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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Beschluss verkündet am 05.02.2009
Aktenzeichen: B 13 R 561/08 B
Rechtsgebiete: SGG, ZPO, GG


Vorschriften:

SGG § 62
SGG § 116 Satz 2
SGG § 118 Abs 1 Satz 1
ZPO § 397
ZPO § 402
ZPO § 411 Abs 4
GG Art 103 Abs 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Beschluss

in dem Rechtsstreit

Az: B 13 R 561/08 B

Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat am 5. Februar 2009 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steinwedel, die Richter Dr. Fichte und Kaltenstein sowie die ehrenamtliche Richterin Link und den ehrenamtlichen Richter Dr. Andresen

beschlossen:

Tenor:

Auf die Beschwerde des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 31. Oktober 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Gründe:

I

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Das Sozialgericht Düsseldorf hat die Klage nach Beiziehung von Befundberichten der behandelnden Ärzte und Einholung eines orthopädischen Gutachtens des Dr. L. vom 6.2.2007 abgewiesen, weil der Kläger hiernach noch körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung oder überwiegend im Sitzen vollschichtig verrichten könne (Urteil vom 5.9.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ein schmerztherapeutisches Fachgutachten des Arztes B. vom 3.8.2008 eingeholt, das dem Kläger wegen eines chronifizierten Schmerzempfindens, für das ein pathologisches Korrelat bestehe, bei depressiver Grundstimmung nur noch ein "gelegentliches" Leistungsvermögen unter drei Stunden täglich bescheinigt. In einer sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte hat Dr. F. am 27.8.2008 ausgeführt, Schmerzzustände müssten "in der heutigen Zeit nicht mehr sein ..., da eben Therapiemöglichkeiten bestehen"; unter Optimierung der Schmerztherapie gebe es keinen Grund, warum der Kläger nicht mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten verrichten können solle.

In Kenntnis dieser Stellungnahme hat der Kläger am 24.9.2008 beantragt, die Akten erneut dem Sachverständigen B. vorzulegen und diesen zu beauftragen, zu der Stellungnahme der Beklagten vom 27.8.2008 Stellung zu nehmen und mitzuteilen, ob er angesichts dieser Stellungnahme sein Gutachten aufrechterhalte, abändere oder ergänze. Diesen Antrag hat er - als Hilfsantrag - im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 31.10.2008 aufrechterhalten. Durch Urteil vom selben Tage hat das LSG die Berufung zurückgewiesen.

Zur Begründung seiner hiergegen eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde trägt der Kläger vor, das LSG habe seinem Antrag auf erneute Anhörung des Arztes B. zu den Ausführungen des Arztes für Orthopädie und Sozialmedizin Dr. F. nachkommen müssen; dessen Stellungnahme widerlege die Ausführungen des Facharztes für Schmerztherapie B. nicht. Dieser müsse die Möglichkeit haben, die Frage der dauernden Erwerbsminderung in Kenntnis der Ausführungen des Dr. F. erneut zu beurteilen.

II

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Der Kläger hat eine Verletzung seines Fragerechts nach § 116 Satz 2 SGG, § 118 Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 397, 402, 411 Abs 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) und damit seines Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 des Grundgesetzes) hinreichend bezeichnet; die Rüge trifft auch zu. Das LSG hat zu Unrecht den Sachverständigen B. nicht erneut angehört. Insoweit liegt ein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG vor, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann.

Einem Beteiligten steht nach den vorzitierten Vorschriften das Recht zu, dem Sachverständigen diejenigen Fragen vorlegen zu lassen, die er zur Aufklärung der Sache für dienlich erachtet (Senatsbeschluss vom 12.12.2006 - B 13 R 427/06 B - Juris RdNr 7; vgl auch BVerfG NJW 1998, 2273; BGH NJW 1998, 162, 163 alle mwN). Dabei müssen die dem Sachverständigen zu stellenden Fragen nicht formuliert werden. Es reicht vielmehr aus, die erläuterungsbedürftigen Punkte hinreichend konkret zu bezeichnen (BSG SozR 3-1750 § 411 Nr 1; BVerwG NJW 1996, 2318), zB auf Lücken oder Widersprüche hinzuweisen. Einwendungen in diesem Sinn sind dem Gericht rechtzeitig mitzuteilen (vgl § 411 Abs 4 ZPO). Eine Form für die Befragung ist gesetzlich nicht vorgeschrieben, sodass sie sowohl mündlich als auch schriftlich erfolgen kann.

Der Kläger hat am 24.9. und 31.10.2008 beantragt, den Sachverständigen B. zu den Einwendungen des Dr. F. gegen seine Ausführungen zum verbliebenen Leistungsvermögen zu hören. Damit hat er erläuterungsbedürftige Punkte hinreichend konkret bezeichnet, nämlich auf Widersprüche in der Leistungsbeurteilung hingewiesen. Er hat den Antrag auf erneute Anhörung des Sachverständigen auch rechtzeitig nach Kenntnis der sozialmedizinischen Stellungnahme des Dr. F. gestellt, sodass er alles getan hat, um die erneute Anhörung des Sachverständigen zu erreichen (vgl hierzu BSG SozR 4-1500 § 116 Nr 1). Da er den Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 31.10.2008 aufrechterhalten hat, hätte das Gericht ihm folgen müssen (vgl BSG SozR 4-1500 § 62 Nr 4 RdNr 5). Das gilt selbst dann, wenn das Gutachten nach Auffassung des Gerichts keiner Erläuterung bedurfte (BVerfG NJW 1998, 2273 = Juris RdNr 11; BGH NJW 1997, 802; Meyer-Ladewig in ders/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl 2008, § 118 RdNr 12h).

Auf dem Verfahrensmangel kann die Entscheidung des LSG beruhen. Es ist nicht auszuschließen, dass das LSG das Gutachten des Sachverständigen B. nach dessen Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Dr. F. anders gewertet und eine weitere Sachaufklärung für notwendig gehalten hätte oder unmittelbar zu einem für den Kläger günstigeren Ergebnis gekommen wäre.

Zur Vermeidung weiterer Verfahrensverzögerung hat der Senat die Sache im Beschlusswege nach § 160a Abs 5 SGG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen.

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

Ende der Entscheidung

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