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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 30.07.2008
Aktenzeichen: B 14/7b AS 12/07 R
Rechtsgebiete: SGB II, GG
Vorschriften:
SGB II § 11 | |
SGB II § 12 | |
GG Art 3 Abs 1 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 30. Juli 2008
Az: B 14/7b AS 12/07 R
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. Juli 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching, den Richter Dr. Spellbrink und die Richterin Dr. Düring sowie die ehrenamtlichen Richter Lohre und Dr. Dauber für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat den Klägern auch die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB II) im Zeitraum vom 22. September 2005 bis zum 31. März 2006. Streitig ist insbesondere die Berücksichtigung von Steuererstattungen für das Jahr 2004 als Einkommen.
Der im Jahre 1961 geborene Kläger zu 1.) ist mit der im Jahre 1973 geborenen Klägerin zu 2.) verheiratet. Im gemeinsamen Haushalt lebt die am 24. Juni 2004 geborene Tochter, die Klägerin zu 3.). Das Finanzamt Augsburg-Land setzte mit Bescheid vom 22. August 2005 die den Klägern zu 1.) und zu 2.) zu erstattende Einkommensteuer für das Jahr 2004 nebst Solidaritätszuschlag auf 2.289,61 Euro fest. Der Betrag wurde am 25. August 2005 auf das gemeinsame Konto überwiesen. Am 13. September 2005 bekamen die Kläger zu 1.) und zu 2.) zusätzlich die Erstattung der Kirchensteuer der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Höhe von 115,44 Euro auf ihr Konto gutgeschrieben.
Am 22. September 2005 beantragten die Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II. Daraufhin bewilligte die Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 für die Zeit vom 22. bis zum 30. September 2005 45,18 Euro und für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 jeweils 663,73 Euro. Hierbei zog sie von dem Gesamtbedarf von monatlich 1.366,25 Euro unter anderem ein Zwölftel der Summe der Steuererstattungen, monatlich somit 207,22 Euro, ab.
Den gegen die Berücksichtigung der Steuererstattungen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 14. März 2006 zurück. Einmalige Einnahmen seien von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zuflössen, und über einen angemessenen Zeitraum zu verteilen. Auf die hiergegen beim Sozialgericht Augsburg (SG) erhobene Klage hat das SG die Beklagte mit Urteil vom 12. Juli 2006 verurteilt, Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 22. September 2005 bis zum 31. März 2006 ohne Anrechnung der Einkommensteuererstattung 2004 und der Kirchensteuererstattung (evangelisch) 2004 zu gewähren.
Die dagegen am 18. August 2006 von der Beklagten eingelegte Berufung hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 19. Dezember 2006 zurückgewiesen. Das LSG hat die Klägerinnen zu 2.) und zu 3.) als Beteiligte mit in das Verfahren aufgenommen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, die in Streit stehenden Steuererstattungen stellten in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Vermögen dar. Einkommen sei all das, was jemand in der Bedarfszeit wertmäßig dazu erhalte und Vermögen das, was er in der Bedarfszeit bereits habe. Diese Definition sei ausdrücklich in der amtlichen Begründung zur Arbeitslosengeld II/Sozialgeld Verordnung (Alg II-V) enthalten. Der Bedarfszeitraum beginne mit dem Zeitpunkt, an dem erstmals Hilfebedürftigkeit eingetreten und ein Antrag auf Leistungen gestellt worden sei, vorliegend mithin am 22. September 2005. Zu diesem Zeitpunkt seien die streitigen Steuererstattungen den Klägern aber bereits zugeflossen gewesen, sodass sie - soweit noch vorhanden - Teil ihres Vermögens gewesen seien. Die Berücksichtigung von Einnahmen komme nur zu einer Zeit in Betracht, während der Hilfebedürftigkeit bestehe. § 2 Abs 3 Satz 1 Alg II-V enthalte eine normative Zuflussregelung lediglich insoweit, als ein Einnahmezufluss rückwirkend ab dem Beginn des Zuflussmonats bzw dem in diesem Monat einsetzenden Bedarfszeitraum zu berücksichtigen sei. Im Übrigen enthalte § 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V eine normative Zuflussregelung nur mit Wirkung für die Zukunft, sodass die Einnahmen auf die nach dem Zuflussmonat folgenden Bedarfszeiträume aufzuteilen seien. Der normative Charakter dieser Zuflussregelung bestehe darin, dass für den nach § 2 Abs 3 Satz 2 Alg II-V errechneten Zeitraum ein Zufluss fingiert werde. Würden auch vor dem Beginn des Bedarfszeitraumes stattfindende Geldzuflüsse als Einnahmen iS des §§ 11 SGB II, 2 Alg II-V angesehen, wäre eine Abgrenzung von Einkommen und Vermögen kaum möglich.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der vom LSG zugelassenen Revision. Sie rügt eine Verletzung der §§ 11, 12 SGB II sowie des Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG). Die Einkommensteuererstattung sowie die Kirchensteuererstattung 2004 seien als Einkommen zu betrachten. Den Gesetzesmaterialien zufolge seien Einkommen und Vermögen auch im SGB II nach der vom BVerwG zum BSHG zuletzt vertretenen sog "modifizierten Zuflusstheorie" abzugrenzen. Danach komme es zwar grundsätzlich auf den tatsächlichen Zufluss von Einnahmen an. Abweichend hiervon könne aber auch normativ ein anderer Zuflusszeitpunkt als maßgeblich bestimmt werden. Eine derartige Bestimmung zum normativen Zufluss sei - zumindest bei zeitnahem tatsächlichem Zufluss - in § 2 Abs 3 Alg II-V enthalten, wonach einmalige Einnahmen bei Überschreiten der Bagatellgrenze von 50 Euro jährlich von dem Monat des Zuflusses an über einen angemessenen Zeitraum zu verteilen seien. Steuererstattungen seien daher beginnend mit dem Auszahlungsmonat über einen Zeitraum von zwölf Monaten in entsprechenden Teilbeträgen als Einkommen zu berücksichtigen. Vorliegend führe dies dazu, dass die vor dem Tag der Antragstellung am 22. September 2005 bereits am 25. August 2005 und am 13. September 2005 überwiesenen Steuererstattungen im Bewilligungszeitraum monatlich jeweils mit einem Zwölftel zu berücksichtigen seien. Für die am 13. September 2005 zugeflossene Steuererstattung ergebe sich dies bereits aus der Relevanz von Einkommen für den gesamten Monat. Wann der Hilfebedürftige einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem SGB II stelle, sei für die Bestimmung des Zuflusszeitpunktes nicht entscheidend. Vorliegend sei es den Klägern möglich gewesen, ihren Lebensunterhalt in den Folgemonaten durch die Steuererstattungen (mit-) zu bestreiten. Dass auch der Gesetzgeber vorgesehen habe, einen normativen Zufluss auf das Kalenderjahr zu berechnen, bestätige die Regelung zur Einkommensberechnung aus selbständiger Arbeit. Nach § 2a Abs 2 Satz 1 und Satz 2 Alg II-V sei das Einkommen bei Selbständigen für das Kalenderjahr zu berechnen und in jedem Bedarfszeitraum mit je einem Zwölftel zu berücksichtigen. Auch Kapitalerträge seien gemäß § 6 iVm § 11 Abs 1 der Verordnung zur Durchführung von § 76 BSHG (BSHG § 76 DV) als Jahreseinkünfte ab dem Zeitpunkt des Zuflusses in Teilbeträgen zu berücksichtigen gewesen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2006 und das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 12. Juli 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie berufen sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils.
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das LSG hat zu Recht entschieden, dass den Klägern in der Zeit vom 22. September 2005 bis zum 31. März 2006 ein Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß §§ 19 ff SGB II (idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I, 2954) zusteht, ohne dass die Einkommensteuererstattung 2004 und die Kirchensteuererstattung 2004 als Einkommen zu berücksichtigen sind. Bei den in Streit stehenden Steuererstattungen handelt es sich vielmehr um Vermögen iS des § 12 Abs 1 SGB II.
1. Von Amts wegen zu beachtende Verfahrensmängel liegen nicht vor. Das LSG hat zutreffend angenommen, dass Gegenstand des Verfahrens nicht nur eine Klage des Klägers zu 1.), sondern auch der Klägerinnen zu 2.) und zu 3.) ist (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, RdNr 11 f). Die Beklagte ist auch weiterhin beteiligtenfähig (vgl auch hierzu BSG, aaO). Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat zwar mittlerweile § 44b SGB II als mit Art 28 und 83 GG unvereinbar erklärt (BVerfG, Urteile vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04 = NZS 2008, 198 ff = DVBl 2008, 173 ff). Die gemäß § 44b SGB II gebildeten Arbeitsgemeinschaften können jedoch für eine Übergangszeit bis zum 31. Dezember 2010 (BVerfG, aaO) weiterhin auf der bisherigen Rechtsgrundlage tätig werden.
Gegenstand der Entscheidung ist der Bescheid der Beklagten vom 11. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2006 (§ 95 Sozialgerichtsgesetz <SGG>), mit dem diese den Klägern Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II für die Zeit vom 22. September 2005 bis zum 31. März 2006 in Höhe von 45,18 Euro für den Zeitraum 22. bis 30. September 2005 und von monatlich 663,73 Euro je für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 bewilligt hat.
Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist dabei nur noch die Frage, ob die Kläger für den maßgeblichen Zeitraum Leistungen nach dem SGB II ohne Berücksichtigung der Einkommensteuererstattung sowie der Kirchensteuererstattung (evangelisch) für das Jahr 2004 verlangen können. Die Beklagte begehrt mit ihrer Revision die Aufhebung des bestätigenden Berufungsurteils des LSG sowie des dem Antrag der Kläger stattgebenden Urteils des SG. Die verbleibenden Leistungsansprüche der Kläger sind zwar im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) grundsätzlich unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen (vgl BSG, Urteil vom 16. Mai 2007 - B 11b AS 29/06 R = info also 2007, 229; BSG, Urteil vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R = SozR 4-4300 § 428 Nr 3). Anhaltspunkte dafür, dass den Klägern unter einem weiteren Gesichtspunkt als den beanstandeten Steuererstattungen Leistungen in anderer Höhe zu gewähren waren, sind den unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) jedoch nicht zu entnehmen.
2. Die Kläger haben in der Zeit vom 22. September 2005 bis zum 31. März 2006 einen Anspruch auf Leistungen gemäß §§ 19 ff SGB II, ohne dass dabei die Einkommensteuererstattung 2004 und die Kirchensteuererstattung (evangelisch) 2004 als Einkommen zu berücksichtigen sind. Zutreffend haben sowohl SG als auch LSG die Einkommensteuererstattung 2004 sowie die Kirchensteuererstattung (evangelisch) 2004 rechtlich als Vermögen eingeordnet und die Beklagte verurteilt, den Klägern unter Abänderung des Bescheides vom 11. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. März 2006 Alg II ohne die "Anrechnung" dieser Erstattungen zu gewähren.
Nach den Feststellungen des LSG gehören die Kläger zu 1.) und zu 2.) zu dem Kreis der Berechtigten iS des § 7 Abs 1 SGB II. Die Klägerin zu 3.) gehört als im Zeitpunkt der Antragstellung einjährige Tochter der Kläger zu 1.) und zu 2.) zu deren Bedarfsgemeinschaft gemäß § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst a und Nr 4 SGB II.
Die Kläger sind insbesondere hilfebedürftig iS des § 9 Abs 1 SGB II, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern können und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhalten. Nach den unangegriffen gebliebenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte den Bedarf der Kläger sowie deren Einkommen und Vermögen im Übrigen unzutreffend ermittelt hätte. Die Beklagte hat die streitigen Steuererstattungen für das Jahr 2004 rechtsfehlerhaft als Einkommen bei den Klägern berücksichtigt. Das LSG hat zu Recht die am 25. August 2005 auf dem Konto der Kläger zu 1.) und zu 2.) eingegangene Einkommensteuerrückerstattung für das Jahr 2004 in Höhe von 2.289,61 Euro sowie die am 13. September 2005 eingegangene Kirchensteuererstattung in Höhe von 115,44 Euro als Vermögen der Kläger gemäß § 12 Abs 1 SGB II behandelt.
Nach § 11 Abs 1 SGB II sind bei der Leistungsberechnung nach dem SGB II als Einkommen grundsätzlich alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Demgegenüber sind verwertbare Vermögensgegenstände gemäß § 12 SGB II zu berücksichtigen. Während vom Einkommen bestimmte Beträge abgesetzt werden können, vgl § 11 Abs 2 SGB II, und bei Einkommen aus Erwerbstätigkeit ein weiterer Freibetrag anzusetzen ist, vgl § 30 SGB II, sind die vom Vermögen abzusetzenden Freibeträge bzw die nicht als Vermögen zu berücksichtigenden Gegenstände insgesamt günstiger ausgestaltet, vgl § 12 Abs 2 und Abs 3 SGB II.
Wie der erkennende Senat am 30. Juli 2008 mehrfach entschieden hat (vgl B 14 AS 26/07 R und B 14/11b AS 17/07 R) folgt er im Grundsatz der vom BVerwG im Bereich der Sozialhilfe entwickelten Abgrenzung von Einkommen und Vermögen. Sie entspricht sowohl dem Willen des Gesetzgebers als auch dem Sinn und Zweck der Grundsicherungsleistungen als bedarfsabhängige Fürsorgeleistung. Anders als im Recht der Sozialhilfe beginnt die maßgebliche sog "Bedarfszeit" im Bereich des SGB II jedoch erst mit der Antragstellung. Die Regelung des § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II ist im Wesentlichen wortgleich mit dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden § 76 Abs 1 BSHG sowie § 82 Abs 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch. Bereits nach dem Wortlaut, der auf "Einnahmen in Geld oder Geldeswert" abstellt, sind als Einkommen alle eingehenden geldwerten Leistungen anzusehen (so für § 76 BSHG: BVerwG, Urteile vom 18. Februar 1999 - 5 C 35/97 = BVerwGE 108, 296, 299 und 5 C 14/98 = NJW 1999, 3137). Mit der Formulierung war auch eine inhaltliche Anknüpfung an die unter der Geltung des BSHG bestehende Rechtslage beabsichtigt (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 5 RdNr 21). Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte die Einkommensberücksichtigung im Wesentlichen wie im Sozialhilferecht geregelt werden (vgl BT-Drucks 15/1516, S 53 zu § 11).
Im Sozialhilferecht galt im Zeitpunkt der Bezugnahme des Gesetzgebers die vom BVerwG entwickelte "modifizierte Zuflusstheorie" (vgl BVerwGE 108, 296 ff und BVerwG, NJW 1999, 3137 f). Danach ist Einkommen alles das, was jemand in der vom BVerwG sog Bedarfszeit wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er in der "Bedarfszeit" bereits hat. Mittel, die der Hilfesuchende (erst) in der Bedarfszeit erhält, sind als Zufluss in der Bedarfszeit Einkommen. Mittel, die der Hilfesuchende früher, wenn auch erst in der vorangegangenen Bedarfszeit, als Einkommen erhalten hat, sind, soweit sie in der aktuellen Bedarfszeit noch vorhanden sind, Vermögen. Zur Frage, wann etwas zufließt, ist grundsätzlich vom tatsächlichen Zufluss auszugehen, soweit nicht rechtlich ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt wird (normativer Zufluss).
Anders als unter Geltung des BSHG ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Unterscheidung von Einkommen und Vermögen im SGB II aber die Antragstellung gemäß § 37 SGB II (vgl BSG, Urteile vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R und B 14/7b AS 17/07 R). Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II ist grundsätzlich mithin alles, was jemand nach der Antragstellung beim Grundsicherungsträger wertmäßig dazu erhält und Vermögen das, was er vor der Antragstellung beim zuständigen Träger der Grundsicherung bereits hatte. Da die Leistungsgewährung nach § 5 BSHG keinen Antrag voraussetzte, war die Bedarfszeit im Sozialhilferecht nach der Rechtsprechung des BVerwG die Zeit, in der der Bedarf bestand und (grundsätzlich rechtzeitig) zu decken war. Bei der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG war in der Regel auf den jeweiligen Kalendermonat als der für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen maßgeblichen Bedarfszeit abzustellen (BVerwG, Urteil vom 22. April 2004 - 5 C 68/03 = BVerwGE 120, 339 ff). An diese Rechtsprechung kann für das SGB II nicht angeknüpft werden, weil § 37 SGB II ein konstitutives Antragserfordernis statuiert, sodass Leistungen den Hilfebedürftigen jeweils erst auch ab Antragstellung zustehen. Auf die Kenntnis des Leistungsträgers von der Hilfebedürftigkeit kommt es anders als im Sozialhilferecht nicht an (vgl BT-Drucks 15/1516, S 62 zu § 37). Die Bedarfszeit im Sinn der Rechtsprechung des BVerwG kann im SGB II damit erst mit der Antragstellung beginnen.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sind die den Klägern am 25. August 2005 gutgeschriebene Einkommensteuererstattung für das Jahr 2004 sowie die am 13. September 2005 bei ihnen eingegangene Kirchensteuererstattung (evangelisch) 2004 als Vermögen einzuordnen, weil ihnen die Einnahmen hieraus jedenfalls noch vor der Antragstellung auf Leistungen nach dem SGB II am 22. September 2005 zugeflossen sind. Der Bedarfszeitraum nach dem SGB II und zugleich auch der Bewilligungszeitraum iS des § 41 Abs 1 Satz 3 SGB II begann für die Kläger erst mit der Antragstellung. Gemäß § 37 SGB II setzt die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II einen Antrag voraus und werden Leistungen für die Zeit vor Antragstellung nicht erbracht. Dementsprechend kann bei der Leistungsberechnung im SGB II auch erst ab dem Tag der Antragstellung einem aktuellen Bedarf Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II gegenübergestellt werden. Da den Klägern die Einnahmen aus den Ansprüchen auf Steuerrückerstattung für das Jahr 2004 bereits vor der Antragstellung am 22. September 2005 zugeflossen sind, stellen sie am 22. September 2005 Vermögen der Kläger iS des § 12 Abs 1 SGB II dar. Dahinstehen kann hier deshalb, ob der Rechtsprechung des BVerwG auch im Hinblick auf die Differenzierung nach der Freiwilligkeit einer Vermögensansparung bei der Realisierung von Forderungen zu folgen ist (kritisch hierzu SG Leipzig, Urteil vom 14. Dezember 2006 - S 9 AS 406/05 = ASR 2007, 124 f und Beschluss vom 16. August 2005 - S 9 AS 405/05 ER, wonach eine solche Differenzierung nicht gerechtfertigt ist).
Soweit die Beklagte vorträgt, Einkommen sei jeweils für den ganzen Monat relevant und daher sei jedenfalls die am 13. September 2005 zugeflossene Kirchensteuererstattung (evangelisch) 2004 als Einkommen der Kläger zu berücksichtigen gewesen, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat ihrerseits Leistungen ebenfalls erst ab Antragstellung nach § 37 SGB II zu erbringen. Andererseits ist sie darauf zu verweisen, dass gemäß § 41 Abs 1 Satz 1 SGB II ein Leistungsanspruch für jeden Kalendertag besteht. Werden Leistungen nur für einen Teil des Monats gewährt, ist demnach der aktuelle Bedarf ab Antragstellung tageweise zu ermitteln und kann auch Einkommen erst ab Antragstellung für die verbleibenden Tage berücksichtigt werden. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass entsprechend der Ausgestaltung der Leistungserbringung als Monatsleistung gemäß § 41 Abs 1 Satz 4 SGB II stets das zu berücksichtigende Einkommen monatsweise dem Bedarf gegenüberzustellen ist und bei einem Anspruch nur für einen Teil des Monats sowohl Bedarf als auch Einkommen in entsprechende Teilbeträge umzurechnen und einander gegenüberzustellen sind (vgl hierzu Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 11 SGB II, RdNr 53; s auch Eicher, aaO, § 41 SGB II, RdNr 10). Dieses Vorgehen stellt eine bloße Berechnungsmodalität für im Bedarfszeitraum zugeflossene Einnahmen dar. Etwaige Zufälligkeiten bei der Wertstellung von Einnahmen im Monat der Antragstellung (zB Gehaltszahlung immer am Anfang des Monats) sind hinzunehmen.
Auch die von der Beklagten favorisierte normative Korrektur des tatsächlichen Einkommenszuflusses in Anknüpfung an § 2 Abs 3 Alg II-V (wohl idF vom 22. August 2005, BGBl I 2499, in Kraft ab 1. Oktober 2005 <Alg II-V nF>) in der Weise, dass eine Steuererstattung als einmalige Einnahme unabhängig vom Zeitpunkt der Antragstellung ab ihrem Auszahlungsmonat über einen Zeitraum von zwölf Monaten in Teilbeträgen zu berücksichtigen ist, überzeugt nicht. Zwar würde ein solches Vorgehen etwaigen Zufälligkeiten bei der Wertstellung von Beträgen, der Erzielung von anderen Einkünften sowie dem Zeitpunkt der Antragstellung begegnen, die teils der Gestaltungsfreiheit des Hilfebedürftigen unterliegen. Jedoch geht die normative Anknüpfung an § 2 Abs 3 Alg II-V (in der ab 1. Oktober 2005 geltenden Fassung) hier fehl. Anwendbar auf den vorliegend streitigen Bewilligungszeitraum ist nach § 6 Alg II-V nF noch § 2 Abs 3 Alg II-V aF. Für das Vorgehen der Beklagten konnte § 2 Abs 3 Alg II-V aF mithin keine Rechtsgrundlage (vgl § 31 Erstes Buch Sozialgesetzbuch) sein.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ergibt sich auch aus § 2a Alg II-V (in der vom 1. Oktober 2005 bis 31. Dezember 2007 geltenden Fassung) keine generelle normative Korrektur des tatsächlichen Zuflusses. § 2a Abs 2 Satz 1 und Satz 2 Alg II-V sah vor, dass ua Einkommen aus selbständiger Arbeit für das Kalenderjahr zu berechnen ist, in dem der Bedarfszeitraum liegt (Berechnungsjahr). Für jeden Bedarfszeitraum war ein Zwölftel des Einkommens im Berechnungsjahr als Einkommen zu berücksichtigen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich um eine an das Steuerrecht angelehnte Spezialvorschrift für Selbständige. Die weitere Gesetzesentwicklung zeigt, dass hierin kein übergeordnetes Prinzip der normativen Korrektur des tatsächlichen Zuflusses beinhaltet ist. Der ab dem 1. Januar 2008 geltende § 3 Alg II-V nF (idF vom 17. Dezember 2007, BGBl I 2942 <Alg II-V nF(2)>) knüpft nun an die Einnahmen im Bewilligungszeitraum an.
Auch die Argumentation der Beklagten in Anlehnung an die §§ 6, 11 BSHG § 76 DV zur Berücksichtigung von Einkünften aus Kapitalvermögen verfängt nicht. Hiernach waren Einkünfte aus Kapitalvermögen auf das Jahr zu berechnen, in dem der Bedarfszeitraum liegt (Berechnungszeitraum), und galt der zwölfte Teil dieser Einkünfte zusammen mit den monatlich berechneten Einkünften als monatliches Einkommen. Eine entsprechende Regelung ist in der Alg II-V jedoch nicht enthalten. Im maßgeblichen Bewilligungszeitraum wären Einkünfte aus Kapitalvermögen als einmalige Einnahme iS des § 2 Abs 3 Alg II-V zu behandeln und Leistungen entsprechend für eine gewisse Anzahl von Tagen nicht zu erbringen gewesen.
Schließlich ist auch kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG ersichtlich. Zwischen Personen, die durch einen Antrag beim Grundsicherungsträger ihre Hilfebedürftigkeit geltend machen mit Personen, die (noch) keinen Antrag gestellt haben, bestehen Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht (vgl BVerfGE 87, 1, 36; 95, 39, 45; 109, 96, 123), dass eine ungleiche Berücksichtigung der Steuererstattung als Einkommen oder Vermögen gerechtfertigt ist (vgl hierzu auch die Urteile des Senats vom 30. Juli 2008 - B 14 AS 26/07 R und B 14/11b AS 17/07 R).
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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