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Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 07.09.2004
Aktenzeichen: B 2 U 1/03 R
Rechtsgebiete: BKV
Vorschriften:
BKV § 3 | |
BKV § 6 |
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil
in dem Rechtsstreit
Verkündet am 7. September 2004
Az: B 2 U 1/03 R
Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 7. September 2004 durch den Vorsitzenden Richter Steege, die Richter Kruschinsky und Dr. Becker sowie die ehrenamtlichen Richter Liedtke und Kleemann
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. November 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe:
I
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach § 3 der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).
Der im Jahre 1958 geborene Kläger übte in den Jahren 1973 bis 1996 fast ausschließlich den Beruf eines Lackierers aus. Nach einer ärztlichen Anzeige über den Verdacht einer Berufskrankheit (BK) vom 25. Januar 1997 lehnte die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) die Anerkennung einer BK Nr 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) nach der Anlage der BKV vom 31. Oktober 1997 (BGBl I 2623 - BKV) ab (Bescheid vom 24. November 1998, Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 1999). Die hiergegen erhobene Klage nahm der Kläger zurück, nachdem er darauf hingewiesen worden war, dass nach der Rückwirkungsregelung in § 6 BKV eine BK Nr 1317 nur anzuerkennen sei, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten sei.
Die anschließend vom Kläger mit der Begründung, er habe seinen Beruf wegen der Erkrankung aufgegeben, beantragten Übergangsleistungen nach § 3 BKV, lehnte die Beklagte ab, weil keine Hinweise dafür vorlägen, dass seine Krankheitserscheinungen in einem ursächlichen Zusammenhang mit seiner berufsbedingten Lösungsmittelexposition stünden. Daher könne nicht davon ausgegangen werden, dass konkret die Entstehung einer BK gedroht habe. Zudem schließe die Rückwirkungsklausel des § 6 BKV auch Leistungen nach § 3 BKV aus (Bescheid vom 7. November 2000, Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2001).
Die hiergegen erhobene Klage hat das Sozialgericht Würzburg (SG) im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, es könne dahinstehen, ob eine anerkennungsfähige - drohende oder bestehende - BK vorliege, da eine etwaige Anerkennung einer BK Nr 1317 wegen der Ausschlussvorschrift des § 6 Abs 1 BKV nicht möglich sei (Gerichtsbescheid vom 3. Juli 2002). Das Bayerische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 25. November 2002), zur Begründung auf den Gerichtsbescheid des SG Bezug genommen und ergänzend ausgeführt, es gehe aufgrund des im vorangegangenen Anerkennungsverfahren eingeholten ärztlichen Gutachtens davon aus, dass die cerebrale Symptomatik des Klägers mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vH mindestens seit dem Jahre 1991 und damit vor dem in § 6 BKV genannten Stichtag 31. Dezember 1992 eingetreten sei. Da die BKV ihre Ermächtigungsgrundlage im Siebten Buch des Sozialgesetzbuches - Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII) habe, könne sie auch keine Regelungen für vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetretene berufsbedingte Erkrankungen treffen mit Ausnahme der Sonderregelung in § 6 BKV (Hinweis auf das Urteil des Bundessozialgerichts <BSG> vom 20. Februar 2001, SozR 3-5670 § 3 Nr 5).
Mit seiner Revision rügt der Kläger, das LSG habe den Sachverhalt unvollständig dargestellt. Er habe bis April 1996 voll gearbeitet, sei dann erst erkrankt und arbeitsunfähig gewesen. Am 9. Oktober 1997 habe er einen Rentenantrag gestellt, der erst mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 rückwirkend zu einer Berufsunfähigkeitsrente ab 1. November 1997 geführt habe. Zu dem Zeitpunkt, zu dem er seine Tätigkeit durch den Rentenantrag endgültig aufgegeben habe, habe die BKV schon gegolten. Zudem sei zu fragen, ob § 6 BKV mit seiner Ausschlusswirkung tatsächlich auch Präventionsvorschriften wie § 3 BKV erfasse. Denn zwischen dem Leistungsfall des § 3 BKV und dem nach einer BK-Ziffer sei grundsätzlich zu unterscheiden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25. November 2002 sowie den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Würzburg vom 3. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 7. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2001 zu verurteilen, ihm wegen des Unterlassens der gefährdenden Tätigkeit ab dem frühest möglichen Zeitpunkt Übergangsleistungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die Revision des Klägers ist insoweit begründet, als das angefochtene Urteil des Bayerischen LSG vom 25. November 2002 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen ist. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen für eine abschließende Entscheidung über die vom Kläger begehrte Übergangsleistung nicht aus.
In Abhängigkeit von den noch zu treffenden Tatsachenfeststellungen, zB zum Zeitpunkt der Einstellung der belastenden Tätigkeit als Lackierer, kommen als Rechtsgrundlage für die umstrittenen Übergangsleistung in Betracht entweder der bis zum 30. November 1997 geltende § 3 Abs 2 der Berufskrankheiten-Verordnung vom 20. Juni 1968 (BGBl I 721), zuletzt geändert durch die Zweite Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung vom 18. Dezember 1992 (BGBl I 2243 - 2. ÄndVO BKVO) (im Folgenden: BKVO) oder der anschließend geltende und ihn ablösende § 3 Abs 2 BKV (vgl § 8 BKV). Hinsichtlich der Grundvoraussetzungen für die Übergangsleistung kann dies zum jetzigen Zeitpunkt dahingestellt bleiben, weil diese sich nicht geändert haben.
Nach den übereinstimmenden Voraussetzungen von § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO und von § 3 Abs 2 Satz 1 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit einstellt bzw unterlässt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Als Übergangsleistung wird ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (Satz 2 der Regelung). Auf die Übergangsleistung besteht dem Grunde nach ein Anspruch des Versicherten, wenn die genannten Voraussetzungen gegeben sind. Die Entscheidung über Art, Dauer und Höhe der Leistungen hingegen steht im pflichtgemäßen Ermessen des Unfallversicherungsträgers (BSGE 78, 261, 262 = SozR 3-5670 § 3 Nr 2 mwN).
Der Vorläufer beider Vorschriften ist § 6 der Verordnung über Ausdehnung der Unfallversicherung auf gewerbliche Berufskrankheiten vom 12. Mai 1925 (RGBl I 69), der es noch in das Ermessen des Versicherungsträgers stellte, eine "Übergangsrente bis zur Hälfte der Vollrente" zu gewähren, wenn zu befürchten war, dass eine gewerbliche BK entstehen, wiederentstehen oder sich verschlimmern werde. In der amtlichen Begründung dazu (Reichsarbeitsblatt <Amtl Teil> 1925 S 262, 254 zu § 8 des Entwurfs, der zu § 6 der Verordnung wurde) ist ausgeführt, die Vorschrift diene der Vorbeugung und Krankheitsverhütung. Wenn bei einem Versicherten festgestellt werde, dass sich bei ihm Anzeichen einer beginnenden BK bemerkbar machten, so sei oft mit großer Wahrscheinlichkeit ein Ausbruch oder eine Verschlimmerung der Krankheit vorauszusehen, wenn der Versicherte die seine Gesundheit bedrohende Beschäftigung fortsetze. Auch bei einem Genesenden könne häufig einem Wiederausbruch der Krankheit nur dadurch vorgebeugt werden, dass er die Wiederaufnahme der ihm gefährlichen Arbeit unterlasse. Die Durchführung der ärztlichen Forderung nach Aufgabe der Beschäftigung scheitere aber vielfach daran, dass der Versicherte von dem Übertritt in einen anderen Beruf Minderungen seines Arbeitsverdienstes oder andere wirtschaftliche Schädigungen (zB einen Umzug) fürchte. Für diesen Fall solle der Versicherungsträger ihm durch Gewährung einer Übergangsrente helfen können. Die Rente werde unabhängig vom Umfang der Erwerbsbeschränkung sein, sie solle auch dem völlig Erwerbsfähigen gegeben werden können.
Diese Regelung wurde im Grundsatz durch § 3 BKVO und später durch § 3 BKV übernommen und will den Versicherten vor Gesundheitsgefahren schützen, die ihm durch den Eintritt, die Verschlimmerung oder die Wiedererkrankung einer BK drohen. Sie hat eine klare präventive Zielrichtung und ist als Maßnahme der Vorbeugung und Krankheitsverhütung von den sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung üblichen Entschädigungsleistungen zu unterscheiden (vgl BR-Drucks 642/97 S 10 zur Begründung von § 3 BKV sowie BSGE 19, 157, 158 = SozR Nr 2 zu § 5 3. BKVO).
Entgegen der Auffassung der Beklagten sind unter BK iS des § 3 BKVO bzw § 3 BKV nicht nur die in der früheren Anlage 1 der BKVO und der heutigen Anlage der BKV aufgeführten sog Listen-BKen nach dem früheren § 551 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) bzw dem heutigen § 9 Abs 1 SGB VII zu verstehen, sondern auch die sog Wie-BKen nach dem früheren § 551 Abs 2 RVO bzw dem heutigen § 9 Abs 2 SGB VII. Dies bedeutet, dass es insofern auf den Zeitpunkt der Einführung der BK Nr 1317 im Vergleich zur Berufsaufgabe durch den Kläger nicht ankommt (vgl Bekanntmachung einer Empfehlung des Ärztlichen Sachverständigenbeirats - Sektion "Berufskrankheiten": "Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische", BArbBl 9/1996, 44 ff).
Die Anwendbarkeit des § 3 BKVO bzw § 3 BKV auch auf sog Wie-Bken folgt aus dem durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30. April 1963 (BGBl I 241 -UVNG) anstelle des früheren reinen Listensystems auch im deutschen Berufskrankheitenrecht eingeführten Mischsystems (Listenprinzip mit Öffnungsklausel), nach dem die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK zu entschädigen haben, sofern nach neuen Erkenntnissen die übrigen Voraussetzungen des § 551 Abs 1 RVO bzw § 9 Abs 1 SGB VII erfüllt sind (sog "Wie-BKen", vgl grundlegend BSGE 44, 90, 92 ff = SozR 2200 § 551 Nr 9). Gegen eine Differenzierung zwischen den Listen-BKen und den Wie-BKen bei Anwendung des § 3 BKVO bzw BKV spricht nicht nur, dass der Verordnungsgeber seit dem UVNG zahlreiche Gelegenheiten hatte, eine entsprechende Differenzierung einzuführen, sondern vor allem die präventive Zielrichtung des § 3 BKVO bzw § 3 BKV (Schutz der Gesundheit der Versicherten vor den Gefahren der Arbeitswelt), die nicht danach unterscheidet, ob es sich um eine Listen-BK oder "nur" um eine Wie-BK handelt, bei der die übrigen Voraussetzungen für die Aufnahme der Liste erfüllt sind. Auch das übrige Leistungsrecht der früheren RVO und des heutigen SGB VII (vgl dessen §§ 26 ff) unterscheidet hinsichtlich der Gewährung von Heilbehandlungen, Verletztengeld, Verletztenrente usw nicht zwischen Listen-BKen und Wie-BKen.
Zur Klarstellung ist jedoch darauf hinzuweisen, dass Leistungen nach § 3 BKVO bzw § 3 BKV immer auf eine oder ggf mehrere bestimmte BKen oder Wie-BKen bezogen sein müssen. Nach dem Wortlaut des § 3 BKVO bzw § 3 BKV, der fordert, dass "eine Berufskrankheit entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert", genügt weder eine arbeitsbedingte Gesundheitsgefahr (§§ 1, 14 SGB VII) noch ein Arbeitsunfall (§ 8 SGB VII), wie sich insbesondere aus der klar unterscheidenden Systematik vor allem des SGB VII (vgl dessen §§ 1, 7, 14) ergibt (zur RVO: BSG Urteil vom 16. März 1995 - 2 RU 18/94 -).
Bei der Auslegung des § 3 BKVO bzw BKV ist des Weiteren zu beachten, dass er den Eintritt des Versicherungsfalles einer BK iS der Rechtsprechung des Senats (BSG SozR 2200 § 551 Nr 35) schon von seinem Wortlaut her nicht voraussetzt. Es genügt die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert (§ 3 Abs 1 Satz 1 BKVO bzw BKV). Der Anspruch auf die Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO bzw § 3 Abs 2 BKV ist kein Leistungsfall aufgrund eines zuvor oder zeitgleich eingetretenen Versicherungsfalls einer bestimmten BK. Entgegen der üblichen Systematik des BK-Rechts und der § 9 und §§ 26 ff SGB VII sowie der Unterscheidung zwischen dem Versicherungsfall der BK und den darauf beruhenden verschiedenen Leistungsfällen (zB Heilbehandlung nach §§ 27 ff, Verletztenrente nach § 56 ff SGB VII) (vgl grundlegend BSG SozR 2200 § 551 Nr 35) regelt § 3 BKVO bzw § 3 BKV einen eigenen Versicherungsfall. Denn während die Leistungen nach §§ 26 ff SGB VII den Versicherungsfall schon von ihrem Wortlaut her voraussetzen (vgl zB die Überschrift vor § 26 SGB VII, den Wortlaut von §§ 27, 56 SGB VII), enthält § 3 BKVO bzw § 3 BKV eine umfassende Aufzählung der Voraussetzungen für die Übergangsleistung. Dass es neben den "großen" Versicherungsfällen Arbeitsunfall und BK nach § 7 Abs 1, §§ 8, 9 SGB VII im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung noch besondere "kleine" Versicherungsfälle gibt, zeigen im Übrigen auch die §§ 10, 12, 13 SGB VII, die unter bestimmten Voraussetzungen weitere Versicherungsfälle, zB bei Elementarereignissen, als Leibesfrucht, bei Sachschäden statuieren. Für einen eigenständigen Versicherungsfall nach § 3 BKVO bzw § 3 BKV spricht auch dessen schon dargelegte zukunftsgerichtete Zielrichtung als Maßnahme der Vorbeugung und Krankheitsverhütung, die von einem vergangenheitsbezogenen Entschädigungsanspruch grundlegend zu unterscheiden ist.
Ansprüche gemäß § 3 BKVO bzw § 3 BKV werden durch die Rückwirkungsregelungen im früheren § 9 BKVO und heutigen § 6 BKV sowie des Art 2 Abs 2 der 2. ÄndVO BKVO und Art 3 Abs 2 der Verordnung zur Änderung der BKVO vom 22. März 1988 (BGBl I 400 - ÄndVO BKVO) hinsichtlich des Eintritts des Versicherungsfalls einer BK nicht ausgeschlossen. Diese Rückwirkungsregeln haben die Funktion, die jeweiligen Leistungsverbesserungen durch Einführung neuer BKen nur für einen begrenzten Zeitraum auf abgeschlossene, in der Vergangenheit liegende Sachverhalte (Versicherungsfälle) auszudehnen (BSG SozR 3-2200 § 551 Nr 14 mwN). Für die vorliegend umstrittene BK Nr 1317, die durch die BKV vom 31. Oktober 1997 zum 1. Dezember 1997 eingeführt wurde, war eine rückwirkende Anerkennung möglich, wenn der Versicherungsfall nach dem 31. Dezember 1992 eingetreten war. Für Versicherte, bei denen der Versicherungsfall dieser BK vorher eingetreten war, kann diese BK nicht anerkannt und können auch keine Leistungen aufgrund dieser BK erbracht werden.
Gegen eine Anwendung der Rückwirkungsregelungen auf Leistungen nach § 3 BKVO bzw § 3 BKV sprechen zunächst der Wortlaut dieser Regelungen und systematische Gründe: Die Rückwirkungsregelungen schlossen entweder die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus (§ 9 Abs 1, 2, BKVO, Art 3 Abs 2 ÄndVO BKVO) oder die Anerkennung der BK (§ 6 Abs 1 BKV, Art 2 der 2. ÄndVO BKVO). Nach dem oben Dargestellten beinhaltet § 3 BKVO bzw § 3 BKV aber weder eine Entschädigungsregelung, noch setzt er die Anerkennung einer BK voraus. Er begründet vielmehr einen eigenständigen Versicherungsfall, der einer drohenden BK bzw deren Wiederaufleben oder Verschlimmerung entgegenwirken soll. Dies bedeutet auch, dass dem früher eingetretenen Versicherungsfall einer BK, dessen Anerkennung durch eine begrenzte Rückwirkung ausgeschlossen ist, für die Gewährung der Übergangsleistung keine Bedeutung zukommt.
Hierfür sprechen auch der Wortlaut sowie der Sinn und Zweck des § 3 BKVO bzw § 3 BKV selbst: Besteht für Versicherte die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, haben die Unfallversicherungsträger dieser Gefahr mit allen geeigneten Mitteln entgegenzuwirken (so der heutige § 3 Abs 1 Satz 1 BKV in Anlehnung und bloßer redaktioneller Neufassung des § 3 Abs 1 Satz 1 BKVO). § 3 BKVO bzw § 3 BKV beinhaltet Maßnahmen der Vorbeugung und Krankheitsverhütung, ist also in die Zukunft gerichtet und will den Versicherten vor aktuellen Gesundheitsgefahren schützen. Die Rückwirkungsregelungen hingegen dehnen Leistungsverbesserungen für abgeschlossene Sachverhalte nur zeitlich begrenzt in die Vergangenheit aus. Aufgrund dieser gegensätzlichen Zielrichtung und der völlig unterschiedlichen Situation - einerseits eine akute Gesundheitsgefahr, andererseits ein in der Vergangenheit abgeschlossener Versicherungsfall - kann unabhängig von der Frage, ob bei einem Versicherten in der Vergangenheit der Versicherungsfall einer bestimmten BK eingetreten ist, wenn er trotzdem weiterarbeitet, weiterhin den Einwirkungen dieser BK ausgesetzt ist und eine Verschlimmerung oder Wiedererkrankung droht, die mögliche Erbringung von Leistungen gemäß § 3 BKV nicht ausgeschlossen werden. Dies würde auch dem gesamten System der gesetzlichen Unfallversicherung widersprechen. Denn präventive Leistungen wie die Übergangsleistung sind gegenüber Entschädigungsleistungen vorrangig, wie aus der Systematik des SGB VII (vgl § 1 Nr 1, § 14) folgt. Eine andere Auslegung und Handhabung würde beinhalten, dass derjenige, der keinen Anspruch auf Entschädigung wegen einer schon vor einem Stichtag eingetretenen BK hat, auch keinen Anspruch auf präventiven Schutz vor immer noch bestehenden Gesundheitsgefahren dieser BK hat, wenn er eine entsprechende Tätigkeit weiter ausübt.
Angewandt auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass der Kläger - vorbehaltlich der noch vom LSG zu treffenden tatsächlichen Feststellungen - Anspruch auf Leistungen nach § 3 BKVO bzw § 3 BKV haben könnte. Ob und zu welchem Zeitpunkt dieser Anspruch entstanden ist, kann mangels entsprechender Feststellungen des LSG und angesichts der Rügen des Klägers, er habe die Tätigkeit als Lackierer effektiv im April 1996 beendet, sei anschließend arbeitsunfähig krank gewesen und habe am 9. Oktober 1997 einen Rentenantrag gestellt, der erst mit Bescheid vom 7. Dezember 2001 rückwirkend zu einer Berufsunfähigkeitsrente ab 1. November 1997 geführt habe, durch das Revisionsgericht nicht festgestellt und beurteilt werden.
Ergänzend ist auf Folgendes hinzuweisen: Die Leistungen nach § 3 BKVO bzw § 3 BKV setzen keinen Antrag voraus, sondern sind ebenso wie die anderen Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung von Amts wegen zu erbringen (§ 19 Satz 2 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch <SGB IV>). Eine Tätigkeitsaufgabe des Klägers im April 1996 unterstellt, könnte er einen Anspruch auf die Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO haben, weil der Beklagten dieser mögliche Anspruch mit dem Eingang der BK-Anzeige bei ihr am 14. Juli 1997 bekannt war. Ist auf ein späteres Datum abzustellen, kommt § 3 Abs 2 BKV als Anspruchsgrundlage in Betracht.
Dass die Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO bzw § 3 Abs 2 BKV keine Aufforderung des Unfallversicherungsträgers zum Einstellen der Tätigkeit voraussetzt, ist gefestigte Rechtsprechung (vgl BSGE 26, 84 sowie die Begründung zur 7. BKVO, BR-Drucks 128/68, Begründung zu § 3). Hinsichtlich des Zusammenhangs zwischen einer drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit hat das BSG (SozR 3-5670 § 3 Nr 5) ausgeführt, dass zumindest in den Fällen, in denen eine BK noch nicht entstanden ist, der objektive Zwang zur Tätigkeitsaufgabe und das tatsächliche Aufgeben nicht genügen. Denn die Formulierung in § 3 Abs 2 Satz 1 BKVO weiche von der des Unterlassungszwangs in den BK-Umschreibungen ab und bei der Übergangsleistung stehe im Gegensatz zum Unterlassungszwang nicht die Entschädigung des Versicherten im Vordergrund, sondern der präventive Anreiz für den Versicherten, die gefährdende Tätigkeit einzustellen. Daher wird das LSG zu prüfen haben, wann der Kläger subjektiv die gefährdende Tätigkeit als Lackierer aufgegeben hat, um der ebenfalls noch zu prüfenden konkret individuellen Gefahr der drohenden BK zu entgehen. Dies kann im April 1996 gewesen sein, aber auch zu einem späteren Zeitpunkt, zB am 9. Oktober 1997, dem Tag der Rentenantragstellung, oder im Laufe des anschließenden Rentenverfahrens.
Nach alledem ist dem Senat bei dem derzeitigen Stand des Verfahrens eine abschließende Entscheidung über den vom Kläger geltend gemachten Anspruch auf Übergangsleistung nach § 3 Abs 2 BKVO oder § 3 Abs 2 BKV wegen einer BK Nr 1317 oder einer entsprechenden Wie-BK nicht möglich, so dass das angefochtene Urteil insgesamt aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 170 Abs 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes an das LSG zurückzuverweisen ist, um die nach den angestellten Erwägungen noch erforderlichen Tatsachenfeststellungen nachzuholen.
Das LSG wird auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Ende der Entscheidung
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