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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 26.07.2007
Aktenzeichen: B 13 R 67/06 R
Rechtsgebiete: SGB VI, BEG
Vorschriften:
SGB VI § 250 Abs 1 Nr 4 | |
BEG § 43 Abs 3 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 26. Juli 2007
Az: B 13 R 67/06 R
Der 13. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Juli 2007 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Steinwedel, die Richter Dr. Fichte und Dr. Terdenge sowie die ehrenamtlichen Richter Freiherr Grote und Neuhaus
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15. Juni 2006 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Gewährung höherer Regelaltersrente (RAR) unter Anrechnung einer weiteren Ersatzzeit vom 1.11.1939 bis 7.1.1940.
Der 1922 geborene und heute in den USA lebende jüdische Kläger ist anerkannter Verfolgter; zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wohnte er mit seinen Eltern in Bendzin (Bedzin, Bendsburg)/Polen (später Regierungsbezirk Kattowitz, Ostoberschlesien). Ein Antrag auf Entschädigung für die Zeit ab 15.12.1939 führte zur Zuerkennung eines Freiheitsschadens vom 8.1.1940 bis 1.5.1945.
Seit dem 1.3.1998 bezieht der Kläger von der Beklagten RAR ua unter Berücksichtigung nachentrichteter Pflichtbeiträge für die Zeit vom 1.2.1938 bis 31.1.1939 sowie Ersatzzeiten wegen Verfolgung ab 8.1.1940 (Bescheide vom 17.9.1999 und 15.1.2003). Den im Mai 2003 gestellten Überprüfungsantrag, mit dem der Kläger die Anerkennung weiterer Ersatzzeiten wegen Verfolgung ab September 1939 begehrte, lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 14.5.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.2.2004 ab.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte - entsprechend dem hierauf beschränkten Antrag des Klägers - zur Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit vom 1.11.1939 bis 7.1.1940 verurteilt (Urteil vom 9.9.2005). Es hat für überwiegend wahrscheinlich gehalten, dass der Kläger während dieser Zeit nahezu täglich Zwangsarbeit in Form von Straßenreinigungsarbeiten und Arbeiten zur Anlage eines neuen Parks leisten musste. Hierdurch sei der Ersatzzeittatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfüllt. Zwar sei Zwangsarbeit, die nicht unter haftähnlichen Bedingungen verrichtet worden sei, nach den Begriffsbestimmungen der §§ 43 und 47 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) weder Freiheitsentziehung noch Freiheitsbeschränkung und daher nicht entschädigungsfähig. Dies hindere jedoch nicht daran, den Begriff der "Freiheitsbeschränkung" in § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI - entgegen dem auf § 47 BEG bezogenen Klammerzusatz - weit zu fassen, um dem Schicksal der Verfolgten insoweit Rechnung zu tragen, als diese durch nationalsozialistische Unrechtsmaßnahmen gehindert wurden, einer regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung bzw sonstigen frei gewählten Tätigkeiten nachzugehen.
Das Landessozialgericht (LSG) hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 15.6.2006). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Zeit vom 1.11.1939 bis zum 7.1.1940 sei nicht als Ersatzzeit nach dem allein in Frage kommenden § 250 Abs 1 Nr 4 Alternative 1 SGB VI zu werten. Denn in der fraglichen Zeit sei der Kläger weder in seiner Freiheit eingeschränkt gewesen noch sei ihm die Freiheit entzogen worden (§§ 43 und 47 BEG). Eine Freiheitsentziehung iS des § 43 Abs 1 Satz 1 BEG liege schon nach den eigenen Angaben des Klägers nicht vor, weil er - mit seinen Eltern - (zunächst) in seiner Wohnung in vorwiegend christlicher Nachbarschaft habe bleiben können. Einer Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen sei er nicht unterworfen gewesen. Entgegen der Annahme des SG sei die vom Kläger ausgeübte Zwangsarbeit auch nicht als Freiheitseinschränkung iS des § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI anzusehen; denn über die in § 47 BEG genannten Tatbestände hinaus könnten Zwangsarbeiten ohne haftähnliche Bedingungen nicht als Freiheitseinschränkung iS des § 250 Abs 1 Nr 4 Alternative 1 SGB VI gewertet werden. Durch den auf § 47 BEG bezogenen Klammerzusatz sei der Regelungsgehalt der Norm eindeutig; für eine am Wiedergutmachungszweck orientierte weite Auslegung sei daher kein Raum. Die Regelung im SGB VI entspreche inhaltlich der Vorgängervorschrift (§ 1251 Abs 1 Nr 4 der Reichsversicherungsordnung <RVO>), die die unmissverständliche Formulierung enthalten habe "... Zeiten der Freiheitsentziehung und der Freiheitsbeschränkung iS der §§ 43 und 47 BEG ...". Den Gesetzesmaterialien sei zu entnehmen, dass mit der Neufassung im SGB VI keine Rechtsänderung beabsichtigt gewesen sei.
Dafür, dass es erst zum 8.1.1940 zur Kennzeichnungspflicht von Juden in Bendzin gekommen sei, sprächen Ausführungen bei Kossoy (Handbuch zum Entschädigungsrecht, München 1958, S 123). Die spätere gegenteilige Ansicht dieses Autors (RzW 1959, 151, 152), die auf einer im "Amtsblatt der Stadt Sosnowiec" veröffentlichten - nicht näher bezeichneten - Verordnung basiere, sei schon deshalb nicht überzeugend, weil zu bezweifeln sei, dass ein in den eingegliederten Ostgebieten geführtes Amtsblatt noch im November 1939 den polnischen Ortsnamen Sosnowiec geführt habe. Auch habe der Sachverständige Prof. Dr. G. in einem anderen Verfahren bekundet, dass eine Kennzeichnungspflicht für Ostoberschlesien erst durch eine zentrale Verfügung vom 21.12.1939 angeordnet worden sei. Da die Umsetzung zentraler Verwaltungsanordnungen erfahrungsgemäß einer gewissen Vorlaufzeit bedürfe, stütze dies die Annahme, dass die Anordnung in Bendzin erst zum 8.1.1940 umgesetzt worden sei. Gegen ein Tragen des Judensterns bzw vergleichbarer diskriminierender Kennzeichnungen bereits ab 1.11.1939 spreche auch der erst für die Zeit ab 15.12.1939 gestellte Antrag des Klägers im Entschädigungsverfahren, das mit der Zuerkennung eines Freiheitsschadens ab dem 8.1.1940 geendet habe. Gegenüber Ärzten habe der Kläger im Übrigen im Jahre 1965 noch angegeben, er habe ab "1940" eine Armbinde als Jude tragen müssen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger sowohl die Verletzung materiellen Rechts (§ 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI, § 43 Abs 3 BEG) als auch der Sachaufklärungspflicht des LSG (§ 103 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) und führt zur Begründung im Wesentlichen aus: Auch wenn das Ghetto Bendzin erst am 1.7.1940 eingerichtet worden sei, habe er, der Kläger, Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen geleistet, weil sich der Judenrat verpflichtet gehabt habe, tägliche Arbeitskontingente zu stellen und dass Heranziehung zu diesen Arbeiten auch als Demütigung gedacht gewesen sei.
Jedenfalls aber habe eine Freiheitsbeschränkung vorgelegen, ohne dass es auf die Erfüllung des Tatbestands des § 47 BEG ankomme. In Anwendung des § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI sei der entschädigungsrechtliche Hintergrund der Ersatzzeitregelung besonders zu beachten. Dieses wolle - zumindest geldlich - eine umfassende Wiedergutmachung gewährleisten; oberster Grundsatz der Wiedergutmachung sei aber die Entschädigung des tatsächlich erlittenen Schadens. Die enge Verbindung zwischen der Stellung von Verfolgten in der Sozialversicherung und ihrer Stellung im allgemeinen Entschädigungsrecht müsse Berücksichtigung finden. Gegenüber § 1251 Abs 1 Nr 4 RVO sei § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI umformuliert worden; eine Umformulierung erfordere aber auch eine Neuinterpretation.
Hinsichtlich der Frage, ab wann er (der Kläger) den Judenstern habe tragen müssen, liege eine Verletzung des § 103 SGG vor. Bei Zweifeln infolge widersprüchlicher Aussagen hätte sich das LSG gedrängt fühlen müssen, im Rahmen der Amtsermittlung Klarheit zu schaffen und ggf ein Sachverständigengutachten einzuholen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 15.6.2006 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9.9.2005 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die Revision des Klägers ist im Sinne der Zurückverweisung begründet. Nach den bisherigen Feststellungen des LSG lässt sich nicht abschließend beurteilen, ob der Kläger einen Anspruch auf teilweise Rücknahme seines Rentenbescheids (§ 44 Abs 1 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch) und Anrechnung einer weiteren Ersatzzeit vom 1.11.1939 bis 7.1.1940 bei Berechnung der RAR hat.
Ersatzzeiten sind gemäß § 250 Abs 1 Nr 4 Alternative 1 SGB VI ua Zeiten vor dem 1.1.1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr "in ihrer Freiheit eingeschränkt gewesen (sind) oder ihnen die Freiheit entzogen worden ist (§§ 43 und 47 Bundesentschädigungsgesetz)". Soweit das LSG verfahrensfehlerfrei tatsächliche Feststellungen getroffen hat, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger im streitigen Zeitraum durch das Tragen des Judensterns iS der genannten Vorschriften in seiner Freiheit eingeschränkt war (hierzu im Folgenden unter 1). Damit kann der Senat offen lassen, ob die tatsächlichen Feststellungen des LSG ausreichen, um für diesen Zeitraum jedenfalls eine "Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen" nach § 43 Abs 3 BEG zu verneinen (hierzu im Folgenden unter 2). Ebenso braucht nicht entschieden zu werden, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen die Abgrenzung der Ersatzzeittatbestände in der ersten Alternative des § 250 Abs 1 Nr 4 SGB VI einer Korrektur bedarf (hierzu im Folgenden unter 3).
1.
Das LSG hat nicht feststellen können, dass der Kläger in der streitigen Zeit die Voraussetzungen des § 250 Abs 1 Nr 4 Alternative 1 SGB VI iVm § 47 BEG erfüllt hat. In dieser Hinsicht reichen jedoch die bisherigen Feststellungen des LSG, soweit verfahrensfehlerfrei getroffen, nicht zu einer abschließenden Beurteilung der Rechtslage aus.
Von den in § 47 Abs 1 BEG genannten Tatbestandsalternativen kommt im Fall des Klägers allein das Tragen des Judensterns in Betracht. Insoweit hat das LSG angenommen, es lägen keine eindeutigen Aussagen darüber vor, dass die Kennzeichnungspflicht für Juden in Bendzin bereits vor dem 8.1.1940 eingeführt worden sei. Es hat sich sowohl auf historische Erkenntnisse gestützt als auch auf frühere eigene Angaben des Klägers; er habe "spätestens ab Mitte Dezember 1939" bzw ab "1940" eine Armbinde tragen müssen.
Diese Feststellungen hat der Kläger jedoch zu Recht mit der Begründung angegriffen, hierin liege eine Verletzung des § 103 SGG, weil das LSG sich insoweit im Rahmen der Amtsermittlung Sicherheit hätte verschaffen müssen, ggf durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Die von ihm verwerteten historischen Erkenntnisse hat das LSG dem Werk von Kossoy (Handbuch zum Entschädigungsrecht, 1958, S 123) entnommen, wonach die Kennzeichnungspflicht in Bendzin ab 8.1.1940 gegolten habe. Dies werde auch von den Angaben in einem zu einem anderen Verfahren erstatteten Gutachten des Prof. Dr. G. vom 10.11.2005 unterstützt, wonach für Ost-Oberschlesien eine Kennzeichnungspflicht erst am 21.12.1939 zentral durch Verfügung angeordnet und im Anschluss daran in den einzelnen Kreisen und Städten uneinheitlich zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen Dezember 1939 und Januar 1940 eingeführt worden sei. Demgegenüber ist das LSG einem Aufsatz von Kossoy nicht gefolgt (RzW 1959, 151 f); dieser habe dort seine Angaben im "Handbuch zum Entschädigungsrecht" in Frage gestellt und die Auffassung vertreten, dass bereits im November 1939 eine Verordnung über die Kennzeichnungspflicht im "Amtsblatt der Stadt Sosnowiec" erschienen sei, was darauf schließen lasse, dass sie damals im gesamten Regierungsbezirk Kattowitz (Ost-Oberschlesien) eingeführt worden sei. Das LSG führt insoweit eine mehrfache Begründung an: Es handele sich um eine bloße Mutmaßung; zudem gebe zu Zweifeln Anlass, dass ein in den eingegliederten Ostgebieten geführtes Amtsblatt noch im November 1939 den polnischen Ortsnamen "Sosnowiec" geführt haben solle.
Diese Bedenken rechtfertigt der Aufsatz jedoch nicht. Kossoy führt aaO auf S 152 zunächst aus, dass zwar das Bestehen einer Kennzeichnungspflicht in Ost-Oberschlesien bereits ab Mitte September 1939 nicht bestätigt werden könne, es aber Anhaltspunkte gebe, nach welchen sich der Zeitpunkt der Kennzeichnungspflicht im Regierungsbezirk Kattowitz ziemlich genau bestimmen lasse. Wörtlich heißt es dann:
"Die Verhältnisse im Gruben- und Industriegebiet Ost-Oberschlesien sind denjenigen anderer solcher Gebiete ähnlich: die Städte sind dicht beieinander und sind in der Regel durch Straßenbahnen verbunden. So auch Sosnowiec, Bendzin (Bendsburg) und Dombrowa. Wie bereits erwähnt, wurden sie alle lt. Führerdekret v. 8.10.1939 (RGBl. Nr. 203 v. 17.10.1939) zum Teil des Rgbz. Kattowitz als Teil des Reichsgebiets erklärt. Die Zivilverwaltung wurde bereits Anfang November 1939 voll organisiert (vgl. VO v. 2.11.1939 im RGBl. Nr. 218 v. 4.11.1939). Die einzelnen Stadtverwaltungen haben in ihren "Amtsblättern" (so Amtsblatt der Stadt Sosnowiec) nur die VO den Zentralorganen mitgeteilt. Nun steht fest, dass eine solche Mitteilung im Monat November im "Amtsblatt der Stadt Sosnowiec" erschienen ist.9) Nach übereinstimmenden Angaben in der obenerwähnten Literaturquelle haben aber die Juden von Sosnowiec, Bendzin, Dombrowa und einigen anderen Städten an gleichen Stellen Zwangsarbeit geleistet, und zwar am meisten in Kattowitz und Myslowitz. Es ist undenkbar, dass etwa eine Gruppe die Judensternarmbinde tragen musste, die andere aber nicht. Dazu kommt noch, dass in Sosnowiec das Polizeipräsidium gleichzeitig für Sosnowiec, Bendzin, Dombrowa, Czedeladz, Niwka, Zagorze und Strzemieszyce zuständig war. Auch der Judenälteste von Sosnowiec Merin war seitens der Besatzungsbehörden mit Einrichtung von Judenräten in ganz Ost-Oberschlesien beauftragt.10) Die logische Folgerung ist, dass die Judenkennzeichnung im November 1939 im ganzen Rgbz. Kattowitz (Ost-Oberschlesien) eingeführt wurde. Das nähere Datum ist sicher in dem VOBl. der Provinz Schlesien oder des Rgbz. Kattowitz zu finden. Insoweit sind auch die Ermittlungen ... die in das Handbuch übernommen wurden (8.1.1940 für Bendzin, Dombrowa usw.) überholt."
In der Fußnote 9 verweist Kossoy auf die Veröffentlichung "Zaglada Zydow Sosnowca", 1946, S 19. Damit aber hätte es sich dem LSG aufdrängen müssen, seine Beurteilung der entscheidungserheblichen Frage der Einführung der Kennzeichnungspflicht zumindest anhand dieser Quelle nachzuprüfen. Die Angaben im genannten Aufsatz können jedenfalls nicht bereits mit der Begründung in Zweifel gezogen werden, dass Kossoy von einem Amtsblatt der Stadt "Sosnowiec" spricht. Denn für diesen Ort verwendet er in seinem Beitrag durchgehend die polnische Schreibweise, während er für andere Orte (zB Kattowitz) stets die deutschen Bezeichnungen wählt, für weitere ("Bendzin", "Czenstochowa") wiederum Mischformen. Hiermit könnte erklärt werden, warum er auch bei der Erwähnung des Amtsblatts bei dieser Schreibweise geblieben ist. Wäre aber die von Kossoy angeführte Quelle verwertet worden, hätten wiederum deren nähere Angaben zB mit den ggf von Prof. Dr. G. genannten Quellen verglichen werden können, was eine fundiertere Entscheidung ermöglicht hätte. Ebenso wenig kann ausgeschlossen werden, dass sich in Bibliotheken (zB der Staatsbibliothek zu Berlin oder in der Bibliothek des Deutschen Historischen Instituts Warschau) das Amtsblatt der Stadt Sosnowitz (Sosnowiec) aus dem streitigen Zeitraum bzw Abhandlungen zum Schicksal der Juden in Bendzin (zB Jaworski, Zydzi bedzinscy, 1993) befinden, die insoweit möglicherweise näheren Aufschluss geben.
Den umfangreichen Ausführungen des LSG ist nicht zu entnehmen, dass es den vom Kläger geltend gemachten Anspruch allein auf der Grundlage seiner eigenen, den Entschädigungsakten entnommenen Angaben abgelehnt hat, zumal die festgestellten Angaben anlässlich des Entschädigungsantrags ("spätestens ab Mitte Dezember 1939") als solche noch nicht gegen einen Beginn des Tragens des Judensterns im November 1939 sprechen und die Angaben im Gutachten der Hacker Clinic ("1940") allenfalls mittelbar auf den Kläger zurückgeführt werden können. Schließlich liegt nicht von vornherein fern, dass der Beginn einer Kennzeichnungspflicht auch mit dem Beginn des tatsächlichen Tragens des Judensterns zusammenfällt.
2.
Wenn aber eine Zurückverweisung des Rechtsstreits bereits deshalb angezeigt ist, weil der Kläger den Ersatzzeittatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 Alternative 1 SGB VI iVm § 47 BEG möglicherweise während des gesamten streitigen Zeitraums durch das Tragen des Judensterns erfüllt hat, braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Feststellungen des LSG ausreichen, um entscheiden zu können, ob im selben Zeitraum durch die vom LSG als glaubhaft erachtete Heranziehung zur Zwangsarbeit der Ersatzzeittatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 Alternative 1 SGB VI iVm § 43 Abs 3 BEG (Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen) verwirklicht ist.
Er weist jedoch darauf hin, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) - wovon auch das LSG (s Bl 8 seines Urteils) auszugehen scheint - Zwangsarbeit unter haftähnlichen Bedingungen der Freiheitsentziehung auch dann iS des § 43 Abs 3 BEG gleichzuachten ist, wenn der Verfolgte außerhalb des Arbeitseinsatzes nicht unter haftähnlichen Bedingungen gelebt hat (BGH vom 25.6.1970 - IX ZR 337/69, RzW 1970, 546 unter Aufgabe früherer Rechtsprechung; irreführend deshalb BSG vom 21.5.1974, SozR 2200 § 1251 Nr 5 S 17, wo außerhalb der tragenden Gründe die "haftähnlichen Bedingungen" für die "Zwangsarbeit" ebenso wie für das "Leben" definiert werden). Dann aber könnte es einer näheren Begründung bedürfen, wie in Zeiten, zu denen noch keine Kennzeichnungspflicht für Juden bestand (wie nach Ansicht der LSG im streitigen Zeitraum), ein Zwang zur Arbeit ohne ständige Bewachung der arbeitenden Juden durchgesetzt werden konnte, und ob nicht in einer derartigen Bewachung haftähnliche Bedingungen erblickt werden könnten.
3.
Solange nicht ausgeschlossen ist, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch bereits nach og Maßstäben begründet ist, erübrigen sich vorliegend sämtliche Überlegungen - wie die vom SG angestellten -, ob und in welcher Weise der Tatbestand des § 250 Abs 1 Nr 4 Alternative 1 SGB VI - etwa aus verfassungsrechtlichen Erwägungen - in Fällen wie dem des Klägers einer Erweiterung bedarf.
Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Ende der Entscheidung
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