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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 10.12.1998
Aktenzeichen: B 12 RJ 2/98 R
Rechtsgebiete: SGB VI
Vorschriften:
SGB VI § 165 Abs 1 Satz 2 |
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL
Verkündet am 10. Dezember 1998
Az: B 12 RJ 2/98 R
Kläger und Revisionskläger,
Prozeßbevollmächtigte: ,
gegen
Landesversicherungsanstalt Unterfranken, Friedenstraße 14, 97072 Würzburg,
Beklagte und Revisionsbeklagte.
Der 12. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 10. Dezember 1998 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Peters, den Richter Balzer und die Richterin Harbeck sowie die ehrenamtlichen Richter Schneidinger und Koch
für Recht erkannt:
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 10. Dezember 1997 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Beitragshöhe in der Rentenversicherung.
Der 1962 geborene Kläger war bis Mitte November 1993 als Arbeitnehmer versicherungspflichtig beschäftigt und bezog anschließend bis Ende 1993 Leistungen nach dem Arbeitsförderungsgesetz. Er hatte bereits im März 1989 die Meisterprüfung im Schreinerhandwerk abgelegt und war seit Juli 1989 in die Handwerksrolle eingetragen. Diese Eintragung war mit dem Zusatz "nebenberuflich" versehen. Seit dem 3. Januar 1994 führte er hauptberuflich einen Schreinerbetrieb. Von diesem Zeitpunkt an erhielt die Eintragung in der Handwerksrolle den Zusatz "hauptberuflich".
Der Kläger beantragte während des Verfahrens zur Feststellung der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung, den Beitrag nach einem Arbeitseinkommen in Höhe von 50 vH der Bezugsgröße (im folgenden: halber Regelbeitrag) zu bemessen, wie es nach § 165 Abs 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Rentenversicherung (SGB VI) für versicherungspflichtige Selbständige in den ersten drei Kalenderjahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit zulässig ist. Die Bezugsgröße betrug in den alten Bundesländern im Jahre 1994 monatlich 3.920 DM, die Hälfte mithin 1.960 DM. Die Beklagte stellte fest, daß der Kläger als Handwerker, der in die Handwerksrolle eingetragen war, seit dem 3. Januar 1994 der Versicherungspflicht nach § 2 Nr 8 SGB VI unterliege. Den Beitrag setzte sie unter Berücksichtigung des vom Steuerberater mitgeteilten voraussichtlichen Monatseinkommens von 2.700 DM auf 501,12 DM für Januar 1994 und auf monatlich 518,40 DM ab Februar 1994 fest. Die Herabsetzung auf den halben Regelbeitrag lehnte sie ab (Bescheid vom 26. August 1994). Der Kläger machte mit dem Widerspruch geltend, er sei bis 1994 nur nebenberuflich und in geringfügigem Umfang als Handwerker selbständig tätig und in der Handwerkerversicherung versicherungsfrei gewesen. Mit Aufnahme seiner hauptberuflichen selbständigen Tätigkeit im Januar 1994 müsse ihm die Entrichtung des halben Regelbeitrags gestattet werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19. Januar 1995 zurück. Eine selbständige Tätigkeit gelte auch dann als aufgenommen, wenn sie zunächst nur in geringfügigem Umfang ausgeübt worden sei oder wegen Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Arbeitnehmer in der Handwerkerversicherung Versicherungsfreiheit bestanden habe.
Der Kläger hat Klage erhoben. Während des Klageverfahrens hat die Beklagte das Ende der Pflichtversicherung mit Ablauf des 31. Dezember 1994 festgestellt, weil der Kläger eine GmbH gegründet hatte. Für das Jahr 1994 hat er weiterhin die Herabsetzung des Beitrags gefordert. Das Sozialgericht (SG) hat der Klage stattgegeben und festgestellt, daß der Kläger berechtigt sei, im Jahre 1994 den halben Regelbeitrag zu entrichten (Urteil vom 18. Februar 1997). Der Kläger habe erstmals im Jahre 1994 eine selbständige Erwerbstätigkeit iS des § 165 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI aufgenommen. Eine Existenzgründung liege erst mit Aufnahme seines Schreinerbetriebes im Jahre 1994 vor. Die Beklagte hat Berufung eingelegt. Während des Berufungsverfahrens hat sie sich bereit erklärt, die Beiträge für das Jahr 1994 nach dem Einkommen festzusetzen, das im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 ausgewiesen ist. Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 10. Dezember 1997). Gegenstand des Verfahrens sei lediglich der Beitragsbescheid für das Jahr 1994. Der Kläger habe die Voraussetzung für die Beitragsermäßigung nach § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI nicht erfüllt. Er sei 1994 bereits länger als drei Kalenderjahre nach Aufnahme der Tätigkeit selbständig erwerbstätig gewesen, weil er seit Juli 1989 in die Handwerksrolle eingetragen gewesen sei. Spätestens seit diesem Zeitpunkt habe er eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt. Er habe sein Geschäft als selbständiger Unternehmer betrieben, weil er Umsätze und Einkommen erzielt habe. Auf den Umfang oder den wirtschaftlichen Erfolg seines Betriebes komme es nicht an. § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI unterscheide nicht danach, in welchem Umfang die Erwerbstätigkeit ausgeübt worden sei und ob sie Versicherungspflicht begründet habe. Die "selbständige Erwerbstätigkeit" sei im gesamten SGB VI einheitlich zu verstehen, unabhängig davon, ob es um die leistungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 Abs 2 Satz 2 SGB VI oder um die versicherungsrechtliche Frage einer Beitragsermäßigung nach § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI gehe. Entscheidendes Merkmal für eine selbständige Erwerbstätigkeit sei, daß die Tätigkeit auf Erwerb ausgerichtet sei und in der Absicht der Gewinnerzielung ausgeübt werde. Dies sei beim Kläger der Fall gewesen. Er habe im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Aufträge für andere Personen ausgeführt.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Die Anrechnung der nebenberuflichen Tätigkeit vor der eigentlichen Existenzgründung auf den Ermäßigungszeitraum des § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI widerspreche Sinn und Zweck der Vorschrift. Die Regelung solle Existenzgründungen erleichtern. Eine Existenzgründung habe bei ihm erst mit der Aufnahme des Schreinerbetriebes im Jahre 1994 vorgelegen. Die frühere Anmeldung sei nur erfolgt, weil er handwerkliche Tätigkeiten für einen Verein, dessen Mitglied er sei, auf eine solide Basis habe stellen wollen. Eine Existenzgründung sei deswegen noch nicht anzunehmen. Sie lasse sich auch von einer vorherigen nebenberuflichen Tätigkeit unterscheiden. Der formale Standpunkt des LSG widerspreche § 2 Abs 2 des Sozialgesetzbuchs - Allgemeiner Teil (SGB I), wonach sicherzustellen sei, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden. Das LSG habe selbst eingeräumt, daß die selbständige Erwerbstätigkeit leistungs- und beitragsrechtlich möglicherweise unterschiedlich verstanden werden könne.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des LSG vom 10. Dezember 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 18. Februar 1997 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das LSG hat das Urteil des SG zu Recht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit der Klage angefochten ist nur die Beitragsfestsetzung für das Jahr 1994 durch den Bescheid vom 26. August 1994 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Januar 1995. Die Feststellung, daß der Kläger, der seine frühere Beschäftigung als Arbeitnehmer im Jahre 1993 aufgegeben hatte, seit dem 3. Januar 1994 nach § 2 Nr 8 SGB VI versicherungspflichtig war, ist nicht angefochten und daher für die Beteiligten bindend. Er war selbständig tätiger, in die Handwerksrolle eingetragener Handwerker.
Die Beitragsfestsetzung durch die Beklagte ist rechtmäßig. Grundlage für die Beitragsbemessung sind die beitragspflichtigen Einnahmen (§ 161 Abs 1 SGB VI). Bei selbständig Tätigen sind nach § 165 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGB VI die beitragspflichtigen Einnahmen ein Arbeitseinkommen in Höhe der Bezugsgröße, bei Nachweis eines niedrigeren oder höheren Arbeitseinkommens jedoch dieses Arbeitseinkommen. Nach Satz 2 der Vorschrift sind bei selbständig Tätigen abweichend von Satz 1 Nr 1 bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beitragspflichtige Einnahmen ein Arbeitseinkommen in Höhe von 50 vH der Bezugsgröße, wenn die Versicherten dies beim Träger der Rentenversicherung beantragen. Nur diese Vorschriften galten für die Beitragsfestsetzung im Jahre 1994. Die Sätze 3 bis 10 des Abs 1, in denen das Verfahren zum Nachweis eines von der Bezugsgröße abweichenden Arbeitseinkommens iS des Abs 1 Nr 1 im einzelnen geregelt ist, sind erst durch das SGB VI-Änderungsgesetz vom 15. Dezember 1995 (BGBl I 1824) mit Wirkung vom 1. Januar 1996 angefügt worden. Die Beklagte hat die Beiträge nach beitragspflichtigen Einnahmen in Höhe von monatlich 2.700 DM festgesetzt. Dieses ist nicht zu beanstanden. Nach den Feststellungen des LSG ergaben sich entsprechende Schätzungen der Einnahmen aus den vom Steuerberater eingereichten Unterlagen. Der Kläger war nicht beschwert, wenn die Beklagte sie als ausreichenden Nachweis dafür ansah, daß sein monatliches Arbeitseinkommen weniger als die für den Regelbeitrag maßgebende monatliche Bezugsgröße von 3.920 DM betrug. Ob die Beklagte später verpflichtet war, die Beitragsfestsetzung anhand des Einkommensteuerbescheides für 1994 zu ändern, kann offen bleiben. Die Beklagte hat sich zu einer Überprüfung verpflichtet, nachdem der Kläger im Berufungsverfahren den Einkommensteuerbescheid vorgelegt hatte. Er ist demnach durch eine etwaige anfangs zu hohe Beitragsfestsetzung im Ergebnis nicht beschwert.
Zu Recht hat es die Beklagte abgelehnt, die beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers weiter herabzusetzen, und zwar nach § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI auf die Hälfte der Bezugsgröße und damit auf monatlich 1.960 DM; dieses würde zu einem Monatsbeitrag von 376,32 DM führen. Die Herabsetzung des Beitrags auf diesen halben Regelbeitrag war ausgeschlossen, weil im Jahre 1994 der Ermäßigungszeitraum von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit abgelaufen war. Der Kläger hat seit der Eintragung des Schreinerbetriebs in die Handwerksrolle im Juli 1989 eine selbständige Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt. Er hat von diesem Zeitpunkt an in diesem Betrieb im eigenen Namen und auf eigene Rechnung Aufträge für andere Personen ausgeführt und dabei, wenn auch nur in geringem Umfang, Umsätze getätigt sowie Einkünfte erzielt. Die entsprechenden Feststellungen des LSG sind für das Revisionsgericht bindend (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>).
Das Gesetz macht in § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI den Beginn des Ermäßigungszeitraums allein von der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit abhängig. Die Vorschrift ermöglicht es nach der Begründung des Entwurfs (BT-Drucks 11/4124 S 185 zu § 160) dem Selbständigen, maximal für vier Kalenderjahre den halben Regelbeitrag zu zahlen, um die Bedingungen für Existenzgründungen in den Anfangsjahren zu erleichtern. Dabei geht das Gesetz jedoch in einer verallgemeinernden Betrachtung davon aus, daß die Existenzgründung mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beginnt. Es enthält in § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI keine Maßstäbe, nach denen die Existenzgründung anders verstanden und zu einem späteren Zeitpunkt angenommen werden könnte.
Die Vorschrift macht den Beginn des Ermäßigungszeitraums nicht zusätzlich davon abhängig, daß die Tätigkeit hauptberuflich aufgenommen worden sein muß. Schon aus diesem Grunde ist es unerheblich, daß die Eintragung in die Handwerksrolle anfangs mit dem Zusatz "nebenberuflich" versehen war, der später durch "hauptberuflich" ersetzt wurde. Es ist auch nicht erforderlich, daß schon mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit (hier als Handwerker) Versicherungspflicht aufgrund dieser Tätigkeit eingetreten sein muß. Wäre dieses gewollt gewesen, hätte in § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI zum Ausdruck gebracht werden müssen, daß der Ermäßigungszeitraum erst mit der Aufnahme einer versicherungspflichtigen Tätigkeit beginne. Hieran fehlt es. Es kommt daher nicht darauf an, ob die selbständige Tätigkeit des Klägers als Handwerker in der ersten Zeit nach ihrer Aufnahme im Jahre 1989 wegen Geringfügigkeit versicherungsfrei war (bis Ende 1991 nach § 2 Abs 1 des Handwerkerversicherungsgesetzes <HwVG> iVm § 1228 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung <RVO> und § 8 Abs 3 des Sozialgesetzbuchs - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung <SGB IV>; ab 1992 nach § 5 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB VI iVm § 8 Abs 3 SGB IV). Das gilt umso mehr, als anderenfalls allein zur aktuellen Anwendung einer Beitragsermäßigungs-Regelung Feststellungen zum Umfang der Tätigkeit in zurückliegenden Jahren erforderlich wären. Hinzu kommt, daß die dann für den Fristbeginn maßgebliche Aufnahme einer mehr als geringfügigen Tätigkeit nicht oder nur unter erheblichen Schwierigkeiten feststellbar wäre.
Des weiteren ist unerheblich, daß der Kläger in den ersten Jahren nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit als Handwerker jedenfalls deshalb nicht versicherungspflichtig war, weil er zugleich eine versicherungspflichtige Beschäftigung als Arbeitnehmer ausübte. Diese Versicherungspflicht verdrängte zwar nach dem früheren Recht (bis Ende 1991) eine Versicherungspflicht als Handwerker (§ 2 Abs 1 Nr 5 HwVG). Das galt beim Kläger unter der Geltung des SGB VI ab 1992 möglicherweise aufgrund einer Übergangsregelung weiter (§ 230 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB VI), bis er im Jahre 1993 die abhängige Beschäftigung aufgab. Von dieser Ausnahme abgesehen, ist ein Ausschluß der Versicherungspflicht als selbständiger Handwerker durch eine Versicherungspflicht als Arbeitnehmer nicht in das SGB VI übernommen worden. Vielmehr bestehen jetzt beide Versicherungspflichten nebeneinander (vgl die Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks 11/4124 S 149 zu § 2). Auch wegen dieser Neuregelung des SGB VI zum Verhältnis der Versicherungspflichten würde es nicht überzeugen, dem inzwischen abgeschafften Vorrang der Beschäftigungsversicherung für die Beitragsermäßigungs-Regelung des § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI noch entscheidende Bedeutung beizumessen.
Die hier vertretene Ansicht zum Beginn des Ermäßigungszeitraums mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit steht in Einklang mit einer früher in der Handwerkerversicherung geltenden Regelung. Nach § 4 Abs 5 Satz 1 Nr 1 HwVG war eine Beitragserleichterung - damals in Form einer Beitragsentrichtung nur für jeden zweiten Monat ("Zweimonats-Zahler") - für Handwerker bis zum Ablauf von drei Kalenderjahren nach dem Jahr der erstmaligen Eintragung in die Handwerksrolle vorgesehen. Weitere Anforderungen als die erstmalige Eintragung in die Handwerksrolle wie etwa einen bestimmten wirtschaftlichen Umfang, die hauptberufliche Ausübung des Handwerks oder den Eintritt von Versicherungspflicht mit der erstmaligen Eintragung in die Handwerksrolle enthielt das frühere Recht nicht. Dementsprechend ist in der Literatur die Beitragserleichterung abgelehnt worden, wenn die erstmalige Eintragung in die Handwerksrolle mehr als vier Jahre vor Inkrafttreten des HwVG lag, dieser Zeitraum bei Begründung der Versicherungspflicht nach diesem Gesetz bereits abgelaufen war und daher eine Beitragserleichterung vollständig ausschied (vgl Jorks, Komm zum HwVG, 1962, § 4 RdNr 13; Jahn/Hoernigk, Komm zum HwVG, Stand Januar 1985, § 4 RdNr 9). Das Gleiche war anzunehmen, wenn nach Inkrafttreten des HwVG die Eintragung in die Handwerksrolle so weit zurücklag, daß sie sich bei Wirksamwerden der Versicherungspflicht als Handwerker nicht mehr beitragserleichternd auswirken konnte. Auch der Kläger des vorliegenden Verfahrens hätte bei Fortgeltung des früheren Rechts eine Behandlung als Zweimonats-Zahler für das Jahr 1994 nicht mehr beanspruchen können. Im neuen Recht des SGB VI, das die eigenständige Regelung der Handwerkerversicherung aufgegeben und die Versicherung dieses Personenkreises mit der Rentenversicherung anderer Selbständiger verbunden hat, knüpft zwar die nunmehr geltende Beitragsermäßigung in Form des halben Regelbeitrags für jeden Monat nicht mehr an die Eintragung in die Handwerksrolle, sondern wie bei anderen Selbständigen an die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit. Es gibt aber keinen Grund zu der Annahme, daß für den Beginn des Ermäßigungszeitraums mit Aufnahme der Tätigkeit etwas anderes gelten soll als früher für den Beginn mit der (damals erstmaligen) Eintragung in die Handwerksrolle. Eine von der Revision angestrebte Verschiebung der Ermäßigung auf einen erst mehrere Jahre nach Aufnahme der Tätigkeit liegenden Zeitraum würde die Beitragsermäßigung auf einen vom Gesetz nicht mehr erfaßten Zeitraum erstrecken, sie insofern erweitern und damit den Umfang der Versicherung einschränken. Das liefe anderen Regelungen des SGB VI zuwider, in denen die Versicherung der Handwerker ausgedehnt worden ist: So wurde, wie erwähnt, die Verdrängung der Handwerkerversicherung durch eine Beschäftigungsversicherung beseitigt. Ferner besteht die Versicherungspflicht als Handwerker nicht mehr nur bis zu einer Entrichtung von Pflichtbeiträgen für 216 Kalendermonate (vgl § 1 Abs 1 Satz 1 HwVG), sondern unbegrenzt; sie ist lediglich mit einem Befreiungsrecht nach Erreichen dieser Versicherungszeit ausgestattet (vgl § 6 Abs 1 Satz 1 Nr 4 des Sozialgesetzbuchs - Gesetzliche Krankenversicherung <SGB V>).
Die Anknüpfung allein an die Aufnahme der selbständigen Tätigkeit bei § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI stimmt mit der Rechtsprechung zum Beginn der Antragsfrist bei der Antragspflichtversicherung der Selbständigen überein. Wie § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI die Frist für die Beitragsermäßigung läßt § 4 Abs 2 SGB VI bei der Antragspflichtversicherung die Antragsfrist mit der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beginnen. Diese Vorschrift entspricht insoweit den bis zum 31. Dezember 1991 geltenden § 1227 Abs 1 Satz 1 Nr 8 RVO und § 2 Abs 1 Nr 11 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG). Der Senat hat zu § 2 Abs 1 Nr 11 AVG entschieden, daß auch die Aufnahme einer wegen Geringfügigkeit versicherungsfreien Tätigkeit (§ 4 Abs 1 Nr 5 AVG iVm § 8 Abs 3 SGB IV) die Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit iS dieser Vorschrift bedeutet (BSG SozR 3-2200 § 1227 Nr 8 S 13 f). Als einer der Gründe hierfür ist schon in dieser Entscheidung genannt worden, daß die Aufnahme der selbständigen Erwerbstätigkeit sonst praktisch nicht mehr feststellbar wäre.
Eine von der Revision vertretene andere Auslegung des § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI ist nicht wegen § 2 Abs 2 Halbsatz 2 SGB I geboten. Das darin enthaltene Gebot sicherzustellen, daß die sozialen Rechte möglichst weitgehend verwirklicht werden, gebietet nicht die Ergänzung des § 165 Abs 1 Satz 2 SGB VI um Voraussetzungen, die der Vorschrift nicht zu entnehmen sind. Dieses würde auch ihre gleichmäßige Anwendung erheblich erschweren. Im übrigen ist fraglich, ob "die sozialen Rechte" bei der Entrichtung niedrigerer Beiträge weitergehend verwirklicht würden als bei der Entrichtung höherer Beiträge.
Hiernach war die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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