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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 18.03.2003
Aktenzeichen: B 2 U 15/02 R
Rechtsgebiete: RVO


Vorschriften:

RVO § 577
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 18. März 2003

Az: B 2 U 15/02 R

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2003 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Burchardt, die Richter Mütze und Kruschinsky sowie den ehrenamtlichen Richter Heithecker und die ehrenamtliche Richterin Ende

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revisionen der Kläger werden das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Februar 1999 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1998 verpflichtet, ihren Bescheid vom 18. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 hinsichtlich der Höhe der bewilligten Waisenrente zurückzunehmen und unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1998 hinsichtlich der Höhe der bewilligten Witwenrente verpflichtet, die Höhe der Hinterbliebenenleistungen der Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

Die Beklagte hat den Klägern die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits in allen drei Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I

Die Kläger, die Witwe und der im Jahre 1983 geborene Sohn des verstorbenen Versicherten (V), begehren die Berechnung ihrer Hinterbliebenenrenten auf der Grundlage eines höheren Jahresarbeitsverdienstes (JAV).

V, der früher als Bankangestellter tätig gewesen war, bezog seit 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) iH von monatlich 2.293,35 DM, eine Rente vom Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes aG iH von 1.339,86 DM sowie Zusatzversorgungsleistungen von der BfG Bank iH von 550,01 DM, insgesamt monatlich 4.183,22 DM. Er verstarb am 16. Dezember 1994 an Herzversagen nach einem Raubüberfall, dem er zum Opfer gefallen war, als er mit den Tageseinnahmen eines Eissportvereins unterwegs war. V war Mitglied dieses Vereins und auf Grund eines Beschlusses des Vereinsvorstandes (ehrenamtlich) für den Kassendienst zuständig.

Mit Bescheid vom 18. Dezember 1996 gewährte die Beklagte dem Kläger zu 2) Waisenrente ab dem 16. Dezember 1994 auf der Grundlage eines Fünftels des Mindest-JAV (28.224,-- DM). Hiergegen erhob der Kläger zu 2), vertreten durch die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin, Widerspruch, soweit darin der JAV auf 28.224,00 DM festgesetzt wurde. Der Klägerin zu 1) gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 28. Januar 1997 Witwenrente ab dem 16. Dezember 1994 iH von zwei Fünfteln des Mindest-JAV unter teilweiser Anrechnung von ihr erzielten Erwerbseinkommens. Hiergegen erhob die Klägerin zu 1) ebenfalls Widerspruch. Den gegen den Bescheid vom 18. Dezember 1996 gerichteten Widerspruch (des Klägers zu 2) wies die Beklagte durch den an die Klägerin zu 1) gerichteten Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997 zurück.

Mit Schreiben vom 18. November 1997 machten die Kläger bei der Beklagten geltend, der Widerspruchsbescheid vom 19. August 1997 sei zwar bindend, jedoch aus rechtlichen und tatsächlichen Gründen unrichtig; dass die Hinterbliebenenrenten nicht nach dem Renteneinkommen des V berechnet würden, stelle eine unbillige Härte dar. Die Beklagte lehnte eine Rücknahme des Bescheides vom 18. Dezember 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 durch den an die Klägerin zu 1) gerichteten Bescheid vom 18. Februar 1998 ab, weil das Renteneinkommen nicht zu den bei der Berechnung des JAV zu berücksichtigenden Einkommensarten gehöre. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin zu 1) wiederum Widerspruch ein, der von der Beklagten durch Widerspruchsbescheid vom 14. April 1998 zurückgewiesen wurde.

Hiergegen hat die Klägerin zu 1) bei dem Sozialgericht Wiesbaden (SG) Klage erhoben (S-8/U-534/98). Auf Hinweis des SG hat die Beklagte den (bis dahin noch nicht beschiedenen) Widerspruch der Klägerin zu 1) gegen den Bescheid vom 28. Januar 1997 durch den Widerspruchsbescheid vom 18. August 1998 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Klägerin zu 1) ebenfalls Klage bei dem SG erhoben (S-8/U-1005/98). Weiter hat die Beklagte den Bescheid vom 18. Februar 1998 und den Widerspruchsbescheid vom 14. April 1998 dahin berichtigt, dass beide an die Klägerin zu 1) als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2) gerichtet sind.

Das SG hat die beiden Rechtsstreitigkeiten zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und sodann die Klagen abgewiesen (Urteil vom 18. Februar 1999). Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat die Berufungen der Kläger zurückgewiesen (Urteil vom 19. Dezember 2001). Diese hätten keinen Anspruch auf Gewährung von Hinterbliebenenrenten nach einem JAV, welcher der Höhe des Renteneinkommens des V entspreche. Eine Berechnung des JAV nach § 571 Abs 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) komme nicht in Betracht; die Einkünfte des V im Jahr vor seinem Tode seien weder Arbeitsentgelt noch Arbeitseinkommen iS des § 571 Abs 1 Satz 1 RVO, weil sie als Renten nicht das Ergebnis einer Arbeitstätigkeit seien. Nach § 571 Abs 1 Satz 2 RVO könne die Berechnung nicht erfolgen, da V bereits seit 1. März 1991 eine Erwerbsunfähigkeitsrente bezogen habe und im Zeitpunkt des als Arbeitsunfall anerkannten Raubüberfalls nicht mit seiner Rückkehr in das Erwerbsleben zu rechnen gewesen sei. Zudem habe die zur Unfallzeit ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit in keinem Zusammenhang mit der früheren Tätigkeit des V als Bankangestellter gestanden. Eine Berechnung nach § 571 Abs 1 Satz 3 RVO komme ebenfalls nicht in Betracht, weil V zur Zeit des Arbeitsunfalls nicht - wie erforderlich - eine entgeltliche Tätigkeit ausgeübt habe.

Der JAV sei nach § 575 Abs 1 RVO festzusetzen; er betrage für die vom 16. Dezember 1994 an zu gewährenden Hinterbliebenenrenten 28.224,-- DM. Dieser JAV sei nicht "in erheblichem Maße unbillig" iS des § 577 RVO. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei dies nicht der Fall, wenn der Verletzte bereits länger als ein Jahr vor dem Unfall aus dem Erwerbsleben ausgeschieden sei und einen Unfall bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit erleide (BSGE 44, 12 ff = SozR 2200 § 571 Nr 10). Der Auffassung der Kläger, der JAV sei auch im Rahmen des § 577 RVO nach dem Renteneinkommen des Versicherten zu bemessen, weil er und seine Hinterbliebenen nicht in dem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt werden sollten, könne nicht gefolgt werden. Der Bezieher einer Rente erleide durch den Eintritt eines Arbeitsunfalls keinen Einkommensverlust wie ein erwerbstätiger Versicherter. Letzterer werde uU erheblich in seiner Erwerbsfähigkeit gemindert und könne nicht mehr das Erwerbseinkommen erzielen, das er vor dem Unfall gehabt habe. Ein rentenberechtigter Versicherter beziehe dagegen auch nach dem Arbeitsunfall die bereits davor gezahlte Rente und zusätzlich die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 93 Abs 5 Satz 1 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch <SGB VI>); sein Lebensstandard sei daher durch den Arbeitsunfall nicht beeinträchtigt. Allerdings gelte dies nicht für Hinterbliebenenrenten (§ 93 Abs 5 Satz 3 SGB VI). Nach den für Hinterbliebene geltenden Vorschriften (§ 93 Abs 1 bis 4 SGB VI) werde die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung insoweit nicht geleistet, als die Summe der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung vor Einkommensanrechnung den jeweiligen Grenzbetrag übersteige. Dieser betrage nach § 93 Abs 3 SGB VI 70 vH eines Zwölftels des JAV, welcher der Berechnung der Rente aus der Unfallversicherung zu Grunde liege, vervielfältigt mit dem jeweiligen Rentenfaktor für persönliche Entgeltpunkte der Rentenversicherung.

Bei Beziehern von Hinterbliebenenrenten könnte folglich der nach § 575 Abs 1 RVO festgestellte JAV "in erheblichem Maße unbillig" sein, weil sich deren Höhe insgesamt nach einem Grenzbetrag bemesse, der in Abhängigkeit vom jeweiligen JAV errechnet werde. Dies allein führe jedoch nicht dazu, dass ein niedrig bemessener JAV "in erheblichem Maße" unbillig sei. Denn den Hinterbliebenen verbleibe zumindest eine Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung und aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die in der Höhe der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung entspreche, deren Höhe sich wiederum nach dem Rentenanspruch des Versicherten aus der gesetzlichen Rentenversicherung bemesse, sodass das Renteneinkommen des Versicherten vor dem Arbeitsunfall Maßstab für die Höhe des Hinterbliebenenrentenanspruchs insgesamt sei. Von einer Beeinträchtigung der Hinterbliebenen durch den Arbeitsunfall könne daher nicht die Rede sein.

Im vorliegenden Fall habe die Klägerin zu 1) ab 1. April 1995 einen monatlichen Anspruch auf Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iH von 1.376,01 DM, abzüglich des Kranken- und des Pflegeversicherungsbeitrags iH von 1.276,94 DM. Aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe die Beklagte der Klägerin zu 1) ab 1. April 1995 eine laufende Rente iH von 940,80 DM gezahlt. Wegen des gleichzeitigen Bezugs von Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der Unfallversicherung werde die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab April 1995 um 873,06 DM gekürzt, sodass ihr eine Witwenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iH von 403,88 DM verbleibe. Der Klägerin zu 1) habe somit eine Gesamtrente iH von 1.344,68 DM zugestanden. Der Kläger zu 2) habe ab 1. Januar 1995 einen Anspruch auf Waisenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung iH von monatlich 396,40 DM, nach Abzug des Kranken- und des Pflegeversicherungsbeitrags iH von 367,86 DM. Aus der gesetzlichen Unfallversicherung habe die Beklagte dem Kläger zu 2) eine Waisenrente iH von 470,40 DM gewährt. Hier habe der Anspruch auf HaIbwaisenrente aus der gesetzlichen UnfalIversicherung zum Wegfall des Anspruchs auf Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung geführt. Da der gemäß § 575 Abs 1 Nr 1 RVO berechnete JAV im vorliegenden Fall nicht "in erheblichem Maße unbillig" sei, sei die Beklagte auch nicht entsprechend dem Hilfsantrag der Kläger verpflichtet, den JAV nach billigem Ermessen erneut festzustellen.

Mit ihren - vom LSG zugelassenen - Revisionen rügen die Kläger eine Verletzung materiellen Rechts. Der vom LSG zitierten Entscheidung des BSG (BSGE 44, 12 ff = SozR 2200 § 571 Nr 10) sei nicht zu entnehmen, welches Renteneinkommen der dortige Versicherte gehabt und in welchem Verhältnis dieses zum Mindest-JAV gestanden habe. Jedenfalls heiße es dort, dass der Lebensstandard des Versicherten nicht mehr auf dem Arbeitseinkommen, sondern auf dem Bezug von Rente beruht habe. Nach einer späteren Entscheidung (BSG SozR 2200 § 577 Nr 9) bezwecke die Regelung des § 577 RVO jedoch, dass der Verletzte und seine Hinterbliebenen durch den Unfall nicht in ihrem erreichten Lebensstandard beeinträchtigt würden. Nach einer Entscheidung des BSG (BSGE 73, 258 = SozR 3-2200 § 577 Nr 1) stehe der Anwendung des § 577 RVO nicht entgegen, dass der dortige Kläger als Kind nicht erwerbstätig gewesen sei. Auch der Wortlaut des § 577 Satz 1 RVO verlange keine frühere Erwerbstätigkeit. Dann könne die Billigkeitsregelung des § 577 RVO aber auch Rentnern und Hinterbliebenen nicht versagt werden. Dass im Rahmen des § 577 RVO auch das Renteneinkommen zu berücksichtigen sei, werde durch die §§ 14 und 15 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV), die auf das Einkommensteuerrecht (vgl § 3 Nr 1 und 2 des Einkommensteuergesetzes <EStG>) verwiesen, bestätigt.

V sei zwar zur Zeit des Unfalls nicht mehr erwerbstätig gewesen, sein Lebensstandard und der seiner Familie, die nach der Regelung des § 577 RVO nicht beeinträchtigt werden dürften, seien aber durch das Renteneinkommen geprägt gewesen. Beim Vergleich des Mindest-JAV iH von 28.224,-- DM mit dem tatsächlichen Renteneinkommen des V von 50.200,-- DM bleibe aber eine derart große Lücke, dass der vor dem Arbeitsunfall bestehende Lebensstandard entscheidend beeinträchtigt werde, zumal die Kläger insgesamt nur drei Fünftel des Mindest-JAV erhielten.

Entgegen den Ausführungen des LSG entstehe ihnen ein Schaden. Hinterbliebenenrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung und der gesetzlichen Unfallversicherung würden nicht nebeneinander gewährt (§ 93 Abs 5 Satz 3 SGB VI). Nach den Feststellungen des LSG erhalte der Kläger zu 2) überhaupt keine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die der Klägerin zu 1) sei auf 403,88 DM gekürzt. Daher seien die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, die V gezahlt habe, fast nutzlos gewesen. Es entstehe das verfassungsrechtliche Problem, ob das Vertrauen des Versicherten in seine Beitragszahlungen nach seinem Tode dadurch entwertet werden könne, dass daraus an den Sohn keine und an die Witwe nur unzureichende Leistungen erbracht würden, die in keinem Verhältnis zu den gezahlten Beiträgen stünden.

Die Kläger beantragen,

das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 19. Dezember 2001 und das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 18. Februar 1999 aufzuheben.

Der Kläger zu 2) beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Februar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. April 1998 zu verpflichten, ihren Bescheid vom 18. Dezember 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. August 1997 hinsichtlich der Höhe der bewilligten Waisenrente zurückzunehmen und diese insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

Die Klägerin zu 1) beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 28. Januar 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. August 1998 hinsichtlich der Höhe der bewilligten Witwenrente zu verpflichten, deren Höhe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revisionen sind begründet. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Beklagte verpflichtet, die Kläger (entsprechend dem Urteilstenor) hinsichtlich der Höhe ihrer Hinterbliebenenrenten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, dass hier ein höherer JAV zu Grunde zu legen ist, neu zu bescheiden.

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist lediglich die Frage, ob den Hinterbliebenenrenten der Kläger ein höherer JAV zu Grunde zu legen ist. Hinsichtlich aller übrigen in dieser Sache getroffenen Feststellungen und Entscheidungen sind mangels Einlegung von Rechtsbehelfen - Widerspruch wurde ausschließlich hinsichtlich der Höhe des JAV eingelegt - die Bescheide der Beklagten in der Sache bindend geworden (§ 77 des Sozialgerichtsgeseztes <SGG>).

Die Verpflichtung der Beklagten, den den Kläger zu 2) betreffenden Bescheid vom 18. Dezember 1996 teilweise zurückzunehmen, ergibt sich aus § 44 Abs 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X); die Beklagte hat beim Erlass dieses Verwaltungsaktes im Zusammenhang mit der Bestimmung des maßgeblichen JAV des V das Recht unrichtig angewandt. Aus dem gleichen Grund erweist sich auch der die Klägerin zu 1) betreffende Bescheid der Beklagten vom 28. Januar 1997 als rechtswidrig. Die Beklagte ist daher verpflichtet, insoweit beide Kläger neu zu bescheiden und in der Folge deren Hinterbliebenenrenten neu festzusetzen.

Für die Festsetzung des maßgeblichen JAV sind im Falle des Klägers zu 2) noch die Regelungen der §§ 571 ff RVO anzuwenden. Dies ergibt sich aus § 214 Abs 2 Satz 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), wonach die Vorschriften des SGB VII über den JAV auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem Tag des In-Kraft-Tretens des SGB VII (am 1. Januar 1997) eingetreten sind, wenn der JAV erstmals oder - vorliegend nicht von Bedeutung - nach § 90 SGB VII neu festgesetzt wird. Im Schrifttum ist allerdings umstritten, ob unter erstmaliger Festsetzung der Zeitpunkt der tatsächlichen Entscheidung über den JAV durch Bescheid (so: Mehrtens, Gesetzliche Unfallversicherung, § 214 SGB VII RdNr 11; Wannagat/Hans, Sozialgesetzbuch, § 214 SGB VII RdNr 11; Lauterbach/Dahm, Unfallversicherung, § 214 SGB VII RdNr 6; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 214 RdNr 6) oder der Zeitpunkt maßgebend ist, an dem der JAV festzusetzen ist, der Träger der Unfallversicherung ihn also hätte festsetzen können (so: Graeff in Hauck/Noftz, K § 214 SGB VII RdNr 5; Kater/Leube, SGB VII, § 214 RdNr 6; KassKomm-Ricke, Sozialversicherungsrecht, § 214 SGB VII RdNr 5). Der Senat braucht nicht zu entscheiden, welcher dieser beiden Meinungen die richtige Auslegung des § 214 Abs 2 Satz 1 Fall 1 SGB VII darstellt.

Da sich der Versicherungsfall hier am 16. Dezember 1994 ereignete und die für den Kläger zu 2) maßgebende (erstmalige) JAV-Festsetzung durch Bescheid vom 18. Dezember 1996 erfolgte, galt hierfür in jedem Falle noch die RVO. Für die Klägerin zu 1) wurde der JAV jedoch nach dem In-Kraft-Treten des SGB VII am 1. Januar 1997 durch den Bescheid vom 28. Januar 1997 erstmals festgesetzt, sodass es von der Beantwortung der oben dargestellten Streitfrage über die Auslegung des § 214 Abs 2 Satz 1 SGB VII abhängt, ob hier noch die Vorschriften der RVO oder schon die des SGB VII anzuwenden sind. Da indes - wie im Folgenden zu zeigen ist - das Ergebnis in beiden Fällen dasselbe ist, kann der Senat diese Frage - wie bereits im Urteil vom 4. Juni 2002 (SozR 3-2700 § 214 Nr 2) - offen lassen.

Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist der für die Hinterbliebenenrenten der Kläger zu Grunde zu legende JAV nicht nach § 575 Abs 1 RVO bzw § 85 Abs 1 SGB VII, sondern nach § 577 RVO bzw § 87 SGB VII festzusetzen. Danach ist der JAV im Rahmen des Mindest- und Höchstarbeitsverdienstes (§ 575 RVO) nach billigem Ermessen festzusetzen, wenn der nach den entsprechenden Berechnungsvorschriften (§§ 571 bis 576 RVO bzw §§ 82 bis 86 SGB VII) errechnete JAV in erheblichem Maße unbillig ist (Satz 1). Hierbei sind insbesondere die Fähigkeiten, die Ausbildung, die Lebensstellung und die Tätigkeit des Versicherten im Zeitpunkt des Versicherungsfalles bzw - nach RVO - des Arbeitsunfalles zu berücksichtigen. Es ist demnach zunächst festzustellen, auf Grund welcher Vorschriften der JAV zu berechnen und wie hoch er danach ist; anschließend ist die Prüfung vorzunehmen, ob der errechnete JAV in erheblichem Maße unbillig ist (BSGE 73, 258, 259 = SozR 3-2200 § 577 Nr 1). Eine Bemessung des JAV nach den Regelungen des § 571 Abs 1 RVO bzw des § 82 Abs 1 und 2 SGB VII ist hier ausgeschlossen; der Ansatz des Mindest-JAV nach § 575 Abs 1 Nr 1 RVO bzw § 85 Abs 1 Nr 2 SGB VII erweist sich als in erheblichem Maße unbillig. Daher ist der JAV des V nach billigem Ermessen festzustellen.

Da V nicht zu einer der Personengruppen gehörte, auf welche die §§ 573, 576 RVO bzw die §§ 82 Abs 4, 86 SGB VII anzuwenden sind, und hier auch die Sonderregelungen der §§ 572, 574 RVO bzw des § 84 SGB VII nicht einschlägig sind, richtet sich die Ermittlung des JAV grundsätzlich nach § 571 Abs 1 Satz 1 RVO bzw § 82 Abs 1 Satz 1 SGB VII. Danach gilt als JAV der Gesamtbetrag aller Arbeitsentgelte (§ 14 SGB IV) und Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) des Verletzten in den zwölf Kalendermonaten vor dem Monat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist. Der Zwölfmonatszeitraum vor dem von der Beklagten bindend als Arbeitsunfall anerkannten Raubüberfall auf V umfasst die Zeit vom 1. Dezember 1993 bis zum 30. November 1994. Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher das Revisionsgericht bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat V in dieser Zeit eine Erwerbsunfähigkeitsrente von der BfA iH von 2.293,35 DM, eine Rente vom Beamtenversicherungsverein des Deutschen Bank- und Bankiergewerbes aG iH von 1.339,86 DM sowie Zusatzversorgungsleistungen von der BfG Bank iH von 550,01 DM, insgesamt monatlich 4.183,22 DM bezogen. Da V diese Einnahmen nicht auf Grund einer selbstständigen Tätigkeit erzielt hat, sind sie nicht nach § 15 SGB IV als Arbeitseinkommen anzusehen; sie stellen aber auch kein Arbeitsentgelt iS von § 14 SGB IV dar.

Unter Arbeitsentgelt sind nach der Legaldefinition des § 14 Abs 1 Satz 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung zu verstehen, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Erfasst werden mithin nur solche Einnahmen, die einem Versicherten in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen (vgl BSGE 60, 39, 40 = SozR 2200 § 571 Nr 25; BSG SozR 2100 § 14 Nr 19). Hierzu gehören vor allem die Gegenleistungen des Arbeitgebers oder uU eines Dritten für eine konkret zu ermittelnde Arbeitsleistung des Beschäftigten (vgl BSGE 8, 278, 283; BSGE 20, 6, 9 = SozR Nr 41 zu § 165 RVO), aber auch solche Vergütungen, die wesentlich von dem Ziel mitbestimmt sind, dem Beschäftigten neben dem laufend gezahlten Arbeitsentgelt eine zusätzliche Vergütung für geleistete Arbeit zukommen zu lassen und zugleich einen Anreiz für weitere erfolgreiche Arbeit zu schaffen, wie etwa Gratifikationen, Gewinnbeteiligungen und sonstige Vorteile (vgl BSG SozR 2100 § 14 Nr 19). Ebenso erfasst werden Zahlungen, denen ein Anspruch des Arbeitgebers auf eine Arbeitsleistung nicht gegenüber steht, wie die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und das Urlaubsgeld. Schließlich sind auch Zahlungen Arbeitsentgelt, die anlässlich der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses geleistet werden, soweit sie sich zeitlich der versicherungspflichtigen Beschäftigung zuordnen lassen, dh auf die Zeit der Beschäftigung und der Versicherungspflicht entfallen (BSGE 66, 219, 220 = SozR 3-2400 § 14 Nr 2; BSG Urteil vom 4. Mai 1999 - B 2 U 9/98 R = HVBG-Info 1999, 2388; s auch BSG SozR 3-2400 § 14 Nr 16, 17 mwN; BSG Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 23/02 R = HVBG-Info 2003, 428). Die von V im Zwölfmonatszeitraum bezogenen Leistungen entsprechen diesem Begriff sämtlich nicht. Weder die Erwerbsunfähigkeitsrente noch die von privaten Versicherungen sowie der BfG-Bank gewährten Leistungen bilden das Äquivalent für eine Arbeitstätigkeit des V (vgl BSGE 44, 12, 14 = SozR 2200 § 571 Nr 10); sie werden nicht als Entgelt im Hinblick auf eine V konkret zuzuordnende Tätigkeit gezahlt. Eine Festsetzung des JAV nach den Regelungen des § 571 Abs 1 Satz 1 RVO bzw des § 82 Abs 1 SGB VII ist daher ausgeschlossen.

Ebenso wenig sind hier zur JAV-Bestimmung die Vorschriften des § 571 Abs 1 Satz 2 RVO bzw des § 82 Abs 2 Satz 1 SGB VII heranzuziehen. Denn V hat nach den bindenden Feststellungen des LSG im maßgebenden Zwölfmonatszeitraum nicht - wie erforderlich (vgl BSG SozR 2200 § 571 Nr 23) - mindestens während eines Teils dieser Zeit tatsächlich Arbeitseinkommen bezogen.

Nach alledem käme zwar die Festsetzung des den Hinterbliebenenleistungen der Kläger zu Grunde zu legenden JAV nach § 575 Abs 1 Nr 1 RVO bzw nach § 85 Abs 1 Nr 2 SGB VII grundsätzlich in Betracht. Eine solche Festsetzung nach dem Mindest-JAV iH von 28.224,00 DM, wie sie die Beklagte vorgenommen hat, ist jedoch in erheblichem Maße unbillig. Daher ist der JAV hier nach § 87 Satz 1 SGB VII bzw § 577 Satz 1 RVO nach billigem Ermessen im Rahmen des Mindest- und des Höchst-JAV (vgl § 85 SGB VII) bzw des (Mindest- und Höchst-JAV regelnden) § 575 RVO zu bestimmen.

Die Wertung, ob der berechnete JAV "in erheblichem Maße unbillig" ist, ist vom Gericht in vollem Umfang selbst vorzunehmen. Unbilligkeit iS des § 577 Satz 1 RVO (bzw des § 87 Satz 1 SGB VII) ist ein unbestimmter Rechtsbegriff; erst bei Vorliegen seiner Voraussetzungen hat der Versicherungsträger Ermessenserwägungen anzustellen (vgl BSG Urteil vom 23. Januar 1993 - 2 RU 15/92 - HV-Info 1993, 972 mwN; BSG Urteil vom 30. Oktober 1991 - 2 RU 61/90 - HV-Info 1992, 428; BSG SozR 2200 § 577 Nr 9 mwN). Das Vorliegen einer erheblichen Unbilligkeit in diesem Sinne kann nur von Fall zu Fall unter Berücksichtigung aller Tatumstände entschieden werden. Bereits hier sind die bei der Feststellung des billigen JAV zu beachtenden Bewertungsgesichtspunkte (Fähigkeiten, Ausbildung und Lebensstellung des Verletzten, seine Erwerbstätigkeit zur Zeit des Arbeitsunfalles oder eine gleichartige oder vergleichbare Erwerbstätigkeit, vgl § 577 Satz 2 RVO bzw § 87 Satz 2 SGB VII) zu berücksichtigen (BSGE 32, 169, 173 = SozR Nr 1 zu § 577 RVO; BSGE 51, 178, 182 = SozR 2200 § 571 Nr 20; BSG SozR 2200 § 577 Nr 9 mwN; BSGE 73, 258, 260 = SozR 3-2200 § 577 Nr 1; BSG, Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 23/02 R = HVBG-Info 2003, 428).

Der Ansatz des Mindest-JAV iH von 28.224,00 DM erscheint hier bereits deshalb unbillig iS des § 577 RVO, weil dieser Betrag nicht "der Lebensstellung des Verletzten" entspricht, dh dieser Betrag steht außerhalb jeder Beziehung zu dem, was für V zum Unfallzeitpunkt bzw in der Zeit davor die finanzielle Lebensgrundlage bildete. Entgegen der auf die Entscheidung des BSG vom 28. April 1977 (BSGE 44, 12 = SozR 2200 § 571 Nr 10) gestützten Auffassung des LSG ist die Anwendung des § 577 RVO bzw des § 87 SGB VII nicht bereits deshalb praktisch ausgeschlossen, weil der Versicherte - wie hier - den Arbeitsunfall bei einer ehrenamtlichen Tätigkeit erlitten und seinen Lebensunterhalt bis dahin durch den Bezug von Renten finanziert hat. Zu Recht verweisen die Kläger in diesem Zusammenhang darauf, dass die Anwendbarkeit des § 577 RVO bzw des § 87 SGB VII nach der neueren Rechtsprechung des Senats nicht die Ausübung einer Erwerbstätigkeit vor dem Versicherungsfall voraussetzt (BSGE 73, 258, 259 = SozR 3-2200 § 577 Nr 1). Es kommt daher - anders als bei § 571 Abs 1 RVO oder § 82 Abs 1 SGB VII - bei der Feststellung des JAV im Rahmen des § 577 RVO bzw des § 87 SGB VII nicht in jedem Fall auf die mit dem Wortbestandteil "Arbeit" verbundenen Einkünfte an. Der im Gesetz verwandte Begriff des JAV hat zwar - wie auch schon die Vorgängervorschriften in den §§ 563 bis 566 RVO in der bis zum 30. Juni 1963 geltenden Fassung (vgl Art 4 § 16 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts der gesetzlichen Unfallversicherung <UVNG>) - den Regelfall im Blick, dass Einkünfte normalerweise durch Arbeit erzielt werden; dies schließt aber nicht automatisch solche Personen von der Anwendung des § 577 RVO bzw § 87 SGB VII aus, deren Einkommen sich aus anderen Quellen speist. Dies belegen auch - zumindest konkludent - die Vorstellungen des Gesetzgebers bei der Neufassung der JAV-Berechnungsvorschriften im UVNG im Jahre 1963. Denn das Ziel der damaligen Neuregelung war, einheitliche Grundsätze für alle Geldleistungen zu schaffen, deren Höhe vom JAV abhängt (BT-Drucks IV/120 S 57). Da Versicherungsfälle auch bei Versicherten eintreten können, die zwar kein Erwerbseinkommen erzielen, dennoch aber renten- oder verletztengeldberechtigt in der gesetzlichen Unfallversicherung sein können, wurden diese Regelungen auch für sie zur Ermittlung des ihren Ansprüchen zu Grunde liegenden JAV geschaffen. Gerade § 577 RVO als Nachfolgevorschrift des § 566 RVO aF soll atypische Fallkonstellationen erfassen und, ausgerichtet am "Lebensstandard" des Versicherten, für diesen zu einer "billigen" Lösung führen (vgl BT-Drucks aaO). Daher steht es mit dem Gesetzeswortlaut und mit den Vorstellungen des Gesetzgebers im Einklang, dass nicht nur ein irgendwann erzieltes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen als Grundlage der Rentenberechnung angesehen werden kann, sondern auch dasjenige, welches tatsächlich der Lebensstellung - dh dem Lebensstandard - des Verletzten entspricht.

Daher ist es auch vor dem Hintergrund der og Entscheidung des BSG vom 28. April 1977 (aaO) grundsätzlich nicht ausgeschlossen, unter "Lebensstellung" iS des § 577 Satz 2 RVO bzw § 87 Satz 2 SGB VII den durch sämtliche ihrer Einkünfte bestimmten (geprägten) sozialen Status einer Person zu verstehen, ohne dass die betreffende Person im relevanten Zeitraum Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen bezogen hat (vgl BSG Urteil vom 3. Dezember 2002 - B 2 U 23/02 R = HVBG-Info 2003, 428). Zwar hat der Senat in der Entscheidung vom 28. April 1977 (aaO) eine Billigkeitsentscheidung nach § 577 RVO ausgeschlossen, weil der Lebensstandard des dortigen Verletzten im maßgebenden Zeitraum dauerhaft nicht mehr auf seinem Einkommen als Gewerkschaftssekretär, sondern auf dem Bezug verschiedener Sozialleistungen beruhte. Da - worauf die Kläger zutreffend hinweisen - der Entscheidung die Höhe der von ihm bezogenen Sozialleistungen (Renten aus der Angestelltenversicherung und Kriegsopferversorgung, Leistungen der Arbeitsverwaltung) jedoch nicht zu entnehmen ist, lässt sich daraus eine quantitative Beziehung zwischen dem (damaligen) Mindest-JAV und diesen Einkünften nicht ablesen (anders etwa im Fall BSG SozR 2200 § 577 Nr 9). Aus dieser Entscheidung kann deshalb nicht allgemein und für jeden Fall geschlossen werden, dass der Bezug von Sozialleistungen hinsichtlich einer JAV-Festsetzung im Ergebnis stets zur Anwendung von § 575 Abs 1 RVO bzw § 85 Abs 1 SGB VII führen und gleichzeitig eine Billigkeitsentscheidung nach § 577 RVO bzw § 87 SGB VII ausschließen muss. In § 578 RVO bzw § 88 SGB VII wird dann auch durch das Gesetz selbst ausdrücklich die Möglichkeit eröffnet, in bestimmten Einzelfällen auch Sozialleistungen zum Gegenstand der JAV-Berechnung zu machen. Daher sind Sozialleistungen, etwa Renten, Leistungen der Arbeitsverwaltung uä, durchaus als Einkünfte anzusehen, die, wenngleich nicht im Rahmen des § 571 Abs 1 RVO bzw § 82 Abs 1 SGB VII, so doch unter bestimmten Voraussetzungen im Wege des § 577 RVO bzw des § 87 SGB VII zur Bestimmung des JAV herangezogen werden können, wenn sie durch den Eintritt des Versicherungsfalles wegfallen und etwa den Hinterbliebenen nicht mehr zur Verfügung stehen. Dies gilt auch für auf privatrechtlicher Grundlage bezogene Renten und Versorgungsleistungen.

Vor diesem Hintergrund sind die Einkünfte iH von insgesamt 50.198,64 DM (= 4.183,22 DM x 12 Monate), die V im maßgebenden Zwölfmonatszeitraum erzielt hat, als tatsächlicher JAV dem von der Beklagten den Hinterbliebenenleistungen zu Grunde gelegten Mindest-JAV iH von 28.224,-- DM gegenüber zu stellen. Da der von der Beklagten angesetzte Mindest-JAV lediglich etwas mehr als der Hälfte des tatsächlichen Einkommens des V entspricht, ist diese Festsetzung nicht geeignet, den realen wirtschaftlichen Verhältnissen des V Rechnung zu tragen. Die Festsetzung des Mindest-JAV als Grundlage für die Berechnung der Hinterbliebenenrenten der Kläger erweist sich damit als "unbillig" iS von § 577 RVO bzw § 87 SGB VII. Eine andere als die vorliegend anhand der "Lebensstellung" des V vorgenommene Entscheidung über die Unbilligkeit der JAV-Festsetzung ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn der zu Grunde liegenden gesetzlichen Vorschriften des § 577 RVO bzw des § 87 SGB VII vereinbar. So liegt insbesondere eine Berücksichtigung der vom LSG in seiner angefochtenen Entscheidung als maßgeblich erachteten Faktoren, etwa der tatsächlichen Höhe der Hinterbliebenenleistungen, außerhalb des Rahmens, den das Gesetz für die Entscheidung über die Billigkeit vorgibt. Zwar nennen die Sätze 2 des § 577 RVO und des § 87 SGB VII durchaus weitere Merkmale als die "Lebensstellung des Verletzten", die für die Frage der Billigkeit einer JAV-Festsetzung von Bedeutung sein können, und es besteht auch seit langem Einigkeit darüber, dass die Aufzählung dieser Kriterien nicht abschließend ist (s bereits BSG Urteil vom 26. Juni 1958 = BSGE 7, 269, 273; BT-Drucks 13/2204 S 96). Allerdings haben sämtliche vom Gesetz genannten Kriterien die Person des Verletzten als gemeinsamen Ausgangspunkt. Der vorhandene Beispielskatalog kann daher auch nur auf dieser Basis erweitert werden; jede Erweiterung, die nicht an die Person des Verletzten anknüpft, ist demzufolge nicht mehr mit dem die Regelungen tragenden Grundgedanken vereinbar. Zwar verweist das LSG in diesem Zusammenhang darauf, die Regelungen sollten letztlich nur eine Beeinträchtigung der Hinterbliebenen in ihrem erreichten Lebensstandard durch den Arbeitsunfall verhindern; dies allein kann es jedoch nicht rechtfertigen, den JAV gleichsam an der Person des V vorbei ohne Beachtung seiner realen Einkommensverhältnisse bzw seiner Lebensstellung festzusetzen.

Der Ansatz eines Betrages iH von 28.224,-- DM als JAV des V durch die Beklagte erweist sich vor dem Hintergrund der tatsächlichen Einkünfte des V iH von etwa 50.200,-- DM pro Jahr als "in erheblichem Maße unbillig". Zwar gibt es keine starren Richtwerte in der Form, dass etwa ab einem bestimmten Prozentsatz der Abweichung eine Unbilligkeit "in erheblichem Maße" anzunehmen wäre. Denn auch insoweit ist eine an den jeweiligen Umständen des Einzelfalles orientierte Betrachtungsweise angebracht (vgl BT-Drucks IV/120 S 57). Allerdings ist in der Rechtsprechung des BSG anerkannt, dass jedenfalls bei einer Abweichung des vom Versicherungsträger angesetzten JAV gegenüber dem den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechenden Jahreseinkommen von 40 vH durchaus eine erhebliche Unbilligkeit zu verzeichnen ist (BSG SozR 2200 § 577 Nr 9). Da vorliegend der von der Beklagten bestimmte Betrag nur ca 56 vH dessen darstellt, was in etwa der realen wirtschaftlichen Lage des V im maßgebenden Zwölfmonatszeitraum entspricht, ist der Ansatz des Mindest-JAV nach § 575 Abs 1 Nr 1 RVO bzw § 85 Abs 1 Nr 1 SGB VII hier in jedem Fall als "in erheblichem Maße unbillig" anzusehen.

Da mithin die Tatbestandsvoraussetzungen des § 577 Satz 1 RVO bzw des § 87 Satz 1 SGB VII erfüllt sind, ist die Beklagte nunmehr verpflichtet, den JAV des V als Grundlage für die Hinterbliebenenleistungen der Kläger im Rahmen des Mindest- und Höchst-JAV bzw des § 575 RVO unter Beachtung der Wertungskriterien des § 577 Satz 2 RVO bzw des § 87 Satz 2 SGB VII nach billigem Ermessen festzustellen. Die Beklagte ist nicht durch § 575 Abs 2 Satz 1 RVO bzw § 85 Abs 2 Satz 1 SGB VII an der Festsetzung eines die dort bestimmten Beträge überschreitenden JAV gehindert, da sie durch § 32 Abs 2 ihrer Satzung von der Möglichkeit einer abweichenden Höchstbetragsfestsetzung nach § 575 Abs 2 Satz 2 RVO bzw § 85 Abs 2 Satz 2 SGB VII Gebrauch gemacht hat und der sich hier abzeichnende JAV unterhalb dieses satzungsmäßigen Höchstbetrages bleibt. Die Beklagte hat sich dabei auf Grund des derzeit bekannten und vom LSG festgestellten Sachverhaltes an dem Betrag zu orientieren, der V im maßgeblichen Zwölfmonatszeitraum durch seine Renten- und Versorgungseinkünfte tatsächlich zur Verfügung stand.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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