB V) in Abständen von längstens drei Jahren auch getrennt nach Versicherungsgruppen. Die Erhebung der Daten kann auf für die Kassenart repräsentative Stichproben im Bundesgebiet oder in einzelnen Ländern begrenzt werden (§ 267 Abs 3 Satz 3 SGB V idF des GSG <heute § 267 Abs 3 Satz 4 SGB V>). Nach § 267 Abs 7 Nr 1 SGB V vereinbaren die Spitzenverbände der Krankenkassen bis zum 30. April 1993 das Nähere über den Erhebungsumfang, die Auswahl der Regionen und der Stichprobenverfahren nach Abs 3. In diesem Rahmen hat der Gesetzgeber das Verfahren den Spitzenverbänden überlassen. Sie verfügen über die notwendigen Kenntnisse der Möglichkeiten und Grenzen der Datenbeschaffung. Der Gesetzgeber konnte davon ausgehen, dass die Sachkunde der Verbände und der zwischen ihnen herzustellende Interessenausgleich eine Gewähr dafür biete, strukturellen Bevorzugungen oder Benachteiligungen bestimmter Kassen oder Kassenarten einen Riegel vorzuschieben (BVerfG Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juli 2005, 2 BvF 2/01, S 121 des Umbruchs). Die Spitzenverbände haben die ab Mai 1993 geltende Vereinbarung nebst Anlagen getroffen (Vereinbarung 93; vgl im einzelnen Urteil des Senats vom 24. Januar 2003, B 12 KR 19/01 R, BSGE 90, 231, 250 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 61). Das BVA musste den RSA anhand der nach dieser Vereinbarung erhobenen Daten und vorgesehenen Berechnungen durchführen.

Der Senat hat hierzu bereits dargelegt, dass der Gesetzgeber im Blick darauf, dass der RSA einerseits zusammen mit einer Erweiterung der Kassenwahlrechte ein geeignetes und alsbald erforderliches Mittel zur Begrenzung der verfassungsrechtlich bedenklichen hohen Beitragssatzunterschiede war, andererseits mit den damals erfassten Daten nicht durchgeführt werden konnte, bei seiner Abwägungsentscheidung einen Mittelweg zwischen der Beschaffung hinreichender Daten und einer vertretbaren Kostenbelastung der Beteiligten vorsehen durfte (Urteil vom 24. Januar 2003, B 12 KR 19/01 R, BSGE 90, 231, 244 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1 RdNr 43f). Der Senat hat darüber hinaus auch darauf hingewiesen, dass mit dem RSA als kassenartübergreifendem Ausgleich von risikobezogen gebildeten Versicherungsruppen ohne die Möglichkeit, auf den bisherigen Finanzausgleich in größerem Umfang zurückzugreifen, Neuland betreten wurde und daher umfangreiche Regelungen und Erhebungen erforderlich waren. Allen an der Regelung und Durchführung des RSA Beteiligten musste daher zugestanden werden, dass sie zunächst allgemeine Regelungen treffen, Erfahrungen sammeln und erkennbar werdende Mängel einer hier weit in Einzelheiten gehenden Regelung schrittweise beheben. Bescheide, die bis dahin anhand zunächst unvollkommener, aber vertretbarer Vorschriften ergehen, sind aus diesem Grunde noch nicht rechtswidrig (Urteil des Senats aaO RdNr 46). Noch für den RSA 1997 hat die oberstgerichtliche Rechtsprechung daher entschieden, dass dieser auf der Grundlage der von den Krankenkassen gemeldeten Zahlen und nach dem damaligen Stand der - erst spätestens 2001 abgeschlossenen! - Grundbereinigung durchgeführt und die Fehlerkorrektur gemäß § 266 Abs 6 Satz 7 SGB V späteren Jahresausgleichen überlassen werden durfte (Urteil des Senats aaO RdNr 51).

Vor diesem Hintergrund hält sich die RSAV im Rahmen der erteilten Ermächtigung, ua "das Nähere ... über das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs" zu regeln (§ 266 Abs 7 Nr 6 SGB V), wenn sie in § 19 Abs 5 RSAV als Regel bestimmt, dass der Ausgleich bis zum Ende des auf das Ausgleichsjahr folgenden Kalenderjahres durchzuführen ist. Von der Ermächtigung ebenfalls gedeckt ist indes auch die in § 25 Abs 1 Satz 1 RSAV vorgesehene Regelung, die für das besonders schwierige Anfangsjahr 1994 des RSA ausnahmsweise und einmalig zunächst dessen nur vorläufige Durchführung auf der Grundlage der hierfür nach § 267 Abs 3 SGB V durchgeführten Erhebungen festgestellten Verhältniswerte (§ 5 RSAV) vorsieht und in § 25 Abs 1 Satz 2 RSAV vorbehaltlich einer abweichenden Bestimmung der Beklagten mit Zustimmung aller Spitzenverbände (§ 25 Abs 1 Satz 3 RSAV) grundsätzlich eine "Berichtigung" auf der Grundlage der nach den im Jahre 1995 durchgeführten Erhebungen festgestellten Verhältniswerte anordnet (s ausdrücklich Urteil des Senats vom 24. Januar 2003, B 12 KR 19/02 R, USK 2003-22 = juris Nr KSRE074191517). In den Motiven wurde hierzu ausgeführt, dass nach der Vereinbarung der Spitzenverbände der Krankenkassen die erste Stichprobenerhebung aus technischen und organisatorischen Gründen erst für das zweite Halbjahr 1994 und im Jahr 1995 erneut eine Erhebung stattfinden sollte. Der Verordnungsgeber ging davon aus, dass die statistische Sicherheit der 1995 durchgeführten Erhebung voraussichtlich größer sei als die vorherige nur auf das Halbjahr bezogene Datenerhebung. Daher sollte der erstmalig für 1994 durchzuführende RSA auf der Grundlage der Erhebungsergebnisse aus 1995 korrigiert werden (vgl BR-Drucks 611/93 S 64f zu § 25 Abs 1 des Entwurfs). Schon vom normativen Ausgangspunkt her war daher der vorläufige RSA 1994 durchzuführen, obwohl er hinsichtlich seiner tatsächlichen Grundlagen a priori für grundsätzlich verbesserungsbedürftig und -fähig erachtet wurde. Ergebnis des Korrekturverfahrens war dann nach seiner Funktion und dem normativ vorgegebenen zeitlichen Ablauf anstelle der üblichen Fehlerberichtigungen in späteren Jahresausgleichen die endgültige Durchführung des Jahresausgleichs für 1994 durch Wiederholung auf verbesserter Datengrundlage, wie sie vorliegend durch die Bescheide vom 4. Dezember 1996 geschehen ist (vgl Urteil des Senats vom 24. Januar 2003, B 12 KR 18/02 R, SozR 4-2500 § 266 Nr 2 RdNr 9). Ausdrücklich hat der Senat daher bereits ausgeführt (Urteil vom 24. Januar 2003, B 12 KR 19/02 R, USK 2003-22 = juris Nr KSRE07419517): "Das BVA hat daher mit Recht entsprechend der Regelung in § 19 Abs 5 RSAV zunächst den vorläufigen Jahresausgleich für 1994 bis Ende 1995 durchgeführt und diesen bis Ende 1996 nach Maßgabe des § 25 Abs 1 Satz 2 RSAV berichtigt, obwohl Unklarheiten bei der von 1994 gemeldeten Zahl der Versicherten bekannt geworden waren."

Die RSAV entspricht dem dargestellten Konzept des Gesetzes, zur Herbeiführung verfassungsgemäßer Zustände die nachträgliche Berichtigung der ursprünglichen Richtigkeit vorzuziehen bzw der regelmäßigen zeitgerechten Durchführung des RSA Vorrang vor der richtigen und vollständigen Datenerhebung einzuräumen, auch hinsichtlich der sonstigen speziell den vorliegenden Sachverhalt betreffenden Regelungen. Dies gilt zunächst insofern, als sie unter den besonderen Verhältnissen der Anfangszeit die Durchführung des RSA auch für 1994 vorsieht, obwohl Erhebungen nach § 267 Abs 3 SGB V nur für einen kürzeren Zeitraum als das Kalenderjahr durchgeführt worden sind (§ 23 Abs 3 RSAV). Darüber hinaus trägt sie den gesetzlichen Vorgaben jedenfalls insofern Rechnung, als sie auch in § 25 Abs 2 (heute Satz 1) RSAV grundsätzlich von der Durchführung des RSAV trotz mangelhafter Datengrundlage ausgeht. Ob die Ermächtigung, das Nähere ... über das Verfahren und die Durchführung des Ausgleichs zu regeln, auch die Anordnung der ausnahmsweisen Nicht-Durchführung bzw späteren Durchführung umfassen kann, bedarf keiner näheren Erörterung. Jedenfalls hätte § 25 Abs 2 RSAV im Blick auf den Zweck des Gesetzes, ausgleichsberechtigten Kassen die für die Realisierung von Grundrechten der Versicherten innerhalb des Systems erforderlichen Mittel zukommen zu lassen, von Anfang an allenfalls auf den hier nicht vorliegenden Extremfall Anwendung finden dürfen, dass - zB aus technischen oder organisatorischen Gründen - "die Datenerhebung nach § 267 Abs 3 SGB V im Jahre 1994 nicht zustande" kommt, das heißt ein vollständiges Systemversagen ohne jede verwertbare Datenmenge im Sinn des § 267 Abs 3 SGB V vorliegt. (Nur) In diesem Fall hätte der Jahresausgleich ein Jahr später erfolgen sollen, als nach der Verordnung (VO) im Normalfall vorgesehen (BR-Drucks 611/93 vom 30. August 1993 S 65). Unstreitig lagen indes zumindest für den Bereich des Krankengeldes dem § 267 Abs 3 SGB V entsprechende Erhebungen vor. Die Einfügung der Sätze 2 und 3 des § 25 Abs 2 durch Art 1 Nr 12 Buchst b der Ersten VO zur Änderung der RSAV vom 17. Juli 1996 (BGBl I 1024) mit Wirkung vom 1. Januar 1995 verlautbart unter diesen Umständen eine bloße Textänderung ohne Rechtsänderung. Nach den genannten Bestimmungen gilt Satz 1 nicht, wenn die Datenerhebung zu teilweise verwertbaren Ergebnissen geführt hat und mit dem Jahresausgleich nach Abs 1 Satz 1 die Ergebnisse des monatlichen Ausgleichs verbessert werden können (Satz 2). Zur Verbesserung und Ergänzung der Stichprobenergebnisse nach Satz 2 können für die Bestimmung der Verhältniswerte wissenschaftlich-statistische Auswertungen anderer Datenquellen und Schätzungen zugrunde gelegt werden (Satz 3). Nach der Begründung soll die Vorschrift eine Rechtsunsicherheit beseitigen, die bei der Durchführung des vorläufigen Jahresausgleichs 1994 entstanden ist. Sie stelle klar, dass § 25 Abs 1 Satz 1 RSAV auch dann anzuwenden sei, wenn die Ergebnisse der für die Bestimmung der Verhältniswerte erforderlichen Datenerhebungen in Teilbereichen unzureichend seien. Außerdem werde klar gestellt, dass für die im vorläufigen Jahresausgleich 1994 maßgeblichen Verhältnisse auch zusätzliche Datenquellen und geschätzte Daten zugrunde gelegt werden könnten. Da die Rechtsverordnung für diesen Sachverhalt keine Regelung vorgesehen habe, werde insoweit eine Regelungslücke geschlossen (BR-Drucks 403/96 S 20). Schon deshalb geht auch das Vorbringen der Klägerin ins Leere, die genannten Sätze 2 und 3 seien "rückwirkend" in Kraft getreten und dürften aus diesem Grunde nicht angewandt werden. Selbst wenn im Übrigen eine Rückbewirkung von Rechtsfolgen durch Verordnungsrecht vorläge, könnte sich die Klägerin hierauf nicht berufen. Sie ist als juristische Person des öffentlichen Rechts nicht Trägerin von Grundrechten und konnte unter keinen denkbaren Umständen ein schützenswertes Vertrauen haben, sie dürfe sich darauf verlassen, sie könne ihrer Heranziehung zum vorläufigen RSA 1994 zu Lasten der ausgleichsberechtigten Kassen auf Dauer das Fehlschlagen von Ermittlungen entgegenhalten (vgl etwa BVerwG vom 11. April 1995, 4 B 61/95, Buchholz 316 § 73 VwVfG Nr 8).

Schließlich fehlt es auch an Anhaltspunkten für eine fehlerhafte Rechtsanwendung durch Bedienstete der Beklagten. Diese durften vielmehr ausgehend von der dargestellten Rechtslage den Durchführungsvorrang des RSA beachten und waren aufgrund der Aufgabenverteilung hinsichtlich der Bestimmung des Erhebungsverfahrens einerseits (vgl zuletzt BVerfG, Beschluss des Zweiten Senats vom 18. Juli 2005, 2 BvF 2/01 S 121 des Umbruchs) und zur Ermittlung der Datengrundlagen andererseits auch im vorliegenden Zusammenhang nicht selbst zu Ermittlungen bzw Überprüfungen verpflichtet (vgl bereits Urteil des Senats vom 24. Januar 2003, B 12 KR 19/01 R, BSGE 90, 231, 241, 244 ff, 250 ff, 267 = SozR 4-2500 § 266 Nr 1). Vielmehr musste das BVA den RSA anhand der von den Spitzenverbänden erhobenen und mitgeteilten Daten durchführen. Ebenso wie der Gesetzgeber (BVerfG aaO S 120 des Umbruchs) durfte es dabei berücksichtigen, dass die Krankenkassen als Adressaten des RSA Träger mittelbarer Staatsgewalt und somit gemäß Art 20 Abs 3 GG selbst unmittelbar an Gesetz und Recht gebunden sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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