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Beginn der Entscheidung

Gericht: Bundessozialgericht
Urteil verkündet am 10.08.1999
Aktenzeichen: B 2 U 22/98 R
Rechtsgebiete: RVO


Vorschriften:

RVO § 788
Die Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch die landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft bindet den Träger der allgemeinen Unfallversicherung.
BUNDESSOZIALGERICHT IM NAMEN DES VOLKES URTEIL

in dem Rechtsstreit

Az: B 2 U 22/98 R

Landwirtschaftliche Berufsgenossenschaft Rheinland-Pfalz, Theodor-Heuss-Straße 1, 67346 Speyer,

Klägerin und Revisionsklägerin,

Prozeßbevollmächtigte:

vom

Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften, Weißensteinstraße 70-72, 34131 Kassel,

gegen

Südwestliche Bau-Berufsgenossenschaft, Steinhäuser Straße 10, 76135 Karlsruhe,

Beklagte und Revisionsbeklagte,

beigeladen:

Prozeßbevollmächtigte:

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat ohne mündliche Verhandlung am 10. August 1999 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Burchardt, die Richter Thiele und Mütze sowie die ehrenamtlichen Richter Gehrken und Hanel

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. November 1997 aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 18. Oktober 1996 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen auch im Berufungs- und Revisionsverfahren zu tragen. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Streitig ist, ob die Beklagte der Klägerin zur Erstattung von Leistungen, die sie an den beigeladenen Versicherten wegen eines von ihr anerkannten Arbeitsunfalls erbracht hat, im Wege des Lastenausgleichs gemäß § 788 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verpflichtet ist.

Der Beigeladene ist als Maurerpolier beschäftigt. Am 24. Juli 1992 half er seinem Schwager Erich H. (H) in dessen landwirtschaftlichem Nebenerwerbsbetrieb bei der Getreideernte. Dabei erlitt er einen Verkehrsunfall, bei dem er sich erhebliche Verletzungen zuzog. Die Klägerin erkannte diesen Unfall später gegenüber dem Beigeladenen durch bestandskräftigen Bescheid vom 3. Mai 1996 als Arbeitsunfall an. Sie hatte die Beklagte zuvor mit Schreiben vom 15. März 1993 um Mitteilung gebeten, ob sie als Trägerin der allgemeinen Unfallversicherung dem Grunde nach eine Lastenverteilung nach § 788 RVO und den Jahresarbeitsverdienst des Beigeladenen von 39.157,38 DM anerkenne. Sie gehe davon aus, daß der Beigeladene wie ein Arbeitnehmer und nicht lediglich im Rahmen einer verwandtschaftlichen Gefälligkeit für H tätig geworden sei. Nachdem die Beklagte dies abgelehnt hatte, weil der Beigeladene nicht unter Versicherungsschutz gestanden und daher keinen Arbeitsunfall erlitten habe, machte die Klägerin geltend, die Feststellung eines Arbeitsunfalls sei allein ihre Angelegenheit und erhob Klage bei dem Sozialgericht Speyer (SG).

Das SG hat die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin wegen des Unfalls des Beigeladenen vom 24. Juli 1992 Lastenausgleich zu leisten (Urteil vom 18. Oktober 1996). Der Beigeladene habe einen Arbeitsunfall erlitten, weil er wie ein Arbeitnehmer tätig geworden sei. Auf die Frage, ob die Beklagte an den während des erstinstanzlichen Verfahrens ergangenen Bescheid der Klägerin vom 3. Mai 1996 gebunden sei, komme es daher nicht an.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen (Urteil vom 7. November 1997). Die Beklagte habe im Rahmen des die Erstattung regelnden § 788 RVO ein Prüfungsrecht, ob die Klägerin den Unfall zu Recht als Arbeitsunfall anerkannt habe. Denn zu den Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift gehöre es, daß ein Versicherungsfall im Zuständigkeitsbereich einer landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft (BG) eingetreten sei. Die Beklagte sei daher an die Feststellung des Versicherungsfalls durch die Klägerin nicht gebunden. § 788 RVO setze nämlich nicht nur voraus, daß der Verletzte im Unfallzeitpunkt bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung versichert sein müsse, der Verletzte eine vorübergehende Beschäftigung in der Landwirtschaft ausgeübt habe und Leistungen an den Verletzten über diejenigen Leistungen hinausgingen, die für einen mit gleichen Arbeiten dauernd in der Landwirtschaft Beschäftigten zu erbringen wären. Als weitere Voraussetzung müsse vielmehr noch die Verletzung in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dieser vorübergehenden Beschäftigung eingetreten sein; dies sei neben den übrigen Voraussetzungen die Rechtfertigung für den Erstattungsanspruch des Trägers der landwirtschaftlichen Unfallversicherung. Es ergäbe keinen Sinn, die Erstattungspflicht des Trägers der allgemeinen Unfallversicherung nur daran zu knüpfen, daß eine vorübergehende Tätigkeit in der Landwirtschaft vorgelegen habe, ohne gleichzeitig den Eintritt eines Versicherungsfalls vorauszusetzen. Der Gesetzgeber habe dem in der Gesetzesneufassung des § 175 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) Rechnung getragen und dort ausdrücklich das Erleiden eines Versicherungsfalls als Tatbestandsmerkmal normiert. Da diese Neufassung nach der Gesetzesbegründung geltendem Recht entspreche, stütze dies die vom LSG vertretene Auslegung des § 788 RVO (authentische Interpretation). Die Beklagte mache zu Recht geltend, daß der Beigeladene nicht wie ein Arbeitnehmer tätig geworden sei, da seine Hilfeleistung nach dem Gesamtbild am Unfalltage ihr Gepräge aus der verwandtschaftlichen Beziehung bezogen habe.

Mit ihrer - vom Senat zugelassenen - Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Ihre Entscheidung gegenüber dem Versicherten binde den Träger der allgemeinen Unfallversicherung bei der Geltendmachung von Erstattungsansprüchen. Normzweck des § 788 RVO sei es, den Mehraufwand der landwirtschaftlichen Unfallversicherung für die Entschädigung von Versicherten, die hauptberuflich im gewerblichen Bereich Einkünfte erzielten und daher höhere Leistungen erhielten als ausschließlich in der Landwirtschaft Beschäftigte, im Wege eines Erstattungsanspruchs besonderer Art auszugleichen. Dieser Normzweck könne nur dann erreicht werden, wenn der in Anspruch genommene Träger der allgemeinen Unfallversicherung die grundsätzliche Entscheidung der landwirtschaftlichen BG über das Vorliegen eines Arbeitsunfalls akzeptiere; hinsichtlich dieser Voraussetzung sei daher der Regelung in § 788 RVO gegenüber dem Träger der allgemeinen Unfallversicherung Tatbestandswirkung beizumessen. Dies erscheine auch aus sachlichen Gründen notwendig. Die besonderen Umstände in der Landwirtschaft und die damit verbundene besondere Ausgestaltung der Rechtsvorschriften über den Versicherungsschutz setzten eine besondere Sachkunde voraus. Auch unter dem Gesichtspunkt der möglichst sparsamen Mittelverwendung wäre es nicht zu vertreten, daß sich der Träger der allgemeinen Unfallversicherung diese Sachkunde aneigne; die fehlende Sachkunde aber würde zu einem unbefriedigenden Ansteigen der Gerichtsverfahren führen. Die allgemeine Unfallversicherung bedürfe auch nicht deshalb eines besonderen Schutzes, weil die landwirtschaftliche BG zu Lasten eines anderen Leistungsträgers willkürlich entscheiden würde, da der Erstattungsanspruch nur einen Teil der von ihr zu erbringenden Leistung betreffe. Wenn der Gesetzgeber bereits bezüglich der sonstigen Feststellungen des Trägers der landwirtschaftlichen Unfallversicherung Tatbestandswirkung eintreten lasse, so sei es völlig unverständlich, warum der erstattungspflichtige Unfallversicherungsträger berechtigt sein solle, die Grundlage dieser Entscheidungen anzugreifen. Entgegen der Ansicht des LSG lasse sich aus der Gesetzesbegründung zu § 175 des Sozialgerichtsgesetzes <SGG> ("entspricht dem geltenden Recht") eine "authentische Gesetzesinterpretation" des § 788 RVO nicht herleiten. Die Begründung zum Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG) enthalte an vielen Stellen eine entsprechende Aussage, obwohl teilweise offensichtliche Abweichungen von Vorschriften der RVO festzustellen seien. Ob § 175 SGB VII dem § 788 RVO vollständig entspreche, was ihrer Überzeugung nach zutreffe, könne deshalb dahinstehen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 7. November 1997 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 18. Oktober 1996 zurückzuweisen,

hilfsweise,

das Urteil des Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Der Beigeladene hat sich den Ausführungen der Klägerin in vollem Umfang angeschlossen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil gemäß § 124 Abs 2 SGG einverstanden erklärt.

II

Die Revision der Klägerin ist begründet. Die Beklagte ist entgegen der Ansicht des LSG im Rahmen des Lastenausgleichs nach § 788 RVO verpflichtet, ihre Mehraufwendungen wegen des Unfalls des Beigeladenen vom 24. Juli 1992 nach Maßgabe dieser Vorschrift zu erstatten.

Der Anspruch der Klägerin richtet sich noch nach den Vorschriften der RVO, weil der von ihr geltend gemachte Erstattungsanspruch sich auf einen Arbeitsunfall bezieht, der vor dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 eingetreten ist (Art 36 UVEG, § 212 SGB VII).

Nach § 788 RVO hat bei Unfällen von Personen, die vorübergehend in der Landwirtschaft tätig, in ihrer hauptberuflichen Tätigkeit aber bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung versichert sind, dieser der landwirtschaftlichen BG die Leistungen zu erstatten, die über das hinausgehen, was für einen mit gleichen Arbeiten dauernd in der Landwirtschaft Beschäftigten zu leisten ist. Diese Voraussetzungen für die Erstattungspflicht der Beklagten sind gegeben.

Die Klägerin ist nach den bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG die für das landwirtschaftliche Unternehmen des H zuständige BG, die Beklagte der Träger der allgemeinen Unfallversicherung, bei dem der Beigeladene in seiner hauptberuflichen Tätigkeit im Zeitpunkt des Unfalls versichert war. Der Beigeladene ist auch bei einer iS des § 788 RVO vorübergehenden Tätigkeit in der Landwirtschaft verunglückt. Da er nach den Feststellungen des LSG lediglich zwei- bis dreimal im Jahr im Betrieb des H half, waren jedenfalls 21 Tage in dem Jahr vor dem Unfall, die nach der Rechtsprechung des Senats ohne Rücksicht auf die tägliche Arbeitsdauer noch als vorübergehende Tätigkeit anzusehen sind (BSGE 47, 137, 139 = SozR 2200 § 573 Nr 9; SozR 3-2200 § 788 Nr 1), nicht überschritten.

Es kann dahingestellt bleiben, ob der Beigeladene - wie die Klägerin und das SG meinen - bei dem Unfall wie ein Arbeitnehmer nach § 539 Abs 2 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO für H tätig war und damit unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stand oder ob es sich - entsprechend der von der Beklagten und dem LSG vertretenen Ansicht - bei der Erntehilfe des Beigeladenen für seinen Schwager H lediglich um eine (unversicherte) Gefälligkeitsleistung unter Verwandten handelte; dies gilt auch für die Frage, ob die konkrete Tätigkeit, bei der sich der Unfall ereignete, im inneren Zusammenhang mit der möglicherweise versicherten Erntehilfe stand und ob hier uU der Versicherungsschutz wegen des nach den Feststellungen des LSG erheblichen Alkoholeinflusses, unter dem der Beigeladene im Unfallzeitpunkt stand, ausgeschlossen war. Denn die Beklagte ist an die Anerkennung des Arbeitsunfalls gegenüber dem Beigeladenen durch die Klägerin gebunden; ihr steht insoweit kein eigenes Prüfungsrecht zu.

Der 8. Senat des BSG hat bereits in seinem Urteil vom 24. Februar 1977 - 8 RU 56/76 - (SozR 2200 § 788 Nr 2) zum Ausdruck gebracht, daß dem nach § 788 RVO in Anspruch genommenen Träger der allgemeinen Unfallversicherung ein Prüfungsrecht hinsichtlich der speziellen Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift, also "vorübergehende Beschäftigung in der Landwirtschaft", "bei einem Träger der allgemeinen Unfallversicherung versicherte hauptberufliche Tätigkeit", "dafür zuständiger Träger" und "Hinausgehen der Leistungen über die für einen mit gleichen Arbeiten dauernd in der Landwirtschaft Beschäftigten zu erbringenden Leistungen" zusteht, der Vorschrift aber nichts dafür zu entnehmen ist, daß ihm noch ein weiteres Prüfungsrecht zustehen sollte. Er hat vielmehr die sonstigen Feststellungen der landwirtschaftlichen BG, die diese durch Verwaltungsakte gegenüber dem Verletzten zB hinsichtlich der Verletzungsfolgen, der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) und der Dauer der Verletztenrente getroffen hat, hinzunehmen. Daß insoweit eine Bindung des Trägers der allgemeinen Unfallversicherung besteht, ist in Rechtsprechung und Literatur wohl auch einhellig anerkannt (vgl Brackmann/Burchardt, Handbuch der Sozialversicherung, 12. Aufl, SGB VII, § 175 RdNr 18 mwN).

Allerdings hat der 8. Senat in seinem Urteil vom 24. Februar 1977 (aaO) die - dort nicht entscheidungserhebliche - Frage der Bindung des Trägers der allgemeinen Unfallversicherung an die Anerkennung eines Arbeitsunfalls durch die landwirtschaftliche BG ausdrücklich offengelassen. Diese Frage ist nach wie vor in Rechtsprechung und Literatur umstritten (bejahend: KassKomm-Ricke, § 788 RVO RdNr 7 und § 175 SGB VII RdNr 7; Kater/Leube, SGB VII, § 175 RdNr 9; Mell in Schulin, HS-UV, § 70 RdNr 207; SG Stuttgart, Urteil vom 16. August 1974 - S 3 U 266/73 - = Lauterbach, UV-Kartei Nr 9548 zu § 788 RVO; ablehnend: Hessisches LSG, Urteil vom 14. Februar 1973 - L 3/U 229/69 - = HVBG-Rdschr VB 136/73; Freischmidt in Hauck, SGB VII, K § 175 RdNr 8; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl, § 788 RVO Anm 6d; Wolber, SozVers 1992, 75, 76).

Der Senat schließt sich in Fortführung der Entscheidung des 8. Senats vom 24. Februar 1977 (aaO) der eine Bindungswirkung annehmenden Auffassung an. Die dort für eine Bindung des Trägers der allgemeinen Unfallversicherung hinsichtlich der sonstigen oben genannten Voraussetzungen weiter angeführten Gesichtspunkte (Fehlen von Vorschriften über eine Zustimmung oder sonstige Beteiligung des anderen Unfallversicherungsträgers, Gleichrangigkeit der landwirtschaftlichen und der nicht landwirtschaftlichen Unfallversicherungsträger, das der landwirtschaftlichen BG verbleibende Recht zur Gestaltung des Verwaltungsverfahrens nach ihren Vorstellungen und ein ihr zustehender angemessener Beurteilungsspielraum) sprechen in gleicher Weise für eine Bindung an die Feststellung des Versicherungsfalls durch die landwirtschaftliche BG. Dieses Merkmal hat keine andere Rechtsqualität als die genannten sonstigen Voraussetzungen; es betrifft wie diese die Grundfragen der Entschädigung und ihres Umfangs, deren Entscheidung in die alleinige Zuständigkeit des mit dem Arbeitsunfall als solchem ausschließlich befaßten Trägers der landwirtschaftlichen Unfallversicherung fällt (vgl KassKomm-Ricke, § 788 RVO RdNr 7). Diese - durch Verwaltungsakt getroffene - Entscheidung ist Grundvoraussetzung für die Anwendung des § 788 RVO; bei Vorliegen auch der dort genannten speziellen Voraussetzungen entsteht der Erstattungsanspruch der landwirtschaftlichen BG, ohne daß es weiterer Rechtshandlungen bedarf. Ob - wie der 8. Senat in der oa Entscheidung zu erwägen gibt - durch die Verwendung des Begriffs "der Verletzte" das Vorliegen eines Arbeitsunfalls als Voraussetzung des Erstattungsanspruchs gemäß § 788 RVO oder - wie etwa das LSG meint - dies als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dieser Vorschrift anzusehen ist, ist für die Frage der Bindung unerheblich. Die Bindung folgt vielmehr aus der vorgegebenen Struktur der gesetzlichen Anspruchsgrundlage, die deutlich zwischen den selbstverständlichen Grundvoraussetzungen für den Anspruch und den speziellen Voraussetzungen für die Erstattung unterscheidet, sowie aus Sinn und Zweck der Erstattungsregelung des § 788 RVO. Dieser besteht darin, bei gleichzeitiger Versicherung durch eine hauptberufliche Tätigkeit die landwirtschaftliche BG von den besonderen Belastungen freizuhalten, die ihr im Falle eines Arbeitsunfalls durch die vorübergehende Tätigkeit berufsfremder Personen dadurch entstehen, daß der Träger der allgemeinen Unfallversicherung die von den bei ihm versicherten Unternehmern zu zahlenden Umlagen nach den höheren Arbeitseinkommen der Versicherten erhält und diese nunmehr zu höheren Leistungen der landwirtschaftlichen BG an den Verletzten führen, als diese sonst gewähren müßte und die nicht durch entsprechende Beiträge ihrer landwirtschaftlichen Mitgliedsunternehmen abgedeckt sind (BSG SozR 2200 § 788 Nr 3 mwN). Die Erreichung dieses Zweckes würde erheblich in Frage gestellt, wenn der Träger der allgemeinen Unfallversicherung auch Grund und Höhe der Entschädigung überprüfen und die Erstattung unter Hinweis auf seine abweichende Auffassung verweigern könnte. In einem solchen Fall bliebe die landwirtschaftliche BG möglicherweise mit den ihr entstandenen besonderen Belastungen ohne den vom Gesetzgeber vorgesehenen Ausgleich.

Die Erreichung des gesetzgeberischen Zwecks der Lastenausgleichsregelung kann bei der bestehenden gegliederten Unfallversicherung nur dadurch sichergestellt werden, daß eine Bindung an die von der landwirtschaftlichen BG anerkannte und durchgeführte Entschädigung des Verletzten angenommen wird. Nur so wird erreicht, daß lediglich die speziellen Voraussetzungen für den Lastenausgleich, nicht aber die damit auszugleichenden Belastungen, die der landwirtschaftlichen BG entstehen, bei der Auseinandersetzung im Streit stehen können. Daß damit auch möglicherweise objektiv zu Unrecht gewährte Leistungen, die freilich auch zu den betreffenden Mehraufwendungen bei der landwirtschaftlichen BG führen, auszugleichen sind, ist vom Gesetzgeber offenbar in Kauf genommen worden. Er mußte weder annehmen, daß die landwirtschaftlichen BGen bei der Gewährung von Unfallversicherungsleistungen ungleich großzügiger verfahren würden als andere Unfallversicherungsträger, noch besteht ein Erfahrungssatz, daß landwirtschaftliche BGen dazu neigten, von § 788 RVO in mißbräuchlicher Weise Gebrauch zu machen (vgl Urteil des 8. Senats vom 24. Februar 1977 <aaO>); dies liegt schon deshalb nicht nahe, weil sie auf diese Weise nicht ihre gesamten Aufwendungen für die Entschädigung eines Arbeitsunfalls, sondern nur die in § 788 RVO bezeichneten Mehraufwendungen von sich abwälzen können.

Daß ein Verwaltungsakt - wie etwa der Anerkennungsbescheid gegenüber einem Verletzten - grundsätzlich nur unter den konkret Beteiligten, zu denen der Träger der allgemeinen Unfallversicherung nicht gehören würde, Bindungswirkung nach § 77 SGG entfalten kann, steht nicht entgegen, weil sich die Bindung des Trägers der allgemeinen Unfallversicherung nicht daraus, sondern aus § 788 RVO in der dargelegten Auslegung ergibt. Ob es sich bei dieser Bindung um eine "Tatbestandswirkung" (so KassKomm-Ricke, § 788 RVO RdNr 7) handelt, kann dahingestellt bleiben.

Aus der Neufassung der Vorschrift durch § 175 SGB VII iVm der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 263/95 zu § 175), nach der diese "dem geltenden Recht (§ 788 RVO)" entsprechen soll, folgt nichts anderes. Dem Umstand, daß dort der "Versicherungsfall" ausdrücklich (als Voraussetzung für den Erstattungsanspruch) aufgeführt ist, während dies in § 788 RVO durch den Hinweis auf den "Verletzten" weniger deutlich geschieht, ist kein Anhaltspunkt für einen Willen des Gesetzgebers zu entnehmen, dem Träger der allgemeinen Unfallversicherung insoweit ein eigenes Prüfungsrecht einzuräumen. Damit wird lediglich die selbstverständliche Grundvoraussetzung des Erstattungsanspruchs - Vorliegen eines entschädigungspflichtigen Arbeitsunfalls - genannt; für die Anordnung oder Ablehnung einer Bindungswirkung im hier streitigen Sinne besagt es nichts.

Nach alledem war das Urteil des LSG auf die Revision der Klägerin aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht nach § 193 SGG.

Ende der Entscheidung

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