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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 18.03.2008
Aktenzeichen: B 2 U 2/07 R
Rechtsgebiete: SGB VII


Vorschriften:

SGB VII § 6 Abs 1 Nr 1
SGB VII § 8 Abs 1 S 1

Entscheidung wurde am 23.10.2008 korrigiert: der Verfahrensgang wurde geändert, Stichworte und ein amtlicher Leitsatz wurden hinzugefügt
Ein freiwillig versicherter Unternehmer, der als ehrenamtliches Vorstandsmitglied seines Berufsverbandes an einer berufsbezogenen Besprechung mit den Vertretern anderer Berufsverbände teilnimmt, steht dabei unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
BUNDESSOZIALGERICHT Im Namen des Volkes Urteil

in dem Rechtsstreit

Az: B 2 U 2/07 R

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 18. März 2008 durch den Vorsitzenden Richter Steege, die Richter Mütze und Dr. Becker sowie die ehrenamtlichen Richter Kleemann und Senske für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 20. Dezember 2006 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 18. August 2004 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor dieses Urteils wie folgt gefasst wird:

Es wird festgestellt, dass der Unfall des Klägers am 22. März 2002 ein Arbeitsunfall ist.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers in allen Rechtszügen zu erstatten.

Gründe:

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Unfall des Klägers am 22. März 2002 ein Arbeitsunfall ist.

Der Kläger betreibt mit Partnern eine Kanzlei der vereidigten Buchprüfer und Steuerberater in R . Für diese selbstständige Tätigkeit besteht bei der Beklagten eine freiwillige Versicherung. Daneben ist der Kläger gewählter Vorstandsvorsitzender des Bundes der vereidigten Buchprüfer (BvB) eV und als solcher ehrenamtlich tätig; er erhält für diese Tätigkeit laut Satzung keine Vergütung, sondern lediglich Auslagenerstattung.

Am 22. März 2002 nahm der Kläger in seiner Eigenschaft als Vorstandsvorsitzender des BvB an einer Besprechung mit Vertretern der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) sowie des Instituts der Wirtschaftsprüfer eV (IDW) in D teil. Auf dem Rückweg nach R stürzte er gegen 17:30 Uhr auf dem Flughafengelände in S und verletzte sich dabei.

Die Beklagte lehnte die Entschädigung des Unfalls vom 22. März 2002 als Arbeitsunfall ab; der Kläger habe bei der zum Unfall führenden Tätigkeit nicht unter Versicherungsschutz gestanden (Bescheid vom 14. August 2002). Der Widerspruch, mit dem der Kläger vortrug, Anlass für den Unfall sei die notwendige Eile im Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit gewesen, weil noch am Unfalltag um 19:30 Uhr eine telefonische Besprechung mit Auftraggebern vereinbart gewesen sei, blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 20. März 2003).

Hiergegen hat der Kläger bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage erhoben. Das SG hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, "den Unfall vom 22.03.2002 als versicherten Arbeitsunfall anzuerkennen und Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach zu gewähren" (Urteil vom 18. August 2004). Der Kläger habe sich zum Zeitpunkt des Unfalls auf einem versicherten Weg befunden, weil seine Teilnahme an der Besprechung in D auch wesentlich seinem Unternehmen gedient habe. Denn Zweck der Zusammenkunft sei die Sicherung der Existenz aller Unternehmen der vereidigten Buchprüfer - und damit mittelbar auch die seines eigenen - gewesen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 20. Dezember 2006). Der Kläger sei weder als noch wie ein Beschäftigter tätig gewesen. Er habe zwar aufgrund seiner freiwilligen Versicherung als Steuerberater grundsätzlich zu dem nach § 6 Abs 1 Nr 1 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) versicherten Personenkreis gehört, seine Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender seines Berufsverbandes sei jedoch nicht Bestandteil seiner versicherten Tätigkeit gewesen. Dabei handele es sich um zwei voneinander unabhängige und inhaltlich unterschiedliche Tätigkeiten, was sich bereits daran zeige, dass die "Steuerprüfertätigkeit" voll ausgeübt werden könne, ohne Vorstandsvorsitzender des Berufsverbandes zu sein; dass dies andersherum nicht möglich sei, weil ein Vorstandsvorsitzender eines Berufsverbandes denknotwendig nur ein Angehöriger der entsprechenden Berufsgruppe sein könne, mache aus der verbandspolitischen Arbeit jedoch keine versicherte berufliche Tätigkeit. Gegenstand der Besprechung in D seien ausschließlich die Zusammenlegung der Berufe des vereidigten Buchprüfers und Wirtschaftsprüfers, die Entwicklung eines gemeinsamen Gesetzentwurfs zur Zusammenführung der beiden Berufe sowie die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Auswirkungen gewesen. Entsprechende Ergebnisse der Gremien der Berufsorganisationen berührten zwar generell die Belange der Mitgliedsbetriebe und daraus ergäben sich auch reflexartig Auswirkungen auf das Unternehmen des Klägers. Maßgeblich sei hier aber, dass der Kläger in seiner Funktion als Vorstandsvorsitzender und nicht als Steuerberater des eigenen Unternehmens aufgetreten sei, er vielmehr den BvB und damit alle diesem zugehörigen Mitgliedsbetriebe repräsentiert habe. Damit habe im Vordergrund seiner Tätigkeit am Unfalltage diejenige als Vorstandsvorsitzender gestanden und seine Handlungstendenz sei wesentlich auf die Wahrnehmung der Verbandsinteressen gerichtet gewesen, wofür er auch vom Verwaltungsrat gewählt worden sei. Die reflexartigen Auswirkungen seiner Vorsitzendentätigkeit stellten keinen Unfallversicherungsschutz begründenden betrieblichen und beruflichen Bezug her. Diese Tätigkeit sei daher dem privaten, persönlichen und eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen.

Auch unter dem Gesichtspunkt einer gemischten Tätigkeit habe kein Versicherungsschutz bestanden, weil die eigenwirtschaftliche Tätigkeit als Vorstandsvorsitzender, in deren Zusammenhang allein die Hin- und Rückreise von und nach D erfolgt sei, klar von seiner Tätigkeit als Steuerberater zu trennen sei. Auch bei Annahme einer gemischten Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt, dass der Kläger auf der Rückfahrt seine Kanzlei erreichen wollte, könne Versicherungsschutz nicht bejaht werden, da die Rückreise von D ohne die eigenwirtschaftliche Tätigkeit nicht erfolgt wäre. Selbst wenn der Weg von D zu seiner Kanzlei als "Hinweg" anzusehen wäre, hätte kein Versicherungsschutz bestanden, weil der Weg von D als "drittem Ort" nach R nicht in einem angemessenen Verhältnis zu dem gewöhnlichen Weg von seiner Wohnung zu seiner Kanzlei in R gestanden hätte. Irrelevant sei schließlich der Vortrag des Klägers, die "betriebsbedingte Eile" habe zu dem Unfall geführt, da er sich nicht auf einem versicherten Weg befunden habe und im Übrigen auch nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts des Zeitraums von mehr als zwei Stunden zwischen der Landung in S und der vereinbarten beruflichen Besprechung sowie der Entfernung von nur 30 bis 40 km zwischen dem Flughafen S und R unter besonderem Zeitdruck gestanden haben solle.

Mit seiner - vom LSG zugelassenen - Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII iVm § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII. Das LSG habe den Anwendungsbereich der versicherten Tätigkeit zu eng gezogen, indem es angenommen habe, es sei für die Annahme einer versicherten Tätigkeit schädlich, wenn im Vordergrund der Tätigkeit die Funktion im Berufsverband stehe und diese nur "reflexartige" Auswirkungen auf die sonstige berufliche Tätigkeit habe. Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) reiche es aus, dass die Tätigkeit nicht nur einen einzelnen Betrieb, sondern die Interessen einer ganzen Betriebsgruppe betreffe und dass sie geeignet sei, sich wenigstens später auf die betriebliche Tätigkeit auszuwirken (Hinweis auf BSG, Urteil vom 22. September 1988 - 2 RU 82/87). Bei der Frage des inneren Zusammenhangs sei auch die besondere Situation zu der Zeit, als er seine Reise unternommen habe, zu berücksichtigen, die er bei seiner Anhörung vor dem LSG deutlich geschildert habe. Von der auch durch das in D abzuhaltende Gespräch zu gestaltenden Entwicklung habe nämlich seine eigene berufliche Fortexistenz und die seiner Praxis abgehangen, da zu gewärtigen gewesen sei, dass seine Praxis keine Prüfungsaufträge mehr erhalten würde, dadurch bereits zu Beginn des Jahres 2005 etwa 50.000 € weniger Einnahmen erzielen könne und so eineinhalb Arbeitsplätze gefährdet würden. Deutlicher könne die Unmittelbarkeit seiner Tätigkeit im Berufsverband nicht markiert werden. Die Feststellungen des LSG, er habe sein Handeln auf die Wahrnehmung von Verbandsinteressen gerichtet und er sei dazu auch vom Verwaltungsrat des BvB gewählt worden, seien offenkundig eigene Vorstellungen des Senats. Tatsächlich habe er - schon nach der Satzung des BvB - die Interessen der Mitglieder wahrzunehmen gehabt und sei gewählt worden, weil er vereidigter Buchprüfer sei.

Entgegen der Auffassung des LSG habe auch betriebsbedingte Eile vorgelegen, weil die Besprechung in R bereits um 19:00 Uhr stattgefunden habe und die Parkgebühr um 17:32 Uhr bezahlt worden sei, mithin nur eineinhalb Stunden bis zur Besprechung zur Verfügung gestanden hätten und er diese Besprechung noch habe vorbereiten müssen. Auch die Erwägung des LSG, D hätte als "dritter Ort" nicht mehr in angemessenem Verhältnis zum normalen Berufsweg gestanden, sei unzutreffend, weil nicht D , sondern der Ausgang des in S gelandeten Flugzeugs als "dritter Ort" zu qualifizieren gewesen wäre, da dann nur der Flug nach D als eigenwirtschaftlich anzusehen wäre, während der Wirkungskreis seiner bloßen Praxistätigkeit als vereidigter Buchprüfer wenigstens den Raum Württemberg umfasse, so dass die Distanz nach S nicht als unverhältnismäßig gelten könne.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des LSG vom 20. Dezember 2006 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG vom 18. August 2004 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

II

Die Revision des Klägers ist begründet. Das LSG hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung der Beklagten zu Unrecht aufgehoben und die Klage abgewiesen. Denn der Unfall, den der Kläger am 22. März 2002 erlitten hat, ist ein Arbeitsunfall, wie das SG zutreffend entschieden hat. Der Bescheid der Beklagten vom 14. August 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. März 2003 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Die auf Anerkennung des Unfalls vom 22. März 2002 als Arbeitsunfall gerichtete Klage ist bei sinnorientierter Auslegung als Anfechtungs- und Feststellungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1 iVm § 55 Abs 1 Nr 1 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG>) aufzufassen, mit der unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide die gerichtliche Feststellung erreicht werden soll, dass der streitige Unfall ein Arbeitsunfall ist (vgl BSG SozR 2200 § 551 Nr 35; SozR 4-2700 § 2 Nr 2 RdNr 4; SozR 4-2700 § 2 Nr 3 RdNr 4-5; SozR 4-2700 § 8 Nr 16 RdNr 10). Soweit die Beklagte im erstinstanzlichen Urteil darüber hinaus verurteilt worden ist, "Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung dem Grunde nach zu gewähren", handelt es sich um ein unzulässiges Grundurteil ohne vollstreckungsfähigen Inhalt, dem neben dem Feststellungsausspruch keine eigenständige Bedeutung zukommt (zu alledem BSG, Urteil vom 30. Januar 2007 - B 2 U 6/06 R -mwN).

Rechtsgrundlage für die Anerkennung des Unfalls des Klägers als Arbeitsunfall ist § 8 SGB VII. Nach § 8 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls, sondern für die Gewährung einer Verletztenrente (BSG, Urteil vom 12. April 2005 - B 2 U 11/04 R = BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, jeweils RdNr 5; BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17).

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist daher in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; BSG SozR 2200 § 548 Nr 82 und 97; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19 und 26). Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich (BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1 mwN; BSGE 61, 127, 128 = SozR 2200 § 548 Nr 84). Innerhalb dieser Wertung stehen bei der Frage, ob der Versicherte zur Zeit des Unfalls eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hat, Überlegungen nach dem Zweck des Handelns mit im Vordergrund (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 19). Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten (BSG SozR 3-2200 § 550 Nr 4 und 17), so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird (BSG SozR 2200 § 548 Nr 90).

Nach den nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffenen und daher für den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG bestand für den Kläger zwar weder im Verhältnis zu seiner Kanzlei noch zum BvB ein Beschäftigungsverhältnis, aufgrund dessen er nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII zur Zeit seines Unfalls am 22. März 2002 versichert gewesen sein könnte. Auch aus dem Gesichtspunkt einer ehrenamtlichen Tätigkeit für eine der in § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII in der zum Unfallzeitpunkt geltenden Fassung des Gesetzes vom 7. August 1996 (BGBl I 1254) genannten Körperschaften, Anstalten oder Stiftungen des öffentlichen Rechts oder deren Verbände bzw öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften oder in § 2 Abs 1 Nr 2 und 8 SGB VII genannten Einrichtungen kommt hier Unfallversicherungsschutz für den Kläger nicht in Betracht, weil der BvB nicht hierunter fällt.

Der Kläger war aber nach den Feststellungen des LSG aufgrund freiwilliger Versicherung als Unternehmer (selbstständiger vereidigter Buchprüfer und Steuerberater) gemäß § 6 Abs 1 Nr 1 SGB VII grundsätzlich gegen Arbeitsunfall versichert. Für die Beantwortung der hier relevanten Frage, ob eine bestimmte Verrichtung im inneren Zusammenhang mit der grundsätzlich versicherten Tätigkeit steht, ist über die oben aufgeführten Kriterien hinaus bei Verrichtungen eines Unternehmers zu beachten, ob sich die jeweilige Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens hält und die zum Unfall führende Verrichtung als solche im Rahmen der unternehmerischen Tätigkeit liegt (BSG SozR 3-2200 § 548 Nr 30; BSGE 87, 224, 225 = SozR 3-2200 § 548 Nr 41; Krasney in Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd 2 Unfallversicherungsrecht, 1996, § 8 RdNr 48).

Dabei helfen allgemeine Überlegungen zu einer "Unternehmensdienlichkeit" des Verhaltens des Versicherten zur Zeit des Unfalls nicht weiter. Gerade bei versicherten Unternehmern ist der Kreis der Verrichtungen, die als "unternehmensdienlich" angesehen werden können, mit weiten Teilen des Privatlebens verwoben; maßgebliches Kriterium für die wertende Entscheidung über den sachlichen Zusammenhang zwischen der grundsätzlich versicherten Tätigkeit und der Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist hier die durch die objektiven Umstände gestützte Handlungstendenz des Versicherten, ob er eine seinem Unternehmen dienende Verrichtung ausüben wollte (stRspr, s etwa zuletzt BSG, Urteil vom 12. Dezember 2006 - B 2 U 28/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 20 mwN ; BSGE 94, 262 = SozR 4-2700 § 8 Nr 14, jeweils RdNr 8 mwN).

Nach den bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG ist der Kläger am 22. März 2002 auf der Rückreise von einer Besprechung in D , die er als Vorstandsvorsitzender des BvB unternommen hatte, gestürzt und hat sich dabei verletzt. Dass diese unfallbringende Verrichtung nach den Vorstellungen des Klägers seiner versicherten Tätigkeit als selbstständiger vereidigter Buchprüfer und Steuerberater zu dienen bestimmt war (Handlungstendenz), ist weder vom LSG noch von der Beklagten bezweifelt worden. Für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einem Unternehmen ist indes entscheidend nicht auf die subjektiven Vorstellungen des Unternehmers abzustellen; maßgeblich ist vielmehr eine objektive Betrachtungsweise dahin, ob ein anhand objektiver Kriterien nachvollziehbarer Zusammenhang mit dem Unternehmen anzunehmen ist (vgl BSG SozR 2200 § 548 Nr 90).

Entgegen der Ansicht der Beklagten und des LSG lagen diese Voraussetzungen für die Reise des Klägers nach D (und zurück) vor; sie fiel damit in den Bereich seiner unternehmerischen Tätigkeit. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG können Beschäftigte und Unternehmer gleichermaßen unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen, wenn sie in der eigenen Berufsorganisation mitarbeiten oder nur an einzelnen Veranstaltungen teilnehmen, sofern dies dem Unternehmen dient, in dem der Mitarbeiter bzw Teilnehmer als Versicherter tätig ist (s etwa BSG SozR 2200 § 539 Nr 129; BSGE 42, 36, 37 = SozR 2200 § 539 Nr 19; BSGE 30, 282, 283 = SozR Nr 19 zu § 548 RVO; BSGE 30, 284, 286 = SozR Nr 16 zu § 548 RVO; Krasney in Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Bd III, Gesetzliche Unfallversicherung - SGB VII -, Stand September 2006, § 8 RdNr 117 mwN).

Bei einem versicherten Unternehmer wie dem Kläger ist im hier relevanten Zusammenhang die betriebsfördernde Bedeutung der Mitarbeit in dem Berufsverband für die Führung des eigenen Unternehmens maßgebend (vgl BSGE 30, 282, 283 = SozR aaO und 284, 287 = SozR aaO; BSG SozR 2200 § 539 Nr 129 mwN). Dabei muss es entsprechend der wirtschaftlichen Entwicklung, die in vielen Bereichen zu einem Zusammenschluss von Unternehmen bzw Freiberuflern mit gleichem oder ähnlichem Geschäftsgegenstand zur effektiveren Geltendmachung ihrer spezifischen Interessen insbesondere im Hinblick auf die Reaktion gegenüber staatlichen Maßnahmen bzw die Anregung für die Vornahme von solchen geführt hat, ausreichen, dass die Vorgänge nicht nur den eigenen Betrieb allein, sondern die Interessen einer ganzen Betriebsgruppe bzw Gruppe von Freiberuflern betreffen und dass sie geeignet sind, sich wenigstens später in irgendeiner Weise auf die betriebliche Tätigkeit nützlich auszuwirken (vgl BSG SozR 2200 § 539 Nr 129 mwN; Krasney aaO mwN).

Der Berufsverband BvB, für den der Kläger als Unternehmer und Angehöriger der darin organisierten Berufsgruppe ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzender tätig gewesen ist, war offenkundig auf die Wahrnehmung der Interessen der Mitglieder bzw Mitgliedsbetriebe ausgerichtet, da nur Angehörige des Berufes der vereidigten Buchprüfer als Mitglieder zugelassen waren. Bereits von daher könnte eine Vermutung dafür sprechen, dass Tätigkeiten, die ein Vorstandsmitglied dieses Verbandes - zumal mit der Qualifikation des Klägers - im Rahmen von dessen berufsbezogenen Aufgaben vornimmt, also nicht lediglich geselliger, gesellschaftlicher oder allgemeinpolitischer Natur ist, in irgendeiner Weise früher oder später für zumindest einen Teil der Mitgliedsbetriebe von Bedeutung sein wird.

Im vorliegenden Fall bedarf es einer solchen Vermutung indes nicht. Denn hinsichtlich des konkreten Anlasses für die Reise des Klägers nach D und zurück hat das LSG bindend (§ 163 SGG) festgestellt, Gegenstand der dortigen Besprechung seien ausschließlich die Zusammenlegung der Berufe des vereidigten Buchprüfers und Wirtschaftsprüfers, die Entwicklung eines gemeinsamen Gesetzentwurfs zur Zusammenführung der beiden Berufe sowie die damit zusammenhängenden wirtschaftlichen Auswirkungen gewesen. Es ist kaum ein anderes Thema vorstellbar, das wie dieses geeignet war, die Interessen aller Mitgliedsbetriebe - und damit auch den des Klägers selbst - spürbar zu berühren und ggf später ihnen gegenüber auch konkrete wirtschaftliche Bedeutung zu entfalten, da die möglichen Tätigkeitsbereiche der Betriebe und damit die Einnahmequellen dadurch offensichtlich erheblich beeinflusst werden konnten. Dass ein solcher Einfluss lediglich "reflexartig" auf das Unternehmen des für den Berufsverband handelnden Vorstandsmitglieds einzuwirken vermag, liegt in der Natur einer interessenorientierten Berufsverbandsarbeit, die regelmäßig versucht, Einfluss auf die entscheidenden Stellen oder andere Berufs- oder Unternehmensgruppen im Sinne der Anregung von Maßnahmen zu nehmen, oder die bemüht ist, durch Vereinbarungen die Bedingungen für die Mitglieder zu verbessern oder gegen negative Einwirkungen zu schützen. Auswirkungen aus solchen Aktivitäten werden in aller Regel die Mitgliedsbetriebe nur mittelbar - was offenbar mit dem vom LSG gebrauchten Ausdruck "reflexartig" gemeint ist - berühren, was allerdings durchaus zu spürbaren Veränderungen für die unternehmerischen Möglichkeiten führen kann.

Der von der Beklagten als Argument für ihre Ansicht angeführte Referentenentwurf zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen, nach dem § 2 Abs 1 Nr 10 SGB VII unter Buchst c) dahin erweitert werden sollte, dass Personen, die in Verbandsgremien und Kommissionen für Arbeitgeberorganisationen und Gewerkschaften sowie anderen selbstständigen Arbeitnehmervereinigungen mit sozial- oder berufspolitischer Zielsetzung ehrenamtlich tätig sind oder an Ausbildungsveranstaltungen für diese Tätigkeit teilnehmen, in den Unfallversicherungsschutz einbezogen werden, wurde nicht Gesetz. Stattdessen wurde für die genannten Personen durch das Gesetz zur Verbesserung des unfallversicherungsrechtlichen Schutzes bürgerschaftlich Engagierter und weiterer Personen vom 9. Dezember 2004 (BGBl I 3299) nicht eine Pflichtversicherung, sondern eine freiwillige Versicherung geschaffen (vgl § 6 Abs 1 Nr 4 SGB VII). Dies führt zu keiner anderen Beurteilung der hier entscheidungserheblichen Rechtsfrage, denn daraus ist lediglich zu ersehen, dass der Gesetzgeber die für die angeführten Organisationen ehrenamtlich tätigen Personen umfassend und unabhängig von einer sachlichen Verbindung ihrer dortigen konkreten Tätigkeit zu einer bereits aufgrund anderer grundsätzlich versicherter Tätigkeiten - etwa einer freiwilligen Versicherung als Unternehmer - auf freiwilliger Basis in die Unfallversicherung einbeziehen will; es soll danach nicht einmal erforderlich sein, dass die jeweilige ehrenamtliche Tätigkeit irgendeinen Bezug zum beruflichen Umfeld der betreffenden Person hat. Demgemäß kann daraus nicht geschlossen werden, dass grundsätzlich etwa vom mangelnden Unfallversicherungsschutz der nach § 2 Abs 1 Nr 1 SGB VII oder § 6 SGB VII aF Versicherten, die im Rahmen der bisherigen, oben aufgezeigten Rechtsprechung des BSG bei bestimmten, mit ihrer versicherten beruflichen Tätigkeit im inneren Zusammenhang stehenden Tätigkeiten in Berufsorganisation oder -verbänden mitarbeiten, ausgegangen wurde.

Da der Kläger im Rahmen der demnach grundsätzlich versicherten Tätigkeit als Steuerberater und vereidigter Buchprüfer auf einer dieser Tätigkeit zuzurechnenden Dienstreise als Vorstandsvorsitzender des BvB bei einer betriebsdienlichen Verrichtung - dem Zurücklegen des Weges vom Ort des Geschäfts zurück zum Sitz seines Unternehmens - verunglückte und sich dabei Verletzungen zuzog, sind die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall sämtlich erfüllt.

Nach alledem war auf die Revision des Klägers das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das zusprechende Urteil des SG zurückzuweisen. Lediglich der Tenor des - nunmehr rechtskräftigen - erstinstanzlichen Urteils war zur Klarstellung neu zu fassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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