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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 03.12.2002
Aktenzeichen: B 2 U 18/02 R
Rechtsgebiete: SGB VII


Vorschriften:

SGB VII § 8 Abs 2 Nr 1
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Verkündet am 3. Dezember 2002

Az: B 2 U 18/02 R

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat auf die mündliche Verhandlung vom 3. Dezember 2002 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Burchardt, die Richter Mütze und Kruschinsky sowie die ehrenamtlichen Richter Lasar und Lippert

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Januar 2002 aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 14. September 1999 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in allen Rechtszügen nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist die Entschädigung eines Verkehrsunfalls als Arbeitsunfall (Wegeunfall); umstritten ist insbesondere, ob der Kläger dabei unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand.

Der im März 1976 geborene Kläger, der aus H. (Südniedersachsen) stammt, absolvierte seit dem 1. Oktober 1996 eine Ausbildung zum Krankenpfleger im Krankenhaus R. in Niederbayern. Die Krankenpflegeschule befand sich in E. , wo dem Kläger im Schülerwohnheim ein Zimmer zur Verfügung stand. Die praktische Ausbildung sollte in den Krankenhäusern E. , P. und S. stattfinden. In der Zeit vom 2. bis 6. Januar 1997 war er im von E. 14 km entfernten Krankenhaus P. für den Spätdienst und in der Zeit vom 7. bis 9. Januar 1997 für den Frühdienst eingeteilt. In der Wohnung der Eltern in H. verfügte der Kläger weiterhin über ein eigenes Zimmer; er fuhr etwa alle vier Wochen einmal dorthin.

Vom 21. Dezember 1996 an hatte der Kläger Urlaub, den er zunächst ab dem 22. Dezember 1996 in der elterlichen Wohnung in H. verbrachte. Am 28. Dezember 1996 fuhr er mit seinen Eltern nach N. im Bayerischen Wald, wo er sich mit ihnen und seinen Geschwistern bis zum Morgen des 2. Januar 1997 in einer Ferienwohnung aufhielt. Danach machte er sich mit seinem Pkw auf den (140 km langen) Weg nach P. , wo er um 13.00 Uhr seinen Spätdienst antreten wollte. Auf dieser Fahrt erlitt er gegen 10.20 Uhr noch ca 30 km vom Fahrtziel entfernt einen Verkehrsunfall, indem er mit seinem Pkw auf die linke Straßenseite geriet und mit einem entgegenkommenden Reisebus zusammenstieß. Dabei zog er sich ein Schädelhirntrauma dritten Grades zu, in dessen Anschluss sich ein apallisches Syndrom und ein hirnorganisches Psychosyndrom entwickelten. Er ist seitdem nach den Feststellungen des Landessozialgerichts Niedersachsen (LSG) "nicht vernehmungsfähig". Das Amtsgericht H. hat den Vater des Klägers als Betreuer bestellt.

Die Beklagte lehnte die Entschädigung des Unfalls als Arbeitsunfall ab (Bescheid vom 12. August 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 1998). Ein Arbeitsunfall iS des § 8 Abs 2 Nr 4 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei nicht gegeben, weil die Fahrt von N. nach P. als unversicherte Rückfahrt vom Urlaub anzusehen sei.

Das Sozialgericht Hildesheim (SG) hat die vom Kläger hiergegen erhobene Klage abgewiesen (Urteil vom 14. September 1999). Auch wenn man zugunsten des Klägers davon ausgehe, dass er sich von N. direkt zu seinem Dienstort nach P. begeben habe, sei Unfallversicherungsschutz zu verneinen. Als Weg vom "dritten Ort" sei der unfallbringende Weg mangels eines inneren Zusammenhangs mit der versicherten Tätigkeit nicht versichert gewesen, weil er sich unter Berücksichtigung aller Umstände so erheblich vom üblichen Weg unterscheide, dass er nicht mehr von dem Vorhaben des Klägers geprägt gewesen sei, sich zur Arbeit zu begeben. Dabei sei einmal die um das Zehnfache verlängerte übliche Wegstrecke zu berücksichtigen, maßgeblich sei aber, dass der unfallbringende Weg über die Bundesstraße bei Schnee- und Eisglätte als ungewöhnlich lang und risikobehaftet einzuschätzen sei. Zudem habe der Aufenthalt in N. Urlaubs- bzw Erholungszwecken im Familienverbund, mithin privaten Zwecken gedient, wodurch der unfallbringende Weg sein wesentliches Gepräge erhalten habe. Unfallversicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 4 SGB VII scheide aus, weil sich die ständige Familienwohnung des Klägers in H. befunden habe.

Auf die Berufung des Klägers hat das LSG das erstinstanzliche Urteil sowie die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Entschädigungsleistungen dem Grunde nach zu erbringen (Urteil vom 17. Januar 2002). Der Kläger habe bei dem Verkehrsunfall nach den vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Grundsätzen unter Versicherungsschutz gestanden, weil er sich auf einem mit seiner versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg vom "dritten Ort" zum Ort seiner Tätigkeit befunden habe und der Aufenthalt in N. unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Einzelfalles im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit zu sehen sei. Zur Überzeugung des Senats habe sich der Kläger auf dem unmittelbaren Weg von der Ferienwohnung zum Krankenhaus P. befunden und nicht vorher noch sein Zimmer im Wohnheim in E. aufsuchen wollen. Auf Grund des im Unfallzeitpunkt bereits dreitägigen Aufenthaltes in der Ferienwohnung in N. sei diese für den Ausgangspunkt des Weges zur Arbeitsstätte als "dritter Ort" anzusehen. Um die Familienwohnung iS des § 8 Abs 2 Nr 4 SGB VII habe es sich dabei aber nicht gehandelt. Insbesondere habe die Familie des Klägers die Familienwohnung nicht für die Dauer des einwöchigen Aufenthalts nach N. verlegt gehabt, sodass offen bleiben könne, ob das Elternhaus des Klägers in H. noch seine ständige Familienwohnung gewesen sei. Nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließe, sei beim Weg vom "dritten Ort" für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg von dem Vorhaben des Versicherten rechtlich wesentlich geprägt sei, sich zur Arbeit zu begeben, wobei er unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg zum Ort der Tätigkeit stehen müsse. Hier sei der Aufenthalt des Klägers in N. von betriebsdienlichen Motiven geprägt gewesen; vor diesem Hintergrund sei die Entfernung zwischen diesem Ort und der Arbeitsstätte auch nicht als unangemessen lang anzusehen. Zwar sei ein Aufenthalt am "dritten Ort" ausschließlich zu Urlaubszwecken grundsätzlich rein eigenwirtschaftlich geprägt, jedoch komme der Aufenthalt in der Ferienwohnung der betrieblichen Ausbildung und damit dem Arbeitgeber zugute. Denn die Anwesenheit im Familienverband fördere angesichts der hier bestehenden engen Familienbeziehungen - noch dazu in zu den besonderen Familienfesten zählenden Zeiten wie Weihnachten und Neujahr - die emotionale Stabilität des noch jugendlichen, am Beginn seiner Berufsausbildung stehenden und weit von der elterlichen Wohnung entfernt wohnenden Klägers. Der Aufenthalt im Familienverband diene insofern der Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit des jungen Klägers; er sei vergleichbar sowohl mit den Fällen notwendiger Arztbesuche wie auch mit dem Fall eines auf auswärtiger Montage befindlichen Versicherten, der auf dem Rückweg von einem Bekanntenbesuch verunglücke.

Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII. Der mehrtägige Aufenthalt des Klägers am Ferienort stelle keinen Aufenthalt am "dritten Ort" iS der Rechtsprechung des BSG dar; der innere Zusammenhang sei hier zu verneinen. Maßgebliche Kriterien für die Wertung, welche Reichweite im Einzelfall der Versicherungsschutz mit Wegen zum bzw vom "dritten Ort" habe, seien danach die Dauer des Aufenthalts am "dritten Ort", die Wegstrecke zwischen dem Ort der Tätigkeit sowie die betriebsbezogenen oder privatbestimmten Motive für den Aufenthalt. Nach allen drei Kriterien sei hier der Versicherungsschutz zu verneinen. So habe es sich nicht um einen kurzen Aufenthalt am "dritten Ort" gehandelt, da der Kläger bereits am 28. Dezember 1996 die Ferienwohnung erreicht gehabt habe und von dort aus erst am 2. Januar 1997 aufgebrochen sei. Auch die erheblich längere Wegstrecke zwischen dem "dritten Ort" und dem Ort der Tätigkeit spreche gegen den Versicherungsschutz. Ein betriebsbezogenes Motiv sei zu verneinen. Zwar könnten auch lediglich mittelbar betriebsdienliche Motive einen Weg vom bzw zum "dritten Ort" rechtfertigen; von einer mittelbaren Betriebsbezogenheit könne aber dort nicht mehr die Rede sein, wo die Handlungsweise bzw die subjektive Absicht der betreffenden Person bei natürlicher Betrachtungsweise eindeutig dem privaten Lebensbereich zuzuordnen sei. Dies müsse insbesondere für mehrtägige Ferienaufenthalte gelten. Ein mehrtägiger Aufenthalt in einer Ferienregion - zumal über den Silvesterabend - stelle eine typische, dem privaten Bereich zuzuordnende Verrichtung dar, die zwar auch irgendwie dem Arbeitgeber zugute kommen könne. Eine solche weite Auslegung des Begriffs der "mittelbaren Betriebsbezogenheit" hätte allerdings zur Folge, dass dieser vollkommen obsolet würde und für die Praxis keine Bedeutung mehr hätte. Der Aufenthalt in einer Ferienwohnung stehe dem Aufenthalt auf einem Campingplatz, den das BSG nicht als betriebsbezogen angesehen habe, deutlich näher als ein dringender Arztbesuch, bei dem das BSG Versicherungsschutz angenommen habe.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 17. Januar 2002 aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 14. September 1999 zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.

II

Die Revision des Beklagten ist begründet. Der Kläger hat am 2. Januar 1997 keinen Arbeitsunfall erlitten, als er auf dem Weg zu seiner Ausbildungsstätte verunglückte. Er hat daher keinen Anspruch auf Entschädigung gegen den Beklagten. Das Urteil des LSG war aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Gemäß § 8 Abs 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Versicherte Tätigkeit sind gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII auch das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden unmittelbaren Weges nach und von dem Ort der Tätigkeit und nach § 8 Abs 2 Nr 4 SGB VII das Zurücklegen des mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weges von und nach der ständigen Familienwohnung, wenn die Versicherten wegen der Entfernung ihrer Familienwohnung von dem Ort der Tätigkeit an diesem oder in dessen Nähe eine Unterkunft haben. Da diese Vorschriften inhaltlich im Wesentlichen mit den früheren Regelungen des § 548 Abs 1 Satz 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) und des § 550 Abs 1 und 3 RVO übereinstimmen, kann die hierzu ergangene Rechtsprechung auch für die rechtliche Beurteilung des Vorliegens von Arbeits- und Wegeunfällen nach den Vorschriften des SGB VII weiter herangezogen werden, soweit nicht die wenigen Änderungen des materiellen Rechts entgegenstehen (vgl BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 1, 3, 6, 9, 10).

Bei dem Unfall, den der Kläger am 2. Januar 1997 erlitten hat, stand er weder nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII noch nach Nr 4 aaO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Zwar war er nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) Krankenpflegeschüler und als solcher grundsätzlich gegen Unfall versichert, jedoch ereignete sich der Unfall nicht auf einem versicherten Weg.

Ausgangspunkt des unfallbringenden Weges war nicht die ständige Familienwohnung des Klägers, sodass Versicherungsschutz nach § 8 Abs 2 Nr 4 SGB VII ausscheidet. Ständige Familienwohnung ist nach der Rechtsprechung des Senats zu § 550 Abs 3 RVO, die entsprechend herangezogen werden kann, eine Wohnung, die für "nicht unerhebliche Zeit" den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse des Versicherten bildet; die Beurteilung, ob die hiernach erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, richtet sich nach der tatsächlichen Gestaltung der Lebensverhältnisse des Versicherten zur Unfallzeit, die insbesondere durch die soziologischen und psychologischen Gegebenheiten ihren Ausdruck findet (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 13 mwN; BSG Urteil vom 10. Oktober 2002 - B 2 U 16/02 R mwN). Bei einem Ledigen - wie dem Kläger - kann die Familienwohnung weiterhin bei den Eltern sein, wenn er seine Freizeit regelmäßig dort verbringt, die Bindung zu den Eltern nicht gelockert ist und er am Ort der Tätigkeit nicht einen neuen Lebensmittelpunkt gefunden hat (vgl Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 277 mwN). Es kann indes offen bleiben, ob diese Voraussetzungen vorlagen und damit die Wohnung der Eltern des Klägers in H. seine "ständige Familienwohnung" im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 4 SGB VII war. Denn die unfallbringende Fahrt wurde nicht von dieser Wohnung, sondern von der Ferienwohnung in N. aus angetreten, die die an eine "ständige Familienwohnung" zu stellenden Anforderungen nicht erfüllte. Insbesondere hatte die Familie des Klägers ihre ständige Familienwohnung auch nicht von H. nach dort verlegt. Nach den bindenden berufungsgerichtlichen Feststellungen war die dortige Wohnung für einen einwöchigen Aufenthalt der Familie gemietet worden. Zwar kann eine ständige Familienwohnung an einen anderen Ort verlegt werden, jedoch muss dies dann - entsprechend den Voraussetzungen für die Annahme einer "ständigen Familienwohnung" überhaupt - für eine nicht unerhebliche Zeit stattfinden, was mit Blick in die Zukunft zu entscheiden ist (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 13 mwN). Davon kann indes bei dem hier von vornherein für lediglich eine Woche geplanten und durch Mietvertragsschluss und Terminierung in dieser Weise organisierten Aufenthalt nicht die Rede sein. Der Senat hat unter bestimmten Voraussetzungen eine Zeitspanne von einem Jahr (BSGE 2, 78, 80) bzw von wenigstens acht Monaten (BSG Urteil vom 27. Oktober 1965 - 2 RU 35/63 = Breith 1966, 383, 384) ausreichen lassen; ob ein Aufenthalt von vier bis sechs Wochen ausreicht, hat er offen gelassen und darauf hingewiesen, dass das Tatbestandsmerkmal der ständigen Familienwohnung als Gegenstück zu solchen Wohnungen anzusehen ist, welche lediglich vorübergehend, insbesondere besuchs- oder urlaubsweise Unterkunft bieten (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 13). Eine Zeitspanne von lediglich einer Woche ist jedenfalls nicht als "nicht unerheblicher" Zeitraum anzusehen; auch im Hinblick auf die Art und die vorübergehende Nutzung der Wohnung in N. als Ferienwohnung sowie den (verbleibenden) Ort der persönlichen Habe des Klägers und der Familie kann diese nicht als ständige Familienwohnung angesehen werden, wovon auch das LSG zutreffend ausgegangen ist.

Der Kläger stand auch nicht nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII unter Unfallversicherungsschutz. Danach ist - wie nach der Vorgängervorschrift des § 550 Abs 1 RVO - der Versicherungsschutz für die Wege nach und von dem Ort der Tätigkeit nicht auf die Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte beschränkt. Die Vorschrift verlangt nur, dass die Arbeitsstätte Ziel oder Ausgangspunkt des Weges ist; der andere Grenzpunkt des Weges ist - nach wie vor - gesetzlich nicht festgelegt (zu § 550 Abs 1 RVO vgl zuletzt BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 39 mwN). Allerdings hat der Gesetzgeber nicht schlechthin jeden Weg unter Versicherungsschutz gestellt, der zur Arbeitsstätte hinführt oder von ihr aus begonnen wird. Vielmehr ist es auch nach § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII darüber hinaus erforderlich, dass der Weg mit der Tätigkeit in dem Unternehmen (rechtlich) zusammenhängt, dh dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Weg und der Tätigkeit in dem Unternehmen besteht. § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII verlangt insoweit ausdrücklich, dass das Zurücklegen des Weges mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängen muss. Dieser innere Zusammenhang setzt voraus, dass der Weg, den der Versicherte zurücklegt, wesentlich dazu dient, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung - in der Regel - die eigene Wohnung oder einen anderen Endpunkt des Weges von dem Ort der Tätigkeit zu erreichen. Maßgebend ist dabei die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 39; SozR 3-2200 § 550 Nr 4 und 17). Fehlt es an einem solchen inneren Zusammenhang, scheidet ein Versicherungsschutz selbst dann aus, wenn sich der Unfall auf derselben Strecke ereignet, die der Versicherte auf dem Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit gewöhnlich benutzt (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 mwN). Für die tatsächlichen Grundlagen des Vorliegens versicherter Tätigkeit muss der volle Beweis erbracht werden, das Vorhandensein versicherter Tätigkeit also sicher feststehen (vgl BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84 mwN), während für die kausale Verknüpfung zwischen ihr und dem Unfall die hinreichende Wahrscheinlichkeit genügt (vgl BSGE 58, 80, 82 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN).

Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) befand sich der Kläger im Unfallzeitpunkt auf dem Weg von der Ferienwohnung in N. zu seiner Ausbildungsstätte, dem Krankenhaus in P. , die er unmittelbar aufsuchen wollte, ohne sich zuvor noch in sein Wohnheimzimmer in E. zu begeben. Nach der Dauer des dortigen Aufenthalts vom 28. Dezember 1996 bis zum 2. Januar 1997, der mithin fünf - nicht lediglich drei, wovon das LSG ausgegangen ist - Übernachtungen umfasste, ist dieser Ausgangspunkt des Weges des Klägers zur Ausbildungsstätte als "dritter Ort" anzusehen (vgl dazu BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6 und Urteil vom 4. Juni 2002 - B 2 U 11/01 R -, beide mwN). Auch wenn man davon ausginge, dass die Wohnung der Eltern des Klägers in H. zum Unfallzeitpunkt seine ständige Familienwohnung gewesen wäre und er bereits am 28. Dezember 1996 die Fahrt zur Ausbildungsstätte angetreten hätte, wäre die Ferienwohnung in N. als dritter Ort Ausgangspunkt der unfallbringenden Fahrt gewesen. Unabhängig vom Vorliegen der entsprechenden Handlungstendenz wäre jedenfalls auf Grund der länger als zwei Stunden andauernden Unterbrechung des Weges durch den Aufenthalt in der Ferienwohnung der Versicherungsschutz beendet gewesen (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 18 mwN) und hätte bei Fortsetzung des Weges nicht unter dem Gesichtspunkt eines Weges von der ständigen Familienwohnung zum Ort der Tätigkeit wiederaufleben können.

Allein wegen des Umstandes, dass Ausgangspunkt der Fahrt zur Ausbildungsstätte ein "dritter Ort" war, kann der Kläger im Unfallzeitpunkt allerdings nicht als versichert angesehen werden. Wenn nicht der häusliche Bereich, sondern ein "dritter Ort" den Ausgangspunkt bzw Endpunkt des nach oder von dem Ort der Tätigkeit angetretenen Weges bildet, ist für den inneren Zusammenhang entscheidend, ob dieser Weg noch von dem Vorhaben des Versicherten, sich zur Arbeit bzw Ausbildung zu begeben bzw hiervon zurückzukehren (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 5, 13 und SozR 3-2700 § 8 Nr 6, alle mwN) oder davon rechtlich wesentlich geprägt ist, einen eigenwirtschaftlichen Besuch am "dritten Ort" abzuschließen (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6 mwN).

Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein nicht von oder nach der Wohnung angetretener Weg nach Sinn und Zweck des § 8 Abs 2 Nr 1 SGB VII grundsätzlich unter Berücksichtigung aller Umstände des jeweiligen Einzelfalls in einem angemessenen Verhältnis zu dem üblichen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit stehen muss (vgl BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 5 mwN; Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 196 mwN; Kater/Leube, Gesetzliche Unfallversicherung, § 8 RdNr 178 mwN). Die Beurteilung dieser Angemessenheit ist nach der Verkehrsanschauung vorzunehmen (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6 mwN).

Im Rahmen der Bewertung der Prägung des unfallbringenden Weges berücksichtigt die neuere Rechtsprechung des BSG anders als die frühere, die stärker auf die unterschiedlichen Entfernungen an sich zwischen Wohnung und Arbeitsstätte einerseits und "drittem Ort" und Arbeitsstätte andererseits abstellte, zwar weiterhin die genannten Entfernungen, misst ihnen aber ausdrücklich nicht die allein entscheidende Bedeutung zu und verlangt, dass die Umstände des jeweiligen Einzelfalles stärker zu berücksichtigen sind (vgl BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6 und Brackmann/Krasney, SGB VII, § 8 RdNr 198, beide mwN). Dabei kommt insbesondere der Frage eine besondere Bedeutung zu, ob am "dritten Ort" Verrichtungen des täglichen Lebens erledigt wurden oder werden sollen, die keinerlei Bezug zur versicherten Tätigkeit an sich haben, oder ob es sich um Verrichtungen handelt, die zumindest mittelbar auch dem Betrieb zugute kommen sollen, wie zB dringende Arztbesuche zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit (vgl BSG aaO; Brackmann/Krasney, aaO). Diese betriebsbezogenen Umstände beeinflussen zwar nicht die Beurteilung der Angemessenheit des Weges vom "dritten Ort" (so BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 5 und Kater/Leube, aaO, RdNr 180), können ihn jedoch im Sinne einer Betriebsdienlichkeit prägen (BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6). Allerdings kann hier nicht jeder Zweck des Aufenthaltes am "dritten Ort", der in irgendeiner mittelbaren Weise auch dem Betrieb bzw der Ausbildung zugute kommen könnte, ausreichen, sondern die betreffende Verrichtung muss sich zumindest unmittelbar auf die - körperliche und/oder geistige - Leistungsfähigkeit, die für die versicherte Tätigkeit benötigt wird, in positiver Weise auswirken und so mittelbar dem Betrieb bzw der Ausbildung nutzen. Dabei müssen im Interesse einer hinreichend klaren Grenzziehung und zur Vermeidung einer mit dem Schutzzweck der gesetzlichen Unfallversicherung nicht mehr zu vereinbarenden Ausweitung des Wegeunfallversicherungsschutzes von vornherein in einer generalisierenden Betrachtung solche Verrichtungen am "dritten Ort" ausscheiden, die nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit, sondern lediglich der geistigen Anregung, der Entspannung oder etwa der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen sollen, mögen diese auch mittelbar das körperliche bzw geistige Wohlbefinden heben und so auch die Leistungsfähigkeit verbessern.

Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt kann der innere Zusammenhang im Unfallzeitpunkt nicht angenommen werden. Beim Vergleich der Entfernungen im dargelegten Sinne ist einerseits von der Entfernung der Ferienwohnung in N. nach P. und andererseits von E. nach P. auszugehen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist als Ausgangspunkt des üblichen Weges zu seiner Ausbildungsstätte nicht die Wohnung der Eltern in H. , sondern das Schülerwohnheim in E. zu berücksichtigen, weil auf der Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG feststeht, dass der übliche, also regelmäßig benutzte Weg zur Ausbildungsstätte des Klägers dort und nicht in H. angetreten wird. Da sich der Kläger dort lediglich etwa alle vier Wochen einmal aufhält, kommt H. nicht als Ausgangspunkt des regelmäßig benutzten Weges zur Arbeit in Betracht. Auf die vom Kläger im Revisionsverfahren -unzulässigerweise - vorgetragenen neuen Tatsachen sowie angebotenen Beweismittel und die von ihm auf deren Grundlage vertretene Auffassung, H. sei weiterhin sein Lebensmittelpunkt, kommt es daher nicht an.

Die so zu beurteilenden Entfernungen von üblicherweise 14 km zwischen Schülerwohnheim und Ausbildungsstätte und von 140 km zwischen "drittem Ort" und Ausbildungsstätte stehen nicht in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Zwar hat das BSG bisher keine festen Vorgaben dafür aufgestellt, wann das Verhältnis der beiden Strecken nicht mehr als angemessen anzusehen ist, jedoch ist die Grenze zur Unangemessenheit bei dem Zehnfachen der üblichen Entfernung - noch dazu bei einer Fahrt über Bundesstraßen unter winterlichen Straßenverhältnissen - nach der Verkehrsanschauung deutlich überschritten. Zudem war der Aufenthalt des Klägers am "dritten Ort" nicht hinreichend betriebsbezogen, sondern überwiegend eigenwirtschaftlich geprägt (zum Verwandtenbesuch vgl schon BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 13 und SozR 3-2700 § 8 Nr 6). Zwar förderte nach den bindenden Feststellungen des LSG die Anwesenheit des mit 20 Jahren noch jugendlichen und sich erst seit drei Monaten 600 km von der elterlichen Wohnung entfernt in der Ausbildung befindlichen Klägers angesichts bestehender enger Familienbeziehungen zu den Familienfesten Weihnachten und Silvester dessen "emotionale Stabilität". Die Aussage des LSG, dieser Aufenthalt habe daher "der Erhaltung oder Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit des jungen Klägers" gedient und sei "vergleichbar...mit den Fällen notwendiger Arztbesuche", ist jedoch keine Feststellung von Tatsachen, an die der Senat gemäß § 163 SGG gebunden wäre, sondern eine vom Revisionsgericht nachprüfbare rechtliche Bewertung. Dieser vermag der Senat indes nicht zu folgen. Die Förderung der "emotionalen Stabilität" durch Zusammensein mit der Familie bei einem der großen "Familienfeste" ist gerade eine Verrichtung, die - allgemeinem Brauch entsprechend - primär der Aufrechterhaltung zwischenmenschlicher Beziehungen dienen soll und - wenn auch geeignet, mittelbar in irgendeiner Weise das körperliche bzw geistige Wohlbefinden zu heben und so auch die Leistungsfähigkeit zu verbessern - nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht primär zur Wiederherstellung, Aufrechterhaltung oder Verbesserung der für die versicherte Tätigkeit benötigten körperlichen und/oder geistigen Leistungsfähigkeit unternommen wird. Einem notwendigen Arztbesuch, den der Senat bisher als wesentliche mittelbar betriebsdienliche Verrichtung anerkannt hat (vgl BSG SozR 3-2700 § 8 Nr 6 mwN), kann ein solcher Familienbesuch schon deshalb nicht gleichgestellt werden, weil er jedenfalls ganz regelmäßig nicht in erster Linie zur Behebung einer körperlichen oder geistigen Gesundheitsstörung dient, die bei der Ausübung der versicherten Tätigkeit hinderlich sein könnte oder diese sogar unmöglich macht. Ob der Ausbildungsbetrieb des Klägers diesem durch eine entgegenkommende Urlaubsgewährung und Gestaltung der Arbeitszeit über die Festtage das Zusammentreffen mit seiner Familie erleichtert und dabei - wie der Kläger meint - seiner Fürsorgepflicht ihm gegenüber entsprochen hat, ist entgegen der Ansicht der Revision bei der Beurteilung der Betriebsbezogenheit der Fahrt vom "dritten Ort" nicht zu berücksichtigen; der Kläger war dadurch nicht in irgendeiner Weise gebunden, den Besuch - wenn überhaupt - in der hier gewählten Weise hinsichtlich des Treffpunktes sowie der räumlichen und zeitlichen Gestaltung der Hin- und Rückfahrt durchzuführen.

Nach alledem waren auf die Revision des Beklagten das angefochtene Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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