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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 27.03.2007
Aktenzeichen: B 13 R 63/06 R
Rechtsgebiete: SGB VI
Vorschriften:
SGB VI § 44 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Az: B 13 R 63/06 R
Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 27. März 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steinwedel, die Richter Dr. Fichte und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Schneider und Weniger
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10. März 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU), hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit (BU) über den 31.3.1998 hinaus, weiter hilfsweise über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung (EM).
Die Klägerin absolvierte nach bestandener Abiturprüfung ein rund zwei Monate dauerndes Anlernverhältnis in einem Reisebüro. Anschließend war sie - seit März 1978 - zunächst als Bodenhostess, später als Flugbegleiterin (Stewardess) - unterbrochen durch eine einmonatige Arbeitslosigkeit im Januar/Februar 1979 - bis zum 31.3.1993 versicherungspflichtig beschäftigt. Arbeitsunfähigkeit bestand seit dem 24.3.1993. Zwischen Juni 1998 und Juni 2002 war die Klägerin - zunächst mit neun Stunden wöchentlich, später mit achtzehn Wochenstunden - im Telefonmarketing eines Autohauses beschäftigt. Zum 1.1.2004 hat die Klägerin eine von der Agentur für Arbeit geförderte Umschulung zur Logopädin aufgenommen.
Auf ihren Antrag vom 3.5.1993 bewilligte die Beklagte der Klägerin durch Bescheid vom 23.3.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.4.1996 befristete Rente wegen EU für die Zeit vom 21.9.1994 bis zum 31.8.1997; durch Bescheid vom 11.12.1997 wurde die Rentengewährung letztmalig bis zum 31.3.1998 verlängert.
Eine Weitergewährung der Rente wegen EU über März 1998 hinaus lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 3.2.1998 ab, weil - neben wechselhaften Wirbelsäulenbeschwerden nach der operativen Entfernung eines Bandscheibenvorfalls - eine stabile Situation ohne höhergradige Funktionseinschränkungen des Nervensystems bestehe und die Klägerin in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt - etwa als Bürogehilfin mit Tätigkeiten in der Poststelle oder Registratur einer Behörde oder in Betrieben - vollschichtig tätig zu sein.
Widerspruch, Klage und Berufung sind erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat das Vorliegen von EU oder BU über den 31.3.1998 hinaus sowie die Voraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen voller oder teilweiser EM nach dem ab 1.1.2001 geltenden Rentenrecht verneint (Urteil vom 10.3.2006). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin lägen auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet. Aus ihnen resultierten Leistungseinschränkungen lediglich qualitativer, nicht aber quantitativer Natur. In psychiatrischer Hinsicht leide die Klägerin unter einer Alkoholabhängigkeit, ohne durchgehend alkoholabstinent zu sein und ohne dass schwerwiegende körperliche oder psychomental relevante Folgeschäden vorlägen. Außerdem leide sie unter einer ängstlichen Depression iS einer Dysthymia. Auch unter Mitberücksichtigung der organmedizinisch relevanten Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparats lasse sich hieraus eine quantitative Aufhebung des Leistungsvermögens nicht ableiten.
Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen liege bei der Klägerin nicht vor, sodass keine Pflicht zur Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bestehe. Der enge vom Bundessozialgericht (BSG) vorgegebene Fallkatalog (zB besondere Schwierigkeit hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz; zusätzliche Arbeitspausen von zwei Mal je 15 Minuten täglich; Einschränkungen der Arm- und Handbewegungen oder Analphabetismus) sei einer Erweiterung nicht zugänglich.
Mit dem festgestellten Belastbarkeitsprofil sei der Arbeitsmarkt der Klägerin nicht schlechthin verschlossen. Es seien keine Aspekte erkennbar, aus deren Zusammenwirken sich eine besondere Erschwernis ableiten lasse. Dies gelte insbesondere für den ärztlich geforderten Haltungswechsel vom Sitzen zum Gehen oder Stehen nach 30 bis 60 Minuten. Die festgestellten qualitativen Leistungseinschränkungen hinderten die Klägerin nicht, in einer ihr zumutbaren Tätigkeit Arbeiten vollschichtig zu verrichten.
BU liege nicht vor, weil die Klägerin zwar aus gesundheitlichen Gründen seit März 1993 - auf Dauer - nicht mehr in ihrem bisherigen Beruf als Stewardess einsetzbar, in einer ihr zumutbaren Verweisungstätigkeit aber vollschichtig leistungsfähig sei. Bei der Bestimmung ihres bisherigen Berufs bleibe die ungelernte Tätigkeit im Autohaus zwischen Juni 1998 und Juni 2002 ebenso außer Betracht wie die noch nicht abgeschlossene Ausbildung zur Logopädin. Zur Stewardess sei die Klägerin in einer Ausbildungszeit von bis zu zwei Jahren angelernt worden; es spreche viel dafür, sie mithin zu den angelernten Angestellten (mit einer Ausbildungszeit bis zu zwei Jahren; "2. Stufe") zu zählen. Zur Gruppe der Fachangestellten ("3. Stufe" des Mehrstufenschemas des BSG) oder gar der Fachangestellten mit besonderer Qualifikation (Angestellte hoher beruflicher Qualität, "4. Stufe") sei eine Stewardess in der Regel nicht zu zählen; denn beide Berufsgruppen setzten grundsätzlich eine Regelausbildung von mehr als zwei, in der Regel drei Jahren voraus, wobei die Fachangestellte mit besonderer Qualifikation zusätzlich noch darüber hinausgehende berufliche Qualifikationen oder Verantwortlichkeiten vorweisen müsse. Allein auf Grund ihrer langjährigen Berufstätigkeit könne die Klägerin ebenfalls nicht als Fachangestellte angesehen werden.
Eine abschließende Aussage zur Einstufung der Klägerin in die 2. oder 3. Stufe des Mehrstufenschemas des BSG müsse der Senat nicht treffen. Denn jedenfalls sei die Klägerin sozial zumutbar auf eine Bürohilfstätigkeit entsprechend der Vergütungsgruppe IX BAT verweisbar. Dabei handele es sich um keine Tätigkeit von ganz geringem qualitativen Wert. Eine solche Bürotätigkeit gewährleiste auch die Möglichkeit, die Körperhaltung nach eigenem Ermessen zu wechseln. Der Einholung eines berufskundlichen Sachverständigengutachtens habe es nicht bedurft. Einfache Bürohilfstätigkeiten seien tariflich erfasst (Vergütungsgruppe IX BAT). Nach ständiger Rechtsprechung des BSG bestehe daher eine Vermutung dafür, dass es für eine Verweisungstätigkeit in ausreichendem Umfang auch Arbeitsplätze gebe.
Über die Behauptung der Klägerin, dass Bürohilfskräfte ohne Vorbildung nur als Schreibkraft oder Stenotypistin eingesetzt würden, dass insoweit eine konzentrative Dauerbelastung bestehe und dass eine Zwangshaltung eingenommen werden müsse, die nicht nach 30 bis 60 Minuten einen Wechsel der Haltungsart zulasse, habe der Senat keinen Beweis erheben müssen, weil mit der umfassend verwertbaren Stellungnahme des berufskundlichen Dienstes der Beklagten vom 19.10.2005 eine ausreichende Erkenntnisgrundlage bestanden habe.
Die Klägerin sei auch nicht - ganz oder teilweise - erwerbsgemindert iS des § 43 Abs 3 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch neuer Fassung (SGB VI nF), weil sie unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein könne.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin inhaltlich eine Verletzung des § 44 SGB VI alter Fassung (aF): Nach der Rechtsprechung des BSG sei eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen und damit eine Verschlossenheit des Arbeitsmarkts immer dann anzunehmen, wenn die Fähigkeit des Versicherten, zumindest körperlich leichte Arbeiten vollschichtig zu verrichten, zusätzlich in erheblichem Umfang eingeschränkt sei, also Leistungseinschränkungen bestünden, die nicht bereits von dem Erfordernis "körperlich leichter Arbeiten" erfasst würden und in dieser Hinsicht nicht als gewöhnlich angesehen werden könnten. Ein abgeschlossener, einer Erweiterung nicht zugänglicher Katalog von Einschränkungen, bei denen eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen anzunehmen sei, existiere in der Rechtsprechung des BSG gerade nicht.
Das LSG sei davon ausgegangen, dass bei einer überwiegend sitzenden Tätigkeit nach 30 bis 60 Minuten ein Haltungswechsel zum Gehen oder Stehen vorzunehmen sei und die Beschränkung des Gehens und Stehens auf maximal vier Stunden bei einem achtstündigen Arbeitstag bzw auf nicht mehr als eine Stunde ununterbrochen täglich beschränkt sei. Damit aber bestünden ernsthafte Zweifel an einer normalen betrieblichen Einsetzbarkeit auch für leichtere Arbeiten, weil weite Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarkts damit verschlossen seien. Insbesondere schieden Montier-, Sortier- und Kontrollarbeiten etc aus, weil derartige Tätigkeiten nicht mit den Besonderheiten des Erfordernisses eines Haltungswechsels in freier Willensbestimmung in Einklang zu bringen seien. Überdies bestehe in psychischer Hinsicht eine Konzentrationsschwäche verbunden mit eingeschränkter Entschluss-, Verantwortungs- und Kontaktfähigkeit, wie sie auch für leichtere Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts erhalten sein müssten.
Des Weiteren rügt die Klägerin eine Verletzung von § 43 SGB VI aF: Als Stewardess (Flugbegleiterin) sei sie als angelernte Angestellte mit einer Ausbildung von bis zu zwei Jahren - und damit als angelernte Angestellte im oberen Bereich - zu behandeln. Sie könne nicht auf Tätigkeiten ganz einfacher Art verwiesen werden. Die vom LSG in Betracht gezogene Verweisung auf einfache Bürohilfstätigkeiten gemäß Vergütungsgruppe IX BAT verbiete sich; insofern handele es sich um Tätigkeiten von ganz geringem qualitativen Wert. Das LSG sei weder dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema zu § 43 SGB VI aF noch dem "Bezeichnungsgebot" hinreichend nachgekommen. Für Versicherte, die dem oberen Bereich der Angelernten angehörten, wovon auch das LSG bei ihr, der Klägerin, ausgehe, sei die Verweisbarkeit eingeschränkt. Zumutbare Verweisungstätigkeiten müssten sich durch zusätzliche Qualitätsmerkmale, etwa durch das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse, auszeichnen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr 143). Zudem seien konkrete Verweisungstätigkeiten zu benennen, also solche, die im Berufsleben tatsächlich existent seien.
Diesen Qualitätsanforderungen genüge die benannte Bürohilfstätigkeit nach Vergütungsgruppe IX BAT bereits nicht. Abgesehen davon, dass solche Tätigkeiten der ungelernten Ebene zuzuordnen seien, die vorwiegend mechanisch ausgeübt würden, habe das LSG keine konkrete Verweisungstätigkeit iS einer konkreten Arbeitsplatzbezeichnung benannt; eine Bürohilfskraft nach Vergütungsgruppe IX BAT sei kein typischer Arbeitsplatz, der im öffentlichen Dienst angeboten werde. Es handele sich vielmehr nur um einen Sammelbegriff von Tätigkeiten, wie der Tätigkeitsbeschreibung der Vergütungsordnung Anlage 1a zu § 22 BAT zu entnehmen sei; dies reiche für die erforderliche Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit nicht aus. Daher sei das zu § 43 Abs 2 SGB VI aF entwickelte Mehrstufenschema des BSG falsch angewandt und damit verletzt worden.
Weiterhin rügt die Klägerin die Verletzung von Verfahrensrecht (Amtsermittlungspflicht), weil entsprechend ihrem Antrag Beweis zu erheben gewesen wäre über ihre berufliche Einsetzbarkeit durch Einholung eines entsprechenden berufskundlichen Gutachtens. Das LSG verkenne, dass die "Bürohilfskraft" nicht ausdrücklich vom BAT erfasst sei. Genannt werde lediglich ua "die Angestellte im Büro" in der Vergütungsordnung, Anlage 1a, in der die Tätigkeitsmerkmale zur Eingruppierung zu § 22 BAT beschrieben würden. Die Stellungnahme des berufskundlichen Dienstes der Beklagten vom 19.10.2005 stelle keine ausreichende Erkenntnisgrundlage dar.
Schließlich habe das LSG weder vor noch im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 10.3.2006 einen rechtlichen Hinweis darauf erteilt, dass es sie, die Klägerin, auf die Tätigkeit einer Bürohilfskraft nach Vergütungsgruppe IX BAT verweisen und dazu - ungeprüft - die Stellungnahme der Beklagten zur Grundlage machen wolle. Damit werde zugleich ihr Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10.3.2006 und das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 4.6.2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 3.2.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.3.1998 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, über den 31.3.1998 hinaus, hilfsweise Rente wegen voller bzw teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 10.3.2006 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und führt ergänzend aus: Selbst wenn das LSG von einem offenen Fallkatalog ausgegangen wäre, hätte dies nicht dazu geführt, die Leistungseinschränkungen als Summierungsfall zu klassifizieren. Durch die Teilnahme an der Umschulung zur Logopädin, einem vergleichsweise anspruchsvollen Beruf, unterstreiche die Klägerin ihre Leistungsfähigkeit, die in Bezug auf die Ausübung körperlich leichter Arbeiten und der Tolerierung von psychomentalen Belastungen zumindest durchschnittlichen Anforderungen genügen müsse.
Der Beruf Flugbegleiter/in sei kein anerkannter Ausbildungsberuf; er sei auch nicht anderweitig durch Rechtsvorschriften geregelt. Sehe man vom erforderlichen Mindestalter von 18 Jahren und dem Bestehen der flugärztlichen Untersuchung ab, gebe es keine geregelten Zugangsvoraussetzungen für diesen Beruf. Die Ausbildung umfasse insgesamt ca sieben Monate. Dies habe das Berufungsgericht in seine Entscheidung nachvollziehbar einbezogen. Ausgehend von der Einordnung des bisherigen Berufs in die zweite Berufsgruppe des Mehrstufenschemas habe das LSG der Klägerin die Tätigkeit einer Bürohilfskraft benannt. Dabei habe das Gericht unter Bezugnahme auf eine berufskundliche Stellungnahme der Beklagten, die ihre Ausführungen wiederum mit berufskundlichen Sachverständigenaussagen aus anderen Sozialgerichtsverfahren untermauert habe, als typische Aufgaben die Tätigkeiten der Vergütungsgruppe IX BAT aufgeführt. Die Bezeichnung "Bürohilfskraft" sei in der Arbeitswelt gebräuchlich. Sie werde in der Berufsdatenbank der Bundesagentur für Arbeit und in Tarifverträgen ausdrücklich aufgeführt. Es handele sich demzufolge nicht um einen Phantasieberuf. Diese Tätigkeit sei der Klägerin sozial zumutbar. Eine Überraschungsentscheidung liege nicht vor, wenn das Gericht einen rechtlichen Gesichtspunkt ebenso beurteile wie einer der beiden Beteiligten. Gelegenheit zur Stellungnahme hinsichtlich der Rechtsauffassung der Beklagten und der Stellungnahme ihres berufskundlichen Dienstes habe sowohl im schriftlichen Verfahren als auch im Termin zur mündlichen Verhandlung bestanden.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt.
II
Auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs 2 SGG entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung.
Die Revision hat iS der Aufhebung und Zurückverweisung Erfolg, § 170 Abs 2 Satz 2 SGG. Die bisher vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen versetzen den Senat nicht in die Lage, abschließend darüber zu entscheiden, ob die Klägerin nach dem 31.3.1998 einen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen BU oder gar wegen EU bzw wegen teilweiser oder voller EM hat.
Nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs Anspruch auf Rente wegen BU, wenn sie berufsunfähig sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der BU drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und vor Eintritt der BU die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Berufsunfähig sind nach § 43 Abs 2 SGB VI aF Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Zumutbar ist stets eine Tätigkeit, für die die Versicherten durch Leistungen zur beruflichen Rehabilitation mit Erfolg ausgebildet oder umgeschult worden sind. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
Ob die Klägerin mit dem vom LSG festgestellten Leistungsvermögen unter Geltung des angeführten alten Rechts in der Lage war, eine ihr zumutbare Erwerbstätigkeit ab April 1998 wieder vollschichtig auszuüben, lässt sich anhand der bisherigen Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen. Zwar führt das Berufungsgericht hinsichtlich der medizinischen Leistungsvoraussetzungen nachvollziehbar aus, dass bei der Klägerin auf orthopädischem und psychiatrischem Gebiet Leistungseinschränkungen lediglich qualitativer, nicht aber quantitativer Natur bestanden bzw bestehen. Nicht hinreichend geklärt ist jedoch, inwieweit ihr das verbliebene Leistungsvermögen eine sozial zumutbare Berufstätigkeit ermöglicht hat.
Zutreffend ist das LSG bei der Klägerin von dem Hauptberuf Stewardess (Flugbegleiterin) ausgegangen. Diesen hat sie langjährig ausgeübt; er hat ihrem Berufsleben das Gepräge gegeben. Nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat die Klägerin ihn aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Die letzte Teilzeittätigkeit im Telefonmarketing eines Autohauses hat bei dieser Ausgangslage ebenso außer Betracht zu bleiben wie die (damals) nicht abgeschlossene Ausbildung zur Logopädin.
Nicht festgelegt hat sich das LSG jedoch, ob es sich bei dem Hauptberuf der Klägerin um eine der 2. Stufe des Mehrstufenschemas des BSG zuzuordnende angelernte oder eine Fachangestelltentätigkeit der 3. Stufe gehandelt hat. Obwohl es erkannt hat, dass zB die von der Klägerin zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Stewardess "in charge" (= in Gesamtverantwortung für die Kabine, Bl 235 SG-Akte) sie möglicherweise von den übrigen Stewardessen abhob, hat es die Ermittlung versäumt, ob die Klägerin damit einer Fachangestellten der Stufe 3 zumindest gleichzustellen ist. Dennoch hat es die Klägerin auf die Tätigkeit einer "Bürohilfskraft" nach Vergütungsgruppe IX BAT verwiesen. Dass aber Tätigkeiten, die in die Vergütungsgruppe IX BAT eingruppiert sind, einem Facharbeiter nicht zumutbar sind, hat das BSG bereits entschieden (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 17).
Selbst wenn aber die Klägerin letztlich der 2. Stufe des Mehrstufenschemas (angelernte Angestellte) zuzuordnen wäre, genügt die pauschale Verweisung der Klägerin auf die "Bürohilfskraft" den Anforderungen an die Bezeichnung einer zumutbaren Verweisungstätigkeit nicht. Zwar hat das LSG insoweit unter Bezugnahme auf die berufskundliche Stellungnahme der Beklagten vom 19.10.2005 ausgeführt, die soziale Zumutbarkeit der Bürohilfstätigkeit ergebe sich aus der Einstufung nach Vergütungsgruppe IX BAT; es handele sich um keine Tätigkeit von ganz geringem qualitativen Wert. Denn Bürohilfstätigkeiten zeichneten sich durch verschiedene Verrichtungen aus, die durchaus einen Haltungswechsel zuließen, keine konzentrative Dauerbelastung erforderten und bei Weitem mehr als nur Schreibarbeiten ausmachten. Die Möglichkeit, die Körperhaltung nach eigenem Ermessen zu wechseln, ermöglichten beispielsweise durchzuführende Absprachen mit Kollegen, das Sortieren, Heften von Unterlagen, Telefonate und dergleichen, die auch im Stehen durchgeführt werden könnten.
Diese Ausführungen werden jedoch dem Erfordernis, eine sozial zumutbare konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen, nicht gerecht. Der allgemeine Hinweis auf die Tätigkeit einer Bürohilfskraft bzw die Zumutbarkeit von Bürohilfstätigkeiten mit der Einstufung nach Vergütungsgruppe IX BAT genügt nicht. Eine Verweisung auf Tätigkeiten nach einer bestimmten Vergütungsgruppe des BAT ist nicht hinreichend konkret (BSG SozR 3-2200 § 1246 Nr 34 S 131); es reicht nicht aus, einzelne Arbeitsvorgänge oder Tätigkeitsmerkmale anzugeben. Erforderlich ist vielmehr die Benennung eines typischen Arbeitsplatzes mit der üblichen Berufsbezeichnung. Mithin sind eine typisierende Arbeitsplatzbeschreibung über den tatsächlichen Umfang der Anforderungen und den Arbeitsablauf sowie typische Belastungssituationen zu Grunde zu legen (BSG aaO mwN). Bezogen auf die Vergütungsgruppe IX BAT muss ein typischer Arbeitsplatz bezeichnet werden, der im öffentlichen Dienst angeboten wird und der nach seinen qualitativen Merkmalen mindestens in die angeführte Gruppe einzugruppieren ist.
Diese Anforderungen erfüllt die Bezeichnung "(einfache) Bürohilfskraft" (Bl 21 LSG-Urteil) auch unter Zuhilfenahme der Tätigkeitsbeschreibungen zu Vergütungsgruppe IX b (in die Vergütungsgruppe IX a werden Angestellte mit Tätigkeiten der Vergütungsgruppe IX b nach zweijähriger Bewährung in dieser Vergütungsgruppe eingestuft) in der Anlage 1a zum BAT nicht. Insoweit einschlägig ist allenfalls die Fallgruppe 1, die auf "Angestellte ... mit einfacheren Arbeiten" abstellt und diese im Klammerzusatz erläutert als: "z.B. nach Schema zu erledigende Arbeiten; Postabfertigung; Führung von Brieftagebüchern, Inhaltsverzeichnissen; Führung von einfachen Karteien, zB Zettelkatalogen nach Eigen- oder Ortsnamen geordneten Karteien; Führung von Kontrolllisten, Einheitswertbogen und statistischen Anschreibungen; Formularverwaltung, Schreibmaterialverwaltung; Führung von häufig wiederkehrendem Schriftwechsel nach Vordruck, insbesondere formularmäßige Bescheinigungen und Benachrichtigungen sowie Erinnerungen und Straffestsetzungen; Lesen von Reinschriften; Heraussuchen von Vorgängen anhand der Tagebücher". Hierbei handelt es sich (ebenso, wie in BSG aaO zu BAT VIII ausgeführt,) um Arbeitsvorgänge aller Tätigkeitsmerkmale, die nur als Kriterien für die Bewertung eines konkreten Arbeitsplatzes dienen, an dem verschiedene Arbeitsvorgänge zu erledigen seien und mehrere der genannten Tätigkeitsmerkmale vorliegen können (vgl § 22 Abs 2 BAT). Dies lässt auch nicht ansatzweise den erforderlichen Abgleich der Anforderungen der Verweisungstätigkeit mit der Leistungsfähigkeit der Klägerin zu (vgl hierzu Senatsurteil vom 29. März 2006 - B 13 RJ 41/05 R - SozR 4-2600 § 43 Nr 7 RdNr 11 mwN).
Allein die Tatsache, dass die Bezeichnung "Bürohilfskraft" - worauf die Beklagte hinweist - nicht dem Bereich der "Phantasieberufe" zuzuordnen, sondern in der Arbeitswelt gebräuchlich ist und sowohl in der Berufsdatenbank der Bundesagentur für Arbeit (http://infobub.arbeitsagentur.de/ berufe/index.jsp) als auch in Tarifverträgen - etwa für das Reisebürogewerbe - ausdrücklich aufgeführt wird, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es handelt sich um eine typische Sammelbezeichnung, die durch eine Beschreibung der in dieser Tätigkeit erforderlichen Befähigungen, Kenntnisse und Anforderungen im Einzelnen näher konkretisiert werden muss.
Nur für den Fall, dass das LSG einen Anspruch der Klägerin auf Rente wegen BU mangels Vorliegens eines zumutbaren Verweisungsberufs bejahen sollte, stellte sich die Frage, ob von ihr darüber hinaus Rente wegen EU über das Zeitrentenende hinaus beansprucht werden kann. Denn nach § 44 Abs 2 SGB VI in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung besteht ein solcher Anspruch regelmäßig nur, wenn ein Versicherter aus medizinischen Gründen außer Stande ist, aus regelmäßiger Erwerbstätigkeit Erwerbseinkommen zu erzielen. Ausgehend von dem von ihm festgestellten vollschichtigen Leistungsvermögen hat das LSG das Vorliegen von EU bei der Klägerin nach der Rechtsprechung des Großen Senats (GS) des BSG zutreffend auf die Frage beschränkt, ob eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (vgl GS des BSG in BSGE 80, 24, 33 = SozR 3-2600 § 44 Nr 8).
Entgegen der im angefochtenen Urteil geäußerten Auffassung wird das LSG bei der Prüfung der "Summierung" jedoch zu beachten haben, dass insoweit kein von der Rechtsprechung des BSG vorgegebener Fallkatalog existiert, der einer Erweiterung nicht zugänglich wäre. Das Bestehen einer derartigen Bezeichnungspflicht hängt vielmehr allein von Anzahl, Art und Umfang der beim Versicherten bestehenden qualitativen Leistungseinschränkungen ab.
Die ab 1.1.2001 erfolgte Umstellung auf die neuen Rentenarten wegen teilweiser (§ 43 Abs 1 SGB VI nF) oder voller Erwerbsminderung (§ 43 Abs 2 SGB VI nF) durch das Gesetz zur Reform der Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit vom 20.12.2000 (BGBl I 1827) wäre nur dann maßgeblich, wenn der Versicherungsfall der BU oder EU nach früherem Recht am 31.12.2000 noch nicht eingetreten wäre, aber für die nachfolgende Zeit der Eintritt des Leistungsfalls der teilweisen oder vollen EM nach neuem Recht in Betracht käme (vgl § 300 Abs 1 iVm Abs 2 SGB VI). Auf die Möglichkeit einer derartigen Abfolge deutet nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG nichts hin.
Da es dem Revisionsgericht verwehrt ist, notwendige Feststellungen tatsächlicher Art selbst nachzuholen, war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Einer Behandlung der Verfahrensrügen der Klägerin bedarf es nicht mehr.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Ende der Entscheidung
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