Judicialis Rechtsprechung

Mit der integrierten Volltextsuche, die vom Suchmaschinenhersteller "Google" zur Verfügung gestellt wird, lassen sich alle Entscheidungen durchsuchen. Dabei können Sie Sonderzeichen und spezielle Wörter verwenden, um genauere Suchergebnisse zu erhalten:

Zurück

Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.12.2000
Aktenzeichen: B 12 KR 9/00 R
Rechtsgebiete: SGB IV, AFG


Vorschriften:

SGB IV § 28f Abs 2
AFG § 155
AFG § 159
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

Verkündet am 7. Dezember 2000

in dem Rechtsstreit

Az: B 12 KR 9/00 R

Bundesanstalt für Arbeit, Regensburger Straße 104, 90478 Nürnberg,

Klägerin und Revisionsbeklagte,

gegen

Kaufmännische Krankenkasse - KKH, Karl-Wiechert-Allee 61, 30625 Hannover,

Beklagte und Revisionsklägerin,

beigeladen:

1. Bundesrepublik Deutschland, Bundesamt für Finanzen, Friedhofstraße 1, 53225 Bonn-Beuel,

2. Allgemeine Ortskrankenkasse Berlin, Wilhelmstraße 1, 10963 Berlin,

3. Allgemeine Ortskrankenkasse für das Land Brandenburg, Potsdamer Straße 20, 14513 Teltow,

4. Allgemeine Ortskrankenkasse Sachsen-Anhalt, Lüneburger Straße 4, 39106 Magdeburg,

5. Allgemeine Ortskrankenkasse Sachsen, Arndtstraße 9, 01067 Dresden,

6. Allgemeine Ortskrankenkasse in Thüringen, Augustiner Straße 38, 99084 Erfurt,

7. Allgemeine Ortskrankenkasse Mecklenburg-Vorpommern, Am Grünen Tal 50, 19063 Schwerin,

Beigeladene zu 2) bis 7) vertreten durch den AOK-Bundesverband, Kortrijker Straße 1, 53177 Bonn.

Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. Dezember 2000 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, den Richter Balzer und die Richterin Harbeck sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Janzen und Teske

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Oktober 1999 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Die Beteiligten streiten darum, ob die beklagte Krankenkasse (Ersatzkasse) von der klagenden Bundesanstalt für Arbeit (BA) Beiträge zur Krankenversicherung auf Vorruhestandsgeld (Vog) verlangen kann, das im Jahre 1991 im Beitrittsgebiet gezahlt worden ist.

In der DDR hatten Arbeiter und Angestellte nach Maßgabe des § 1 und des § 2 Abs 1 der Verordnung über die Gewährung von Vog (VogVO-DDR) vom 8. Februar 1990 (GBl I 42) bei Beendigung des Arbeitsrechtsverhältnisses Anspruch auf Vog ab dem fünften Jahr vor Erreichen des Rentenalters. Dieses Vog (im folgenden: Vog-Ost) wurde vom Betrieb auf Antrag des Werktätigen gewährt (§ 2 Abs 2 Satz 1) und betrug 70 % des letzten Nettolohnes (§ 3). Den Betrieben wurden auf Antrag 50 % des gezahlten Vog-Ost aus Mitteln des Staatshaushalts erstattet (§ 6). Das Vog-Ost wurde nicht besteuert und unterlag der Beitragspflicht zur Sozialversicherung (§ 5 Abs 1). Der Bezug des Vog-Ost war wie ein Arbeitsverhältnis im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung einzutragen (§ 5 Abs 2).

Der Einigungsvertrag (EinigVtr) vom 11. August 1990 (BGBl II 889, 1210) bestimmte in Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 5 ua, daß die VogVO-DDR für Arbeitnehmer, die bis zum Wirksamwerden des Beitritts die Voraussetzungen dieser VO erfüllten, weitergalt mit der Maßgabe, daß das Vog-Ost und die darauf entsprechend den Vorschriften über das Arbeitslosengeld (Alg) zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge auf Antrag von der BA aus Mitteln des Bundes gezahlt wurden und das Vog-Ost 65 vH des durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelts der letzten drei Monate betrug. Die Berechnung und Auszahlung des Vog-Ost und der darauf entfallenden Beiträge übernahm im Auftrag der BA das Bundesamt für Finanzen. Anfang 1991 belief sich die Zahl der Bezieher des Vog-Ost bei den 38 Arbeitsämtern des Beitrittsgebiets auf etwa 400.000.

Am 1. Januar 1991 trat im Beitrittsgebiet das Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) in Kraft. Es bestand teilweise Unklarheit darüber, welche Krankenkassen für die Bezieher des Vog-Ost zuständig waren und ob auch Ersatzkassen für sie zuständig sein konnten. Dieses bejahte der Bundesminister für Gesundheit für Empfänger von Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz (AFG) im Beitrittsgebiet nach Maßgabe eines an das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung gerichteten Schreibens vom 25. Februar 1991. Der Präsident der BA schloß sich in einem Schnellbrief vom 19. März 1991 an die Arbeitsämter dieser Ansicht an und bat, die Leistungsbezieher nach dem AFG dementsprechend auch gewählten Ersatzkassen zuzuordnen. In den ersten acht Monaten des Jahres 1991 wurden von den Arbeitsämtern einige Vog-Ost-Bezieher den Ersatzkassen zugeordnet und die Beiträge an sie gezahlt. In welchem Umfang dieses für weitere Vog-Ost-Bezieher unterblieben ist, obwohl den Arbeitsämtern Ersatzkassen benannt worden waren, ist im einzelnen unklar und umstritten. Einige Arbeitsämter schrieben Vog-Ost-Bezieher wegen ihrer Krankenkasse an, erhielten jedoch häufig keine Antwort. Jedenfalls wurden Krankenversicherungsbeiträge, soweit sie nicht an Ersatzkassen oder andere Krankenkassen gezahlt wurden, an die Ortskrankenkassen des Beitrittsgebiets abgeführt.

Die Ersatzkassen vertraten die Ansicht, daß erhebliche Beitragssummen, die ihnen zugestanden hätten, an die Ortskrankenkassen gezahlt worden seien. Die Spitzenverbände der Krankenkassen nahmen auf Vorschlag des Bundesministers der Finanzen im September 1991 für die Zeit von Januar bis August 1991 einen pauschalen Ausgleich in Aussicht. Wie die Beklagte vorgetragen hat, sollten danach die Ersatzkassen insgesamt 35,5 Millionen DM von den Ortskrankenkassen erhalten, davon die Beklagte 1.684.882,25 DM. Zum Abschluß einer entsprechenden Vereinbarung kam es jedoch nicht, weil der Verband der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) eine Änderung wünschte. Darauf ging der AOK-Bundesverband nicht ein und wollte später auch die ursprünglich in Aussicht genommene Vereinbarung nicht mehr abschließen, als der VdAK im Dezember 1991 nachträglich dazu bereit war.

Mit Bescheid vom 2. September 1993 verlangte die Beklagte von der Klägerin 2.309.636,12 DM an Beiträgen zur Krankenversicherung. Sie habe die Klägerin vergeblich aufgefordert, im Rahmen der Arbeitgeberpflichten für die bei ihr (der Beklagten) krankenversicherten Bezieher des Vog-Ost Beitragsnachweise für Januar bis August 1991 und die Krankenkassenlisten einzureichen. Mangels dieser Unterlagen sei es ihr nicht möglich, einen detaillierten Beitragsbescheid zu erstellen. Damit sei ein Summenbescheid nach § 28f Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV) zulässig. Grundlage für die Berechnung sei die anläßlich einer Prüfung bei einem Arbeitsamt in Berlin (Ost) festgestellte Beitragsnachforderung von 97.958,43 DM. Daraus ergebe sich für November 1991 ein durchschnittliches Beitragsaufkommen je Mitglied von 248 DM. Unter Berücksichtigung des vorher niedrigeren Vog-Ost errechne sie monatlich 187,52 DM pro Mitglied für die Zeit von Januar bis Juni 1991 sowie von monatlich 215,65 DM für Juli und August 1991. Nach den von ihr feststellbaren Mitgliedschaften beliefen sich die Beitragsmonate für Januar bis August 1991 auf 13.879. Bei deren Aufteilung auf die Monate Januar bis August 1991 und Vervielfältigung mit den zuvor errechneten monatlichen Durchschnittsbeiträgen ergebe sich eine Beitragsforderung von 2.700.194,08 DM. Ziehe man davon 390.557,90 DM ab, die sie erhalten habe, bestehe die geltend gemachte Restforderung.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin eine Verletzung des § 28f Abs 2 SGB IV und der §§ 155, 159 AFG gerügt. Das Sozialgericht (SG) hat die Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Finanzen (Beigeladene zu 1), und die für das Beitrittsgebiet zuständigen Ortskrankenkassen (Beigeladene zu 2 bis 7) beigeladen. Mit Urteil vom 11. Dezember 1996 hat es den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Der Summenbescheid sei unzulässig, weil § 28f Abs 2 SGB IV eine Fehlleitung von vollständig abgeführten Beiträgen an unzuständige Einzugsstellen nicht erfasse. Außerdem lägen die Voraussetzungen für den Erlaß eines solchen Bescheides nicht vor. Die Beklagte hat Berufung eingelegt, ihren Bescheid verteidigt und über das Ergebnis einer erneuten Prüfung bei zwei Arbeitsämtern in Berlin (Ost) berichtet. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung mit Urteil vom 7. Oktober 1999 zurückgewiesen. Die Beklagte habe gegen die Klägerin schon keinen Verwaltungsakt erlassen dürfen. Außerdem sei § 28f Abs 2 SGB IV nicht anwendbar. Die Beklagte sei gegenüber der Klägerin nicht Einzugsstelle und die Klägerin nicht Arbeitgeberin im Sinne dieser Vorschrift. Außerdem gehe es nicht um den Einzug, sondern um die Fehlleitung von Beiträgen.

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der Regelung über den Begriff des Verwaltungsaktes in § 31 des Sozialgesetzbuchs - Verwaltungsverfahren (SGB X) sowie des § 28f SGB IV iVm der VogVO-DDR in ihrer Weitergeltung nach Maßgabe des EinigVtr. Im Revisionsverfahren hat der Berichterstatter mit Schreiben vom 26. September 2000 darauf hingewiesen, daß der Senat auch prüfen müsse, ob die Beklagte zuständige Krankenkasse sei. Die Beklagte bejaht dieses unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministers für Gesundheit vom 25. Februar 1991 und den Schnellbrief des Präsidenten der BA vom 19. März 1991. Über die mögliche Zuständigkeit von Ersatzkassen seien sich alle Beteiligten einig gewesen. Dieses habe auch dem Willen des Gesetzgebers entsprochen, wie er in § 312 Abs 6 SGB V zum Ausdruck gekommen sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG vom 7. Oktober 1999 und das Urteil des SG vom 11. Dezember 1996 aufzuheben sowie die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.

Die Beigeladene zu 1) stellt keinen Antrag und nimmt in der Sache nicht Stellung. Die Beigeladenen zu 2) bis 7) stellen ebenfalls keinen Antrag, äußern jedoch Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Summenbescheides und der Zuständigkeit der Ersatzkassen.

II

Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zutreffend entschieden, daß der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist.

1. Die beklagte Krankenkasse hat mit dem angefochtenen Beitragsbescheid vom 2. September 1993 gegenüber der klagenden BA Krankenversicherungsbeiträge für Bezieher des Vog-Ost aus der Zeit von Januar bis August 1991 geltend gemacht. Dem Erlaß eines Verwaltungsakts stand nicht entgegen, daß die Klägerin eine Anstalt des öffentlichen Rechts ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 54 Nr 22). Die Beklagte war für den Erlaß eines solchen Bescheides hier jedoch nicht zuständig, weil die Bezieher des Vog-Ost nicht bei ihr versichert waren. Sie waren wie die Bezieher von Alg krankenversicherungspflichtig. Nach der für beide Gruppen geltenden Zuständigkeitsregelung waren für die Bezieher des Vog-Ost die Ortskrankenkassen zuständig, also nicht die beklagte Ersatzkasse.

2. Die Krankenversicherungspflicht der Bezieher des Vog-Ost beruhte in der Zeit von Januar bis August 1991 auf § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V aF (dh idF des Art 1 des Gesundheits-Reformgesetzes <GRG> vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2247) iVm § 155 Abs 1 AFG.

a) Die Versicherungspflicht richtete sich gemäß Art 8 EinigVtr bereits vom Wirksamwerden des Beitritts am 3. Oktober 1990 an nach § 155 Abs 1 AFG aF. Danach war ua für den Fall der Krankheit versichert, wer Alg bezog. Mit dem Inkrafttreten des SGB V im Beitrittsgebiet am 1. Januar 1991 (§§ 308 ff SGB V) war diese Versicherungspflicht auch in § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V aF verankert, wonach Leistungsempfänger der BA nach Maßgabe des AFG krankenversicherungspflichtig waren.

b) Dieser Versicherungspflicht-Tatbestand galt auch für die Bezieher des Vog-Ost. Er wurde zwar nicht ausdrücklich auf sie erstreckt. Die Ausdehnung ergibt sich aber aus Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet E Abschnitt III Nr 5 EinigVtr. Dort war unter Buchst a bestimmt, daß das Vog-Ost und die darauf entsprechend den Vorschriften über das Alg zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge auf Antrag von der BA aus Mitteln des Bundes gezahlt wurden. Damit erhielten die Bezieher des Vog-Ost, die vor dem 3. Oktober 1990 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sein mußten und um die allein es hier geht, ihre Leistung nach Herstellung der Einheit wie die Bezieher von Alg von der BA, also nicht mehr von ihrem früheren Betrieb (Arbeitgeber). Auch die Berechnung des Vog-Ost nach dem Nettoarbeitsentgelt (gemäß Buchst b der Nr 5 nunmehr 65 vH des durchschnittlichen Nettoarbeitsentgelts der letzten drei Monate) entsprach in der Art ihrer Bemessung der des Alg nach § 111 Abs 1 AFG. Ebenso wie bei den Beziehern von Alg nach § 157 Abs 1 AFG trug allein die BA die Beiträge, wenn auch bei den Beziehern des Vog-Ost aus Mitteln des Bundes (wie nach § 188 AFG bei den ebenfalls krankenversicherungspflichtigen Beziehern von Arbeitslosenhilfe). Für die Bezieher des Vog-Ost kamen nur die Arbeitsämter als meldepflichtig nach § 161 AFG in Betracht. Die Bezieher von Altersübergangsgeld (Alüg), also der Leistung, die bei Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ab dem 3. Oktober 1990 das Vog-Ost ablöste, waren ebenfalls wie die Bezieher von Alg krankenversicherungspflichtig. Dieses ergab sich aus § 249e Abs 3 AFG, wonach auf das Alüg die Vorschriften über das Alg entsprechend anzuwenden waren. Für eine hinsichtlich des Versicherungspflicht-Tatbestandes unterschiedliche Behandlung der Bezieher des Vog-Ost und des Alüg sind Gründe nicht ersichtlich. Nur die Geltung derselben Vorschriften über die Versicherungspflicht sowohl bei Beziehern des Vog-Ost als auch bei Beziehern von Alg und Alüg gewährleistete schließlich, daß die Arbeitsämter bei allen krankenversicherungspflichtigen Leistungsempfängern dieselben melde- und beitragsrechtlichen Vorschriften anzuwenden hatten.

c) Demgegenüber traf der Versicherungspflicht-Tatbestand des § 5 Abs 1 Nr 1, Abs 3 SGB V auf die Bezieher des Vog-Ost nicht zu. Nach Maßgabe des § 5 Abs 3 SGB V gelten als gegen Arbeitsentgelt beschäftigte Arbeiter und Angestellte iS des § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V Bezieher von Vog, wenn das Vog mindestens in Höhe von 65 vH des Bruttoentgelts iS des § 3 Abs 2 des Vorruhestandsgesetzes (VRG) gezahlt wird (im folgenden: Vog-VRG). Damit fingiert § 5 Abs 3 SGB V ein fortbestehendes entgeltliches Beschäftigungsverhältnis zwischen dem Bezieher des Vog-VRG und seinem früheren Arbeitgeber, für das der Versicherungspflicht-Tatbestand der Beschäftigungsversicherung nach § 5 Abs 1 Nr 1 SGB V anzuwenden ist. Von den wie Leistungsbezieher der BA krankenversicherten Beziehern des Vog-Ost unterschieden sich die wie entgeltlich Beschäftigte versicherten Bezieher des Vog-VRG wesentlich. Sie erhielten ihr Vog-VRG von ihrem früheren Arbeitgeber, der dazu ursprünglich einen Zuschuß der BA nach dem VRG erhalten konnte. Das Vog-VRG wurde nach dem letzten Bruttoarbeitsentgelt bemessen und war der Art seiner Berechnung nach fortgezahltes (niedrigeres) Arbeitsentgelt. Meldepflichtig war nach § 200 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB V der zur Zahlung des Vog-VRG Verpflichtete, dh der frühere Arbeitgeber. Die Beitragslast traf wegen der Fiktion eines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses auch beim Vog-VRG nach § 249 Abs 1 SGB V den früheren Arbeitgeber und den Bezieher des Vog-VRG je zur Hälfte (Krauskopf, Soziale Krankenversicherung, Pflegeversicherung, § 249 SGB V RdNr 4, Stand Juli 1999). Schließlich kann nicht angenommen werden, die Bezieher des Vog-Ost, die vor 1991 zuletzt wie Alg-Bezieher versicherungspflichtig waren (oben a), hätten mit dem Inkrafttreten des SGB V im Beitrittsgebiet am 1. Januar 1991 in eine beschäftigungsgleiche Versicherung gewechselt. Wie die Bezieher des Vog-Ost in der Rentenversicherung einzuordnen waren, braucht hier nicht entschieden zu werden, weil sich die Krankenversicherung durch die Sonderregelung in § 5 Abs 1 Nr 2 SGB V aF iVm § 155 Abs 1 AFG von dem im Jahre 1991 geltenden Recht der Rentenversicherung unterschied.

3. Für die Krankenversicherung der Bezieher des Vog-Ost waren in der Zeit, um die es hier geht (Januar bis August 1991), kraft Gesetzes die Ortskrankenkassen zuständig. Ersatzkassen wie die Beklagte waren weder gesetzlich zuständig noch wählbar.

a) Bis zum 31. Dezember 1990 wurde die Krankenversicherung der Bezieher des Vog-Ost noch bei den dafür zuständigen Stellen des Beitrittsgebiets durchgeführt. Eine Zuständigkeit von Krankenkassen iS des § 4 Abs 2 SGB V kam bis dahin nicht in Betracht, weil das SGB V im Beitrittsgebiet erst am 1. Januar 1991 in Kraft getreten ist (§§ 308, 312 SGB V).

b) Mit der Einführung des SGB V im Beitrittsgebiet ist die Kassenstruktur der alten Bundesländer auf dieses Gebiet übertragen worden. Dazu wurde nach § 312 Abs 2 Buchst a, b SGB V zum 1. Januar 1991 auch im Beitrittsgebiet ein flächendeckendes Netz von Ortskrankenkassen als Basiskassen errichtet. Gleichzeitig gingen nach § 312 Abs 2 Buchst c Satz 1 SGB V die die Krankenkassen betreffenden Aufgaben der Sozialversicherung auf die Ortskrankenkassen über, soweit nicht andere Kassen zuständig waren. Die See-Krankenkasse, die Bundesknappschaft sowie die Ersatzkassen dehnten nach § 312 Abs 1 SGB V ihre Zuständigkeit zum 1. Januar 1991 auf das Beitrittsgebiet aus. Die Errichtung und Ausdehnung von Betriebs- und Innungskrankenkassen wurde in § 312 Abs 3 und 5 SGB V für das Beitrittsgebiet erleichtert.

Seit dem 1. Januar 1991 galten im Beitrittsgebiet nach Maßgabe des § 312 SGB V für die Zuständigkeit die Vorschriften der §§ 173 ff SGB V aF (dh idF des Art 1 GRG). Nach Maßgabe des § 173 Satz 1 SGB V aF waren Versicherungspflichtige Mitglieder der Ortskrankenkasse, wenn in den folgenden Vorschriften oder im AFG nichts Abweichendes bestimmt war. Ersatzkassen waren nach § 168 Abs 1 SGB V aF (dh idF des Art 1 GRG) auch im Beitrittsgebiet Krankenkassen, bei denen Versicherte die Mitgliedschaft nicht kraft Gesetzes, sondern durch Ausübung des Wahlrechts nach den damaligen §§ 183 ff SGB V erlangten. Für die Zuständigkeit einer Krankenkasse im Beitrittsgebiet mußten vom 1. Januar 1991 an die gesetzlichen Anforderungen des SGB V erfüllt sein. Das galt auch für diejenigen, die im Beitrittsgebiet schon vor dem 1. Januar 1991 versichert gewesen waren. Bei ihnen richtete sich die Kassenzuständigkeit ab 1991 nach den nunmehr geltenden Regelungen zur Zuständigkeit und nicht etwa danach, bei welcher Kasse sie versichert gewesen wären oder hätten sein können, wenn die Kassenstruktur der alten Bundesländer schon vor 1991 im Beitrittsgebiet gegolten hätte. Eine solche bei Millionen von Versicherten kaum praktikable Feststellung der Zuständigkeit anhand einer hypothetischen Prüfung vergangener Sachverhalte war nur ausnahmsweise vorgesehen (§ 312 Abs 6 SGB V, dazu unten d; ferner in dem erst am 1. August 1991 in Kraft getretenen, hier nicht zutreffenden und seit dem 1. Januar 2000 nicht mehr geltenden § 312 Abs 7a SGB V).

c) Aus § 159 AFG in der hier geltenden Fassung des Art 34 Nr 8 GRG ergab sich die Zuständigkeit der Ortskrankenkassen. Die versicherungspflichtigen Bezieher von Alg waren nach § 159 Abs 1 AFG Mitglieder der Krankenkasse, der sie im Zeitpunkt der Arbeitslosmeldung angehörten oder zuletzt angehört hatten. Abs 2 bestimmte, daß im übrigen Versicherte Mitglieder der Ortskrankenkasse waren, deren Bezirk den für die Zuständigkeit des Arbeitsamtes maßgebenden Wohn- oder Aufenthaltsort der Versicherten umfaßte. Nach Abs 4 war, wenn ein Versicherter während des Bezuges einer der in § 155 Abs 1 AFG genannten Leistungen eine krankenversicherungspflichtige Beschäftigung ausübte, für die Krankenversicherung aufgrund dieser Beschäftigung dieselbe Kasse zuständig, bei der er nach Abs 1 und 2 versichert war.

Demnach wurde die Zuständigkeit bei versicherungspflichtigen Leistungsbeziehern nach Abs 1 des § 159 AFG gesetzlich und zwingend in erster Linie von der Kasse bestimmt, bei der die letzte vorherige Mitgliedschaft bestanden hatte. Ein vor 1989 in Abs 1 enthaltenes Recht, diese Kasse abzuwählen mit der Folge, daß die Auffangzuständigkeit der Ortskrankenkasse nach Abs 2 eintrat, war mit einer Änderung des Abs 1 durch Art 34 Nr 8 Buchst a GRG von 1989 an abgeschafft worden. Das Gesetz enthielt damit für die Leistungsbezieher als solche weder in § 159 AFG noch in den damals noch geltenden §§ 183 ff SGB V ein Kassenwahlrecht. Aus Abs 4 des § 159 AFG ergab sich vielmehr, daß die gesetzliche Zuständigkeit nach Abs 1 oder 2 sogar dann bestehen blieb, wenn während des Leistungsbezuges eine versicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen wurde, die als solche nach den damaligen §§ 183 ff SGB V ein Kassenwahlrecht eröffnet hätte.

Für die Bezieher des Vog-Ost kam eine Zuständigkeit der letzten Kasse vor dem Leistungsbezug (§ 159 Abs 1 AFG) im allgemeinen nicht in Betracht. Sie waren in der DDR beschäftigt gewesen und dort vor dem 3. Oktober 1990 in den Vorruhestand getreten. Bis dahin konnten sie keiner der in § 4 Abs 2 SGB V genannten Kassen angehört haben. Die Beklagte käme als letzte frühere Kasse nur bei Versicherten in Betracht, die früher in den alten Bundesländern ihr Mitglied gewesen waren, später eine Beschäftigung in der DDR aufgenommen hatten und dort vor dem 3. Oktober 1990 in den Vorruhestand getreten waren. Mit derart seltenen Sachverhalten läßt sich jedoch die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid beanspruchte Kassenzuständigkeit für mehr als 1.700 Bezieher des Vog-Ost (errechnet aus den im angefochtenen Bescheid genannten 13.879 Beitragsmonaten in den acht Monaten von Januar bis August 1991) nicht begründen. Für die Bezieher des Vog-Ost kam in aller Regel nur die Zuständigkeit der Ortskrankenkassen nach § 159 Abs 2 AFG in Betracht. Sie trat als Auffangzuständigkeit ("im übrigen") ab Januar 1991 ein, obwohl auch sie - anders als in den Regelfällen des § 159 AFG - bei Beginn des Leistungsbezuges in der DDR noch nicht bestanden hatte.

d) Die Zuständigkeit von Ersatzkassen wie der Beklagten ergab sich für die Bezieher des Vog-Ost nicht aus Abs 6 (heute Abs 6 Satz 1) des § 312 SGB V. Nach dieser Vorschrift war die Zuständigkeit der Bundesknappschaft sowie der See-Krankenkasse nach dem damaligen § 182 Abs 1 SGB V auch für Rentner und Rentenantragsteller gegeben, die zuletzt bei diesen Versicherungsträgern versichert gewesen wären, wenn deren Zuständigkeit sich bereits vor dem 1. Januar 1991 auf das Beitrittsgebiet erstreckt hätte. Diese Vorschrift regelt die Bestimmung der Kassenzuständigkeit anhand einer hypothetischen Prüfung (vgl oben b), hat in mehrfacher Hinsicht Ausnahmecharakter und ist zugunsten der Ersatzkassen nicht entsprechend anwendbar. Sie betrifft nur Rentner und Rentenantragsteller, nicht Vorruheständler vor dem Rentenalter. Sie geht von einer besonderen Nähe früherer Bergleute und Seeleute zu ihren berufsständisch geprägten Versicherungsträgern aus. Eine so spezielle berufsständische Prägung fehlte den meisten Ersatzkassen. Die Vorschrift dehnt ferner nur eine gesetzlich geregelte Zuständigkeit (§ 182 Abs 1 SGB V aF) aus. Ihre Anwendung auf Ersatzkassen würde dagegen eine Ausdehnung auf Kassen der Wahlzuständigkeit bedeuten, bei der nicht nur die Zugehörigkeit zum aufnahmeberechtigten Personenkreis, sondern auch die Ausübung des Wahlrechts zugunsten einer bestimmten Ersatzkasse hypothetisch geprüft werden müßte. Schließlich betrifft § 312 Abs 6 SGB V nur den Zugang zu zwei Krankenversicherungsträgern, deren aufnahmefähiger Personenkreis wesentlich begrenzter ist als bei den Ersatzkassen. Eine Ausdehnung auf Ersatzkassen würde die Zahl der Versicherten, bei denen die Kassenzuständigkeit anhand hypothetischer Prüfung zu bestimmen ist, wesentlich erhöhen, zumal sich eine solche Ausweitung kaum auf die versicherungspflichtigen Bezieher des Vog-Ost begrenzen ließe. Soweit sich aus dem Schreiben des Bundesministers für Gesundheit vom 25. Februar 1991 und dem Schnellbrief des Präsidenten der BA vom 19. März 1991 etwa die Ansicht ergeben sollte, auch Bezieher des Vog-Ost hätten trotz Aufgabe ihrer Beschäftigung schon vor dem 3. Oktober 1990 entsprechend § 312 Abs 6 SGB V Ersatzkassen wählen können, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Ob diese Vorschrift für die Bezieher des Vog-Ost auf andere Kassen mit gesetzlich zugewiesenem Mitgliederkreis wie Betriebs- und Innungskrankenkassen entsprechend angewandt werden durfte, ist hier nicht zu entscheiden.

e) Nach Abs 7 des § 312 SGB V konnte eine Zuständigkeit der Ersatzkassen für die Bezieher des Vog-Ost ebenfalls nicht begründet werden. Diese Vorschrift modifizierte eine damals geltende Regelung zur Kassenwahl für das Beitrittsgebiet. Nach § 183 Abs 5 Satz 1 SGB V begann die Mitgliedschaft Beschäftigter bei einer gewählten Kasse mit dem Tag des Eintritts in die Beschäftigung nur, wenn das Wahlrecht innerhalb von zwei Wochen nach Beginn der Beschäftigung ausgeübt und dies dem Arbeitgeber mitgeteilt worden war. Da Beschäftigte im Beitrittsgebiet diese Anforderungen bei Aufnahme einer Beschäftigung vor dem 1. Januar 1991 in der Regel nicht mehr erfüllen konnten, sollten sie nach § 312 Abs 7 SGB V jedenfalls mit Inkrafttreten des neuen Rechts am 1. Januar 1991 Mitglied der gewählten Kasse werden können, wenn bis zum 15. Januar 1991 das Wahlrecht ausgeübt und dies dem Arbeitgeber mitgeteilt wurde. Diese Vorschrift galt wie der in ihr abgewandelte damalige § 183 Abs 5 Satz 1 SGB V jedoch nur für versicherungspflichtig Beschäftigte, die ein Kassenwahlrecht hatten. Das traf für die Bezieher des Vog-Ost nicht zu, selbst wenn sie daneben eine Beschäftigung ausübten (oben b).

f) Die damit gesetzlich bestehende Zuständigkeit der Ortskrankenkassen war unabdingbar. Deshalb ist unerheblich, ob und in welchem Umfang die Beteiligten bei den Beziehern des Vog-Ost übereinstimmend eine Zuständigkeit von Ersatzkassen angenommen haben. Auch wenn das der Fall war, wird damit nicht die Zuständigkeit der Beklagten für Versicherte begründet, die sich ohne ein gesetzlich geregeltes Recht für sie entscheiden wollten. Nur bei einer gesetzlich geregelten oder durch wirksame Wahl begründeten Zuständigkeit wäre die Beklagte befugt gewesen, eine Beitragsforderung geltend zu machen.

4. Der angefochtene Beitragsbescheid der Beklagten war demnach schon deshalb rechtswidrig, weil die Bezieher des Vog-Ost nicht ihre Mitglieder waren. Ob der Bescheid auch deswegen rechtswidrig war, weil er als Summenbescheid nach § 28 f Abs 2 SGB IV aF (dh idF des Gesetzes vom 20. Dezember 1988, BGBl I 2330) erlassen worden ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Zweifel ergeben sich, weil die Klägerin nicht Arbeitgeberin iS des § 28 Abs 2 SGB IV aF war (vgl BSG SozR 3-4100 § 155 Nr 4 S 24/25). Allerdings waren nach § 161 AFG die Meldungen, die nach den Vorschriften der Krankenversicherung dem Arbeitgeber oblagen, hinsichtlich der nach § 155 AFG versicherten Leistungsempfänger von den Arbeitsämtern zu erstatten, jedoch in einem vereinfachten Meldeverfahren. Ob die Krankenkassen deshalb unter bestimmten Voraussetzungen auch gegenüber der BA Summenbescheide oder ähnlich unbestimmte Bescheide erlassen könnten, ist fraglich. Zusätzliche Zweifel bestehen hier, weil der Summenbescheid nach § 28f Abs 2 SGB IV aF nur zulässig war, wenn die Einzugsstelle wegen Verletzung von Aufzeichnungspflichten die Beschäftigten nicht kannte und daher über die Versicherungs- und Beitragspflicht nicht personenbezogen entscheiden konnte. Hier hat jedoch die Beklagte im angefochtenen Bescheid die Beiträge nach "den von ihr feststellbaren Mitgliedschaften" berechnet, so daß ihr insofern eine weitere Konkretisierung oder sogar eine personenbezogene Feststellung möglich gewesen sein müßte. Der von ihr erlassene Bescheid enthält im übrigen weder die mit der Summe von Arbeitsentgelten (§ 28f Abs 2 Satz 1 SGB IV aF) vergleichbare Summe von Vog-Ost noch den angewandten Beitragssatz.

Die Revision der Beklagten war zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 4 des Sozialgerichtsgesetzes.

Ende der Entscheidung

Zurück