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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 11.10.2001
Aktenzeichen: B 12 P 1/00 R
Rechtsgebiete: GG
Vorschriften:
GG Art. 33 Abs. 4 u. 5 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
Az: B 12 P 1/00 R
in dem Rechtsstreit
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat am 11. Oktober 2001 ohne mündliche Verhandlung durch den Richter Balzer als Vorsitzenden, die Richter Prof. Dr. Bürck und Dr. Schlegel sowie die ehrenamtlichen Richter Teske und Zähringer
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 9. September 1999 wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat der Beklagten auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I.
Der 1938 geborene Kläger ist als Regierungsamtmann bei der Bundeswehr beschäftigt und bei der Beklagten, der Bayerischen Beamten-Krankenkasse, privat krankenversichert. Mit einem Nachtrag zum Versicherungsschein vom 17. Februar 1995 stellte die Beklagte dem Kläger neben den Beiträgen zu einer Krankheitskostenvollversicherung nach Beihilfe-Prozenttarifen für die Zeit ab 1. Januar 1995 den Beitrag zur Pflege-Pflichtversicherung nach ihrem Tarif PVB für Beihilfeberechtigte in Höhe von 24,28 DM monatlich in Rechnung. Der Kläger widersprach seiner Einbeziehung in die Pflegeversicherung. Daraufhin zahlte die Beklagte die bereits eingezogenen Beiträge zurück und meldete dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen den Sachverhalt.
Im September 1995 hat der Kläger gegen die Beklagte Klage erhoben und geltend gemacht, die Verpflichtung zum Abschluß eines privaten Pflegeversicherungsvertrags nach § 23 des Elften Buchs Sozialgesetzbuch - Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) verstoße für Beamte gegen die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums iS des Art 33 Abs 5 Grundgesetz (GG). Das Sozialgericht (SG) hat die Klage als unzulässig abgewiesen, weil das Feststellungsinteresse fehle (Urteil vom 12. Dezember 1996). Im Berufungsverfahren hat das Landessozialgericht (LSG) den Klagantrag des Klägers dahin gefaßt festzustellen, daß er nicht verpflichtet ist, den ihm von der Beklagten angebotenen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Sodann hat das LSG die Berufung zurückgewiesen und den Kläger unter Aufhebung der Kostenentscheidung des SG verurteilt, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten (Urteil vom 9. September 1999). Die Klage sei zulässig. Der Kläger habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Wie den zur sozialen Pflegeversicherung Herangezogenen müsse ihm die Feststellungsklage nach § 55 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) eröffnet werden. Die Klage sei jedoch unbegründet. Die in § 23 Abs 3 SGB XI angeordnete Verpflichtung zum Abschluß eines privaten Pflegeversicherungsvertrags verstoße nicht gegen Verfassungsrecht.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des Art 33 Abs 4 und 5 GG. Nach den Kommentierungen zum GG gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums die Sozialversicherungsfreiheit als Ganzes.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 9. September 1999 und das Urteil des SG vom 12. Dezember 1996 aufzuheben und festzustellen, daß er nicht verpflichtet ist, den ihm von der Beklagten angebotenen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Der Schutzbereich des Art 33 Abs 5 GG werde durch das Gebot, sich auch abzusichern, soweit Pflegekosten nicht durch Leistungen der Beihilfe abgedeckt seien, nicht verletzt.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat seine Berufung gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zu Recht in der Hauptsache zurückgewiesen (1. und 2.) und die Kostenentscheidung des SG korrigiert (3.).
1. Das SG hatte die Klage zwar wegen Unzulässigkeit abgewiesen. Dieses Prozeßurteil hinderte das LSG jedoch nicht, in der Sache zu entscheiden (vgl § 159 Abs 1 Nr 1 SGG). Der Kläger begehrt die Feststellung, daß er nicht verpflichtet ist, den ihm von der Beklagten angebotenen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Diese Klage ist zulässig. Zu den im sozialgerichtlichen Verfahren nach § 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässigen Feststellungsklagen gehört die Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens von Versicherungspflicht. Dies ist auch Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits. Der Kläger hat ein berechtigtes Interesse an der begehrten Feststellung. Ihm ist nicht zuzumuten, seine Einwände gegen die Verpflichtung, einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen, erst in einem Bußgeldverfahren nach § 112 SGB XI geltend zu machen.
2. Das LSG hat zu Recht entschieden, daß die Klage unbegründet ist. Der Kläger ist verpflichtet, mit der Beklagten den angebotenen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen.
a) Diese Verpflichtung ergibt sich bereits aus § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Anknüpfung an den privatrechtlichen Krankenversicherungsvertrag des Klägers bei der Beklagten. Ob § 23 Abs 3 SGB XI für einen nicht privat krankenversicherten Beamten die Pflicht begründet, einen Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen, kann daher weiterhin offenbleiben (vgl BSGE 81, 168, 174 = SozR 3-3300 § 20 Nr 2 S 7/8 und zum Meinungsstand König in Hauck/Wilde, SGB XI, Stand Juli 1998, RdNr 8 und Anm 10 zu § 23).
Nach § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XI sind Personen, die gegen das Risiko Krankheit bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen mit Anspruch auf allgemeine Krankenhausleistungen versichert sind, verpflichtet, bei diesem Unternehmen zur Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit einen Versicherungsvertrag abzuschließen und aufrechtzuerhalten. Der Kläger hat mit der Beklagten einen Krankenversicherungsvertrag geschlossen, der auch allgemeine Krankenhausleistungen einschließt. Die Beklagte betreibt die private Krankenversicherung in der privatrechtlichen Rechtsform einer Aktiengesellschaft (AG). Der Kläger konnte zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG (9. September 1999) jedenfalls für den erstmaligen Abschluß eines Pflegeversicherungsvertrags kein anderes privates Versicherungsunternehmen mehr wählen. Zwar kann nach § 23 Abs 2 Satz 1 SGB XI der Vertrag zur Absicherung des Pflegerisikos auch mit einem anderen privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossen werden. Dieses Wahlrecht ist jedoch innerhalb einer Ausschlußfrist von sechs Monaten auszuüben, die mit Eintritt der Versicherungspflicht beginnt (§ 23 Abs 2 Satz 2 und 3 SGB XI). Diese Frist war für den Kläger inzwischen verstrichen. Denn seine Verpflichtung zum Abschluß eines privaten Pflegeversicherungsvertrags entstand bereits mit Inkrafttreten des SGB XI am 1. Januar 1995 (vgl Art 1 § 23 iVm Art 68 Abs 1 Pflege-Versicherungsgesetz <PflegeVG>). Die Sechs-Monats-Frist endete danach mit dem 30. Juni 1995. Das Wahlrecht erlosch mit Ablauf dieses Tages.
Die Versicherungspflicht des Klägers in der privaten Pflegeversicherung ist nicht erst zu einem späteren Zeitpunkt eingetreten. Wie sich aus den vom LSG in Bezug genommenen Akten ergibt, war der Kläger bereits seit Februar 1990 bei der Beklagten krankenversichert. Zwar war die Beklagte im Jahre 1995 noch als Anstalt öffentlichen Rechts organisiert und wurde erst zum 1. Januar 1996 in eine AG umgewandelt (bis zum 30. Juni 1995 Art 1 Abs 1 des Gesetzes über das öffentliche Versicherungswesen vom 7. Dezember 1933 <BayRS 763 - 2 -I> idF des Art 46 Nr 2 des Gesetzes über das öffentliche Versorgungswesen vom 25. Juni 1994 <Bayer GVBl S 466> und ab 1. Juli 1995 Art 18 des Gesetzes zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten des Freistaates Bayern vom 23. Juli 1994 <Bayer GVBl S 603>). Nach dem Wortlaut des § 23 Abs 1 Satz 1 SGB XI löst nur die Krankenversicherung bei einem "privaten Krankenversicherungsunternehmen" Versicherungspflicht in der privaten Pflegeversicherung aus. Allein nach dem Wortlaut bestand deshalb die Versicherungspflicht erst ab Umwandlung der Beklagten in eine AG zum 1. Januar 1996. Die Vorschrift ist aber dahin auszulegen, daß es nicht auf die (privatrechtliche) Rechtsform des Versicherungsunternehmens ankommt. Die Regelungen des PflegeVG über die Versicherungspflicht in der sozialen und privaten Pflegeversicherung (vgl § 1 Abs 2, § 20, § 21 und § 23 Abs 1 SGB XI) haben das Ziel, grundsätzlich die gesamte Bevölkerung gegen das Risiko der Pflegebedürftigkeit abzusichern. Um dieses Ziel mit einem vertretbaren Verwaltungsaufwand zuverlässig zu erreichen, knüpft das Gesetz die Versicherungspflicht in der Pflegeversicherung an das Bestehen eines gesetzlichen oder privaten Krankenversicherungsschutzes an (vgl jetzt Bundesverfassungsgericht <BVerfG> Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 81/98 - S 18/19 des Umdrucks mwN). Mit § 23 Abs 4 SGB XI ist die Versicherungspflicht nach Abs 1 der Vorschrift ausdrücklich auf Krankenversicherte bestimmter bundesweit geltender Sondersysteme erstreckt worden (Heilfürsorgeberechtigte, Mitglieder der Postbeamtenkrankenkasse und der Krankenversorgung der Bundesbahnbeamten). Für die bei öffentlich-rechtlichen, nach Landesrecht errichteten Einrichtungen privat Versicherten besteht eine Regelungslücke, die durch Auslegung im Sinne des Gesetzes zu schließen ist. Danach genügt für die Versicherungspflicht das Bestehen eines auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhenden Krankenversicherungsschutzes mit einem Versicherungsunternehmen, das den Regelungen des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) unterfällt. Hierzu gehören neben den privaten Unternehmensformen der AG und des Versicherungsvereins auf Gegenseitigkeit auch Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts (§ 7 Abs 1 VAG), zu denen die Beklagte bis Ende 1995 zählte. Die von diesen sogenannten Wettbewerbsversicherern geschlossenen Versicherungsverträge unterliegen dem Privatrecht (vgl Michaels, Rieger, Vogelsang in Handwörterbuch der Versicherung, 1988 S 1135, 1140).
Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der dem Kläger angebotene Pflegeversicherungsvertrag nach dem für Beihilfeberechtigte maßgebenden Tarif PVB den Anforderungen des § 23 Abs 1 Satz 2 und Abs 3 SGB XI nicht entsprochen oder die Beklagte ihre Verpflichtungen zur inhaltlichen Ausgestaltung des Pflegeversicherungsvertrags aus § 110 Abs 1 Nr 2 SGB XI verletzt hat. Insbesondere überstieg der geforderte Beitrag von 24,28 DM monatlich nicht den zulässigen Höchstbeitrag von 50 vH des Höchstbeitrages der sozialen Pflegeversicherung (§ 110 Abs 1 Nr 2 Buchst e SGB XI). Im Jahre 1995 waren 50 vH des Höchstbeitrages zur sozialen Pflegeversicherung 29,25 DM monatlich (monatliche Beitragsbemessungsgrenze 5.850 DM x 0,5 vH; § 55 Abs 1 Satz 1 und 2, Abs 2 iVm § 28 Abs 2 SGB XI).
b) Die Verpflichtung privat krankenversicherter Beamter, sich privat beihilfekonform gegen das Pflegerisiko zu versichern, verstößt nicht gegen Verfassungsrecht.
Das BVerfG hat auf die Verfassungsbeschwerde einer privat krankenversicherten Rechtsanwältin bereits entschieden, daß die Vorschriften des SGB XI über die Verpflichtung privat Krankenversicherter zum Abschluß und zur Aufrechterhaltung privater Pflegeversicherungsverträge (§ 23 Abs 1 und 2 SGB XI) und deren nähere inhaltliche Ausgestaltung (§ 110 SGB XI) Grundrechte, insbesondere das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art 2 Abs 1 GG), nicht verletzen. Die Bestimmungen beruhen auf der Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art 74 Abs 1 Nr 11 GG ("privatrechtliches Versicherungswesen"; Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 2014/95, SozR 3-1100 Art 74 Nr 4 S 21 ff). Der mit der gesetzlichen Verpflichtung zum Abschluß und zur Aufrechterhaltung eines privaten Pflegeversicherungsvertrags verbundene Eingriff in dieses Grundrecht ist darüber hinaus materiell mit Art 2 Abs 1 GG vereinbar (aaO S 25 ff).
Soweit von den Vorschriften des SGB XI über die Verpflichtung zum Abschluß und zur Aufrechterhaltung des privaten Pflegeversicherungsvertrags und dessen inhaltliche Ausgestaltung Bundesbeamte wie der Kläger betroffen werden, beruht die Gesetzgebungskompetenz für die in § 23 Abs 1, 2 und 3, § 110 SGB XI getroffenen Regelungen ebenfalls auf Art 74 Abs 1 Nr 11 GG. Die Vorschriften beinhalten für Beamte wie den Kläger lediglich eine Begrenzung des Umfangs der Versicherungspflicht. Ob die Bestimmungen zur Ausgestaltung des Versicherungsvertrags in § 23 Abs 3 Satz 2 SGB XI (angefügt durch Art 1 Nr 9 des 1. SGB XI-Änderungsgesetzes vom 14. Juni 1996 <BGBl I S 830>) für Landesbeamte gleichzeitig eine beamtenrechtliche Regelung über den Umfang der Beihilfe zum Inhalt haben und insoweit möglicherweise nur auf Art 75 Abs 1 Satz 1 Nr 1 GG gestützt werden könnten, ist hier nicht zu entscheiden.
Die Verpflichtung zum Abschluß eines beihilfekonformen Pflegeversicherungsvertrags verletzt nicht die dem Staat durch Art 33 Abs 5 GG auferlegten Bindungen und damit das dem einzelnen Beamten zur Durchsetzung dieser Bindungen gewährte grundrechtsgleiche Individualrecht (vgl zu dieser Bedeutung des Art 33 Abs 5 GG BVerfGE 8, 1,14). Der Gesetzgeber ist durch die nach Maßgabe des Art 33 Abs 5 GG verfassungsrechtlich geschützten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums nicht gehindert, die Beamten zur Absicherung des Pflegerisikos in dem durch das SGB XI vorgeschriebenen Umfang in das System der privaten Pflege-Pflichtversicherung einzubeziehen.
Es besteht keine verfassungsrechtliche Verpflichtung der jeweiligen Dienstherren, den Beamten für das Pflegerisiko Unterstützung ausschließlich in Form von Beihilfen und in einem solchen Umfang zu gewähren, daß eine eigene Pflegeversicherung überflüssig wäre. Art 33 Abs 5 GG schützt nach der Rechtsprechung des BVerfG nur jenen Kernbestand von Strukturprinzipien der Institution des Berufsbeamtentums, die allgemein oder doch überwiegend und während eines längeren, traditionsbildenden Zeitraums, mindestens unter der Reichsverfassung von Weimar, als verbindlich anerkannt und gewahrt worden sind (vgl BVerfGE 46, 97, 117; 58, 68, 76 f; 83, 89, 98). Hierzu gehören das Alimentationsprinzip, das den Dienstherrn verpflichtet, dem Beamten und seiner Familie amtsangemessenen Unterhalt zu leisten (vgl BVerfGE 83, 89, 98, stRspr), und die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (vgl BVerfGE 43, 154, 165; 46, 97, 117; 83, 89, 98). Nicht dazu zählt dagegen das gegenwärtige System der Beihilfegewährung, da es sich erst in jüngerer Zeit herausgebildet hat (BVerfGE 83, 89, 98 mwN). - Daß vor Inkrafttreten des PflegeVG am 1. Januar 1995 Beamten bei Pflegebedürftigkeit Leistungen nach den Beihilfevorschriften des Bundes (BhV) gewährt wurden (vgl § 6 Abs 1 Nr 7 und § 9 BhV idF vom 5. März 1992 <GMBl S 210>, ab 1. Januar 1992) und die ergänzende Eigenvorsorge für den Fall der Pflegebedürftigkeit wie für den Krankheitsfall freigestellt war, zwingt den Gesetzgeber ebenfalls von Verfassungs wegen nicht, Beamten die Beihilfe insoweit in Zukunft unverändert weiterzugewähren, so daß sich eine Pflege-Pflichtversicherung möglicherweise erübrigen könnte. Denn das System der Beihilfe kann geändert werden, ohne daß Art 33 Abs 5 GG berührt wird (vgl BVerfGE 44, 249, 263; 83, 89, 98). Zu keinem Zeitpunkt bestand im übrigen allein aus Art 33 Abs 5 GG ein Anspruch auf volle Übernahme der Kosten bei Pflegebedürftigkeit durch die Beihilfe, wovon offenbar der Kläger im bisherigen Verfahren ausgegangen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat ohne eine ausdrückliche Regelung in den BhV wegen des beamtenrechtlichen Fürsorgeprinzips lediglich eine Pflicht des Dienstherrn zu einer Ermessensentscheidung über solche Kosten für notwendig gehalten (vgl BVerwGE 22, 160; 52, 358).
Die Einbeziehung der Beamten in das System der Pflegeversicherung steht nicht in Widerspruch zum Alimentationsprinzip. Dieser Grundsatz verpflichtet von Verfassungs wegen lediglich dazu, dem Beamten eine amtsangemessene Alimentation zu gewähren. Die Dienstbezüge einschließlich der Alters- und Hinterbliebenenversorgung sind so zu bemessen, daß die nach allgemeiner Anschauung anerkannten Bedürfnisse der arbeitenden Menschen befriedigt werden können (vgl BVerfGE 58, 68, 77). Dazu gehören nach der Rechtsprechung des BVerfG die Kosten einer Krankenversicherung als regelmäßige Form der gegenwärtigen Krankheitsvorsorge (vgl BVerfGE 58, 68, 77 f; 83, 89, 98). Im Hinblick auf das den größten Teil der Bevölkerung erfassende PflegeVG sind hierzu nunmehr auch die Kosten einer Pflegeversicherung zu rechnen. Die beamtenrechtliche Alimentation wäre daher nicht mehr ausreichend, wenn die zur Abwendung von Belastungen bei Pflegebedürftigkeit erforderlichen Pflegeversicherungsprämien einen solchen Umfang erreichten, daß der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten nicht mehr gewährleistet wäre (vgl BVerfGE 58, 68, 78 zu den erforderlichen Krankenversicherungsprämien). Bei einer solchen Sachlage wäre verfassungsrechtlich eine entsprechende Korrektur der Besoldungs- und Versorgungsgesetze geboten, die das Alimentationsprinzip konkretisieren. Dieses Prinzip verpflichtet somit den Gesetzgeber von Verfassungs wegen, die Alimentation so auszugestalten, daß dem Beamten die Mittel für eine Pflegeversicherung zur Verfügung stehen. Es hindert ihn jedoch nicht, eine solche Versicherung nicht nur bei der Bemessung der Bezüge zu berücksichtigen und ihren Abschluß und ihre Aufrechterhaltung dem Beamten freizustellen, sondern dies zur Pflicht zu machen.
Die Einbeziehung der Beamten in das System der privaten Pflege-Pflichtversicherung greift auch nicht verfassungswidrig in die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten ein. Es ist nach der Rechtsprechung des BVerfG in erster Linie Sache des Dienstherrn, für einzelne Regelungsbereiche die ihm aus der Fürsorgepflicht dem Beamten gegenüber obliegenden Verpflichtungen durch Gesetze, Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften zu konkretisieren. Bei der Ausfüllung des ihm hierbei zustehenden weiten Gestaltungsspielraums ist er lediglich insoweit gebunden, als die beabsichtigte Regelung dem wohlverstandenen Interesse des Beamten gebührend Rechnung zu tragen hat. Was der Dienstherr dem Beamten danach im einzelnen schuldet, läßt sich nur im Hinblick auf den jeweils zu regelnden Sachbereich bestimmen. Insoweit gilt für den dem Normgeber aus Art 33 Abs 5 GG vorgegebenen Maßstab grundsätzlich nichts anderes als für die die Fürsorgepflicht berücksichtigende Einzelfallentscheidung des Dienstherrn (vgl dazu BVerfGE 43, 154, 165 f). Demgemäß hat der Dienstherr Vorkehrungen zu treffen, daß der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Geburts- und Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er dieser Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise nachkommt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (BVerfGE 83, 89, 100).
Nach der seit Inkrafttreten des SGB XI geltenden Rechtslage erfüllt der Bund als Dienstherr seine Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten zur Unterstützung für den Fall der Pflegebedürftigkeit durch die Gewährung von Beihilfen (vgl § 9 BhV idF vom 29. Dezember 1994 <GMBl 1995 S 51> mit nachfolgenden Änderungen). Ob die Regelungen der BhV den Anforderungen genügen, die dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht erwachsen (vgl dazu BVerfGE 83, 89, 101; BVerwGE 22, 160 und 52, 358), ist hier nicht zu entscheiden. Die hier auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfende, zur Ergänzung der Beihilfe vorgeschriebene beihilfekonforme Pflichtversicherung in der privaten Pflegeversicherung trägt jedenfalls den wohlverstandenen Interessen der Beamten Rechnung und steht daher mit dem Grundsatz der Fürsorgepflicht in Einklang.
Wie das BVerfG bereits entschieden hat, durfte der Gesetzgeber die Einführung einer Pflege-Pflichtversicherung für erforderlich halten, weil eine hinreichende anderweitige Absicherung des Pflegerisikos in der Bevölkerung nicht bestand und die Bevölkerung nicht bereit war, sich alsbald freiwillig gegen das Pflegerisiko abzusichern. Aus der mangelnden Bereitschaft zur entsprechenden freiwilligen Eigenvorsorge durfte er den Schluß ziehen, daß es der Bevölkerung am gebotenen Risikobewußtsein fehlte und sie - anders als bei der Versicherung des Krankheitsrisikos - keinen "Versicherungsdruck" verspürte (BVerfG Urteil vom 3. April 2001 - 1 BvR 2014/95 - SozR 3-1100 Art 74 Nr 4 S 27).
Der Einwand der Revision, die "Sozialversicherungsfreiheit als Ganzes" gehöre zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums, ist - bezogen auf den hier zu entscheidenden Sachverhalt - unverständlich. Der Kläger wird nicht in die Sozialversicherung einbezogen, sondern ist verpflichtet, einen privaten Pflegeversicherungsvertrag abzuschließen. Der Einwand trifft auch im übrigen nicht zu. Verfassungsrechtlich zwingend gefordert ist nach der Rechtsprechung des BVerfG allerdings, daß der Beamte weiterhin innerhalb des öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses rechtlich und wirtschaftlich abgesichert ist, daß die personale Bindung des Beamten zum Dienstherrn für die Unterhaltsgewährung ungeschmälert bestehen bleibt und die Angemessenheit des Unterhalts nach Maßgabe des Alimentationsprinzips im Beamtengehalt selbst gewahrt ist. Die Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn ist unabdingbar und kraft ihrer besonderen rechtlichen Struktur nicht teilbar. Auf dem Boden der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums können weder das Gehalt des aktiven Beamten noch das Ruhegehalt oder die Hinterbliebenenversorgung (ganz oder teilweise) in Leistungen anderer Qualität, zB Sozialversicherungsleistungen übergeleitet werden (BVerfGE 44, 249, 269 f; 76, 256, 319 f). Diese Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn wird jedoch durch die im SGB XI dem Beamten zur Pflicht gemachte teilweise Eigenvorsorge für das Pflegerisiko nicht berührt. Sie wird nicht etwa auf die Sozialversicherung übertragen, sondern verbleibt beim Dienstherrn. Andernfalls wäre es unverständlich, daß er, wie ausgeführt, bei der Bemessung des amtsangemessenen Lebensunterhalts die Kosten der Pflegeversicherung zu berücksichtigen hat.
Eine Vorlage an das BVerfG gemäß Art 100 Abs 1 Satz 1 GG kam nach allem nicht in Betracht. Der Senat konnte sich nicht von der Verfassungswidrigkeit der im SGB XI für privat krankenversicherte Beamte begründeten Verpflichtung überzeugen, sich privat gegen das Pflegerisiko beihilfekonform zu versichern. Die Revision war daher in der Hauptsache zurückzuweisen.
3. Das gilt auch für die Revision gegen die Kostenentscheidung des LSG. Das LSG hat die Entscheidung des SG, außergerichtliche Kosten seien nicht zu erstatten, aufgehoben und den Kläger verurteilt, der Beklagten die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten. Dieses Kostenurteil beruht auf § 193 Abs 1 SGG und ist rechtlich nicht zu beanstanden. Das LSG war auch nicht durch das Verbot der Schlechterstellung des Rechtsmittelklägers an der Korrektur der Kostenentscheidung des SG gehindert (vgl BSGE 62, 131, 136 = SozR 4100 § 141b Nr 40 S 154).
4. Auch die Kostenentscheidung des Senats beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Ende der Entscheidung
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