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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 27.02.2008
Aktenzeichen: B 14/7b AS 64/06 R
Rechtsgebiete: SGG
Vorschriften:
SGG § 163 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 27. Februar 2008
Az: B 14/7b AS 64/06 R
Der 14. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2008 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Udsching , den Richter Dr. Spellbrink und die Richterin Dr. Düring sowie die ehrenamtlichen Richterinnen Hesse und Gehrke für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. November 2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Der Kläger begehrt höheres Arbeitslosengeld II (Alg II) nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2006.
Der 1971 geborene Kläger beantragte im November 2004 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Er hatte zu diesem Zeitpunkt monatliche Unterkunftskosten in Höhe von 280,84 € für ein 23,74 qm großes möbliertes Einzimmerappartement. Die Bundesagentur für Arbeit (BA) bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 29. November 2004 und Änderungsbescheid vom 4. Januar 2005 Alg II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2005 in Höhe von 597,84 € im Monat (Regelleistung in Höhe von 345 € zzgl Kosten der Unterkunft und Heizung <KdU> in Höhe von 252,84 € <280,84 € abzüglich 28 € für Warmwasserbereitung und Strom>). Mit dem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, es müssten die KdU ungekürzt sowie zusätzlich Müllgebühren in Höhe von 8,70 € monatlich berücksichtigt werden. Außerdem müsse er monatlich 65 € für Arzneimittel ausgeben, die von der Krankenkasse nicht erstattet würden. Hierzu verwies er auf eine Bestätigung seiner Hausärztin, wonach ihm auf Grund der Erkrankung "Achalasie, Dysphagie" für die Dauer von zwölf Monaten eine Vollkosternährung verordnet worden ist. Mit Bescheid vom 10. Februar 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger daraufhin unter Berücksichtigung der Müllgebühren Alg II in Höhe von 606,54 € für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005.
Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2005, der nach Rücklauf unter dem Datum 9. Mai 2005 erneut zugestellt wurde, wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. Januar 2005 in der Fassung vom 10. Februar 2005 zurück. Von der Pauschalmiete in Höhe von 280,84 € sei nach den Richtlinien zur Umsetzung des SGB II, Ausführungen zu § 22 SGB II, des Landkreistages Baden-Württemberg bzw Städtetages Baden-Württemberg vom 4. Januar 2005 für die Warmwasserbereitung ein Betrag von 9 € und für Strom ein Betrag von 19 € abzuziehen. Kosten für Arzneimittel seien in der Regelleistung enthalten und könnten nicht gesondert berücksichtig werden. Mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 2. Mai 2005 erhöhte die Beklagte das Alg II für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. Juni 2005 um weitere 25,56 € auf 632,10 € wegen eines insoweit anzuerkennenden Mehrbedarfs bei kostenaufwendiger Ernährung.
Während des anschließenden Klageverfahrens bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 25. Juni 2005 und mit weiterem Bescheid vom 28. November 2005 Alg II für die Monate Juli bis Dezember 2005 bzw Januar bis Juni 2006 in Höhe von monatlich 632,10 €. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2005 hat die Beklagte für die Zeit ab Januar 2006 die Leistung auf 639,36 € monatlich erhöht und hierzu angegeben, dass nur noch 20,74 € monatlich als in der Regelleistung enthaltener Betrag für die Kosten von Strom von den Unterkunftskosten abzuziehen seien.
Das Sozialgericht (SG) hat mit Urteil vom 20. Dezember 2005 die Beklagte gemäß einem im Termin zur mündlichen Verhandlung abgegebenen Teilanerkenntnis verurteilt, dem Kläger rückwirkend Alg II unter Berücksichtigung von KdU in Höhe von 268,80 € (= 280,84 € + 8,70 € = 289,54 € abzüglich 20,74 € für Haushaltsenergie) zu bewilligen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) hat mit Urteil vom 17. November 2006 die Berufung zurückgewiesen. Es hat zunächst ausgeführt, dass die Leistung nicht in verfassungswidriger Weise zu niedrig bemessen sei. Die Höhe der Regelleistung begegne keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken und garantiere den Betreffenden das soziokulturelle Existenzminimum. Der Kläger habe auch nicht dargelegt, dass er einen Bedarf habe, der in der Höhe erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweiche. Ihm werde bereits wegen kostenaufwendiger Ernährung ein monatlicher Mehrbetrag in Höhe von 25,56 € gewährt. Nach der vorliegenden ärztlichen Bescheinigung handele es sich bei dem zusätzlichen Bedarf nicht um Arzneimittel, sondern um Vollkost, was auch erkläre, weshalb die Krankenkasse eine Kostenerstattung ablehne. Vollkost sei ein Begriff der Diätetik und bezeichne eine Ernährung, die ohne Einschränkung alle Nahrungsbestandteile in einem ausgewogenen Verhältnis enthalte. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der von der Beklagten vorgenommene Zuschlag von 25,56 € nicht ausreichend bemessen sei, um diese Besonderheiten bei der erforderlichen Ernährung zu berücksichtigen. Bereits die Regelleistung in Höhe von 345 € monatlich sei von ihrer Zielsetzung her geeignet, auch nicht auf eine Vollkostdiät angewiesenen Anspruchsberechtigten eine gesunde vollwertige Ernährung zu ermöglichen. Dass hierfür von den Antragstellern geschicktes Einkaufen und Wirtschaften verlangt werde, mache die Höhe der Regelleistung noch nicht verfassungswidrig. Schließlich sei auch der von der Beklagten vorgenommene pauschale Abzug von der Regelleistung für die Kosten der Warmwasseraufbereitung und der Stromversorgung nicht zu beanstanden.
Hiergegen richtet sich die - vom LSG zugelassene - Revision des Klägers. Er beanstandet die Verfassungsmäßigkeit der Regelleistung. Ihre Festsetzung genüge nicht den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art 20 Abs 3 Grundgesetz. Weder dem Gesetz noch seiner Begründung sei zu entnehmen, wie die Elemente der Regelleistung zu quantifizieren und zu gewichten seien. In der Begründung werde auf die noch vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen und dem Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit zu diesem Zeitpunkt erst noch zu erlassenden Regelungen im Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) einschließlich der Regelsatzverordnung verwiesen. Der in § 20 Abs 2 SGB II bereits festgelegte und feststehende Betrag von 345 € habe sich im Einzelnen erst aus den Auswertungen der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998 ergeben, die auf den Stand 1. Juli 2003 hochgerechnet worden sei. Die Frage der Verfassungskonformität lasse sich am ehesten daran messen, welches Instrumentarium zur Findung des soziokulturellen Minimums eingesetzt werde und auf welchem Weg das Ergebnis gefunden worden sei. Soweit eine Pauschalierung erfolge, müssten die Pauschbeträge auf ausreichenden Erfahrungswerten beruhen. Diesen Anforderungen genüge die Regelleistung des SGB II nicht. Die Ausgangsdatenlage beruhe auf Erhebungen aus dem Jahr 1998 und liege damit sieben Jahre vor dem Inkrafttreten des SGB II am 1. Januar 2005. Es seien damit sieben Jahre gesellschaftlichen Wandels nicht berücksichtigt worden, insbesondere nicht das einschneidende Ereignis der Einführung des Euro sowie die Kostenbelastung der Versicherten durch die Gesundheitsreform 2004. Der Ausgangswert von 630,18 DM habe schon 1998 das soziokulturelle Existenzminimum nicht abgedeckt. Die Deckelung der Regelsätze in der Vergangenheit über § 22 Abs 6 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) habe dazu geführt, dass die vom Gesetz geforderte Weiterentwicklung der Regelsatzbemessung nach dem Stand und der Entwicklung von Nettoeinkommen, Verbraucherverhalten und Lebenshaltungskosten auf der Grundlage der tatsächlichen, statistisch ermittelten Verbrauchsausgabe von Haushalten in unteren Einkommensgruppen seit Jahren nicht mehr stattgefunden habe. Die um die Sozialhilfeempfänger statistisch zu bereinigende Gruppe der unteren 20 % der Einkommensbezieher habe ein deutlich anderes Ausgabeverhalten als in der Regelsatzverordnung angenommen.
Die Rentner würden keine geeignete Vergleichsgruppe für die Anpassung und Hochrechnung bilden. In die Erhöhung des Rentenwertes fließe auch der Anteil an der freiwilligen Altersvorsorge und die Absenkung auf Grund der gestiegenen Lebenserwartung ein. Eine Beziehung zwischen dem bedarfsorientiert zu ermittelnden soziokulturellen Existenzminimum des SGB II und den für das Rentensystem des Sozialgesetzbuches Sechstes Buch entwickelten Renteneckwerten lasse sich nicht herstellen. In § 101 BSHG sei festgelegt gewesen, dass in Modellvorhaben bis zum 31. Dezember 2003 Wege zur Findung von pauschalierten Leistungen der Sozialhilfe erprobt und ausgewertet werden sollten. Das SGB II sei aber verabschiedet worden, bevor die Modellvorhaben abschließend ausgewertet worden seien.
Mit einem Rückgriff auf § 23 SGB II lasse sich die Verfassungswidrigkeit der Festsetzung des Regelsatzes nicht beseitigen. § 23 SGB II ermögliche weder eine Einzelfallgerechtigkeit in atypischen Lebenssituationen, noch sei die Darlehensgewährung geeignet, zu niedrig angesetzte Teilbedarfe realitätsnah zu korrigieren.
Weder aus der Regelleistung nach § 20 Abs 2 SGB II noch nach dem Regelsatz des § 28 SGB XII lasse sich ein vom Gesetzgeber angesetzter Anteil der Kosten für die Warmwasserbereitung entnehmen, der einen Abzug rechtfertige. Die Abteilung 04 der EVS 1998 weise einen Teilbetrag von 26,87 € für Wasser und Wohnung aus. Generelle Festsetzungen wie etwa in Höhe von 18 % nach der Heizkostenverordnung als Abschlag würden die Berücksichtigung anderer Anteile nicht mehr gewährleisten. Auch die im angegriffenen Urteil vorgenommene Festsetzung von 20,74 € entsprechend Punkt 22.19 der Richtlinien des Landkreistages sowie des Städtetages Baden-Württemberg sei substanzlos.
Hinsichtlich der kostenaufwendigen Ernährung sei das LSG nicht auf den klägerischen Vortrag eingegangen, in der Regelleistung seien nur 13,19 € für Gesundheitspflege vorgesehen und die durchschnittlich im Monat aufzuwendenden 65 € für Arzneimittel könnten von der Regelleistung nicht bestritten werden. Die Hausärztin des Klägers habe bestätigt, dass ihm auf Grund der Erkrankung für einen Zeitraum von zwölf Monaten Vollkost verordnet worden sei. Inwieweit die von der Beklagten gewährte Zulage in Höhe von 25,56 € den tatsächlichen Aufwendungen für Krankenkost und Arzneimittel entspreche, lasse sich weder der Entscheidung noch dem Verfahren entnehmen. Die frühere Praxis im Sozialhilferecht habe sich an den Empfehlungen des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge eV (DV) orientiert. Diese stammten aber aus dem Jahr 1997 und seien zwischenzeitlich nicht fortgeschrieben worden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 17. November 2006 sowie das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 20. Dezember 2005 insoweit aufzuheben, als die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen wurde, und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung der Bescheide vom 29. November 2004 und vom 4. Januar 2005 in der Fassung des Bescheides vom 10. Februar 2005, dieser in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 bzw 9. Mai 2005, des Bescheides vom 2. Mai 2005 sowie der Bescheide vom 25. Juni 2005, 28. November 2005 und 19. Dezember 2005 für die Zeit vom 1. Januar 2005 bis 30. Juni 2006 höheres Alg II unter Berücksichtigung einer Regelleistung in Höhe von 627 € monatlich, eines Mehrbedarfs in Höhe von monatlich 65 € für kostenaufwendige Ernährung und Arzneimittel sowie Kosten der Unterkunft ohne Abzüge von Kosten für die Warmwasser- und Stromversorgung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
II
Die zulässige Revision des Klägers ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>). Es kann nach den Feststellungen des LSG nicht beurteilt werden, ob dem Kläger höhere Ansprüche auf Alg II zustehen. Das LSG hat zwar zu Recht entschieden, dass die Höhe der Regelleistung nach § 20 SGB II keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Ebenso hat das LSG zutreffend angenommen, dass Kosten für Haushaltsenergie in Höhe von 20,74 € von den KdU abzuziehen sind. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Erstattung von Kosten für Arzneimittel. Es fehlt aber an hinreichenden Feststellungen dazu, ob und in welcher Höhe ein Anspruch auf Leistungen für kostenaufwendige Ernährung nach § 21 Abs 5 SGB II besteht.
1. Von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen.
a) Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Bescheide der Beklagten vom 29. November 2004 und vom 4. Januar 2005 in der Fassung des Bescheides vom 10. Februar 2005, dieser in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2005 bzw 9. Mai 2005 sowie der Bescheid vom 2. Mai 2005 und damit die Zeit vom 1. Januar bis 30. Juni 2005. Nicht in das Verfahren einbezogen sind die während des Klageverfahrens ergangenen Bescheide vom 25. Juni 2005, 28. November 2005 und 19. Dezember 2005 für die Zeit ab dem 1. Juli 2005. Eine analoge Anwendung des § 96 SGG auf Bescheide, die nachfolgende Bewilligungszeiträume betreffen, kommt im Rahmen des SGB II grundsätzlich nicht in Betracht (BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30). Besondere Umstände, die ausnahmsweise eine Einbeziehung der Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Bescheide sind auch nicht im Wege der Klageerweiterung nach § 99 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Insofern fehlt es bereits an den allgemeinen Prozessvoraussetzungen. Auch eine Klage gegen Folgebescheide in Anwendung des § 99 Abs 1 SGG setzt grundsätzlich ein Vorverfahren voraus (vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30; BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 8; BSGE 90, 143, 145 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 S 30). Eine Ausnahme von der Vorverfahrenspflicht kommt hier im Hinblick auf die entgegenstehenden prozessökonomischen Gesichtspunkte (vgl BSGE 97, 242 = SozR 4-4200 § 20 Nr 1, jeweils RdNr 30) nicht in Betracht. Die Beklagte wird zunächst in einem Vorverfahren über diese Folgebescheide zu entscheiden haben. Der erforderliche Widerspruch ist in der Einbeziehung dieser Bescheide in den Klageantrag zu sehen (vgl Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl 2005, § 78 RdNr 3b mwN).
b) Die Leistungsansprüche des Klägers sind im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Verpflichtungsklage unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Bei einem Streit um höhere Leistungen nach dem SGB II sind grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach zu prüfen (vgl BSG SozR 4-4300 § 428 Nr 3 RdNr 16 ff).
c) Keinen Bedenken begegnet, dass die angefochtenen Bescheide vom 29. November 2004 und 4. Januar 2005 noch von der Agentur für Arbeit erlassen worden sind und die Beklagte erst im Widerspruchsverfahren die Bearbeitung übernommen hat. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 44b Abs 3 Satz 3 SGB II. Dass die Agentur für Arbeit möglicherweise für den Erlass des Ausgangsbescheides nach Konstituierung der Beklagten nicht mehr zuständig war, ist unschädlich, weil die Beklagte als fachlich zuständige Behörde den Widerspruchsbescheid erlassen hat (vgl § 41 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch) und der Ausgangsbescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheides den Gegenstand der Klage bildet (vgl BSG SozR 4-4200 § 20 Nr 3 RdNr 18).
d) Die Beklagte als eine nach § 44b SGB II in der Fassung des Kommunalen Optionsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I 2014) gebildete Arbeitsgemeinschaft ist beteiligtenfähig nach § 70 Nr 2 SGG (vgl BSGE 97, 217 = SozR 4-4200 § 22 Nr 1, jeweils RdNr 30). § 44b SGB II ist ungeachtet seiner Verfassungswidrigkeit bis zum 31. Dezember 2010 weiterhin anwendbar (BVerfG, Urteil vom 20. Dezember 2007 - 2 BvR 2433/04 und 2 BvR 2434/04).
2. Nach den von den Beteiligten nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) bestehen keine Zweifel, dass der Kläger im streitigen Zeitraum Anspruch auf Alg II hat. Er erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs 1 SGB II. Er hat das 15. Lebensjahr vollendet, das 65. jedoch noch nicht, ist erwerbsfähig und hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Zudem liegt Hilfebedürftigkeit iS des § 9 Abs 1 SGB II vor. Diesen Tatbestand erfüllt, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht 1. durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, 2. aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
a) Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine höhere Regelleistung nach § 20 SGB II. Die Beklagte hat die Regelleistung des Klägers in den angefochtenen Bescheiden zutreffend nach § 20 Abs 2 SGB II (hier idF des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003, BGBl I 2954) auf 345 € festgesetzt.
Die Höhe der Regelleistung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Es wird insoweit auf die Ausführungen des 11b. Senats des Bundessozialgerichts (BSG) in seiner Entscheidung vom 23. November 2006 (B 11b AS 1/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr 3) Bezug genommen. Es besteht keine Veranlassung, von den dortigen rechtlichen Darlegungen Abstand zu nehmen. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat durch Beschluss vom 7. November 2007 (1 BvR 1840/07) eine Verfassungsbeschwerde, die - soweit ersichtlich - im Wesentlichen von den gleichen Argumenten gegen die Verfassungsmäßigkeit der Höhe der Regelleistung wie im vorliegenden Fall getragen war, nicht zur Entscheidung angenommen.
Auch die Wahl des Anpassungsfaktors ist nicht zu beanstanden. Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 27. Februar 2008 - B 14/7b AS 32/06 R - im Einzelnen dargelegt, dass dem Gesetzgeber auch insoweit ein Gestaltungsspielraum eingeräumt ist, der durch die Wahl des Anpassungsmechanismus nicht überschritten ist.
b) Auf Grund der Feststellungen des LSG lässt sich nicht beurteilen, ob der Kläger Anspruch auf höhere Leistungen nach § 21 Abs 5 SGB II hat. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige, die aus medizinischen Gründen einer kostenaufwendigen Ernährung bedürfen, einen Mehrbedarf in angemessener Höhe. Das Gesetz begründet damit beim medizinischen Erfordernis kostenaufwendiger Ernährung einen Rechtsanspruch des Hilfebedürftigen. Bei dem Begriff der "angemessenen Höhe" des Mehrbedarfs handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Ausfüllung in vollem Umfang der rechtlichen Überprüfung durch das Gericht unterliegt (so auch Behrend in jurisPK, SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 42; Lang/Knickrehm in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl 2008, § 21 RdNr 57). Es kann nach den Feststellungen des LSG nicht abschließend entschieden werden, ob und in welchem Umfang eine kostenaufwendige Ernährung durch die dem Kläger bescheinigten Erkrankungen indiziert ist. Die Beklagte hat allerdings einen solchen Mehrbedarf anerkannt und sich im Grundsatz rechtsfehlerfrei an den Empfehlungen des DV für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe (im Folgenden: Empfehlungen) orientiert.
Nach dem Willen des Gesetzgebers können zur Konkretisierung der Angemessenheit des Mehrbedarfs die hierzu vom DV entwickelten und an typisierbaren Fallgestaltungen ausgerichteten Empfehlungen herangezogen werden (BT-Drucks 15/1516 S 57). Dies entspricht der generellen Anknüpfung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II an das Referenzsystem der Sozialhilfe (vgl BT-Drucks 15/1516 S 46, 56). In der Praxis und Rechtsprechung zur früheren Parallelvorschrift des § 23 Abs 4 BSHG fanden die Empfehlungen des DV allgemein Anwendung (vgl OVG Niedersachsen, Beschluss vom 13. Oktober 2003 - 12 LA 385/03 - FEVS 55, 359; OVG NRW, Urteil vom 20. Juni 2000 - 22 A 285/98 - DVBl 2001, 580 = ZFSH/SGB 2001, 602; VGH Hessen, Beschluss vom 27. Juni 1991 - 9 TG 1258/91 - FEVS 42, 265 = info also 1991, 200; Adolph in Linhart/Adolph, SGB II, SGB XII, Asylbewerberleistungsgesetz, Stand Januar 2008, § 30 SGB XII RdNr 14; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 15. Aufl 1997, § 23 RdNr 34; Wenzel in Fichtner, BSHG, 1999, § 23 RdNr 23). Bei der Erstellung der "Empfehlungen für die Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe" des DV haben Wissenschaftler aus medizinischen und ernährungswissenschaftlichen Fachbereichen zusammengearbeitet, die medizinisch notwendigen Ernährungsformen bei verschiedenen Krankheiten festgestellt und die Kostenunterschiede zur "Normalernährung" ermittelt (Empfehlungen, 2. Aufl 1997, S 6). Die Pauschalbeträge für die krankheitsbedingten Mehrbedarfe wurden mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Ernährung auf der Basis eines Schemas der Deutschen Gesellschaft für Ernährungsmedizin entwickelt (Empfehlungen aaO S 10). Die Empfehlungen wurden erstmals 1974 und 1997 in überarbeiteter Form herausgegeben.
Bei den Empfehlungen handelt es sich nicht um Rechtsnormen. Eine solche Qualifikation ist bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Empfehlungen von einem privatrechtlichen Verein formuliert worden sind. Eine Rechtsgrundlage für ihre Erstellung und Anwendung findet sich nicht, so dass es an jedweder demokratischen Legitimation fehlt. Sie sind derzeit auch nicht als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehen, sondern entsprechend ihrer Bezeichnung lediglich als allgemeine Empfehlungen, die geeignet sind, als Grundlage für eine gleichmäßige und kontinuierliche Praxis und Rechtsprechung zu dienen. Zwar kann der Umstand, dass in der Gesetzesbegründung auf die Empfehlungen verwiesen wird, als Indiz für eine Bewertung als allgemeine Erfahrungssätze im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens gewertet werden (vgl LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juni 2007 - L 2 AS 731/07; Behrend in jurisPK, SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 46; Lang/Knickrehm aaO § 21 RdNr 52; Münder in LPK-SGB II, 2. Aufl 2007, § 21 RdNr 28). Auch beruhen sie auf zu verschiedenen Sachgebieten eingeholten medizinischen, ernährungswissenschaftlichen und statistischen Gutachten und genießen grundsätzlich allgemeine Anerkennung (vgl zu diesen Anforderungen an antizipierte Sachverständigengutachten BSG SozR 3-2200 § 581 Nr 8).
Es kann aber derzeit nicht mehr davon ausgegangen werden, dass die Empfehlungen in allen Punkten allgemeine und im wesentlichen unumstrittene aktuelle Erfahrungswerte wiedergeben. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Empfehlungen aus dem Jahr 1997 datieren, sich auf Gutachten aus den Jahren 1991 bis 1996 stützen und die inzwischen eingetretenen Entwicklungen bislang nicht durch eine Aktualisierung nachvollzogen wurden. Im "Begutachtungsleitfaden für den Mehrbedarf bei krankheitsbedingter kostenaufwändiger Ernährung (Krankenkostzulage) gemäß § 23 Abs 4 BSHG" des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe aus dem Jahr 2002, der von einer Arbeitsgruppe aus Ärztinnen und Ärzten aus Gesundheitsämtern in vier Bundesländern erstellt wurde, wird kritisiert, dass die Empfehlungen in einigen Punkten nicht mehr dem Stand der Wissenschaft entsprächen und manche Erkenntnisse nicht folgerichtig umgesetzt seien. Dementsprechend finden sich in diesem Leitfaden zum Teil von den Empfehlungen abweichende Bewertungen. Das gilt auch für das "Rationalisierungsschema 2004" des Bundesverbandes Deutscher Ernährungsmediziner (Aktuel Ernaehr Med 2004, 245, 247 f). Angesichts des ebenfalls auf medizinischer Sachkunde beruhenden alternativen Bewertungsschemas des Begutachtungsleitfadens kann auch nicht mehr, wie etwa bei den als antizipierte Sachverständigengutachten anzusehenden "Anhaltspunkten" für die Festsetzung des Grades der Behinderung (vgl dazu BSGE 91, 205 = SozR 4-3250 § 69 Nr 2, jeweils RdNr 14 sowie Knickrehm, SGb 2008, 220, 224 ff), davon ausgegangen werden, dass ein anderes, ebenso geeignetes Beurteilungssystem wie die Empfehlungen nicht vorhanden ist, zumal die neueren Bewertungssysteme in der Rechtsprechung bereits verschiedentlich Anerkennung erfahren haben (vgl etwa Schleswig-Holsteinisches LSG, FEVS 57, 412 ff; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. Januar 2008 - L 9 AS 605/07 ER).
Die Empfehlungen können somit derzeit zwar im Regelfall noch als Orientierungshilfe dienen. Sie entbinden aber nicht von der Ermittlungspflicht im Einzelfall, sobald Besonderheiten, insbesondere von den Empfehlungen abweichende Bedarfe geltend gemacht werden. Dabei kann es zum einen auf Grund der konkreten Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt sein, das Erfordernis der Krankenkostzulage auch für eine Erkrankung zu bejahen, die im Katalog der Empfehlungen nicht vorgesehen ist. Es kann sich zum anderen aber auch für eine der genannten oder damit gleichzusetzenden Erkrankung im Einzelfall ein höherer oder niedrigerer Mehrbedarf als in den Empfehlungen vorgesehen ergeben. Ebenfalls nicht ausgeschlossen ist - entgegen weit verbreiteter Praxis (vgl Hinweise der BA 21.30 zu § 21 SGB II), dass Bedarfe für mehrere, eine kostenaufwendige Ernährung bedingende Erkrankungen kumulativ in Ansatz gebracht werden. Maßgeblich ist stets der Betrag, mit dem der medizinisch begründete, tatsächliche Kostenaufwand für eine Ernährung ausgeglichen werden kann, die von der Regelleistung nicht gedeckt ist (Lang/Knickrehm aaO § 21 RdNr 56, 57). Er ist im Einzelfall im Wege der Amtsermittlung durch Einholung medizinischer und/oder ernährungswissenschaftlicher Stellungnahmen oder Gutachten zu klären.
Das LSG wird dementsprechend noch zu ermitteln haben, ob der Kläger ausgehend von diesen Grundsätzen Anspruch auf eine höhere Leistung nach § 21 SGB II hat. Die von der Hausärztin bescheinigten Erkrankungen "Achalasie, Dysphagie" sind in den Empfehlungen des DV nicht ausdrücklich aufgeführt. Ob und in welchem Umfang sie eine besondere Kostform erfordern, ist vom LSG nicht festgestellt. Zwar hat die Beklagte im Hinblick auf die ärztliche Verordnung von Vollkost eine Gleichstellung mit den ausdrücklich in den Empfehlungen aufgeführten Krankheitsbildern angenommen und einen Mehrbedarf bewilligt. Das Verbot der reformatio in peius schließt eine Minderung dieses bewilligten Mehrbedarfs im streitigen Zeitraum aus. Nicht ausgeschlossen ist aber, dass die genannten Erkrankungen bei dem Kläger einen höheren als den bewilligten Mehrbedarf begründen.
Allerdings ist der von der Beklagten für die "Vollkost" zu Grunde gelegte Betrag in Höhe von 25,56 € unzutreffend berechnet. Die in den Empfehlungen aus dem Jahr 1997 ausgewiesenen DM-Beträge sind in Euro umzurechnen und bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SGB II fortzuschreiben. Für die "Vollkost", die in den Empfehlungen eine Krankenkost bezeichnet, durch die der qualitative Mehrbedarf bei einer Reihe von Erkrankungen gedeckt werden kann (Empfehlungen aaO S 25), ist eine Zulage in Höhe von 50 DM vorgesehen (Empfehlungen aaO S 36). Umgerechnet in Euro ergibt dies den Betrag in Höhe von 25,56 € (50 : 1,95583). In dieser Höhe sind dem Kläger Leistungen bewilligt worden. Der DV empfiehlt, die Höhe der Krankenkostzulagen jährlich zum 1. Juli entsprechend der prozentualen Veränderung der Regelsätze fortzuschreiben (Empfehlungen aaO S 16). Bei einer Steigerung des Eckregelsatzes im Zeitraum von 1998 bis zum 1. Januar 2005 um 7,1 % (vgl BR-Drucks 206/04 S 11 ff) ergibt sich für die Vollkost ein Betrag in Höhe von 27,37 €. Das LSG wird noch festzustellen haben, ob, soweit bei dem Kläger dem Grunde nach das Erfordernis einer Krankenkostzulage besteht, besondere Umstände ein Abweichen von den Pauschalbeträgen der Empfehlungen zu seinen Gunsten gebieten.
c) Einen Mehrbedarf für Arzneimittel, wie der Kläger ihn geltend macht, sieht § 21 SGB II nicht vor. Der nach § 5 Abs 1 Nr 2 Buchst a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) pflichtversicherte Kläger hat einen Anspruch auf Versorgung mit notwendigen Arzneimitteln gegen seine Krankenkasse nach § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB V. Das LSG hat zutreffend ausgeführt, dass die Kosten für medizinisch nicht notwendige Arzneimittel von der Regelleistung gedeckt sind.
d) Dem Kläger stehen keine höheren KdU nach § 22 Abs 1 SGB II zu. Danach werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Als KdU hat die Beklagte einen Betrag in Höhe von 261,54 € berücksichtigt, weil sie von der Pauschalmiete in Höhe von 280,84 € 20,74 € für die in der Miete enthaltenen Kosten für Haushaltsenergie abgezogen hat. Dieser Abzug ist der Höhe nach gerechtfertigt. Der Senat verweist insoweit auf die Ausführungen im Urteil vom 27. Februar 2008 - B 14/11b AS 15/07 R. Da die Pauschalmiete des Klägers sämtliche Stromkosten umfasste, konnte der für Haushaltsenergie anzusetzende Betrag insgesamt abgezogen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Ende der Entscheidung
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